♤2♤

Ich setzte einen Fuß vor den anderen, als ich aus dem Wagen stieg und den Regen auf meinem Gesicht spürte. Die Atmosphäre war gespenstisch.

Mit festem Schritt ging ich durch den Eingang des Anwesens, während die Regentropfen mein Haar durchnässten und meine Kleider schwerer wurden. Die Bediensteten empfingen mich mit traurigen Blicken und ich nickte ihnen knapp zu, bevor ich das Innere des Hauses betrat.

Dort herrschte eine gedämpfte Stimmung, als meine Mutter und mein Onkel Fabrice mir den Blick des Bettes versperrten, worauf mein Vater lag. Meine Mutter war bleich und wirkte zerbrechlich, ihre Augen verweint vom unendlichen Schmerz des Verlustes. Ich eilte zu ihr und umarmte sie fest, während sich unsere Tränen vermischten.

"Madre, wir werden das gemeinsam durchstehen", flüsterte ich und sie klammerte sich verzweifelt an mich, als ob ich der einzige Anker in ihrem Sturm wäre.

Die Stunden vergingen in einem Nebel aus Tränen, Erinnerungen und Trost. Die Anwesenheit meines Onkels war ein Licht in der Dunkelheit, das mich daran erinnerte, dass wir nicht allein waren in unserer Trauer.

Mit all meiner Kraft sah ich meinen Vater im Bett liegen, still und friedlich. Seine Haut blass und zerfallen, seine Augen geschlossen und furchtlos. Tränen überkamen mich erneut, und ich war zerrissen über die Lungenfibrose, die meinem Vater so viel Leid zugefügt hatte. Ein letztes Mal umarmte ich meinen leblosen Vater und gab ihm einen kleinen Kuss auf die Wange.

Als die Nacht hereinbrach und der Regen langsam nachließ, verstummte die Trauer allmählich. Während ich der Anker für meine Mutter war, war mein Onkel Fabrice hingegen mein Anker im Orkan.

"Er hat lange durchgehalten. Es war eine Frage der Zeit, wann es geschehen würde." Fabrice strich mir über meinen zerzausten Zopf, als wäre ich ein kleines Mädchen, das hilflos und verzweifelt war.

"Ana, du solltest eine Freundin anrufen." Betonte Fabrice, woraufhin sie zustimmte und meine Mutter der Bediensteten die Anweisung gab. "Ich brauche eine Zigarette." Kamen die Worte schroff aus mir heraus, und Fabrice folgte mir auf den Balkon, wo er eine Schachtel aus seiner Anzugshose nahm und mir eine überreichte.

"Wieso hat die Presse eher davon Wind bekommen?" Die Trauer wurde ruckartig in Wut umgewandelt. "Weil ich es veröffentlicht habe." Meine Brauen zogen sich zusammen, als ich mich zu dem Bruder meines Vaters drehte.

"Was sollte das? Weißt du, wie sich das angefühlt hat, als ich vor laufender Kamera die Info über den Tod meines Vaters erhielt?" Meine Stimme erhob sich, als ich meine Hand zu einer Faust ballen ließ.

"Ich kann deinen Frust und deine Wut nachvollziehen. Es war der beste Weg, bevor Gerüchte sich wie ein Lauffeuer ausbreiten." Ich schüttelte den Kopf kräftig. "Gründe?", zischte ich. "Vielleicht war es unbedacht und egoistisch, doch es war die richtige Entscheidung." Den Qualm, der sich in meinem Mund ausbreitete, überließ ich im Anschluss der Atmosphäre.

"Du kannst mich mal." Ich stützte mich mit beiden Händen am Geländer ab und sah die aufgeregten Journalisten von Weitem.

Fabrice seufzte schwer und trat neben mich, seinen Blick ebenfalls auf die Journalisten gerichtet. Er senkte den Blick und schwieg einen Moment lang.

Die Anwesenheit meines Onkels neben mir wirkte wie ein Tropfen beruhigendes Wasser inmitten meiner Emotionen. Trotz seiner Fehler war er immer noch ein großer Teil meiner Familie und ich wusste, dass er genauso wie ich unter dem Verlust meines Vaters litt.

Ein weiteres Seufzen entwich meinen Lippen, als ich den Blick von den Journalisten abwandte und hinaus in die Nacht schaute. Der Regen hatte aufgehört und die Wolken begannen sich langsam zu verziehen, als ob auch der Himmel unsere Trauer erkannte.

Mit einem letzten Zug an meiner Zigarette ließ ich den Rauch langsam aus meinen Lungen entweichen und spürte, wie sich die Spannung in meinem Körper langsam löste. Trotz allem, was passiert war, wusste ich, dass wir als Familie zusammenhalten und diese schwere Zeit gemeinsam durchstehen würden.

"Du solltest schlafen gehen. Der Priester wird am Morgen erscheinen, genauso wie wir die Beerdigung planen sollten." Auch wenn es mir sichtlich fiel, war es an der Zeit, Energie zu schöpfen. Ich verließ den Raum und begab mich daher im Anschluss in mein altes Schlafzimmer, in dem ich meine rebellischen Jahre verbracht hatte.

Ich schloss die Tür meines Schlafzimmers hinter mir und ließ meinen Blick durch den Raum schweifen. Es war schon eine Ewigkeit her, seit ich das letzte Mal hier war. Das Schlafzimmer wirkte kleiner und enger, als ich es in Erinnerung hatte, doch es fühlte sich dennoch vertraut an.

