Samstag, 15.05.2010

Abends haben wir Trinkspiele gespielt. Trinkspiele waren schon immer so eine Sache gewesen.

Wann immer unsere Klasse in der Schulzeit eine Übernachtung gemacht hatte, gab es immer irgendjemanden, der vorgeschlagen hatte Bierpong zu spielen.

Allerdings war dies zu dieser Zeit ein Jungsspiel gewesen. Aka, es haben nur die Jungs gespielt.

Ich saß mit den Mädchen abseits, während sie irgendwelche Dinge über ihre Crushes gelabbert haben und habe zu den Jungs gesehen.

Wie gerne hätte ich damals mit ihnen gespielt. Aber ich war ein unbeliebtestes, depressives etwas in einem weiblichen Körper. Wie hoch standen meine Chancen also?

Sie waren gar nicht erwähnenswert. So gering waren sie.

Gleichzeitig konnte ich den Mädels davon auch nicht erzählen. Sie haben sich immer darüber beschwert, dass die Jungs so viel trinken würden und waren teils ganz stolz darauf, dass sie nicht einmal ein Bier in die Hände genommen hatten.

Natürlich gab es auch Mädchen, die tranken. Doch waren die einzigen Trinkspiele die sie kannten "Ich habe noch nie" & Wahrheit, Pflicht oder Alkohol.

Meistens haben sie die ganzen Trinkspiele dann auch noch mit Cola gespielt, statt mit richtigem Alkohol und ich war einer der wenigen, der getrunken hat.

Ich will nicht sagen, dass das den Spaß herausgenommen hat. Sicher nicht. Aber die Atmosphäre war eine ganz andere als an dem Tisch der Jungs, welche schon die vierte Runde Bierpong spielten.

Vielleicht hatte ich damals auch einfach nur die falschen Freunde. Oder eher Freundinnen.

Andererseits eine all zu große Auswahl als depressives etwas hast du nicht.

Egal. Gestern Abend haben wir jedenfalls Bierpong gespielt. Zu meiner Überraschung bin ich sogar relativ gut darin gewesen, sodass Ken-chin danach mindestens angetrunken war.

Wir haben laut Musik gehört und eine Kissenschlacht veranstaltet. Um 23 Uhr haben wir dann auch noch Pizza bestellt.

Wir waren garantiert bis drei Uhr wach und haben noch zusammen Horrorfilme angesehen. Opa hatte uns extra Sitzsäcke aus dem Keller geholt.

Gegen eins sind Baji und Chifuyu auf ihrem Sitzsack eingeschlafen. Natürlich mussten wir anderen davon reichlich Bilder schießen. Immerhin brauchen wir etwas, mit denen wir sie irgendwann einmal erpressen können. 😈

Ich glaube dies war einer der besten Tage meines Lebens gewesen und das sollte etwas heißen, denn bis gestern war mein Leben alles andere als rosig verlaufen.

Auf dem Boden im Dojo zu schlafen ist unangenehm. Ich hätte ja Ken-chin gefragt, ob ich ihn als Kissen missbrauchen dürfte, aber Opa und Emma hätten dann garantiert falsche Vermutungen aufgestellt.

Dabei empfinde ich Frauen eigentlich um einiges attraktiver als Männer. Anders als Mitsuyas Kumpel.

Die Freundin meines Opas meinte mal, ob es nicht einfacher für ihn wäre ein Mädchen zu bleiben, wenn er auf Jungs steht.

Natürlich stimmt dies. Immerhin stehen mehr Jungs auf Frauen. Allerdings kann man sich seine Geschlechts Identität nicht aussuchen.

Daher wäre das sehr kontra produktiv. In meinen Augen zumindest.

Würde ich nur auf Jungs stehen, würde ich mir trotzdem medizinische Hilfe suchen.

Das eine hat ja mit dem anderen nichts zu tun.

Als ich am Morgen aufgewacht bin, war Baji immer noch am schlafen. Dabei bin normalerweise ich derjenige, der lange schläft.

Andererseits war der Boden im Dojo so hart, dass mir die vier Stunden vollkommen gereicht haben.

