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Die Tür öffnete sich uns Marisa trat zuerst ein, gefolgt von zwei Stylistinnen, die alle Utensilien für mein Haar und Make-up mit sich trugen. Marisa, wie immer streng und kontrolliert, musterte mich mit ihrem üblichen, undurchdringlichen Blick. Ihre Anwesenheit verstärkte das beklemmende Gefühl, als hätte ich selbst in diesem kleinen Raum keine Sekunde der Privatsphäre mehr.
Sie verschränkte die Arme und stellte sich in die Ecke des Badezimmers, ihre Augen unablässig auf mich gerichtet. Das Gewicht ihres prüfenden Blicks ließ meine Anspannung sofort zurückkehren. Die Stylistinnen taten ihre Arbeit in einem professionellen Schweigen, als wäre meine Vorbereitung eine Routine. Doch Marisas Gegenwart machte mir klar, dass nichts davon zufällig oder beiläufig war.
Während eine Stylistin begann, mein Haar zu flechten und die andere Make-up auf mein Gesicht auftrug, behielt Marisa mich die ganze Zeit im Auge. Kein Lächeln, kein Zeichen von Empathie.
Nachdem ich aus dem Badezimmer ins Schlafzimmer zurückgeführt worden war, begann die eigentliche Prozedur. Die Stylistinnen umschwärmten mich, jede in ein anderes Detail vertieft. Das Hochzeitskleid, das mir bereits vom der Schneiderin angepasst worden war, wurde soeben erneut geprüft und mit geübten Händen fest zugeschnürt. Ich spürte, wie die enge Schnürung meine Atmung flacher werden ließ, doch es schien keinen Raum für Einwände zu geben.
Während ich in den Spiegel blickte, fiel mein Blick auf die dargebotenen Frühstückstabletts auf einem kleinen Beistelltisch - eine Auswahl an Speisen, die reich und verschwenderisch wirkte, von Früchten über Gebäck bis hin zu exquisiten kleinen Häppchen, die wie für eine festliche Zeremonie angerichtet waren. Es hätte ein Moment der Ruhe sein können, ein letzter Augenblick, um etwas Normalität zu spüren. Doch Marisa trat ohne ein Zögern heran, warf einen einzigen kühlen Blick auf das Tablett und wischte die Bedeutung der Mahlzeit mit einem einzigen Satz weg: "Frühstück ist überbewertet."
Ich spürte, wie sich mein Magen zusammenzog, ein leeres, flaues Gefühl in mir, doch meine Bedürfnisse schienen für niemanden von Interesse. Die Stylistinnen ließen keinen Moment der Pause, umarmten mich in ihr leises, fast mechanisches Arbeiten, während Marisa mit verschränkten Armen in einer Ecke stand und mich mit unnachgiebigem Blick überwachte. Es war, als würde selbst der Hunger als Schwäche gesehen, als ein Hindernis im sorgfältig geprobten Ablauf des Tages.
Mit einer Mischung aus kühler Präzision und emotionaler Distanz begannen die Stylistinnen, meinen Schmuck anzulegen. Ein schwerer Anhänger, funkelnde Ohrringe, ein Armband, das kühl und glatt auf meinem Handgelenk lag. Jedes Stück schien wie ein weiteres Stück Gewicht, das mich an diesen Ort und diesen Tag fesselte. Die Ohrringe glitzerten kalt im Licht und zogen an meinen Ohrläppchen, während ich fühlte, wie das Collier sich eng um meinen Hals legte. Es war, als ob jedes Detail sorgfältig gewählt worden wäre, um mich nicht nur schön, sondern auch unnahbar und wie eine lebendige Statue erscheinen zu lassen.
Während die Stylistinnen weitermachten, ging mein Blick immer wieder zu dem vernachlässigten Frühstückstablett. Ein Sinnbild dafür, wie wenig es bedeutete, was ich wollte oder brauchte - als wäre meine Stimme, mein Körper, mein Wille irrelevant im großen Spiel des heutigen Tages. Jeder Bissen, der hätte stärken können, wurde ignoriert, jede Geste der Fürsorge übergangen. Nur die kalte Perfektion war von Bedeutung.