Meine Augen fielen auf das veraltete Bild an der Wand, das noch immer dort hing, genauso wie zu der Zeit. Die Erinnerungen an vergangene Zeiten überfluteten mich und ich spürte, wie sich ein Kloß in meinem Hals bildete.

Langsam ließ ich mich auf das Bett sinken und spürte die Erschöpfung, die sich in jedem meiner Muskeln breitmachte. Mein Kopf war schwer von all den Gedanken und Emotionen, die mich überwältigt hatten.

Mit einem Seufzer legte ich mich hin und zog die Decke bis zum Kinn hoch. Die Stille des Schlafzimmers umhüllte mich und ich schloss die Augen, in der Hoffnung, etwas Ruhe zu finden.

Doch mein Geist war noch immer voller Unruhe. Die Bilder meines Vaters, der friedlich im Bett lag, durchzogen meine Gedanken. Ich versuchte mich auf meinen Atem zu konzentrieren, um zur Ruhe zu kommen.

Bevor ich in einen tiefen Schlaf verfiel, spürte ich unerwartet eine warme Person, die ihre Arme um meinen Bauch schlang. Es war meine Mutter, die statt bei ihrer Freundin bei mir im Bett lag.

Mit Gefühl von verlassen, alleine und voller Trauer füllten den dunklen Raum, während ich mich umdrehte und meine Mutter fest in den Arm nahm.

Ich spürte, wie sich meine Mutter an mich weiter anschmiegte. Ihr Körper zitterte leicht vor Schluchzen und ich konnte die Stille des Raums förmlich spüren, während wir uns gegenseitig Trost spendeten.

Gemeinsam lagen wir da, vereint in unserer Trauer und unserer Liebe zueinander. Die Minuten vergingen, und langsam doch sicher spürte ich, wie sich die Anspannung in meinem Körper löste. Der warme Atem meiner Mutter auf meiner Haut und das sanfte Geräusch ihres Schluchzens wiegten mich langsam in einen ruhigen Zustand.

Schließlich, als die Erschöpfung uns beide erneut übermannte, schlossen wir unsere Augen und ließen uns von einem friedlichen Schlummer umfangen. Die Dunkelheit des Raumes wurde von einem sanften Licht des Mondes erhellt, das durch das Fenster fiel und unseren friedlichen Schlaf begleitete.

♤Einige Tage darauf♤

Während meine Verwandtschaft Kaffee Kuchen genoss, stand ich alleine in der grellen Sonne abseits ihrer Anwesenheit mit einer Zigarette draußen. Die Erschütterung darüber, dass mein Vater gestorben war und daraufhin Kaffee und Kuchen gereicht wurde, erfüllte mich mit Übelkeit.

"Seit wann rauchst du?", fragte mich eine Stimme, während ich weiter hinaus in den Garten blickte. Der Nebenmann zündete sich ebenfalls eine Zigarette an. "Übergangsweise", antwortete ich kurz und knapp.

"Wieso hast du mich provokativ angesehen auf dem Friedhof?" Er lachte auf. "Provokativ, kleine Cousine? Ich weiß nicht, wovon du redest." Ruckartig drehte ich meinen Kopf zu ihm und sah ihn scharf an.

"Dann haben wir das geklärt, Toni." Ich ließ den Stummel zu Boden fallen und zerdrückte ihn mit meinen Pumps. "Du hast dich verändert, Mila", meinte dieser. Meine braunen Augen rollten, bevor ich mich von ihm abwandte und zurück ins Anwesen ging.

Ich bemerkte, wie meine Tanten, Onkel und Großeltern in feierlicher Stimmung waren. Meine Mutter saß still an der großen Tafel und starrte auf einen Fleck.

Die Professionalität, die ich zuvor immer besessen hatte, fiel von mir ab. Voller Hass und Wut nahm ich eine nahestehende Vase und warf sie gegen die Wand. Kein Lachen, kein Grinsen und keine Freude erkannte ich in ihren Seelen, als sie die zersplitterten Glasscheiben auf dem Boden wahrnahmen. "Wer hier sonst noch meint, auf den Tod meines Vaters feiern zu müssen, kann gehen!" Ich zitterte am ganzen Leib, erschrocken von meiner eigenen Tat.

Toni sah mich erneut mit undefiniertem Blick an, den ich gekonnt ignorierte. Fabrice kam auf mich zu und brachte mich von dem Ort weg.

"Versuche, deine Emotionen zu kontrollieren, Mila." Ich schüttelte den Kopf. "Es ist ein Zeichen der Respektlosigkeit gegenüber meines Vaters. Sie sind im Haus meines Vaters und fressen sich mit dem Geld meiner Eltern satt. Für mich ist der Großteil keine Verwandtschaft, sondern Gift." Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, nahm mich Fabrice in den Arm.

Ungewollt ließ ich die tiefe Trauer zu, sodass Tränen meine Wangen hinabflossen. "Ich vermisse ihn so sehr, Fabrice", flüsterte ich in seinen schwarzen Anzug, während er mir beruhigend durch die braunen Haare strich.

"Ich vermisse ihn auch, Mila." Ich fand keinen Halt auf meinen Beinen, weshalb er mich weiter stützte.

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