15~Wir leben!

Alejandro reagierte instinktiv, sprang aus dem Bett und stürmte hinaus auf den schwach beleuchteten, einsamen Flur.

Der dicke, schwere Teppich schluckte seine Schritte und sein Schatten huschte gespenstisch über die Wände.

Er brauchte nur zwei Sekunden, bis er  die Schreie lokalisiert hatte und begab sich in ihr Zimmer.

Bedrohlich hob er die Hände, einen mächtigen Zauber bereits auf den Lippen, um jeden weh zutun, der ihr einen solchen Schrecken bereitete und es auch nur wagte, sie anzurühren.

Eine flüchtige Handbewegung und im Kamin flammte sogleich sachtes Feuer auf und tauchte das Zimmer in eine sanfte, schwach beleuchtete Atmosphäre.

Es war kein Feind in Sicht, doch etwas zog plötzlich seine Aufmerksamkeit auf sich. Schnell wirbelte er herum und erstarrte.

Die verschörkelten Kissen, sowie die Decke, samt Fußboden vor dem gigantischen Himmelbett waren übersät von dickflüssigen Blut.

Und inmitten des Blutlaches, entdeckte er das zierliche, blasse Mädchen, welches selbst Blutüberströmt war.

Sie wimmerte und schluchzte, offensichtlich hilflos gefangen in einem furchtbar quälenden Alptraum.

Ob sie von der Hochzeit träumte?

Darüber, dass ihr Vater sie verheiraten wollte?

Ihr Vater, und auch seiner.

Einen ewig langen Moment stand Alejandro einfach nur wie erstarrt in der Dunkelheit und beobachtete, wie jede ihrer Tränen zu einem tiefroten Bluttropfen wurde, sobald sie ihre Wange verließen.

Lautlos ging er zu dem Bett und setzte sich vorsichtig zu ihr. Behutsam strich er ihr eine ihrer langen Haarsträhnen aus der Stirn, bevor er die Hand hob und sie mit seiner Magie aus ihrem schrecklichen Alptraum befreite, schickte sie mit einem tiefen Schlafzauber sanft in einen ruhigen Schlaf.

Mit einer kurzen Handbewegung ließ er das Rot verschwinden und strich ihr nachdenklich über Haar.

Wie konnte es sein, dass sie Blut weinte?

Die gesamte Nacht über, saß er an ihrem Bett und bewachte jeden ihrer Träume, ließ nicht zu das die Dunkelheit sich ihren Gedanken noch einmal näherte.

Seine kleine Y/n.

Nichts ist so kostbar, wie sie. Wie die Zeit mir ihr. Die Sekunden sind ein goldener Faden, auf denen sich die Minuten wie glänzende Perlen fädeln.

"Kannst du mal aufhören zu singen?", stöhnte ich genervt auf und Mirabel begann zu lachen. "So schlimm singe ich nun auch wieder nicht!"

"Das habe ich ja auch nicht gesagt", sagte ich und nahm gleich zwei Stufen aufeinmal. Meine Beine schmerzten bereits und mein Atem ging unregelmäßig. "Aber seit gefühlt drei Stunden immer das selbe Lied zu hören, bringt mich um den Verstand. Kennst du keine anderen Lieder?"

Sie grinste mich an, nahm ebenfalls keuchend eine weitere Stufe. "Ich höre ja schon auf."

Schwer atmend erreichte ich die letzte Treppenstufe und ließ mich erschöpft auf die Knie fallen. "Verfluchst seist du Bruno!"

"Bruno! Dein Zimmer geht ja mal gar nicht!", brüllte nun auch Mirabel, welche sich neben mir keuchend niederließ.

Mit trübem Blick sah ich sie an.

Wenige Sekunden saßen wir auf dem Boden und versuchten unsere Atmung wieder zu beruhigen.

Mirabel sprang, sobald sie sich erholt hatte, mit einem Satz auf, reichte mir die Hand und zog mich hoch. "So, jetzt aber weiter! Das schwerste haben wir ja schon über...standen. Och ne."

