25~
Das Mittagessen war noch viel unangenehmer als der Tee. Mein Vater versuchte krampfhaft eine anständige Unterhaltung am laufen zu halten, aber die Abweisung meiner Mutter war im ganzen Raum deutlich spürbar. Nach dem Essen fuhr mein Vater mich zum Bahnhof. Sobald er den roten Chevrolet aus der Einfahrt gelenkt hatte, seufzte er. «Warum könnt ihr beiden euch nicht einmal ausstehen?» Er wirkte müde. Sein grau-meliertes Haar und die vielen Fältchen im Gesicht verrieten sein Alter und die braunen Augen hatten etwas von ihrem einstigen Glanz eingebüsst. Als ich nicht antwortete, wandte er sich wieder mir zu. «Danke dass du gekommen bist. Glückwunsch übrigens zu deinem Trainingsplatz. Wenn du eines Tages hier in Basel reitest, sag mir Bescheid und ich werde kommen.» Ich lächelte. «Danke.»
Meiner Meinung nach viel zu früh kam das Bahnhofsgebäude in Sicht. Er hielt am Strassenrand an, um mich rauszulassen. Ich umarmte ihn und sprang dann aus dem Auto. Als ich nach etwa einer Stunde Zugfahrt wieder in Küssnacht war, hatte es endlich aufgehört zu Regnen. Heute würde ich noch die Pferde Bewegen, dann hätte ich alles Recht auf meinem Bett zu liegen und Serien zu schauen. Ich longierte Chanel und telefonierte dabei mit Fiona. «Ich freu mich mega für dich», meinte meine beste Freundin als ich ihr vom Turnier erzählte. «Ich habe gestern noch mit Franz Schwerenhof Turniere genannt. Zum Glück habe ich keine Schule, sonst würde es echt stressig werden.» Ich schnalzte mit der Zunge um die Schimmelstute zum weitertraben zu animieren. «Hier ist alles wie immer. Nur dass wir dich sehr vermissen. Lou findet das Zimmer ist ohne dich so leer.» Ich lachte kurz auf. «Sie hat nur mehr Platz für ihr Zeugs weil mein Chaos weg ist.» Fiona lachte ebenfalls. «Lou und Noah haben auf jeden Fall ein Problem.»
Das weckte mein Interesse. «Oh nein, was ist denn?» Jetzt lachte Fiona und bekam den nächsten Satz beinahe nicht raus. «Orlando hat herausgefunden dass die beiden versucht haben ihn mit dir zu verkuppeln.» Ich prustete los, was Chanel dazu veranlasste anzugaloppieren. Ich bremste sie ab und sammelte mich wieder. «Jetzt im Ernst?!», fragte ich ungläubig. «Ja, angeblich seid ihr sogar zusammen ins Venti Pizza essen gegangen.» Ich wusste was sie meinte. «Aber die beiden waren ja auch dabei», verteidigte ich mich. «Auf jeden Fall ist es ja so dass Orlando am Wochenende bei Schwerenhofs reitet. Und jetzt da du auch da bist finden die beiden ihr solltet zusammenkommen bevor er im Juli wieder abreist.» Ich schnaubte. «Orlando ist ja nicht einmal hier», beinahe zeitgleich bemerkte ich wie sich ein Kopf über die Hallentür schob. Als ich die Person erkannte, wusste ich dass meine vorherige Aussage nicht stimmte. «Oder doch», korrigierte ich trocken und winkte Orlando kurz zu. «Was, Orlando ist bei dir?», fragte Fiona ungläubig. «Yes», erwiderte ich und bremste Chanel aus als Orlando die Hallentür öffnete. «Du Fiona, ich muss auflegen. Wir telefonieren am Abend weiter.» Ihr «Klar, kein Problem», bekam ich gerade noch mit, bevor ich auflegte.
