♤75♤

♤PoV Lucio♤

Ich saß mit Tiago, Mason und Ramiro an einem runden Tisch. Vor uns lagen Papiere, Notizen und Entwürfe für alles, was wir für unseren Plan benötigten, um Fabrice und seine Leute endgültig auszuschalten. Die letzten Tage hatten wir jede Möglichkeit durchgespielt, jede Schwachstelle identifiziert und waren bereit, den nächsten Schritt zu gehen. Doch plötzlich stürmte mein Bruder in den Raum, seine Augen waren weit aufgerissen, und sein Gesicht war blass.

"Lucio, du musst dir das ansehen", sagte er mit einer Stimme, die die Dringlichkeit verriet, ohne weiter zu erklären. Er legte sein Smartphone auf den Tisch und das Bild einer Live-Übertragung erschien auf dem Bildschirm.

Erst verstand ich nicht, warum er uns das zeigte. Doch dann erkannte ich das Gesicht der Frau auf dem Bildschirm, und zwar, Mila. Sie stand in einem Studio, vor einer Kamera und sprach. Ihre Stimme war klar und fest und obwohl ich ihre Worte noch nicht ganz begriff, hielt ich den Atem an. Ich hatte sie immer stark und entschlossen gekannt, doch das hier war anders.

"Lucio, sie trägt ein Brautkleid", bemerkte Mason leise und ich nahm das Bild auf dem Bildschirm zum ersten Mal richtig wahr. Tatsächlich stand Mila dort, in einem weißen Brautkleid, die Augen auf die Kamera gerichtet. Mein Herz setzte einen Schlag aus, sodass Fragen aufkamen. Tiago und Ramiro starrten ebenfalls auf den Bildschirm, sichtlich besorgt.

"Guten Abend, liebe Zuschauerinnen und Zuschauer. Heute trete ich vor Sie, nicht nur als Moderatorin, sondern als jemand, der Ihnen eine Geschichte erzählen muss – eine Geschichte, die ich viel zu lange mit mir getragen habe. Sie kennen mich vielleicht als die Tochter eines angesehenen Geschäftsmanns und als Moderatorin. Was Sie jedoch nicht wissen, ist, dass ich inmitten eines brutalen Familienkrieges gefangen bin. Ein Krieg, der von Gier und Kontrolle geprägt ist, in dem Menschenleben nur Schachfiguren sind."

Ich bemerkte, wie sie kurz eine Pause einlegte um zu sammeln. Sie schien voller Angst und Panik, sodass ich sie einfach in meine Armen ziehen wollte.

"Die Menschen, die sich meine Familie nennen, haben mich bedroht und gezwungen, mich mit Gewalt einem Leben zu unterwerfen, das ich niemals gewählt habe. Sie wollten mich an jemanden binden, mir jede Freiheit nehmen. Doch heute stehe ich hier, um die Wahrheit zu sagen. 
Ich spreche zu Ihnen, um meine Stimme zu erheben. Um denen zu zeigen, die mich kontrollieren wollen, dass ich nicht schweigen werde. Das Leben meiner Mutter wird bedroht, und ich wurde zu einer Marionette gemacht, doch heute reiße ich die Fäden durch. Es gibt Menschen da draußen, die mir geholfen haben, diesen Moment zu erreichen, die mich daran erinnert haben, dass ich meine eigene Geschichte schreiben kann. Ich werde kämpfen für mich und für die, die mir wichtig sind. Ich stehe hier und hoffe, dass meine Wahrheit diejenigen erreicht, die selbst unter den gleichen Ketten leiden. Fabrice und Toni Cortes, hiermit könnt ihr euren Vergewaltiger-Freund beibehalten."

Ruckartig stand ich auf und schlug mit meiner Faust auf dem Tisch. Wut und Verwirrung schossen mir durch den Kopf. Mila, in einem Brautkleid, sprach von Gewalt und Zwang und dann diese Anspielung auf Vergewaltigung. Fabrice und Toni hatten sie offenbar in ein Netz gezogen, aus dem sie versuchte, sich zu befreien und das alles live vor den Augen der Öffentlichkeit.

"Diese Bastarde", knurrte ich, meine Stimme kaum mehr als ein tiefes, gefährliches Grollen. "Sie haben sie gezwungen, das alles zu ertragen. Und jetzt versuchen sie, sie ganz zu brechen."

Tiago legte mir eine Hand auf die Schulter und versuchte, mich zur Ruhe zu bringen. "Lucio, das ist unsere Gelegenheit. Mila hat ihnen in aller Öffentlichkeit die Wahrheit vorgehalten. Sie hat ihnen den Dolchstoß versetzt und jetzt liegt es an uns, den Rest zu erledigen."

Ramiro nickte und starrte weiter auf das Video. "Sie hat ihnen gezeigt, dass sie sich nicht mehr kontrollieren lässt. Mila hat alles riskiert. Es gibt kein Zurück mehr, nicht für sie und nicht für uns."

Ich sah ihn an, die Entschlossenheit in seinem Blick spiegelte meine eigene wider. "Wir müssen schnell handeln", sagte ich scharf. "Fabrice und Toni werden wissen, dass sie in der Öffentlichkeit steht und uns als Verbündete hat. Sie werden alles versuchen, um das zu vertuschen oder sie zum Schweigen zu bringen."

Mason tippte energisch auf sein Telefon. "Wir haben die Leute, die Ressourcen und jetzt haben wir die perfekte Gelegenheit. Wenn wir sie erwischen wollen, ist jetzt der Moment. Wir dürfen keine Zeit verlieren."

Ich nickte, meine Gedanken rasten. "Fabrice und Toni wissen, dass sie keine Macht mehr über sie haben, solange sie im Licht der Öffentlichkeit steht. Wir wissen, wie skrupellos sie sind. Wir dürfen ihnen keine Möglichkeit lassen, an sie heranzukommen."