"Was ist de-"

Frustiert sehe ich Mirabel an, die nervös auf die tiefe, breite Kluft vor uns hinunter schaute. Ungerührt lenkte ich meinen Blick ebenfalls auf das klaffende Gestein. "Na, prima. Und wie sollen wir da jetzt rüber kommen?"

"Weiß nicht.", meinte sie und schluckte. "Ziemlich tief, was?"

"Also wirklich Mirabel, dass-"

"Shh!" Ruckartig packte sie meine Arme und platzierte sie an ihrem Hals, zog mich näher an sich.

Verwirrt sah ich sie an. "Ohh...also, dass ist ein bisschen....naja...Nah...Warte. Mirabel! Du willst doch nicht etwa springen, oder?"

Sie atmete tief ein. "Ich werde jetzt springen!"

Ich zog scharf die Luft ein. "Mirabel, ich-"

Bevor ich zuende sprechen konnte, nahm sie viel Schwung und sprang, wobei ich mich noch fester an sie klammerte- Vorher hatte ich das Seil, ein Strick welches einst ein Teil des Geländers war, gar nicht bemerkt.

Vor lauter Panik, hatte ich meine Augen geschlossen und versuchte gar nicht erst daran zu denken, dass wir über einer tiefen Schlucht hingen.

Wir schaffen das.

Wir kommen auf die andere Seite.

Wir kommen auf die andere Seite!

Ein angenehmes Kribbeln durchfuhr meinen Körper, warm und irgendwie vertraut.

Es zischte leise, dann wurden wir von einem bläulichen Licht umhüllt und innerhalb eines Wimpernschlages, standen wir auf der anderen Seite der Schlucht.

Vorsichtig öffnete ich meine Augen und atmete überrascht aus. "Wir leben!"

Mirabel sah mich grinsend an und trat einen Schritt vor. "Ja. Sag ich do-"

"Vorsichtig!" Ich packte sie am Arm und zog sie schnell zurück. Da, wo sie bis gerade eben noch stand, brach ein Stück des Bodens ab. "Du bringst uns noch den Tod, Mirabel!"

"Wenigstens", sagte sie schulterzuckend. "Sterben wir dann zusammen."

"Was es ja auch viel besser macht.", meinte ich und sie lachte. "Was war das eben eigentlich?"

Fragend sah ich sie an. "Was meins-"

"Dieses Blaue Licht.", sagte sie. "Hast du das nicht gesehen? Denkst du das kommt von dieser Höhle da?"

"Welche Hö-"

"Komm!" Bevor ich auch nur was sagen konnte, zog sie mich mit sich. "Ganz schön dunkel hier drin, stimmt's?"

"Ja, hast Recht.", antwortete ich und ließ mich von ihr mit in das Innere der Höhle ziehen.

Wir standen im Eingang. Es war dunkel und roch modrig.

An den felsigen Wänden waren eingemeiselte Abbildungen von diesem Bruno und eine mächtige Statur ragte empor zur Decke, die im Dunkeln lag.

Lange, tiefe Schatten zogen sich über den Boden und der Gang war nur schwach beleuchtet.

Mittlerweile hatte Mirabel meinen Arm losgelassen. Jeder vorsichtige Tritt hallte von den Wänden wieder.

Klirr.

Mit einem Mal blieb mir das Herz stehen und ich zuckte zusammen.

Erschrocken schoss mein Blick zu Mirabel, welche soeben eine kleine Vase zu Boden geworfen hatte. "Sorry."

Kleine graue Ratten rannten weg und ich verrenkte mir den Hals, um das riesenhafte Gesicht von Bruno sehen zu können, denn die kleinen Fellknäuel flüchteten in diese Richtung und verkrochen sich in den Nasenhöhlen dieser Statur.

Ich verzog das Gesicht.

"Y/n!" Mirabel deutete auf eine steinerne Tür und ich schluckte. "Willst du da etwa rein?"

"Klar!" Sie sah mich ungerührt an."Willst du mit reinkommen oder-"

"Lieber warte ich hier!", rief ich schon fast und ein Lächeln kräuselte Mirabels Mundwinkel. "Gut, gut. Dann warte hier."

"Ist gut!", rief ich ihr hinterher. "Aber pass auf dich-"

"Ja-ha!"

