Kapitel 6: Opa (1.321)

Ich bin gerade so fassungslos darüber, tatsächlich meinen besten Freund vor mir stehen zu haben, dass ich nur ein ebenso fassungsloses „Jimin?" hauchen kann. Mehr bringe ich einfach nicht über meine Lippen.

„Na? Willst du deinen besten Freund nicht begrüßen, Tae? Und das, obwohl wir uns jetzt schon fast ein Jahr nicht mehr gesehen haben?" spricht der Silberhaarige und unterbricht somit die entstandene Stille, während er seine Arme ausbreitet und mich anlächelt.

Noch länger zögere ich nicht, sondern gehe nun die paar wenigen Schritte, die mich noch von ihm trennen, auf ihn zu und schließe ihn direkt fest in meine Arme, während ich gegen die sich anbahnenden Tränen ankämpfe.

„Wieso hast du dir deine Haare gefärbt? Du siehst aus wie ein alter Opa." frage ich dann, während ich meinen Kopf in seine Schulter vergrabe. Mein bester Freund lacht daraufhin nur amüsiert und sagt währenddessen: „Ich hab dich auch vermisst, Tae."

Er drückt mich noch einmal kurz fester an sich, ehe er mich dann leicht von sich wegschiebt, seine Hände jedoch immer noch an meinen Schultern ruhen. Er scheint mich nun von oben bis unten zu inspizieren, was ich nun auch sogleich mache.

Ich erhebe meine Hand und fahre ihm durch seine nun grauen Haare. „Wieso ausgerechnet grau, Opa?" necke ich ihn also weiter. „Hey, das ist kein Opa-Grau, Taehyungie, das ist Silber-Grau." widerspricht der Ältere (wenn auch nur um zwei Monate) direkt.

So fallen mein bester Freund und ich also kurz in Gelächter, ehe der Silberhaarige mit einem Schlag wieder ernst wird und mich fragt: „Was machst du nur für Sachen, Taehyungie? Ich dachte ich hätte dir beigebracht, wie man ohne verletzt zu werden über eine Straße geht?" „Entschuldige, Jiminie. Rosé hat mich TaeTae genannt und..." „Oh, versteh schon. Zum Glück ist ja nichts weiter passiert."

„Aber sag mal, was machst du überhaupt in Seoul? Wurde dir L.A. zu langweilig, Hyungie? Hast du mich vermisst?" „Ja, ich hab dich vermisst, aber mir war definitiv nicht langweilig. Wir haben aktuell sowieso Ferien, also wollte ich so oder so mal wieder meinen besten Freund besuchen. Eigentlich hatte ich vor dich bei dir zuhause zu überraschen, doch als ich hier in Seoul gelandet bin, warst du es, der mich überrascht hat. Ich habe gerade den Flughafen verlassen, da bekam ich den Anruf, dass du wegen eines Autounfalls im Krankenhaus liegst. Gott, du weißt ja gar nicht, wie viele Sorgen ich mir gemacht habe, Tae. Pass in Zukunft gefälligst besser auf!" tadelt mich mein bester Freund, was mich glücklich auflachen lässt.

„Versprochen, Hyungie." entgegne ich also auf seine Worte und werde direkt wieder in die Arme geschlossen.

Wenigstens gibt es einen Menschen auf dieser Welt, der sich um mich sorgt...

„Verzeiht bitte, wenn ich euer Wiedersehen störe, aber könntet ihr mir vielleicht mal kurz helfen und Felix rufen? Wegen meines Beines ist es ganz schön schwer aus diesem Rollstuhl aufzustehen und die Tür bekomme ich auch schlecht auf. Entschuldigt, das hätte ich vorher bedenken müssen." meldet sich dann Jungkook zu Wort und kratzt sich verlegen an seinem Hinterkopf.

„Was hast du denn angestellt?" fragt mein bester Freund direkt fürsorglich.

Typisch Jimin.

Immer, wenn jemand Hilfe braucht, und seien sie noch so fremd, springen bei ihm plötzliche Mutterinstinkte an. Das war schon damals so und es ist schön zu sehen, dass er sich diesbezüglich innerhalb diesen Jahres nicht verändert hat.

„E-Ein...Ein A-Autou-unfall..." stottert der Schwarzhaarige eine Antwort auf die Frage meines besten Freundes und scheint sich mit Mühe und Not zusammenzureißen. Ich sehe, wie er versucht unbemerkt immer wieder tief ein- und auszuatmen, doch so ganz unbemerkt bleibt es eben nicht. „Felix. Ist das einer der Krankenpfleger?" fragt mein bester Freund weiter und der Angesprochene nickt diese Frage nur ab, während er weiterhin versucht seine Atmung wieder unter Kontrolle zu bringen.

„Alles okay, Schneewittchen?" frage ich dann auch besorgt. Irritiert sehen mich Jungkook und Jimin an, doch immerhin erreiche ich das, was ich erreichen wollte: Nämlich Jungkook ablenken. Denn nach seiner anfänglichen Irritation entsteht ein amüsiertes Lächeln auf seinem Gesicht und er fragt: „Wie hast du mich gerade genannt?"

