♤59♤
"Meine Familie?" Ich hielt meine Stimme kühl und distanziert, als ob die Erwähnung meiner Familie mich kaum berührte. "Du irrst dich, wenn du glaubst, dass ich sie sehen möchte."
Die Frau lächelte schwach, ein Lächeln, das alles andere als freundlich war. "Das mag sein", sagte sie ruhig. "Deine Mutter ist eine andere Geschichte, nicht wahr?" Ihre Augen fixierten mich, als ob sie jede meiner Regungen durchdringen wollte.
Ein eisiger Schauer lief mir über den Rücken. Ich hatte mich so sehr bemüht, die Verbindung zu meiner Mutter abzubrechen, hatte versucht, den Schmerz, den sie mir zugefügt hatte, zu begraben. Doch das Blutband war stärker, als ich zugeben wollte. Der Gedanke, dass meiner Mutter etwas zustoßen könnte, auch wenn sie meinen Vater betrogen hatte, brachte mich in eine Lage, aus der es kaum ein Entkommen gab.
Ich verschränkte die Arme vor der Brust und zwang mich, ruhig zu bleiben. "Ihr spielt ein gefährliches Spiel", sagte ich schließlich, wobei ich versuchte, die Situation unter Kontrolle zu halten. "Ist dir bewusst, dass die Camorra und die Barãos nur wenige Meter von dem Zimmer entfernt sind? Wir haben einen Bündnis mit ihnen", drohte ich ihr, doch sie schien nicht beeindruckt zu sein.
Stattdessen trat sie noch näher, sodass nur wenige Zentimeter uns trennten. Ich konnte das Zittern meiner Hände kaum unterdrücken, während ihr Blick mich unbarmherzig durchbohrte. Ihr Lächeln war kühl und kalkuliert, als ob sie genau wüsste, dass Worte allein mich nicht retten würden.
"Die Camorra und die Barãos?" Ihre Stimme klang fast belustigt, als würde sie über einen alten Witz lachen. "Glaubst du wirklich, sie können dich schützen, wenn es darauf ankommt? Lucio mag mächtig sein, doch selbst er kann nicht überall sein."
"Was willst du?" Meine Stimme war leiser geworden, doch ich hielt den Blick der Frau fest. Sie sollte wissen, dass ich nicht bereit war, einfach so nachzugeben, auch wenn die Angst wie ein Sturm in mir tobte.
Ihr Lächeln vertiefte sich, als hätte sie genau auf diese Frage gewartet. "Ich will nur, dass du dich erinnerst, woher du kommst. Wer du wirklich bist. Du kannst dich nicht für immer hinter Lucios Schutz verstecken. Deine Vergangenheit wird dich immer finden."
Ruckartig kehrte ich ihr den Rücken und lief zu der Tür, um schnellstmöglich nach Hilfe zu suchen. Ich schaffte es kaum, den ersten Schritt zu Lucios Zimmer zu machen, als mich plötzlich ein starker Arm von hinten umklammerte. Bevor ich einen Laut von mir geben konnte, wurde ein Tuch fest gegen meinen Mund gepresst. Der beißende, süßliche Geruch traf meine Nase und ich spürte sofort, wie mir die Sinne schwanden. Ich versuchte, um mich zu schlagen, doch meine Gliedmaßen wurden schwer, meine Bewegungen langsamer, fast wie in Zeitlupe.
Mein Herz hämmerte in meiner Brust, Panik ergriff mich, doch mein Körper reagierte nicht mehr, wie ich es wollte. Das Tuch wurde fest an meinen Mund gedrückt und mit jedem Atemzug zog ich den betäubenden Geruch tiefer in meine Lungen. Mein Kopf begann zu schwirren und meine Gedanken wurden wirr. Alles um mich herum schien zu verschwimmen, als ob die Realität selbst in Nebel getaucht wurde.
