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Seit unserem Erfolg am Freitag besuchte ich nun mit Bohemian Rhapsody einmal die Woche das Springtraining von Franz Schwerenhof höchstpersönlich. Mit Chanel würde ich zwar erst am nächsten Samstag auf einem Dressurturnier in Lausanne starten, aber da sowohl Franz und ich das ganze sehr optimistisch sahen, hatten wir gerade auch die Springprüfung am Sonntag gemeldet. Ich hatte auch mit der Schimmelstute zu springen begonnen und mir fehlten die Worte um zu beschreiben wie abnormal gut sie sprang. Sie gleichte mit Leichtigkeit meine Fehler durch ihr Sprungvermögen aus und ich hielt es nicht einmal für abwegig dass sie locker zwei Meter springen konnte, wenn sie es versuchte. Ich ritt gerade aus eine höchst erfolgreichen Dressurstunde mit Madame Chasseral als mir ein Auto auf dem Parkplatz des Gutes auffiel. Im Grunde war es kein spezieller Anblick aber das Nummernschild machte mich stutzig. Bündner Nummer. Von irgendwo kannte ich es. Ich zuckte mit den Schultern und lenkte die Fuchsstute zu den Stallungen.

Carmen wartete schon auf mich und Eseli, wie wir die Stute liebevoll nannten. Das war entstanden, weil Aline Schwerenhof mal gemeint hatte sie sähe mit den langen Ohren wie ein Esel aus. Das war anscheinend geblieben. Meine Pflegerin war so nett gewesen und hatte mir schon Chanel für die Springstunde gesattelt. Das sandfarbene Set, welches ich vor einigen Tagen gekauft hatte stand ihr ausgezeichnet. Ich schwang mich aus dem Sattel aus der Stute und nahm den Zügel der Schimmelstute. Ich führte Chanel zur Aufstiegshilfe und stieg auf. Warum musste dieser sture Schimmel nur so lange Beine haben? Mit Aufstiegshilfe sah es schon verboten komisch aus, wenn ich versuchte mich auf ihren Rücken zu schwingen, weshalb ich es ohne gar nicht versuchte. War eh besser für ihren Rücken. Wir ritten in Richtung der grossen Springwiese, welche auch für das Geländetraining genutzt werden konnte, weshalb auch einige Teiche angelegt worden waren. Ich begann mit warmreiten, Franz würde erst in etwa einer Viertelstunde kommen und bis dann sollten wir einigermassen Einsatzbereit sein. Chanel liebte den riesigen Grasplatz. Ihr gefiel es, einfach Gas geben zu können. Und sie bemerkte wohl, dass ich nicht so gut darin war ein Pferd zurück zu halten, weshalb statt lockerem Arbeitstrab plötzlich Stechtrab im Renntempo auf dem Programm stand. Ich gab immerwieder halbe Paraden und versuchte mich im Sattel schwerzumachen, was angesichts des schwungvollen Trabes eine Herausforderung war.

Als Franz uns über den Platz sausen sah, lachte er nur. «Olivia, wir sind hier nicht beim Derby», meinte er schwerzhaft, fügte aber streng an, «lass ihr das nicht durchgehen. Du bestimmst das Tempo, nicht sie.» Als endlich eine meiner halben Paraden bei der verrückten Schimmelstute ankam und diese ein langsameres Tempo anschlug nickte Franz anerkennend. «Genau so. Jetzt geh in den Schritt und galoppier sie aus dem Schritt an. Sie wird dann weniger eilig.» Im Schritt brauchte ich nur mein äusseres Bein einige Millimeter zurückzuschieben und schon sprang Chanel willig ein. Ich liess sie zuerst eine Runde locker galoppieren, bevor ich die Zügel aufnahm. «Bleib gerade im Galopp. Wir werden die Gymnastikreihe dort drüben springen», er wies auf eine Abfolge von Sprüngen, «Du kommst auf Linker Hand in das In-Out, dann ein Galoppsprung auf das Kreuz, zwei auf das nächste In-Out und dann eine kleine Distanz von drei Galoppsprüngen auf den Oxer.» Ich liess Chanel die Hand wechseln, galoppierte noch einmal einige Runden um sie auch wirklich locker vorwärtsgaloppieren zu lassen, dann visierten wir die Reihe an.