Orlando grinste mich mit seinem für ihn typischen schiefen Grinsen an. «Endlich habe ich dich gefunden», begrüsste er mich. Ich erklärte Chanels Training für beendet und würde sie noch trockenführen. «So sehr habe ich mich jetzt aber auch nicht versteckt», erwiderte ich mit einem Lachen. «Die kleinste und älteste Halle im hintersten Eck der Anlage würde ich schon als sehr gut versteckt bezeichnen», Orlandos dunkle Augen blitzten amüsiert auf. «Na komm, wenigstens ist hier nichts los.» Verlegen strich der Dunkelhaarige sich eine Locke aus der Stirn. «Hast du noch ein Pferd zu bewegen?», fragte er etwas schüchtern. «Ich muss mit Michelangelo noch eine halbe Stunde spazieren gehen», erwiderte ich. «Gut, ich sollte für Aline noch ein Pferd trockenreiten. Ich komme sonst mit.» Ich wunderte mich zwar ein bisschen warum das nicht Alines Pfleger übernahm, aber gegen Orlandos Begleitung wollte ich nichts einwenden. Wir plauderten noch über dies und jenes und führten Chanel trocken. Etwa zwanzig Minuten später holten wir meinen heissgeliebten Schecken aus der Box. Glücklicherweise war die Schwellung am seinem Unterbauch etwas zurückgegangen und auch die Naht war sauber und trocken. Carmen hatte sich, sobald sie Orlando gesehen hatte, ins Reiterstübchen zurückgezogen, nicht ohne mir vorher noch ein wissendes Grinsen zuzuwerfen. Sie glaubte Anscheinend dass ich meinen Freund mitgeschleppt hatte. Jetzt trank sie vermutlich Kaffee und beobachtete uns heimlich. Mir egal, Carmen war alt genug um zu machen was sie wollte.
Als wir beinahe fertig geputzt hatten, musste Orlando los und das Pferd von Aline in Empfang nehmen. Es war die hübsche Fuchsstute Red Africa, Michelangelos Boxennachbarin. Als er sie um die Ecke der Reithalle kommen sah, wieherte er ihr freudig zu. Orlando sass im Sattel der Stute und ich würde Michelangelo führen. Wir würden nur eine kleine Runde am See entlang machen, da Micky ja noch Schonprogramm hatte. Ich war mehr als zufrieden wie er sich entwickelte. Klar es war sehr viel Aufwand, schliesslich musste der Schecke speziell gefüttert werden und die Naht brauchte tägliche Pflege. Aber für ihn war es mir alles wert. Unsere gemütliche Schrittrunde schien Michelangelo gut zu bekommen. Er wirkte aufgeweckt und sah sich alles neugierig an. Meiner Meinung nach viel zu früh kamen wir wieder auf dem Gut an. Langsam begann es zu dämmern und wir versorgten unsere Pferde, bevor wir beschlossen noch etwas in die Stadt zu gehen.
Wir sassen an der Küssnachter Seepromenade und assen unser Abendessen in Form von Crêpes mit reichlich Schokosauce. Die Sonne schickte ihre letzten Strahlen über die Hügel auf der anderen Seeseite. Mit einem wohligen Seufzen lehnte ich mich auf der Bank zurück und schloss die Augen. «Nicht das du mir einschläfst», neckte Orlando mich. Ich gähnte Übertrieben. «Ich war heute in Basel. Dieser Shit war anstrengend genug für ein ganzes Leben.» Ich öffnete ein Auge um Orlandos Reaktion zu sehen. Er verdrehte nur seine braunen Augen. «Versteh ich nur zu gut. Familie ist manchmal echt nervig. Ich habe schliesslich drei Schwestern.» Ich nickte. «Brüder sind viel unkomplizierter, glaube ich.» Alex war wirklich ein Bruder den ich jedem wünschen würde. Orlando lachte. «Ich glaube das sehen meine Schwestern anders.» Ich liebte es wie beim Lachen ein winziges Grübchen auf seiner linken Wange erschien. Direkt neben dem dunklen Schokofleck. «Du hast übrigens Schokolade auf der Wange», kommentierte ich beiläufig und trank einen Schluck meines Rivellas. Hastig wischte er sich den Fleck weg. Eine leichte Röte zierte seine Wangen. Er blickte verlegen nach unten. «Gehen wir zurück?», fragte ich um die etwas peinliche Stille zwischen uns zu überbrücken. Der Amerikaner nickte und wir spazierten im letzten Licht des Abends zurück, wissend das wir ein gefundenes Fressen für jegliche Art von Mücken waren.
Ich melde mich zum 1. Mal persönlich hier😅
Eigentlich wollte ich nur Mal fragen:
Wer ist euer Lieblingscharakter und warum?
Nimmt mich einfach wunder.
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