In diesem Moment klingelte Masons Telefon und er nahm ab. Nach einem kurzen, intensiven Gespräch legte er auf und sah uns an. "Die Nachricht verbreitet sich rasend schnell. Die Menschen sprechen über ihre Worte, über das, was sie enthüllt hat. Die Öffentlichkeit ist auf ihrer Seite."

Das gab uns einen entscheidenden Vorteil. Wir mussten dafür sorgen, dass das Interesse nicht abebbte und dass Fabrice und Toni in die Enge getrieben wurden. Das war der Moment, in dem wir zuschlagen konnten, während ihr Einfluss schwand und die Aufmerksamkeit der Welt auf Mila gerichtet war.

"Ramiro, du organisierst unsere Leute. Wir müssen alle Verstecke kennen, an denen Fabrice und Toni sich verstecken könnten. Tiago, du kümmerst dich darum, dass die Medien diesen Vorfall nicht ignorieren können. Sie sollen alles ans Licht bringen, was wir über ihre Machenschaften herausfinden."

Ich sah auf dem Tisch und griff nach meiner Waffe. "Wir holen Mila da raus und sorgen dafür, dass sie und ihre Mutter in Sicherheit sind. Dann machen wir Fabrice und Toni ein für alle Mal unschädlich."

♤PoV Mila♤

Das rote Licht erlosch und für einen Moment herrschte absolute Stille im Studio. Ich konnte meinen eigenen Herzschlag in meinen Ohren hören, als das Gewicht meiner Worte auf mir lastete. Doch dann begann das Murmeln. Erst leise, fast wie ein Summen, das durch den Raum schlich. Die Techniker hinter den Kameras, die Assistenten, die Produzenten - alle schienen plötzlich wieder zu atmen, als ob sie bis zu diesem Moment den Atem angehalten hätten.

Blicke wurden ausgetauscht, einige verstohlen, andere offen. Ein Produzent hob den Kopf von seinem Notizblock und sah mich an, als ob er nicht sicher war, was gerade geschehen war. Die Assistentin, die vor der Übertragung hektisch mit den Kopfhörern hantiert hatte, sah mich an, ihre Augen geweitet und flüsterte mit einem Kollegen. Die Kameramänner schauten sich gegenseitig an, als würden sie nach einer Bestätigung suchen, dass das, was gerade passiert war, real war.

Einige versuchten, geschäftig weiterzumachen, Kabel einzusammeln oder die Monitore zu überprüfen, doch ich konnte die Erschütterung in ihren Bewegungen sehen. Es war, als hätte ich eine Bombe gezündet und soeben begannen die Schockwellen, die Menschen um mich herum zu erfassen.

"War das echt?" Hörte ich eine leise Stimme von der anderen Seite des Raumes flüstern. Ein anderer Mensch, ein älterer Mann, den ich als erfahrener Produzent erkannte, schüttelte ungläubig den Kopf, bevor er seine Papiere zusammenschlug und langsam aufstand. Die allgemeine Unruhe wuchs, Stimmen wurden lauter und es bildeten sich kleine Gruppen von Menschen, die miteinander flüsterten und diskutierten.

"Was passiert jetzt?" Fragte jemand aus dem Hintergrund. Niemand wusste es genau, aber alle spürten, dass dies kein gewöhnlicher Moment war.

Das Murmeln wuchs allmählich an und wurde zu einem Strom aus getuschelten Gesprächen, der durch den Raum fegte. Einige blickten mich immer wieder an, als ob sie sich versichern wollten, dass ich wirklich hier war. Andere starrten auf ihre Monitore, als könnten sie nicht fassen, was sie gerade gesehen hatten. Die Welt um mich herum schien sich zu drehen, als ich starr vor Schreck und Adrenalin auf dem Podium stand, unfähig, meine Beine zu bewegen.

Die Gesichter, die mich umgaben, trugen alle den gleichen Ausdruck - Überraschung, Verwirrung und ein Hauch von Angst.

Ich konnte hören, wie einige Menschen versuchten, sich schnell in Sicherheit zu bringen, um nicht in das Drama hineingezogen zu werden. Andere flüsterten aufgeregt miteinander. "Was wird jetzt passieren? Wird das gesendet? Wer hat das überhaupt erlaubt?"

Ich sah, wie Natalia mit schnellen Schritten auf mich zukam. "Mila, was hast du da gerade getan?" Sie versuchte ruhig zu bleiben, doch ich konnte die Panik in ihrer Stimme hören.

Ich konnte nicht antworten. Meine Kehle war trocken, meine Hände zitterten und die Realität dessen, was ich getan hatte, begann auf mich einzubrechen.

"Wir müssen sie hier rausbringen", hörte ich jemanden sagen. Doch ich wusste, dass es zu spät war, um wegzulaufen. Die Wahrheit war bereits ausgesprochen und es gab keinen Weg mehr zurück.

Plötzlich spürte ich eine Hand auf meinem Arm, wobei ich Laura erkannte. "Mila", flüsterte sie leise. "Wir müssen gehen, und zwar, jetzt." Ihr Griff war sanft, dennoch bestimmt und ihre Augen spiegelten die Dringlichkeit wieder, die ich fühlte. Ich nickte, immer noch unfähig, Worte zu finden.

Gerade als wir uns abwenden wollten, hörte ich erneut das Raunen der Menschen. Einige deuteten auf die Bildschirme. Auf ihnen war ich zu sehen, mein Gesicht eingefroren im Moment, als ich meine Enthüllungen gemacht hatte. Die Live-Übertragung war vorüber, doch die Welt hatte bereits angefangen zu reagieren.

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