♤63♤

Langsam trat ich zurück, meine Augen immer noch auf ihm, während mein Herz in meiner Brust hämmerte. Jede Faser meines Körpers wollte bei ihm bleiben, doch ich wusste, dass ich gehen musste.

Ohne ein weiteres Wort drehte ich mich um und ging zur Tür, wo die Frau aus der Villa bereits wartete. Ihre kalten Augen trafen meine, doch ich ignorierte sie, zwang mich, stark zu bleiben. Ich konnte den Schmerz in Lucios Blick spüren, selbst ohne ihn anzusehen und ich durfte mich nicht umdrehen. Wenn ich das täte, könnte ich nie wieder gehen.

Die Tür fiel hinter mir ins Schloss und ich trat in die kühle Abendluft hinaus. Die Frau ging neben mir her, ihre Schritte lautlos, während ich mich von der Villa entfernte, die ich vielleicht nie wiedersehen würde.

Wir stiegen in den schwarzen Wagen, der auf uns wartete. Ich setzte mich auf den Rücksitz und zog die Tür hinter mir zu. Die Frau nahm vorne Platz, während der Fahrer, wortlos, den Motor startete. Der Wagen setzte sich in Bewegung und die Villa verschwand langsam hinter uns.

Die Straße, die vor uns lag, war endlos. Die Bäume am Straßenrand zogen wie verschwommene Schatten vorbei. Ich lehnte meinen Kopf gegen das kühle Fenster und versuchte, meine Gedanken zu ordnen. Die Frau neben dem Fahrer war schweigsam, ihr Gesicht im Schatten verborgen und ich konnte ihren kalten Blick in meinem Rücken spüren. Jede Bewegung im Auto schien kontrolliert, mechanisch. Der Klang der Reifen auf der Straße und das leise Summen des Motors waren die einzigen Geräusche in der Stille.

Meine Gedanken wanderten zurück zu Lucio, zu dem Kuss, der mir das Herz zerrissen hatte. Ich hatte ihn zurückgelassen, ohne ihm die Wahrheit zu sagen. Ohne ihm die Chance zu geben, mich zu verstehen oder mich aufzuhalten.

Die Fahrt zum Flughafen zog sich in die Länge, jede Minute fühlte sich an wie eine Ewigkeit. Der Wagen fuhr durch die schmalen Straßen, vorbei an Menschen, die in ihrem Alltag gefangen waren. Sie lebten in einer Welt, die so weit entfernt von meiner Realität war. Ich spürte die Enge des Wagens, die Dunkelheit, die immer dichter wurde, während wir uns dem Flughafen näherten.

Schließlich sah ich die Lichter des Flughafens vor uns auftauchen. Der Wagen fuhr langsamer, während wir auf das Terminal zusteuerten. Mein Herz begann schneller zu schlagen, als die Realität dessen, was ich tat, mich wieder einholte. Dies war der Punkt, an dem es kein Zurück mehr gab.

Die gleißende Sonne schien unerbittlich auf das Rollfeld, während ich die Treppe zum Privatjet hinaufstieg. Das Licht blendete mich und die Hitze des Asphalts stieg in Wellen zu mir auf, als ich mich dem Flugzeug näherte. Es war ein klarer, sonniger Tag, doch der strahlende Himmel stand im krassen Gegensatz zu dem, was in mir vorging. Jeder Schritt fühlte sich schwerer an, als würde ich durch eine unsichtbare Barriere aus Schuld und Angst gehen.

Der Jet, ein glänzender Koloss aus Metall, wartete still auf mich, wie eine drohende Erinnerung daran, was als Nächstes kommen würde. Seine Oberfläche reflektierte die Sonne, sodass ich einen Moment lang die Augen zusammenkneifen musste, während ich das letzte Stück der Treppe hinaufstieg. Es fühlte sich surreal an.

Oben angekommen, verharrte ich einen Moment lang an der Schwelle, als die kühle Luft aus dem Inneren des Jets auf mich traf. Sie war ein seltsamer Kontrast zur drückenden Hitze draußen und für einen kurzen Moment schien die Kälte die Beklemmung in meiner Brust zu verstärken.

Ich trat ein und ließ meinen Blick durch den Innenraum des Jets schweifen. Die luxuriösen Ledersitze und das gedämpfte Licht schufen eine Atmosphäre der Eleganz und des Reichtums. Doch all das bedeutete mir in diesem Moment nichts. Ich wusste, dass dies kein normaler Flug war. Kein Urlaub, keine Geschäftsreise.

Fabrice saß ruhig, sein Blick fest auf mich gerichtet, während ich in den Jet trat. Seine Augen waren kalt, berechnend, wie immer, als würde er jeden meiner Schritte, jede meiner Bewegungen analysieren. Der luxuriöse Innenraum des Jets fühlte sich erdrückend an, als ob der Reichtum um mich herum im krassen Gegensatz zu der moralischen Armut stand, die ich in seiner Gegenwart empfand.

Ich zwang mich, ruhig zu bleiben, auch wenn mein Herz in meiner Brust hämmerte. Jeder Schritt, den ich machte, brachte mich näher zu ihm, näher zu dem unausweichlichen Schicksal, das mich erwartete.

Ich setzte mich ihm gegenüber, mein Körper steif vor Anspannung. Die kühle, sterilisierte Luft im Jet roch nach Leder und einem Hauch von Zitrus, doch sie konnte die stickige Präsenz meines Onkels nicht vertreiben.

"Gut, dass du dich entschieden hast, Mila", sagte Fabrice schließlich, seine Stimme leise und doch voll von der unverhohlenen Macht, die er über mich ausübte. "Du hast die richtige Wahl getroffen. Es ist Zeit, dass du deinen Platz wieder einnimmst."