Ich zucke nur mit den Schultern und sage währenddessen: „Schneewitchen." Nun brechen Jimin und Jungkook in Gelächter aus, doch das interessiert mich nicht. Ich wollte ihn ablenken und ich habe es geschafft.

Außerdem stehe ich dazu, wenn ich jemanden durchaus hübsch und oder attraktiv finde.

Und bei Jungkook trifft beides zu. Deswegen ja auch der Spitzname Schneewittchen. Denn er sieht echt so aus, wie ein Schneewittchen.

Durchaus hübsch, Haare so schwarz wie Ebenholz, Haut so weiß wie Schnee und Lippen so rot wie Blut.....Oder wie auch immer die Gebrüder Grimm das damals beschrieben haben.

„Komm, ich helfe dir, Schneewittchen." sagt Jimin amüsiert und betont das Schneewittchen besonders, während er mir einen vielsagenden Blick zuwirft. Jedenfalls bricht der Schwarzhaarige nur wieder in Gelächter aus, während mein bester Freund ihm nun tatsächlich stützt und dabei hilft aus dem Rollstuhl zu steigen und ihn zu seinem Bett führt.

„Danke. Ich bin übrigens Jeon Jungkook." stellt sich der Schwarzhaarige nun wieder lächelnd vor, während er meinem besten Freund die Hand entgegen streckt. „Park Jimin. Freut mich." erwidert der Silberhaarige die Vorstellung und auch das Lächeln.

„Sag mal, Jungkook" beginnt mein bester Freund und setzt sich auf mein Bett, während er mich mit sich zieht, sodass wir nebeneinander sitzen „Du scheinst ja schon eine ganze Weile hier in diesem Krankenhaus zu sein. Ist das auf Dauer nicht langweilig?" fährt er dann fort und ich sehe ihn nur irritiert an.

Woher will er denn wissen, dass Schneewittchen schon eine ganze Weile hier im Krankenhaus ist?

„Doch schon. Aber bisher konnte ich es ganz gut aushalten. Mein Bruder und mein bester Freund kommen mich jeden Tag besuchen und unterhalten sich eine kurze Zeit mit mir. Und wenn sie nicht da waren, dann hatte ich meine Mangas. Doch mit der Zeit wurde es doch etwas sehr langweilig, sodass ich es mit Mühe und Not schaffte, meinen Bruder und meinen besten Freund dazu zu überreden, wenigstens vorübergehend eine weitere Person mit in mein Zimmer zu lassen." beantwortet Schneewittchen schelmisch grinsend und sieht mich dabei an.

Meine Augen weiten sich und ich beginne stotternd etwas darauf zu erwidern: „Was? Du...Ich...Du hast dafür gesorgt, dass ich mit dir in ein Zimmer komme?" Langsam nickt der Angesprochene leicht und sagt währenddessen: „Naja, zumindest halb. Ich hab jetzt nicht explizit gesagt, dass ausgerechnet du in mein Zimmer sollst. Ich hab lediglich um jemanden gebeten, der etwa in meinem Alter ist und voila, da bist du. Ich liebe Hoseok und Jin, aber auch ich brauch zur Abwechslung mal jemandem in meinem Alter, auch wenn das nicht direkt möglich ist." Gegen Ende hin, wird seine Stimme immer leiser und auch sein Gesichtsausdruck wird immer bedrückter.

„Wieso nicht?" fragt Jimin besorgt und leise, während er ein mitleidigen Gesichtsausdruck aufsetzt. Ich check noch immer nicht so ganz, was genau hier gerade passiert. „Eigentlich bin ich ja achtzehn, aber psychisch gesehen, liege ich noch drei Jahre zurück. Also fünfzehn. Und das können mein bester Freund und Bruder ja doch nicht einrichten." sagt er dann und lächelt erst bei seinem letzten Satz wieder.

„Es ist schön, mal Gleichaltrige zum Reden zu haben. Zumindest halbwegs. Danke, euch." sagt Schneewittchen dann wieder glücklich und die zu Anfang bedrückende und auch etwas traurige Stimmung scheint wie weggeblasen, nur weil er lächelt.

„Ich würde ja den Raum verlassen, damit ihr beide euch in Ruhe unterhalten könnt, doch ich muss warten, bis Jin herkommt und mich für die nächste Reha abholt. Also geht einfach mal über die Außenanlage des Krankenhauses. Ist echt schön da. Ich bin mir sicher, ihr zwei habt euch viel zu erzählen, wenn ihr euch ein Jahr lang nicht gesehen habt." lächelt der Schwarzhaarige weiter.

„Danke, Jungkook. Wir kommen nachher nochmal wieder." sagt mein bester Freund lächelnd und zieht mich aus dem Krankenzimmer und zum zweiten Mal an diesem Tag begebe ich mich nun über die Außenanlage des Krankenhauses.


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