Samstag, 29.05.2010

Heute war die Hochzeit meines Bruders.

Die letzten zwei Wochen hatte ich keinen Kopf mehr dafür Einträge zu schreiben.

Jedenfalls haben wir heute die weiter entfernte Familie seiner Frau und deren Freunde kennengelernt und ich musste mich als Sasaki vorstellen.

Ich habe einen Kommentar bekommen von wegen "ich dachte glatt du wärst ein Junge."

Doch sonst hagelte es nur Komplimente für mein Kleid, meine Haare, das Make-up, welches mir Emma verpasst hatte oder gar die Stöckelschuhe, welche auch von Emma waren.

Emma meinte ich sollte doch wieder öfters Kleider tragen, da mir diese besser stehen würden als ihr. Shinichiro meinte auch ich würde so viel weiblicher aussehen und solle es deswegen doch häufiger tun.

Alles in allem hatte ich eigentlich gut daran getan diese Kommentare an mir abprallen zu lassen und sie zu ignorieren. Zumindest dachte ich dies.

Während der Feier wurde gesungen. Es war wieder so ein Tag, an welchem ich meine eigene Stimme nicht hören konnte und wollte die Tanzfläche daher verlassen. Doch Emma wollte das nicht und zog mich wieder zurück.

Ich verdrängte meinen Frust also mit Essen. Denn davon gab das Büfett reichlich her.

Wenigstens eine gute Sache. Schokotorten, Kuchen und unendlich viele Muffins.

Ich dachte eigentlich ich wäre ausnahmsweise einmal so sehr von der Realität abgelenkt, dass ich mich schon fast als zufrieden betitelt hätte.

Doch wie immer hielt diese Zufriedenheit nicht lange an. Da musste jemand meinen Aufzug auf ein neues kommentieren.

Wir waren also gerade am Abendessen. Ich hatte schon sicher meinen dritten Teller an Kuchen gehabt und wollte gerade aufstehen, um mir meinen vierten zu holen, als irgendeine Tante der Braut meinte, ich wäre ein wunderschönes Mädchen und sie sei überrascht, dass ich so viel essen konnte. Doch die überschüssigen Kalorien würden sicher an die "richtigen Stellen" gehen.

Ich hatte meinen Binder nicht an. Ich stand in einem Kleid dort. Mit Make-up, Nagellack und irgendwelchem Zeug in den Haaren, welches mir Emma noch kurz zuvor hinein gesteckt hatte.

Natürlich dachte sie, sie sagte etwas positives, aber ich war hinüber.

Was wenn sie recht hatte?

Alles überschüssige Fett, würde sich sicher an meiner Hüfte oder an meiner Brust ablagern.

So war der weibliche Körper nun einmal gebaut.

Auf einen Schlag wurde mir schlecht.

Ich stellte den Teller wieder ab und entschuldigte mich.

Schnellen Schrittes eilte ich also an dem Büffet vorbei und die Treppen nach unten zu den Toiletten hinab.

Auch hier hatte ich dasselbe Problem. Ich würde wohl oder übel die Frauen Toilette benutzen müssen.

Gerade als ich aber am unteren Ende der Treppe angelangt war, hörte ich eine Unterhaltung zweier junger Kinder.

"Nicht da rein gehen. Da gehen nur die Frauen hin. Da dürfen wir nicht rein.", sagte ein Junge, welcher garantiert nicht älter als zwölf war, zu seinem jüngeren Bruder.

Vermutlich waren diese beiden Jungs Teil von ihrer weiter entfernten Familie, denn ich hatte die beiden noch nie zuvor gesehen.

Doch diese eigentlich harmlose Unterhaltung, hatte mir den Rest gegeben.

Ich eilte also in die erst beste Kabine und übergab mich in eine der Kloschüsseln.

Nicht, weil mir so schlecht war und ich zu viel gegessen hatte.