Meine Hände ballten sich auf meinem Schoß zu Fäusten, meine Fingernägel bohrten sich in meine Handflächen. Die Wut in mir brodelte unter der Oberfläche, doch ich wusste, dass jetzt nicht der Moment war, sie zu zeigen. Ich musste stark bleiben, musste für meine Mutter stark sein.

"Das tue ich nicht für dich, Fabrice", erwiderte ich kühl, meine Stimme erstaunlich fest, obwohl mein Inneres zerrissen war. "Ich tue es nur, um meine Mutter zu retten."

Fabrice lächelte, ein Lächeln, das nichts Freundliches hatte, sondern eher die Kälte eines Schachspielers, der den nächsten Zug plant. "Das weiß ich, Mila. Das ändert nichts an der Tatsache, dass du jetzt wieder Teil des Spiels bist. Du wirst dich daran erinnern, wie die Dinge funktionieren. Unsere Familie hat ihre eigene Macht und ihre eigenen Regeln. Du kannst nicht vor deiner Vergangenheit fliehen."

Seine Worte bohrten sich in mein Bewusstsein und ich konnte spüren, wie die Schlinge sich enger um meinen Hals zog. Ich hatte das Gefühl, als ob ich in einen Strudel aus Lügen, Verrat und Macht gezogen wurde, aus dem es kein Entkommen gab. Doch ich durfte nicht aufgeben.

Ich richtete meinen Blick nach draußen, wo die Sonne unnachgiebig auf das Rollfeld schien. Die Wärme der Sonne, die durch das Fenster fiel, fühlte sich plötzlich fern an, als ob sie nicht mehr zu der Welt gehörte, in der ich jetzt gefangen war.

"Was wird passieren, wenn wir ankommen?" Fragte ich schließlich, meine Stimme ruhig, obwohl ich innerlich bebte.

Fabrice lehnte sich in seinem Sessel zurück, als ob er die Antwort schon lange bereit hatte. "Wir kehren nach Mexiko zurück und du wirst deinen Platz in der Familie einnehmen. Deine Mutter wird beschützt, wie ich es dir versprochen habe. Denk daran Mila, jede Entscheidung, die du von soeben  an triffst, hat Konsequenzen. Du wirst nicht mehr in der Lage sein, dich aus diesem Netz herauszuwinden."

Seine Worte hingen schwer in der Luft und ich spürte, wie die Fäden, die mich an diese Welt banden, sich enger zogen. Ich hatte keine Illusionen darüber, was mich erwartete.

Ich atmete tief ein und schloss die Augen für einen Moment, versuchte, meine Gedanken zu ordnen. Es war, als ob der letzte Funken Hoffnung in mir erloschen war, doch ich durfte nicht aufgeben. Meine Mutter hing von mir ab. Sie brauchte mich und ich würde alles tun, um sie zu beschützen.

Der Jet begann zu rollen und das Brummen der Triebwerke verstärkte sich, während wir uns der Startbahn näherten. Mit jedem Meter, den wir uns vom Boden entfernten, spürte ich, wie der letzte Rest meines bisherigen Lebens hinter mir zurückblieb. Lucio, die Villa, die Sicherheit, die ich geglaubt hatte, gefunden zu haben - alles verblasste, während ich mich in die unbekannte Zukunft stürzte.

Als das Flugzeug abhob und sich in den Himmel schraubte, schloss ich die Augen und ließ die Schwere der bevorstehenden Aufgabe auf mich herabsinken. Es würde keine leichte Reise werden, weder physisch noch emotional. Vor allem wenn das Herz an einer anderen Person derart hängt.

Fabrice sagte nichts mehr. Die Stille im Jet war bedrückend, nur das leise Summen der Triebwerke und das gelegentliche Rascheln der Papiere, die er durchblätterte, füllten den Raum.

Mexiko wartete auf mich.

♤PoV Lucio♤

Ich las mir die Verträge im Büro meiner Villa durch, doch der Gedanke an das Verhalten von Mila, brachte mir kein gutes Gefühl. Oftmals war sie in der Vergangenheit gefangen, was sie verarbeiten musste, doch dieses Mal klagte sie etwas anderes.

Ich ließ den Stift sinken und rieb mir über das Gesicht, während ich auf den Bildschirm starrte. Die Worte auf dem Vertrag bedeuteten mir im Moment nichts, als ob sie in einer fremden Sprache geschrieben wären. Mein Kopf war voll von Gedanken an Mila. Seit dem Moment, als sie mich heute Morgen geküsst hatte, fühlte sich etwas falsch an.

Ihr Kuss war sanft gewesen, doch es hatte eine Schwere darin gelegen, die ich nicht deuten konnte. Sie hatte etwas in ihrem Blick, das mir nicht gefiel. Mein Magen zog sich zusammen und ich versuchte, das Gefühl von Unbehagen abzuschütteln.

Ich stand auf, ging ans Fenster und sah hinaus auf den Garten. Die Sonne stand hoch am Himmel, der Tag war ruhig und doch lag etwas in der Luft, das ich nicht benennen konnte. Ich war nie jemand, der sich leicht von seinen Gefühlen leiten ließ. Mit Mila war es anders. Ich spürte, dass etwas nicht stimmte und es ließ mich nicht los.

Als ich auf die Uhr blickte, bemerkte ich, dass viel mehr Zeit vergangen war, als ich angenommen hatte. Mila war schon seit einer Weile fort, und eine unbehagliche Stille legte sich wie ein schwerer Mantel über die Villa. Der sonst so lebhafte Ort fühlte sich plötzlich leer und verlassen an, als wäre etwas nicht in Ordnung.

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