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Es war ungewohnt so viel Zeit mit Reiten und der Pferdepflege zu verbringen, aber es fühlte sich tausend mal besser an als die ganze Zeit in der Schule zu sitzen. Ohne Carmen hätte ich nichts auf die Reihe gekriegt und war ihr unendlich dankbar für ihre Unterstützung. Es war Mittwoch und das ganze Team des Waldstättengutes hatte sich im geräumigen Reiterstübchen versammelt. Ich sass neben Carmen auf der Theke der Küche, denn anderswo fand sich kein Platz mehr. Franz Schwerenhof sass am Tisch, einen grossen Ordner vor sich aufgeschlagen. «Beginnen wir gleich mit den Turniernennungen. In Altdorf findet am Samstag ein Late Entry Dressurturnier bis zur Klasse M Zwei Sterne statt. Wer würde da gehen, welche Klasse und mit welchem Pferd?» Ich meldete mich. Raffaela wollte dass ich mich mit allen Pferden in einer L-Dressur auf Trense bewies, bevor ich mit Springen anfing. «Findet eine Trensen-L statt?», fragte ich hoffnungsvoll. Altdorf war nicht so weit entfernt. Schwerenhof notierte sich etwas. «Ja, am Freitag Abend, aber mit dir muss ich sowieso noch etwas besprechen, bleib nach der Besprechung noch hier.»
Eine andere Bereiterin meldete sich. Sie war gross und schlank und vermutlich etwa gleich alt wie ich. Carmen hatte sie mir mal vorgestellt: Die Brünette mit den blondierten Strähnchen hiess Florence Andermatten und machte hier ihre Lehre als Bereiterin. «Ich würde gerne mit Westminster in Altdorf in der A-Dressur reiten.» Schwerenhof notierte sich etwas. «Die Prüfung wäre am Freitag Nachmittag. Wer kommt sonst noch mit?», fragte er in die Runde. Ich nippte an meiner Tasse Tee. Heute war ein regnerischer Tag, aber wenn man den Wetterberichten vertrauen konnte, sollte sich die Sonne vielleicht noch am Abend blicken lassen. Ich musste Carmen unbedingt dazu überreden mit mir Ausreiten zu gehen. Laut meiner Pflegerin war das Gelände nämlich wunderschön. Ich wurde von einer, mir bekannten, Stimme aus meinen Gedanken gerissen. «Für den Concours in Winterthur bräuchte ich noch jemanden, der Turnierpfleger macht», liess Schwerenhof verlauten und blickte in die Runde. Niemand meldete sich. Ich blickte zu Carmen neben mir. Sie bemerkte meinen Blick und schüttelte kaum merklich den Kopf. Schlussendlich meldete sie sich aber doch, da sonst keiner wollte. Mich störte es nicht. Ich würde ja mit Florence mitfahren können und ich war sehr wohl in der Lage mein Pferd alleine bereitzumachen. Nach der Besprechung zerstreute sich die Gruppe der Bereiter und Pfleger wieder und ich schenkte mir noch eine Tasse Tee ein, bevor ich mich an den Tisch gegenüber von Schwerenhof setzte.
«Guten Morgen übrigens», grüsste Schwerenhof mit einem freundlichen Lächeln. «Danke, Ihnen auch», erwiderte ich und nahm einen grossen Schluck des Schwarztees. Fragt mich bitte nicht warum ich Schwarztee so gut finde. Schwerenhof grinste amüsiert. «Du kannst mich gerne duzen.» Etwas aus dem Konzept gebracht starrte ich ihn zuerst eine Weile an, dann stotterte ich etwas in der Art: «Ähhm, ja...Ok, Danke», vor mich hin. Innerlich ohrfeigte ich mich selbst. Reden konnte ich also definitiv nicht. «Kommen wir zum Thema. Wie du vielleicht weisst, wird das ganze Reitzentrum von der Schwyzer Kantonalbank gesponsert. Sowohl Aline und ich, als auch jeder Bereiter und Pfleger von hier. Eine der Verpflichtungen ist, dass wir auf Turnieren und anderen öffentlichen Anlässen, die im Zusammenhang mit dem Pferdesport stehen, ihr Logo tragen.» Ich nickte und mir dämmerte langsam auf was er hinauswollte. «Deshalb würde ich dich bitten kurz mit mir mitzukommen.» Er stand auf, ich folgte ihm den Gang hinunter. Das Reiterstübchen befand sich unter den Mitarbeiterwohnungen, in denen auch ich provisorisch wohnte. Gegenüber des Waschraums befand sich eine weitere Tür, welche mit Magazin beschriftet war. Er schloss auf und stellte das Licht an.
Der Raum war grösser als Vermutet und vollgestellt mit Regalen, auf denen sich fein säuberlich gefaltete Kleidungsstücke befanden. «Nimm dir von jedem etwas in deiner Grösse», wies er mich an. «Ich muss jetzt los, schliess bitte ab, wenn du gehst.»Ich nickte und wandte mich dem ersten Regal zu: dunkelblaue Turnierjackets, mit dem Logo der Bank am Kragen und dem Hufeisen mit dem eingeschlossenen Berg am rechten Oberarm. Auf dem nächsten Regal lagen Caps mit dem Logo des Reitsportzentrums vorne drauf, das der Bank dezent an der Seite. Soweit ein leuchtend rotes Logo dezent sein konnte. Es gab auch Stirnbänder, welche ich sehr hübsch fand. Ich hatte nie gedacht das ein Stirnband mit dem Logo einer Bank hübsch sein könnte, aber das kräftige dunkelblau des Stirnbandes brachte das leuchtende Rot zum strahlen. Etwa eine halbe Stunde später stieg ich vollbeladen mit gesponserten Artikeln die Treppe zu meinem Zimmer hinauf, um dort alles nochmal genauer zu betrachten. Auf meinem Bett breitete ich die Ausbeute aus. Turnierjacket, Cap, Stirnband, T-Shirt und Trainingsjacke für mich, Bandagen, Schabracken in Springen und Dressur, Fliegenohren und Abschwitzdecken für die Pferde. Alles in dem hübschen Dunkelblau des Hofes und dem Rot der Bank. Schnell knipste ich ein Foto und lud es auf meinem Instagram-Account hoch. Mich hatten gerade mal meine Freunde und Bekannten abonniert, aber ich hatte ja nicht vor ein Social-Media Star zu werden. Mein Ziel war die Art von Star, die auf den Titelseiten von Reitsportmagazinen zu sehen ist. Ich versorgte die neue Ausrüstung für mich im Schrank, die für die der Pferde nahm ich mit in den Stall und würde sie in meinem Spind versorgen.
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