Midnight Memories
Nialls Sicht:
"Du bist meine Zeit nicht wert!", seufzte ich entnervt auf und suchte den Klub mit den Augen nach Liam ab, um von hier zu verschwinden.
"Ach ja?", fragte der Fremde mit einem rauen Lachen,"Was ist deine Zeit denn wert? Was machst du, wenn du Langeweile hast? Du bist jedenfalls nicht oft hier."
Daraufhin wurde ich rot. Es stimmte, ich war abends nicht oft feiern, ich hatte besseres zu tun. Aber ich hatte nicht gedacht, dass man mir das anmerkte.
"Ich studiere! Ich nutze meine Zeit für sinnvolles wie zum Beispiel lernen", spie ich ihm ins Gesicht. Doch wieder bekam ich dieses amüsierte raue Lachen zurück, dass so überlegen klang, dass es mich aufregte.
"Ich studiere auch, trotzdem genieße ich meine Zeit. Ich meine, das hier ist deine Jugend. Du lebst nur einmal, mach etwas daraus!"
"Was meinst du denn jetzt schon wieder mit diesem kryptischen Scheiß!?", fragte ich gereizt. Ich unterhielt mich nun schon den halben Abend mit diesem fremden Kerl. Er war angetrunken, nicht so sehr, dass er sich am nächsten Morgen nicht daran erinnern könnte, aber genug um seine Zunge ordentlich zu lockern.
"Na das ist die Zeit deines Lebens, in der du Erinnerungen sammeln kannst! Was hast du schon krasses erlebt!?"
So langsam wurde ich wirklich wütend. "Was weißt du schon von meinem Leben!? Ich hab schon viel erlebt!"
Er zog nur eine Augenbraue hoch.
"Zum... zum Beispiel letztens, da ist ein Klassenkamerad von mir völlig betrunken gewesen und hat angefangen auf dem Bartisch Ballett zu tanzen! Das außergewöhnliche war, er hat es sogar recht gut hinbekommen!", erzählte ich und musste bei der Erinnerung, die zugegebenermaßen schon länger her war, auflachen. Mir war nicht klar, warum ich ihm das erzählte, aber vielleicht war meine Zunge auch schon etwas vom Alkohol gelockert, wobei ich noch nicht viel getrunken hatte.
Der Fremde lachte halb amüsiert halb ungläubig auf. "Aber wäre es nicht eine viel bessere Geschichte, wenn du auf dem Tisch getanzt hättest?"
"Was!?", rief ich entgeistert aus.
"Ich mein ja nur, dass ist zwar 'ne tolle Story, aber es ist nicht deine Story. Es ist die des Balletttänzers, der kann stolz drauf sein. Aber du warst nur Zeuge."
"Ach ja!? Was hast du bitte schon ach so verrücktes erlebt, dass du solch hohe Töne spucken kannst?"
"Einmal, da war ich mit ein paar Freunden auf der Party von 'ner Mitschülerin. Wir wussten nicht warum die uns eingeladen hatte, aber es stellte sich heraus das die auf mich stand, was recht schade war, weil ich schwul bin. Also ham wa' uns von da weggeschlichen und sind betrunken durch die Straßen geirrt. Irgendwann is' plötzlich die Polizei angekommen mit Tatütata und Blaulicht un' allem drum und dran und hat uns mitgenommen. Wir hatten kein Plan warum, war'n aber zu blau um's zu hinterfragen. Un' als wa' da fotografiert wurden, mit Nummern und so, da hat der Polizist plötzlich erschrocken gemeint, dass wa' ja gar nicht diese Drogendieler sin' die er gesucht hat. Wir hätten ja ganz andere Tattoos und dann ham die uns freigelassen und uns noch 'ne Entschädigung zahlen müssen, weil 'se uns ja fälschlicherweise mitgenommen ham. Das dumme is' aber, die ham die ganze Zeit nichma' gemerkt dass wir blau warn. Kannste das glauben?", meinte der Fremde mit leuchtenden Augen und einem befreiten rauen Lachen in der Stimme.
Ich wusste nicht was es war, aber irgendwie glaubte ich ihm den Scheiß, obwohl es schon sehr nach einer Lüge klang. Irgendwie mochte ich die Geschichte sogar, dabei war sie so surreal oder vielleicht auch genau deswegen? Ich wollte seine Story gerade kommentieren, da kam ein anderer deutlich betrunkenerer Mann an, der den schwarzhaarigen Fremden von mir wegzerrte.