Als die Stylistinnen ihre Arbeit abschlossen, konnte ich kaum glauben, wie fremd mir das Spiegelbild vorkam, das mich jetzt anstarrte. Das Kleid schien wie eine zweite Haut, doch es war so eng, dass es mehr ein Panzer war als eine Feierlichkeit. Die funkelnden Juwelen und das tadellose Make-up machten mich zu einer Art Porzellanpuppe, wunderschön und zugleich unnahbar, ein sorgfältig inszeniertes Bild, das keine Schwäche und keine Gefühle zeigen durfte.
Ich versuchte, tief durchzuatmen, doch die Schnürung des Kleides und der schwere Schmuck ließen nur wenig Raum für einen vollen Atemzug. Alles war perfekt - bis ins kleinste Detail geplant, so wie Marisa es mit ihrer kontrollierten Strenge offenbar hatte beaufsichtigen müssen. Marisa, die immer noch mit verschränkten Armen am Rand des Raumes stand, schien genau zu wissen, wie sehr diese Fassade meine echte Person verbergen sollte.
Mein Blick wanderte kurz zum Frühstückstablett, das immer noch unberührt auf dem kleinen Beistelltisch stand. Die Speisen, die einst appetitlich erschienen waren, wirkten soeben wie eine seltsame Dekoration, als ob selbst das Frühstück nur ein Teil des Bühnenbildes war.
"Wir sind fast fertig", verkündete eine der Stylistinnen mit einem kühlen, sachlichen Ton. Ich nickte stumm. Jeder Moment in diesem Schlafzimmer fühlte sich an wie ein weiterer Schritt in Richtung Unausweichlichkeit, jeder Griff, jede Berührung der Stylistinnen und der Schmuck ein weiterer Ausdruck der Kontrolle, die Luis über diesen Tag und letztlich über mich beanspruchte.
Marisa trat schließlich an meine Seite, prüfte mit kritischem Blick noch einmal jedes Detail meines Outfits, als ob sie sicherstellen wollte, dass es keinen Makel gab. Es gab kein Wort des Trostes, kein Anzeichen von Menschlichkeit, nur den flüchtigen Ausdruck kalter Zufriedenheit in ihrem Gesicht.
"Wir sollten fahren. Die Gäste sind schon eingetroffen", demzufolge führte siw mich wortlos durch die stille Villa, meine Schritte hallten auf dem Marmorboden, während mein Herz mit jedem Schritt schneller zu schlagen begann. Ich wusste nicht einmal, wohin sie mich bringen würde, nur, dass der Ort meiner Vermählung mit Luis mir ebenso fremd war wie die Menschen, die diese Heirat ohne mein Einverständnis unterstützten. Der Tag war wie ein finsterer Vorhang und hinter ihm wartete nichts als die Ungewissheit.
Draußen wartete bereits ein glänzender, schwarzer Wagen, der wie ein Mahnmal der Eleganz und Kälte wirkte. Marisa öffnete mir die Tür und wartete, bis ich mich mit einem schweren Gefühl in die Ledersitze sinken ließ. Sie setzte sich neben mich, verschränkte die Arme und warf mir einen schnellen, abschätzenden Blick zu, bevor sie ihre Aufmerksamkeit aus dem Fenster richtete. Kein Wort, kein Anzeichen von Empathie oder Nachsicht. Sie war meine Wache und gleichzeitig die letzte, die meine Ängste verstanden hätte.
Während der Fahrt glitten die vorbeiziehenden Landschaften an mir vorbei, doch ich konnte nichts von ihrer Schönheit wahrnehmen. Meine Gedanken schwirrten und das leise Summen des Motors verstärkte nur die Unruhe, die sich wie ein scharfes Messer in meiner Brust drehte. Die Übelkeit, die den Morgen dominiert hatte, kehrte zurück, doch diesmal war es nicht nur die Schwangerschaft oder die körperliche Anspannung. Es war die Angst, die sich in mir festsetzte, die Kälte, die durch mein Blut rann und mein Herz mit Zweifel und Verzweiflung erfüllte.
