♤83♤

Ich musste ruhig bleiben und mich zusammenreißen, obwohl Luis' stechender Blick förmlich auf mir brannte. Er versuchte, jede meiner Bewegungen zu durchschauen, sicherzustellen, dass ich nicht mehr wusste, als ich vorgab. Mein Herz schlug schneller, doch ich zwang mich, unbeteiligt zu wirken und auf meinen Bruder zu vertrauen, der seine Mission im Hintergrund durchführte.

Plötzlich erhob sich Luis, seine Bewegungen waren unerwartet scharf und energisch, als hätte er etwas bemerkt, was ihm nicht gefiel. Instinktiv folgte ich seinem Beispiel und stand auf, als wolle ich seinen nächsten Schritt beobachten, ohne dabei Verdacht zu erregen.

"Es beginnt", flüsterte ich kaum hörbar zu Lucia, die mich rasch verstand. Ihr kurzes, entschlossenes Nicken setzte eine lange geplante Kettenreaktion in Gang. Es war der Moment, auf den wir alle gewartet hatten.

Die Kellner, die sich diskret unter die Gäste gemischt hatten, begannen ihre Positionen zu beziehen. Keiner von ihnen war ein echter Kellner. Jeder trug verborgen unter seinem eleganten Anzug eine Waffe, bereit, die Kontrolle zu übernehmen, sobald das Signal gegeben wurde. Sie bewegten sich wie Schatten durch den Raum, ohne Aufsehen zu erregen, und nahmen die vorbereiteten Punkte ein. Von außen betrachtet wirkte alles noch immer wie ein festlicher Ball, doch im Inneren des Raums hatte sich die Atmosphäre merklich verändert.

Als Mila abrupt aufstand, durchzuckte mich ein scharfer Instinkt. Luis hatte sie den ganzen Abend nicht aus den Augen gelassen und jetzt, da sie sich in Richtung Ausgang bewegte, veränderte sich die Atmosphäre im Raum. Ich konnte sehen, wie er sich anspannte, seine Miene dunkel und wachsam.

Fabrice war der Erste, der reagierte. Sein Blick verengte sich misstrauisch, und er lehnte sich leicht nach vorne, bevor er Toni leise zuraunte: „Da stimmt was nicht.“ Beide erhoben sich fast gleichzeitig, ihre Bewegungen koordiniert, als hätten sie solch eine Situation schon tausendmal durchgespielt.

Luis hingegen blieb für einen Moment ruhig sitzen, musterte Mila mit kalter Berechnung, als ob er abwägen würde, ob er ihr folgen sollte. Doch dann entschloss er sich und als er aufstand, war in seinen Bewegungen eine gefährliche Entschlossenheit zu spüren. Sein Blick war scharf auf mich gerichtet, als wolle er herausfinden, ob ich wusste, was los war.

"Lucio", bekam ich mein Namen von ihn fast genüsslich zu hören. Sie begannen sich in Bewegung zu setzen, folgten Mila, die bereits aus Tür war.

Mason, Tiago und ich tauschten einen kurzen Blick, ein stummes Einverständnis und erhoben uns fast zeitgleich. Mit bedachten Schritten folgten wir den dreien aus dem Saal, darauf bedacht, keine unnötige Aufmerksamkeit zu erregen.

Als wir den Korridor betraten, der zum Eingangsbereich führte, spürte ich die drückende Stille. Die Geräusche des Balls, das Klirren der Gläser und das Murmeln der Gäste, verblassten, je weiter wir uns vom Saal entfernten. Der breite, mit Marmorböden ausgelegte Flur war von einer unheimlichen Spannung erfüllt, als ob jeder Schritt von uns unweigerlich zu einer Konfrontation führte.

Luis, Fabrice und Toni blieben stehen, als sie merkten, dass wir ihnen folgten. Sie drehten sich gleichzeitig um. Ihre Gesichter waren maskenhaft ruhig, doch in ihren Augen lag die unausgesprochene Drohung, dass sie alles durchschaut hatten.

Luis ließ seinen Blick kurz über mich und Mason gleiten, bevor er ein leises, abfälliges Lächeln zeigte. "Denkst du wirklich, du kannst sie vor uns retten?"

Die Anspannung war greifbar, jeder wusste, dass dies der Moment war, in dem es kein Zurück mehr gab. Wir standen jetzt in der Eingangshalle, weit genug entfernt von den anderen Gästen, sodass wir die Illusion des Balls hinter uns gelassen hatten. Hier, in dieser abgetrennten Stille, lagen alle Karten auf dem Tisch.

"Das ihr etwas geplant hattet, war uns schon lange bekannt. Nicht nur du hast Verbündete, sondern fast ganz Mexiko umzingelt das Anwesen. Da hilft nicht einmal die Camorra und die Barãos", zischte er und ich ballte meine Hände zu Fäusten.

♤PoV Mila♤

Mein Kopf dröhnte, mein Magen rebellierte und jeder Schritt fühlte sich an, als würde ich durch zähflüssigen Schlamm waten. Die Luft im Ballsaal war stickig, die Gespräche und das Klirren von Gläsern verschwammen um mich herum, bis ich es nicht mehr aushielt. Ich musste raus, bevor mir die Fassade endgültig entglitt.

