14~
Ich hatte mit Fiona unglaublich Glück. Ich kannte keine einige Person, die so solidarisch und herzlich war wie sie. Und ich kannte noch weniger Menschen, die mit mir Schule wechseln würden. Ich war mit Ann-Kathrin wieder auf dem Rückweg. Mein armer Micky würde sicher eine Woche noch in der Klinik verbringen müssen. Ich wusste nicht was meine Reitlehrerin während der Operation gemacht hat, aber sie grinste vor sich hin. Als ich sie darauf ansprach, wich sie dem Thema aus. Irgendwas verheimlichte sie.
Als wir bei der Ausfahrt Bergstadt ausfuhren, sprach ich sie nochmal darauf an. «Warum grinst du die ganze Zeit so?» Diesmal würde ich mich nicht abwimmeln lassen. «Ich habe telefoniert.» Danke für die hilfreiche Antwort, Ann-Kathrin, dachte ich und fragte nach. «Und mit wem?» Sie grinste noch breiter. «Schwerenhof», langsam gingen mir ihre kryptischen Antworten auf die Nerven. «Und warum?» «Du kannst am Samstag bei ihm Pferde probereiten. Er sagte er hätte zwei oder drei die du reiten kannst. Da du nächstes Jahr ja sowieso in der Innerschweiz bist, habe ich glaub ausgedient.» Ich wollte protestieren, doch sie sprach weiter. «Ausserdem wirst du bei ihm auf dem Hof besser gefördert werden können als bei mir.» Eine einzige gute Nachricht an einem vollkommen schrecklichen Tag. «Aber ich bin bis zum nächsten Schuljahr in Basel, bei meinen Eltern», wandte ich ein. «Schwerenhof meinte du könntest auf seinem Hof in einer Mitarbeiterwohnung wohnen, bis die Schule losgeht.»
Ich würde ja gerne, aber gewisse Leute in Basel hatten sicher etwas dagegen. «Aber meine Eltern werden das nie im Leben erlauben, nicht nach allem was passiert ist.» Sie nickte langsam. «Dein Bruder hat doch auch die Schule abgebrochen um seine Karriere in Schweden durchzuziehen.» Ich verzog das Gesicht. «Alex hatte bessere Noten und ist nicht rausgeworfen worden.» Ann-Kathrin hielt auf dem Parkplatz vor dem Internat und sah mich eindringlich an. «Olivia, du wirst reiten und da stellt sich niemand dir in den Weg.» Ich nickte, stieg aus und ging mit hängenden Schultern auf das Internatsgebäude zu. Als ich am Aufenthaltsraum vorbei kam, sah ich wie die meisten Schüler Fussball schauten. Die meisten, bis auf Lou und Noah, die waren eher mit rumknutschen beschäftigt. Schnell huschte ich die Treppe hinauf und warf mich auf mein Bett. Ich dachte nach. Über die Schule, meine Eltern und am meisten über das, was Ann-Kathrin gesagt hatte. Die Chance, bei Schwerenhofs zu trainieren war verlockend, sehr verlockend und ich würde sie sicher kein zweites Mal bekommen. Andererseits, meine Eltern würden das nie im Leben verstehen. Ich war wirklich nicht in der Position mehr zu fordern. Andererseits wollte ich Reiten. Ich wollte berühmt werden und irgendwann an Olympia teilnehmen.
Meine Entscheidung war gefallen. Mit etwas zittrigen Fingern suchte ich auf meinem Handy die Nummer meines Vaters. Er nahm beinahe sofort ab. «Hallo», meine Stimme klang hohl. «Hallo Olivia, wie geht es dir?» «Schlecht. Mein Pferd ist in der Klinik, er hatte einen Leistenbruch. Es tut mir so leid, die Rechnung wird hoch sein», ich hatte wieder Tränen in den Augen. «Beruhige dich Olivia, dafür kannst du nichts. Wir sind zwar etwas geschockt vom Gespräch mit der Direktorin, aber ich werde dich immer unterstützen», das liebte ich an meinem Vater. Er hatte eine unglaubliche Geduld und konnte einem nie lange böse sein. «Du, wegen den Europameisterschaften, ich habe kein Pferd mehr um teilzunehmen und da hat meine Reitlehrerin mit dem Nationaltrainer gesprochen und der...», ich stockte, zu unsicher um weiterzusprechen.