Ich versuchte, mich zu konzentrieren, auf Lucio, auf die Notwendigkeit, ihn zu warnen. Doch meine Kraft schwand schnell und meine Beine gaben unter mir nach. Das letzte, was ich spürte, war der kalte Boden, der unter meinen Knien hart aufschlug, bevor alles um mich herum schwarz wurde.
Stille. Dunkelheit. Bewusstlosigkeit hatte mich vollends erfasst.
♤♤♤
Langsam kam ich wieder zu mir, mein Kopf schmerzte und meine Glieder fühlten sich schwer und taub an. Die Kälte des Raumes drang bis in meine Knochen und mein Atem ging flach und zittrig. Ich blinzelte mehrmals, versuchte, meine Umgebung zu erkennen, doch das grelle Licht, das von der Decke fiel, ließ mich erst orientierungslos blinzeln. Die Luft war eisig, mein Körper schien in einem schwarzen Jogginganzug eingehüllt, der mir fremd vorkam, doch das Material schützte kaum vor der Kälte, die in dem Raum herrschte.
Ich versuchte, meine Hände zu bewegen, doch sofort spürte ich das metallische Klicken der Handschellen, die mich an den Stuhl fesselten. Ein Schauer lief mir über den Rücken und Panik setzte ein. Ich war festgekettet. Der kalte, harte Stuhl unter mir bot keinen Trost und jeder Atemzug schien schwerer zu werden, während ich mich umsah.
Meine Augen wanderten durch den Raum, der leer und karg war, kaum mehr als vier kahle Wände und eine einzelne Tür. Alles wirkte steril, emotionslos - als wäre dieser Ort für nichts anderes gedacht als für Isolation und Schmerz.
Und dann fiel mein Blick auf ihn.
In der Ferne, am anderen Ende des Raumes, stand eine Gestalt. Ich blinzelte und versuchte, mich zu fokussieren, doch mein Verstand schien zu träge, als ob er sich weigerte, die Wirklichkeit anzunehmen. Langsam erkannte ich das Gesicht, das mir so vertraut und doch so fremd schien. Mein Onkel. Seine Augen waren dunkel, verschlossen und sein Gesichtsausdruck war so kalt wie die Luft in diesem Raum. Er stand regungslos da und starrte mich an, als hätte er mich schon lange beobachtet.
"Fabrice", meine Stimme war heiser, ein schwaches Flüstern, das sich in der eisigen Stille des Raumes verlor.
Er sagte nichts, bewegte sich nicht. Seine Augen fixierten mich, als ob er auf etwas wartete, als ob er versuchte, meine Reaktion zu lesen. Ich fühlte, wie die Verwirrung in mir wuchs, gemischt mit einem wachsenden Gefühl der Angst.
Ich versuchte, mich zu bewegen, doch die Fesseln an meinen Handgelenken schnitten schmerzhaft in meine Haut. "Schön das du wach bist", er stand direkt gegenüber von mir und kam demnach wieder zu mir.
"Was soll das hier werden?" Zischte ich, ohne ihm auch nur einen weiteren Blick zu schenken. "Du hast dir eine beeindruckende Position aufgebaut. Geschickte Allianzen geschmiedet, dich mit den richtigen Leuten umgeben", ich hielt inne, ließ die Worte in der kalten Stille des Raumes hängen, bevor er bissig hinzufügte: "Oder sollte ich sagen, zwischen dir, den Intrigen und den Gracías?"
Fabrice ließ das kalte Lächeln auf seinen Lippen für einen Moment bestehen, bevor er weitersprach, seine Stimme seidig, aber voller Gift. "Und was wirst du tun, wenn Lucio dich verlässt?" Er trat näher, bis ich seinen Atem auf meiner Haut spüren konnte. "Denkst du, seine Macht und seine schützende Hand sind für immer an deiner Seite? Lucio könnte dich jederzeit fallen lassen, wie ein wertloses Spielzeug. Und danm? Was bleibt dir? Nichts."
