Kapitel 31: Wunderbare Menschen (1.241)

„Ich liebe dich, mein Engel. Bitte vergiss das nicht." „Ich liebe dich auch, Tae. Aber was hast du denn? Warum sind du und dein Vater denn so komisch?" „Bitte frag nicht. Ich bin gleich wieder da, okay Kookie?" Das nickt er langsam ab und somit begebe ich mich nach draußen, um Jin falls nötig zu versuchen zu beruhigen.

Im Flur angekommen, treffe ich auch schon auf die Beiden, die sich gegenüberstehen.

Naja, was heißt stehen?

Jin steht. Ja. Das aber mit verschränkten Armen vor der Brust.
Mein Vater jedoch läuft nervös vor Jin auf und ab.

„Tae, was stimmt denn nicht mit deinem Vater? Hat er irgendeine psychische Störung oder so? Ich meine, er bittet mich darum mit ihm unter vier Augen zu reden, doch jetzt läuft er die ganze Zeit schon vor mir auf und ab, rauft sich ab und an die Haare und murmelt immer irgendwelche Sachen wie ‚Wie soll ich nur anfangen?' oder ‚Was wird aus Tae, wenn ich es sage?'. Kannst du mir vielleicht sagen, was er hat? Denn so langsam verliere ich echt die Geduld und werde zunehmend genervter." spricht mich Jin hilfesuchend und tatsächlich leicht genervt an, als er mich wahrnimmt.

Ich presse meine Lippen aufeinander und schließe kurzzeitig meine Augen, um ein wenig runter zu kommen.

Was wird, wenn Jin es erfährt?
Wird er mich hassen?
Wird er mir den Kontakt zu Jungkook verbieten?
Wird er mich von Jungkook so weit es ihm möglich ist fern halten?
Werde ich Jungkook nie wieder sehen dürfen?

Werde ich die erste Familie, die ich seit so langer Zeit hatte, verlieren?

Als ich mich ein wenig entspannt habe, gehe ich zu meinem Vater und lege meine Hände auf seine Schultern, woraufhin er mich mit Tränen in den Augen und mehr als entschuldigend ansieht. So, als würde er sich dafür entschuldigen, dass ich in dieser Situation bin und das nur wegen ihm.

„Vater. Sag es ihm einfach. Es...Es wird danach für uns alle besser sein. Egal...Egal was auch passiert." stottere ich also. „Es tut mir so leid, dass ich dich in diese Situation gebracht habe, TaeTae." „Ich weiß. Und jetzt sag es." Mein Vater umarmt mich nochmal kurz, ehe er sich nun einem irritierten Jeon Seokjin zuwendet: „Ich weiß, wir kennen uns erst seit heute, Seokjin, aber ich bitte Sie dennoch: Was ich Ihnen jetzt erzähle hat absolut nichts mit Tae zu tun. Ich bin alleine dafür verantwortlich gewesen und nur wegen ihm habe ich nun auch den Mut gefasst, den ich schon vor fünf Jahren hätte fassen sollen. Bitte behandeln Sie ihn nur wegen meines Egoismus' und meiner Dummheit nicht anders als vorher."

Nochmal atmet mein Vater tief durch und hat sogar seine Augen geschlossen, während Jin nur irritiert zwischen meinen Vater und mir hin und her sieht. „Ich...Ich bitte Sie und Ihren Bruder vielmals um Entschuldigung." sagt mein Vater. „Weshalb bitten Sie uns denn um Entschuldigung? So langsam werde ich echt ungeduldig." entgegnet Jin nur, jedoch zeigt sein Gesicht, dass er schon eine Vorahnung hat. Schließlich haben sich Jin und mein Vater noch nie vorher gesehen, doch spricht er ausgerechnet den Tag von vor fünf Jahren an, nachdem er Jin gerade mal zehn Minuten kennt.

„Der Autounfall von vor fünf Jahren an der Klippe: Ich war derjenige, der für diesen Unfall verantwortlich war." Jin weitet seine Augen und sowohl aus seinen, als auch aus meinen und denen meines Vaters kommen nun dutzende Tränen.