Die Hindernisse waren nicht hoch, höchstens achtzig Zentimeter. Ein Kinderspiel für die sportliche Stute. Chanel spitzte die Ohren als die Sprünge näher kamen. Sie behielt ihr Tempo bei. Mit einem kleinen Hopser nahm die den ersten Sprung und ich achtete darauf, die Hand früh genug wieder nach vorne zu geben, um sie beim zweiten Sprung nicht zu stören. Das Kreuz nahm sie flüssig mit und galoppierte mit gespitzten Ohren nach vorne. Ich nahm sie etwas zurück, damit sie nicht allzu eilig wurde. Im Nachhinein war es vielleicht etwas zu viel gewesen, denn sie machte einen viel zu langen Satz über den ersten Sprung und sprang den zweiten beinahe aus dem Stand. Auf den Oxer bremste ich sie nochmal etwas um wirklich die drei Galoppsprünge einzuhalten. Sie drückte sich kraftvoll ab und segelte darüber. «Mach es gleich nochmal. Bremse sie auf das zweite In-Out etwas weniger, dann wird es etwas passender.» Ich wendete, liess Chanel einen Galoppwechsel machen und gemeinsam visierten wir wieder die Reihe an.

Sie zog kräftig an, diesmal versuchte ich nicht sie grossartig auszubremsen. Sie stiess sich kräftig ab und wir segelten über den ersten Sprung der Gymnastikreihe. Das Kreuz war kaum mehr als ein kleiner Hopser und schon kam das nächste In-Out. Wir waren schneller als letztes Mal, ich liess Chanel ihr eigenes Tempo gehen. Schneller als mir lieb war kamen wir auf das In-Out zu. Mit Leichtigkeit sprang Chanel, während ich langsam ein ungutes Gefühl bekam. Michelangelo war zwar auch schnell, aber im Gegensatz zu Chanel auch wendig. Meine Hand kam etwas zu spät nach vorne, weshalb Chanel die oberste Stange touchierte. Meine Wangen brannten vor Scham. Das war vielleicht halb so hoch, wie ich reiten musste in Fontainebleau, sofern ich mitkommen durfte. Chanel schüttelte unwillig den Kopf. Mit Zügel und Schenkel rahmte ich sie ein und wir sprangen höher als nötig über den Oxer. «Ich machs gleich nochmal», rief ich Franz Schwerenhof zu, während wir im Arbeitsgalopp am Zaun entlang ritten. «Nein», meinte mein Trainer entschieden. Überrascht parierte ich Chanel durch. «Nimm deine Hand allgemein etwas tiefer. Setz dich vor dem ersten In-Out tief in den Sattel. Bereite sie darauf vor was kommt.» Ich nickte und galoppierte Chanel wieder an. Als wir das erste In-Out anvisierten, setzte ich mich tief in den Sattel. Bei dem Galopp der Stute war das aber nicht sehr bequem.

«Sitzen», rief mir Franz zu. Ich versuchte mich schwer zu machen und mit der Bewegung mitzugehen. Hände tief, erinnerte ich mich und korrigierte meine Handhaltung sofort. Wir kamen ich einem einigermassen normalen Tempo auf die Reihe zu. Chanel sprang willig über das erste In-Out, ich kam gut mit. Das Kreuz war keine Schwierigkeit. Das zweite In-Out, bei dem bis jetzt immer der Wurm drin gewesen war, klappte auch super. Auf den Oxer legte Chanel zu und katapultierte uns mit ihrer kräftigen Hinterhand in die Luft. Sofort nach der Landung lobte ich die Schimmelstute. «Genau so. Wechsel die Hand und komm nochmal», rief mir Franz zu. Chanel sprang einen fliegenden Wechsel und ich ritt die Reihe von der anderen Hand nochmal an. Anscheinend hatten wir den Dreh raus, denn wieder funktionierte die Reihe ohne Probleme. Franz meinte anschliessend er werde Kreuz und Oxer auf einen Meter erhöhen. Ich ritt in der Zwischenzeit etwas Schritt um Chanel eine Pause zu gönnen. Die Stute sah zwar kein bisschen erschöpft aus, aber schnaufte doch recht. Als Franz fertig war, galoppierten wir zuerst eine Volte um ein gesittetes Tempo zu bekommen, dann legten wir los. Die zwanzig Zentimeter höher machten Chanel kaum etwas aus. Sie musste sich war kraftvoller abstossen, aber bei den Muskeln welche die Schimmelstute hatte, war das kein Problem. Franz erhöhte den Oxer noch zwei Mal, so dass wir am Ende 1.40 sprangen. Nach dem letzten Sprung buckelte sie einige Male freudig und ich wurde beinahe von ihrem Rücken geworfen. Dann parierte ich in den Schritt durch und liess sie auslaufen. Wir hatten am Sonntag zwar höher gemeldet, aber dafür blieb ja noch etwas Zeit und an Können fehlte es Chanel sicher nicht. Langsam wurde mir bewusst was Franz damit gemeint hatte, Chanel de Versailles sei eines der besten Pferde auf dem Waldstättengut. Ich hatte noch nie ein Pferd mit so einem Kampfgeist und Springvermögen gesehen.

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