Seine Worte brannten sich tief in meine Gedanken und ich spürte, wie mein Körper vor Anspannung zu zittern begann. "Du hast dich so sehr auf ihn verlassen, auf die Sicherheit, die er dir vorgaukelt. Doch er könnte sich jederzeit umdrehen und verschwinden. Und dann, meine Liebe, wirst du alles verlieren. Du bist nichts ohne ihn, hast keine Macht, keinen Einfluss. Alles, was du glaubst, aufgebaut zu haben, könnte in einem Wimpernschlag vergehen."
Ich biss die Zähne zusammen, um die Welle der Verzweiflung zu unterdrücken, die in mir aufstieg. Fabrice hatte die richtigen Worte gewählt, die tiefsten Ängste angesprochen, die ich versucht hatte, zu verdrängen. Was, wenn Lucio mich wirklich fallen ließ? Was, wenn seine Macht über mich nur von kurzer Dauer war? Ich hatte keine Antwort darauf.
Fabrice beobachtete mich aufmerksam, als ob er genau wusste, dass seine Worte mich trafen. "Du kannst ihm nicht ewig vertrauen und wenn er dich verlässt, wirst du allein in der Kälte stehen. Nichts wird dir bleiben, keine Familie, keine Macht, keine Sicherheit. Außer vielleicht-" Er ließ die Worte in der Luft hängen, bevor er fortfuhr. "Außer mir."
Ich schüttelte den Kopf, kämpfte gegen die Verzweiflung in mir an. "Ich brauche dich nicht", brachte ich mühsam hervor, doch meine Stimme klang schwächer, als ich beabsichtigt hatte. "Lucio wird mich nicht fallen lassen."
Fabrice trat zurück, sein Lächeln war nun ein kaltes, überlegenes Grinsen. "Das wirst du schon noch sehen. Doch wenn der Tag kommt, an dem du alles verlierst, werde ich der Einzige sein, der dir noch etwas zu bieten hat", ich zog meine Augenbrauen zusammen und versuchte voller Wut mich von den Ketten zu befreien.
Fabrice beobachtete meine verzweifelten Versuche, mich von den Ketten zu befreien, mit einem ungerührten Blick. Das kalte, selbstgefällige Lächeln auf seinem Gesicht ließ mein Blut kochen. Ich zerrte stärker an den Fesseln, doch es war zwecklos. Der Schmerz an meinen Handgelenken brannte, doch der Zorn in mir war stärker.
"Du überschätzt dich, Fabrice", stieß ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. "Wenn du denkst, dass ich jemals zu dir kommen werde, bist du törichter, als ich dachte. Du bist ein Verräter und Betrüger, nichts weiter."
Sein Lächeln erlosch nicht, als er sich lässig an den Tisch neben ihm lehnte und mir weiterhin ruhig in die Augen sah. "Vielleicht bin ich das", antwortete er mit gleichmütiger Stimme. "Aber Verräter überleben, weil sie wissen, wann es Zeit ist, die Seiten zu wechseln. Loyalität ist ein Luxus, den sich nur wenige leisten können. Lucio-", er hielt kurz inne und schüttelte fast mitleidig den Kopf. "Er ist einer dieser Männer, die glauben, sie hätten die Macht, alles zu kontrollieren. Doch das Spiel, das er spielt, ist größer als er und auch größer als du."
Ich spürte, wie meine Finger sich in die Lehnen des Stuhls gruben, um die Wut unter Kontrolle zu halten. "Du kennst ihn nicht", sagte ich leise, mit ungebrochener Entschlossenheit. "Lucio wird mich nicht verraten. Er ist nicht wie du."
Fabrice schüttelte langsam den Kopf, sein Gesicht von einer kalten, berechnenden Ruhe durchzogen.
Er ging langsam um mich herum und ließ die Spannung im Raum fast unerträglich werden. Sein Lächeln war kalt und berechnend, doch als er sprach, klang seine Stimme seidig und voller Gift.
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