Ein Teil von mir klammerte sich an die leise, verzweifelte Hoffnung, dass dieser Tag, dieser Moment, nicht das unausweichliche Ende sein musste. Ein Hauch von Hoffnung, dass Lucio alles daran setzen würde, um mich vor dieser Schande zu retten, bevor ich Luis endgültig ausgeliefert war.
Mein Herzschlag beschleunigte sich und ich bemerkte, wie meine Hände zitterten, als ich sie fest auf meinem Schoß ineinander verschränkte. Marisa schien meinen Zustand zu bemerken, doch sie sagte nichts, lediglich ihre Lippen pressten sich zu einem schmalen Strich zusammen. Ihre unnachgiebige Präsenz ließ mir keinen Raum zum Atmen, keinen Moment der Schwäche. Jeder Atemzug fühlte sich an wie ein Schweigen, das ich nicht brechen konnte.
Je näher wir dem unbekannten Ziel kamen, desto schwerer lastete die Stille im Wagen auf mir. Hätte Marisa eine Reaktion gezeigt, vielleicht sogar nur ein Wort des Trostes oder eine Bemerkung über den bevorstehenden Tag, hätte ich mich vielleicht ein klein wenig mehr wie ein Mensch und weniger wie ein Objekt gefühlt. Doch die Stille blieb und ich spürte, wie der Hauch von Hoffnung, der noch in mir geflackert hatte, mit jedem weiteren Kilometer verblasste.
"Bald sind wir da", sagte Marisa schließlich, ihre Stimme kühl und emotionslos. Sie brach die Stille wie ein Schlag und ich zuckte unwillkürlich zusammen.
Nach einer weiteren endlosen Strecke, rollte der Wagen durch ein großes, schmiedeeisernes Tor und die Auffahrt führte auf ein majestätisches Schloss zu. Es erhob sich wie ein stummer Wächter über die Landschaft, seine hohen Türme und dicken Mauern strahlten eine ehrfurchtgebietende Atmosphäre aus.
Die steinernen Wände wirkten hart und unnachgiebig, als ob sie jeden Traum von Freiheit zerschmettern könnten. Inmitten der kühlen Perfektion und der imposanten Architektur fühlte ich mich winzig, beinahe unsichtbar. Der Gedanke, dass dies der Ort sein sollte, an dem ich Luis meine Treue schwören musste, war überwältigend. Es war, als wäre das Schloss das letzte Puzzlestück einer perfekt orchestrierten Inszenierung, die alle meine Hoffnungen unter sich begraben würde.
Marisa war die Erste, die ausstieg und sie öffnete mir wortlos die Tür, forderte mich damit auf, auszusteigen und der drohenden Zukunft zu begegnen. Ich spürte, wie meine Beine zitterten, als ich mich aufrichtete und auf den Haupteingang des Schlosses zuging.
Als ich die breite Treppe zum Schloss hinaufstieg, fiel mein Blick auf die Gäste, die sich bereits auf den Stufen und im Eingangsbereich versammelt hatten. Ihre Gesichter waren ein Mix aus kühler Erwartung und verhaltener Neugier, manche von ihnen mir bekannt, andere fremd und doch bedrohlich vertraut in ihrem Ausdruck.
Da war Elena, die Frau von Arturo, mit ihrem distanzierten Lächeln und dem teuren Seidenkleid, das perfekt zu ihrem makellosen, kühlen Ausdruck passte. Sie beobachtete mich, als wäre ich ein kostbares, doch letztlich bedeutungsloses Schauspiel. Neben ihr stand Roberto, ein Mann mit scharfen Zügen, dessen Verbindung zur mexikanischen Organisation ich nur zu gut kannte. Sein Gesicht zeigte keine Emotionen, und seine Augen schienen durch mich hindurchzusehen, als wäre ich ein Bauer in einem Schachspiel, das er bereits gewonnen hatte.
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