"Komm mit, wir müssen nachhauuouououseeee un' Hazza un' ich ham'n Weg va'gessen!", sagte er mit lallendem und dennoch starkem Akzent.
Der Fremde wollte etwas protestieren und murmelte sowas wie "Ich unterhalt mich aber grade!", doch der andere zog ihn schon davon.
"Ich bin übrigens Zayn!", rief er noch in meine Richtung.
"Niall!", brüllte ich hinterher.
"Nein, Zayn!"
Na hoppla, vielleicht war der doch betrunkener als ich angenommen hatte, dachte ich und machte mich dann auf die Suche nach Liam, um endlich zurück zu unserer zweier WG zu können. Liam trank nämlich nicht, darum musste er immer fahren.
In den nächsten Tagen erwischte ich mich selbst dabei, wie ich immer öfter über die Worte des Fremden, bzw. die Worte von Zayn, nachdachte. So viel hatte ich tatsächlich noch nicht erlebt.
"Hey Liam?"
"Was gibt's Nialler? Soll ich dir Mathe doch nochmal erklären?", vermutete Liam ohne aufzuschauen.
"Nein! Ich hab das wirklich verstanden! Aber... Was haben wir schon erlebt?", fragte ich leicht nervös und mit gesenktem Kopf. Liam legte seinen Stift weg und drehte sich nun doch komplett zu mir um.
"Was meinst du denn damit?"
"Na genau das! Was haben wir schon erlebt? Was haben wir je verrücktes gemacht? Was für bescheuerte Mitternachtsstorys, die wir irgendwann unseren Enkelkindern erzählen können, so das diese sich denken 'Echt, wie cool Opa!'!"
"Aber Niall, du klingst schon wie diese unvernünftigen Idioten aus unserem Kurs! Wir sind verantwortungsbewusster als das."
"Und was, wenn ich nicht mehr vernünftig und verantwortungsbewusst sein will!?", protestierte ich wie ein kleines Kind, verschränkte die Arme vor der Brust und schob die Unterlippe vor.
Liams Augen wurden sanfter. "Nialler-"
"Nichts Nialler!", unterbrach ich ihn,"Ich gehe heute Abend was erleben, mir egal ob du mitkommst oder nicht!"
Und das tat ich dann auch. Ich ging an diesem Freitagabend in den gleichen Klub wie das letzte Mal und hielt nach dem fremden Zayn Ausschau. Und tatsächlich saß er da, an der Bar auf dem gleichen Hocker wie noch vor einer Woche und schaute schmunzelnd auf als ich mich neben ihn setzte.
"Hallo Niall, schon dich hier nochmal zu sehen."
"Zayn", sagte ich gerade heraus,"Ich will irgendwas erleben!"
Zayn lachte rau auf, doch dieses Mal störte es mich nicht.
"Na dann komm mit!"
Er legte ein paar Münzen auf den Tresen um seinen Drink zu zahlen, nahm meine Hand und führte mich hinaus zu einem Motorrad. Er warf mir einen Helm zu und setzte dann selbst einen auf, es war beinahe als hätte er gewusst, dass ich kommen würde.
"Ist das denn sicher? Du hast doch was getrunken...", murmelte ich halb zu mir selbst als ich mich hinter ihm auf das Motorrad schwang. Er lachte wieder rau auf.
"Ich dachte, du willst was erleben?"
Am späten Sonntagabend kehrte ich schließlich in meine WG mit Liam zurück. Mit strahlenden Augen und lautem Lachen erzählte ich ihm, was ich alles mit Zayn, der mir nun so gar nicht mehr fremd vorkam, erlebt hatte. Liam hörte aufmerksam zu und das nächste Mal, dass ich am Wochenende etwas mit Zayn unternahm, kam auch er mit und Zayn stellte mir seine Freunde Louis und Harry vor.
Ich sammelte in den Jahren mit den Jungs noch viele Erinnerungen, die in meinem Kopf und Herzen bleiben werden, wie die Tattoos auf den Armen meiner Freunde und ich bereue nichts. Vor allem nicht zu Zayns Heiratsantrag vor einigen Monaten "Ja" gesagt zu haben.
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