Sondern gewollt, um das viele Essen wieder los zu werden, bevor es sich an bestimmten Stellen an meinem Körper ansammeln konnte.

Ich weiß gar nicht mehr wie lange ich in dieser Kabine gesessen bin und geweint habe.

Dies war wirklich der tiefste Punkt in meinem Leben gewesen.

Dazu kam noch, dass ich mir immer wieder die Luft anhalten musste, wann immer irgendwer die Toiletten betrat.

Schließlich wollte ich nicht gehört werden.

Gott. Wie erbärmlich bin ich eigentlich?

Ich habe mich dann von der Hochzeit geschlichen und bin eine Weile spazieren gegangen.

Zum einen, um nicht noch mehr Kommentare an den Kopf geworfen zu bekommen.

Zum anderen, weil es so einfacher gewesen war zu weinen, ohne Angst haben zu müssen dabei erwischt zu werden und irgendwelche dummen Fragen beantworten zu müssen, während ich aussah wie Dracula in einem Horror Braut Kostüm.

Gleichzeitig hegte ich jedoch irgendwo ganz weit in meinem Hinterkopf die dumme Hoffnung, dass ich so vielleicht die paar Kalorien verbrennen konnte, welche ich vorher nicht hoch bekommen hatte bevor sich diese an gewisse Körperstellen in der Form von Fett ansammeln konnten.

Gleichzeitig kam ich mir dabei jedoch auch sehr sehr dumm vor. Denn nur Frauen haben Probleme mit ihrem Gewicht.

Und dieser Gedanke machte alles noch tausend Mal schlimmer.

Ich kam also erst wieder eine Stunde später auf die Hochzeit zurück, nachdem ich mich einigermaßen wieder abgeregt hatte.

Nicht, weil ich wirklich wollte, sondern, weil ich nicht so lange abwesend sein sollte. Schließlich wollte ich nicht, dass sich Shinichiro an seinem Hochzeitstag sorgen um mich macht.

Genau. Es war seine Hochzeit. Es war ganz egal wie ich mich heute fühlte. Solange er glücklich war, war es das Wert.

Ich tanzte also noch mit Emma und gab erneut mein bestes alles zu vergessen, was am heutigen Abend passiert war.

Nun ja vergessen war ein blödes Wort. Verdrängen passte um einiges besser.

Dies gelang mir auch so semi gut würde ich sagen. Bis es wieder essen gab.

Dann befand ich mich in einem Zwiespalt.

Wollte ich jetzt essen, um die ganzen Emotionen besser ignorieren zu können?

Oder wollte ich es nicht, da sich das Fett nur an den falschen Stellen ansammeln würde?

Im nächsten Augenblick hatte ich dann schon Angst was passieren würde, wenn meine Brust weiter wachsen würde und ich irgendwann gar nicht mehr in meinen Binder passen würde.

Irgendwie musste ich Emma also erklären, dass ich keinen Hunger hatte.

Dies war sehr sehr schwierig. Da ich bekannt dafür war sehr viel zu essen, vor allem in stressigen Situation und sie hatte nun schon gut gemerkt, dass es heute um einiges stressiger für mich war als die anderen Tage im Jahr.

Doch ich war mir sicher, dass mich zumindest niemand beim übergeben gehört hatte. Zumindest hoffte ich es.

Doch Shinichiro wollte sich mit einem Nein nicht zufrieden geben. Vermutlich, da er auch sah wie scheiße es mir ging.

Ich aß also doch noch etwas. Dies endete jedoch nur damit, dass ich mich ein zweites Mal in den Toiletten übergab.

Shit.

Als wir uns in der Nacht in unser Hotel verabschiedeten, fragte mich Shinichiro noch, ob mir die Hochzeit wenigstens ein klein wenig gefallen hatte.

Ich werde seinen Gesichtsausdruck niemals vergessen können.

Shit.

Für was habe ich den ganzen Schrott eigentlich durchgestanden, wenn ich ihn dabei trotzdem verletzt habe?

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