Nachdem wir also dumme Sprüche auf Bajis Gesicht gekritzelt hatten, kam auch recht schnell meine Schwester ins Dojo, um sich zu erkundigen, wann wir denn frühstücken wollen.

Dadurch wurde dann auch Baji wach. Emma hatte wirklich ihr bestes gegeben sich das schmunzeln zu unterdrücken.

Zum Frühstück gab es einen Haufen Waffeln. Normalerweise essen wir um einiges gesünder, aber da wir Ken-chins Geburtstag nach gefeiert, Emma zu kurzfristig bescheid gesagt hatten und sie so keinen Kuchen mehr machen konnte, war dies nun Kuchen Ersatz.

Für mich war das voll in Ordnung. Wann bekommt man schon Waffeln zum Frühstück, wenn man sie nicht selbst macht?

Als Baji das nächste Mal auf die Toilette gegangen war, hatten wir ihn bis ins Dojo schreien hören. Die Situation war echt zum brüllen komisch. Nur Chifuyu fand sie nicht ganz so lustig und half dem dunkelhaarigen anschließend, über fünfzehn Minuten hinweg, sich das Gesicht ab zu schminken.

Nach dem Essen sind wir noch ein bisschen mit den Motorrädern durch die Stadt gefahren, bevor wir uns voneinander verabschiedet haben und nach Hause gefahren sind.

Zuhause hat mich etwas erwartet, mit dem ich so ganz und gar nicht gerechnet hatte.

Offenbar hatte Shinichiro angerufen. Er war mit seiner Freundin vor einigen Jahren nach Amerika gezogen, weil sie dort studieren wollte.

Wir telefonieren regelmäßig, wobei wir eigentlich immer zu dritt sind und da die anderen beiden oft so viele Fragen haben, kam ich nie dazu mich bei ihm zu outen.

Generell würde ich das am liebsten nicht übers Telefon machen. Aber ich wäre schon zufrieden damit gewesen, wenn nur wir zwei geskyped hätten. Doch kam es nie dazu. Entweder war Emma, mein Opa, beide, oder seine Freundin dabei.

Jedenfalls hatte er ihr vor einer Weile schon einen Antrag gemacht. Planmäßig findet die Hochzeit in zwei Wochen am Samstag statt.

Dies stand alles schon seit einer Weile fest und ich freue mich auch schon darauf.

Aber als ich zuhause angekommen war, meinte die Freundin meines Opas, es wäre besser, wenn ich mich dort nicht oute. Schließlich würde ich ihm damit die Show stehlen.

Mein Opa hat dem zu gestimmt. Wie hätte es auch anders sein können?

Das war's mit dem besten Tag in meinem Leben. So schnell geht er den Bach herunter.

Ich muss auf der Hochzeit meines großen Bruders ein Kleid tragen und so tun, als wäre nichts!

Wie zum Teufel soll ich das hin bekommen?!

Ich meine, ich konnte ihren Standpunkt gut verstehen. Immerhin wusste ich um die Risiken, die ein Outing auf der Hochzeit meines Bruders mit sich bringen würde. Trotzdem wollte ich natürlich nicht so tun als wäre nie etwas passiert.

Ich hätte mich viel früher bei Shinichiro outen sollen. Er weiß noch immer von nichts. Doch momentan ist er mit den Vorbereitungen für die Hochzeit vermutlich so gestresst, dass ich ihn damit nicht auch noch Nerven will.

Oder gar herunter ziehen.

Vor allem herunter ziehen.

Wenn er am Ende wie Opa oder dessen Freundin reagiert, wird die Atmosphäre auf der Hochzeit mehr als nur angespannt sein.

Ich will nicht, dass sich unsere Beziehung verändert.

Ich will seine Stimmung nicht ruinieren.

Wenigstens findet die Hochzeit in Amerika statt und nicht hier in Japan, wo ich Angst haben müsste, dass mich irgendwer in diesem Aufzug sieht.

Am liebsten würde ich schon jetzt unter der Erde verschwinden. Ich hoffe einfach der Tag geht schnell vorbei...

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