«Und der hat was?», fragte mein Vater nach. «Er meinte ich könne bei ihm trainieren und ein Pferd von ihm reiten.» Ich druckste etwas herum. «Und wo wäre das?», mein Vater schien zu spüren, dass da mehr im Spiel ist. «Küssnacht», hauchte ich nach einer langen Stille. «Du kommst also am Samstag nicht nach Hause», stellte mein Vater fest. Ich nickte, dann fiel mir ein, dass er das ja nicht sehen konnte. «Ja, er hat mir angeboten auf seinem Hof in einer Mitarbeiterwohnung zu übernachten.» Mein Vater antwortet nicht sofort. «Vielleicht ist es besser wenn du und deine Mutter euch nicht sofort sieht. Du weisst ja wie sehr sie sich in Dinge reinsteigern kann.» Ich wusste es nur viel zu gut. «Danke. Das weiss ich sehr zu schätzen.» Meine Stimme klang belegt, Erinnerungen von längst vergangenen Streitereien gingen mir durch den Kopf. «Olivia, vergiss bitte nie, du bist meine Tochter und hast es nur verdient glücklich zu sein. Ich werde es ihr sagen und dir Rückendeckung geben.» Die ganzen Emotionen in mir brachen hervor. «Danke», schluchzte ich und legte auf.
Ich liess mich auf die Kissen zurücksinken und liess den Tränen freien Lauf. Gegen sechs Uhr kam Lou aufs Zimmer. Mittlerweile hatte ich aufgehört zu heulen, lag auf dem Bett und las in einem Buch. «Noah, Orlando und ich haben die Erlaubnis in der Stadt Pizza essen zu gehen, kommst du mit?», fragte sie, während sie ihren Kleiderschrank durchwühlte. Ich schloss das Buch. «Warum nicht», nach diesem Tag konnte ich ein bisschen Zeit mit Freunden gut gebrauchen. Wir trafen uns um halb sieben am Ausgang des Internates. Lou hatte darauf bestanden mich zu stylen und mich sogar überredet mich von ihr schminken zu lassen. Ich sah die beiden Jungen schon auf uns warten und mir fiel das seltsame Grinsen aus, welches Lou und Noah tauschten. Ich hielt es für nicht wichtig und grinste Orlando etwas schüchtern zu. «Du warst echt gut am Sonntag», sagte er verlegen. Lou unterbrach uns. «Wir essen im Venti wenn das für euch ok ist?» Ich nickte, das Venti war Stadtbekannt für seine Pizzas.
Wir spazierten durch die Altstadt. Die Sonne war noch nicht untergegangen, aber es war schon merklich kühler als am Tag. «Ich hoffe morgen wird es nicht ganz so heiss», seufzte Noah. Lou verzog das Gesicht. «Angeblich soll es 28 Grad werden.» Orlando lachte. «Das ist doch gar nichts. In Florida sind es 30 Grad im Durchschnitt.» Lou winkte ab. «Du bist auch daran gewohnt.» Orlando lachte. «Wenn ihr mal vorbeikommen würdet, könntet ihr sehen, dass diese Temperaturen viel besser sind als eure frostigen Winter mit viel zu viel Schnee.» Ich lachte. «Wir sind es uns halt gewohnt.» «Sagt die Baslerin», neckte Noah mich. «Du musst ja gar nichts sagen. Wie heisst das Kaff in dem du wohnst?» «Cumbel», verteidigte sich Noah, «wenigstens haben wir Berge.» «Schon gut, war nur ein Scherz»,, beruhigte ich ihn. Wir waren auf dem Marktplatz angekommen. In der Mitte stand ein Brunnen, und an den Häusern entlang waren Tische von verschiedenen Restaurants und Cafés aufgestellt.
Wir sassen auf der Terrasse des Ventis und warteten auf unsere Pizzas. Orlando und Noah waren in eine Diskussion verwickelt, welche vermutlich so alt war, wie die Menschheit selbst: gehörte Ananas auf die Pizza oder nicht. Mir war es egal, auch wenn ich fand Ananas und Pizza gehen gar nicht. Der Kellner brachte das Essen und wir genossen die köstlichen Pizzas. Bessere gab es vermutlich nur in Italien. Gegen halb neun waren wir wieder im Internat. Ich ging sofort schlafen, dieser Tag hatte an meinen Nerven gezehrt.
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