Ruckartig stand ich auf und spürte sofort die Blicke auf mir, besonders den von Luis. Sein bohrender Blick brannte in meinem Rücken, als ich mich durch die Menge bewegte. Ich zwang mich, ruhig zu bleiben, das Zittern in meinen Händen zu kontrollieren. Doch in meinem Inneren tobte ein Sturm. Jeder Schritt, den ich von ihm wegmachte, fühlte sich wie ein Todesurteil an, nicht für mich, sondern für Laura und meine Mutter.

Mein Herz raste, als ich endlich die großen Flügeltüren erreichte und in den langen, kühlen Korridor trat. Die Stille des Flurs umgab mich wie eine Decke, doch es war keine Erleichterung. Der Knoten in meinem Magen zog sich noch fester zusammen und die Übelkeit drohte, mich zu übermannen.

Plötzlich tauchte vor mir eine bekannte Person auf. Ich hielt abrupt inne, überrascht und gleichzeitig alarmiert. Er war ruhig, entschlossen und hielt mir tatsächlich eine Papiertüte entgegen. "Nimm das", sagte er leise, ohne Umschweife und seine Augen waren fest auf mich gerichtet. "Du wirst gleich brechen."

Und er hatte recht. Die Übelkeit stieg in mir auf, wie eine Flutwelle, die sich nicht mehr aufhalten ließ. Ich griff nach der Tüte und beugte mich leicht nach vorne, während die Welt um mich herum für einen Moment stillstand. Mein Körper gab nach und ich fühlte, wie die Kontrolle über meine Bewegungen entglitt. Das Würgen kam heftig, die Scham und Verzweiflung mischten sich mit der körperlichen Erschöpfung.

Lic trat näher, doch es war keine Aggressivität in seinen Bewegungen, sondern ein Hauch von Sorge. Als ich weiterhin die Tüte in der Hand hielt und mich übergab, führte er mich in irgendeine Gänge und wusste nicht, wohin er mich führte.

Doch dann blieb ich stehen und sah ihn an. "Ich kann nicht mitkommen", ich sah zu Boden, als sich mein Magen beruhigte. "Mila, dafür haben wir keine Zeit", wobei er erneut auf mich zukam und ich ihn auswich. "Ich kann nicht mitkommen!" Wurde ich lauter und war erneut auf der Flucht. Nicht vor Luis, Toni oder meinen Onkel, sondern vor dem, was ich eigentlich wollte. Ich wollte die Freiheit und zu der Liebe, die ich verlassen musste.

Doch die Liebe war nicht alles, sondern das Wohlergehen meiner Mutter stand auf dem Spiel, genauso wie das von Laura.

Ich konnte Lics Worte kaum mehr ertragen. Jede Faser meines Körpers schrie, einfach nur wegzulaufen. Weg von all dem, weg von ihm, weg von der Möglichkeit, etwas zu ändern, was längst zu spät war. Die Panik wuchs in mir, und bevor ich wusste, was ich tat, drehte ich mich um und rannte los.

Mein Atem ging schwer und ungleichmäßig, während ich durch den Flur rannte. Alles verschwamm um mich herum - die Stimmen, die Geräusche, selbst meine eigenen Gedanken. Das Einzige, was ich noch spüren konnte, war die drückende Enge in meiner Brust, die Panik, die mich von innen heraus zerfraß. Ich wusste nicht mehr, wohin ich rennen sollte, nur dass ich rennen musste. Fort von allem, fort von den Entscheidungen, die ich getroffen hatte, fort von der Verantwortung, die auf mir lastete.

"Mila!" Hörte ich Lic hinter mir rufen. Seine Stimme hallte durch den Korridor, doch ich konnte mich nicht umdrehen, konnte ihm nicht zuhören. Meine Beine bewegten sich schneller, als hätte mein Körper einen eigenen Willen entwickelt, losgelöst von meinem Verstand.

Doch dann, als ich den langen Gang entlang lief, befand ich mich erneut in der Eingangshalle. Da standen sie, vor mir, wie aus dem Nichts aufgetaucht - alle sechs. Der Korridor dehnte sich plötzlich wie ein dunkler Tunnel aus und ich stand genau in der Mitte.

Lucio, Tiago und Mason auf der einen Seite. Ihre Gesichter waren ernst, angespannt. Ich sah den Schmerz und die Entschlossenheit in Lucios Augen, als er mich ansah, als ob er genau wusste, was in mir vorging. Doch sein Blick verharrte nicht nur auf mir - er glitt kurz zu Luis, als wollte er ihn durchbohren.

Und da waren sie - Luis, Fabrice und Toni - auf der anderen Seite. Ihre Präsenz füllte den Raum mit einer schweren, erdrückenden Stille. Luis stand da, vollkommen ruhig, doch ich konnte das Feuer in seinen Augen sehen. Fabrice wirkte angespannt, seine Augen verengten sich, als er mich fixierte, und Toni lehnte lässig gegen die Wand, doch sein Blick war voller Argwohn.

Ich befand mich jetzt genau in der Mitte, zwischen den beiden verfeindeten Seiten, als würde mein nächster Schritt entscheiden, wohin das Pendel schwingen würde. Mein Körper war wie eingefroren. Die Sekunden zogen sich in die Länge, als ich in die Gesichter der Männer sah, die mein Schicksal bestimmen wollten.

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