„Ich bin für Ihre und Jungkook's aktuelle Lage verantwortlich. Ich bin verantwortlich für den Tod Ihrer Eltern. Ich bin betrunken Auto gefahren und da ist es passiert. Ich hätte mich schon damals stellen sollen, das weiß ich, aber ich hatte zu große Angst. Ich hatte Angst, meine Frau und meinen Sohn zu verlieren. Ich hatte Angst, mein Leben zu verlieren. Fünf Jahre hat es gedauert, bis ich verstanden habe, dass ich so dennoch alles verloren habe, jedoch auch Sie und Jungkook mit hineingezogen habe. Erst Tae hat mir die Augen geöffnet. Als ich ihn gestern in Busan zum ersten Mal seit fünf Jahren wiedergesehen habe, ist mir erst klar geworden, dass ich sowieso alles verloren habe, was ich damals schon verloren hätte, wenn ich mich gestellt hätte, nur dass ich so alles verschlimmert habe. Ich habe nicht nur Ihre, sondern gleich auch meine eigene Familie zerstört. Ich weiß, dass sowas nicht wieder gut zu machen oder zu entschuldigen ist, aber dennoch möchte ich Sie um Entschuldigung bitten. Ich...Ich werde gleich heute zur Polizeiwache gehen und mich stellen."

Die Tränen kommen mittlerweile ununterbrochen aus den Augen von Jin, meinem Vater und mir. Ich bin ehrlich gesagt mehr als überrascht, dass Jin tatsächlich die ganze Zeit stillschweigend zugehört hat. Lediglich die Tränen liefen still über seine Wangen. Schnell wischt er sich diese von den Wangen und schnieft einmal, ehe er sich mir zuwendet: „Wusstest du das?"

Erst nicke ich still und mit aufeinander gepressten Lippen, ehe ich nun auch mit Worten antworte: „Ja, ich wusste es. Deshalb bin ich auch direkt nach Busan gefahren, als ich erfahren habe, dass mein Vater da ist. Ich...Ich wollte ihn dazu bringen, sich zu stellen." Meine Worte sind nichts weiter als ein Wispern, welches jedoch durch mein Schniefen und durch mein leichtes Schluchzen weitestgehend untergeht. „Und er hat es geschafft." fügt mein Vater ebenso leise hinzu.

„Sie haben Recht, Jonghae. Sowas ist nicht wieder gut zu machen und es ist eigentlich auch nicht zu entschuldigen. Mein Bruder lag drei Jahre im Koma, wird wahrscheinlich nie wieder laufen können und hat ein Trauma. Zudem haben Sie unsere Eltern mit Ihrer Fahrlässigkeit getötet. Ich sollte Sie hassen und in die Hölle schicken, jedoch kann ich das nicht." spricht Jin dann, was meinen Vater und mich überrascht, aber dennoch mit Tränen in den Augen, aufsehen lässt.

„Zuerst einmal sind Sie der Vater von Taehyung und Taehyung ist der feste Freund meines Bruders. Somit gehören Sie — ob es mir nun passt oder nicht — ebenso zur Familie, wie Taehyung selbst. Also könnte ich Sie schon alleine deshalb nicht hassen und in die Hölle schicken. Außerdem haben unsere Eltern Jungkook und mich nun einmal so erzogen. Wenn wir nicht vergeben, wird uns das irgendwann auffressen und uns umbringen und ich will definitiv nicht mein so schon kurzes Leben mit Hass vergeuden. Alles was ich will ist, dass Jungkook und unsere Eltern ihre Gerechtigkeit bekommen."

„Das...Das werden sie. Ich...Ich werde direkt zur Polizeiwache gehen." entgegnet mein Vater auf Jin's Worte, welcher noch immer mit Tränen in den Augen nickt und dann, ohne nochmal zurückzuschauen, an dem Zimmer seines Bruder vorbei und in den Arztraum geht, vermutlich um wieder runter zu kommen.

„Du...Du willst jetzt also direkt zur Polizeiwache?" „Ja. Ich...Ich kann nicht länger warten. Ich habe schon lange genug gewartet, um diese Tat endlich zu gestehen. Noch länger warte ich nicht. Aber bitte versprich mir, dass ich dich kennenlernen darf, wenn meine Strafe vorbei ist." entgegnet mein Vater, während er mich umarmt. „Ich verspreche es. Vorausgesetzt du machst nicht doch einen Rückzieher oder kommst auf eine ganz andere Idee, als dich zu stellen." „Nein. Ich werde mich definitiv stellen. Jin und Jungkook sind wirklich wunderbare Menschen." „Ja, das sind sie." stimme ich meinem Vater zu.

„Soll ich mit zur Polizeiwache?" erhebe ich dann wieder meine Stimme, als mein Vater und ich die Umarmung lösen. „Nein. Ich...Ich will, dass du zu deinem Freund gehst." Das nicke ich einfach nur ab, ehe ich nun das Zimmer meines Freundes betrete.




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