"Aber Mirabel", sagte ich. "Was passiert wenn-"

"Y/n...entspann dich mal." Mit langsamen Schritten, ging Mirabel immer weiter in die kleine Kammer- Immer mehr in die Dunkelheit.

Nur trüb konnte ich einen kleinen Hügel aus Sand, auf dem Boden, erkennen und bemerkte kleine grüne Lichter, welche bloß schwach leuchteten.

Mirabel kniete sich nieder und strich vorsichtig über den Sand, als würde sie darauf malen. "Was denkst du, ist hier passiert?"

Ich zuckte mit den Schultern. "Keine Ahnung, Mi-"

Plötzlich knallte es- Die Tür war zugefallen.

Die Erde unter meinen Füßen bebte kurz und der Sand krümmelte von den Wänden.

"Mirabel?!" Panisch lief ich auf die Tür zu. "Geht es dir gut?"

"Y/n!", hörte ich Mirabel rufen, doch klang sie fast schon unbesorgt. "Warte einfach ja? Mir geht es gut!"

Unsicher nickte ich. "Ist gut!"

Es tut mir so leid Süße

Mamà?

Obwohl ich wusste, dass es nicht echt gewesen sein kann, nur eine Stimme in meinem Kopf, sah ich mich suchend um- denn die Stimme kam ganz aus der Nähe.

Natürlich, war sie nirgends. Meine Mamà ist tot und das schon seit längerem.

"Nur eine Stimme im meinem Kopf", murmelte ich und versuchte mich wieder auf das Wesentliche zu konzentrieren.

Mirabel.

Sie war da drinnen und ich muss aufpassen. Jetzt darf ich mich nicht von irgendwelchen gespenstischen Stimmen ablenken lassen.

Kopfschüttelnd wandte ich mich wieder der Tür zu. "Diese Stimmen...sind nicht-"

"Y/n!"

"Mirabel!", rief ich erschrocken und ich hämmerte gegen die Tür aus Stein. "Was ist passiert? Kannst du da raus kommen? Muss ich die Tür aufbrechen?"

Nun begann sie ebenfalls gegen die Tür zu hämmern und ich hörte sie stark Husten. "Y/n!"

"Was soll ich machen, Mirabel?" Mein Kopf tat weh und meine Augen wurden feucht. "Soll ich jemandem holen?"

Es tut mir so leid Süße

Es war, als würde die Stimme immer näher kommen.

Auch die Stimmen anderer, nahm ich mit einem Mal war. Sie flüstern, nuscheln etwas vor sich hin...etwas unverständliches.

Zitternd hielt ich mir die Ohren zu.

Meine kleine Y/n

"Bitte hört auf, es tut weh!", wimmerte ich und wollte schreien, jedoch blieb mir die Luft weg.

"Y/n?" Mirabels Stimme stach klar aus den anderen heraus. Sie klang besorgt. "Was ist los?"

Die Stimmen wurden nur noch lauter und hallten in meinem Kopf wieder.

Es tut mir leid meine Süße

DAS KANNST DU NICHT MACHEN PAPÀ

Wenn du älter bist wirst du das schon verstehen, mi Princesa

SIE IST DOCH NOCH EIN KIND!

Ich wünschte, dass jeder so wie du wäre

Du bist der Mensch der mir gezeigt hat wie schön und wertvoll die Liebe sein kann, danke

Ich liebe dich, weil du...du bist!

Du siehst wunderschön in dem Kleid aus

Du bist nicht unwichtig, denn ich brauche dich

Pass auf!

"Ich habe Angst, h-hört auf!", wimmerte ich. Mein Atem ging immer schneller und unkontrollierter.

Ich atmete tief durch und hinterließ einen lauten, schrillen Schrei der alles kurz zum Vibrieren brachte.

Plötzlich begann der Boden zu beben und die Wände zu bröckeln. Von innen stieß Mirabel die Tür auf und eine Menge Sand spülte sie auf die andere Seite, zu mir.

Die Wände zitterten weiter und Mirabel sah mich mit großen Augen. "Hast du-"

"Dafür bleibt keine Zeit!", rief ich und packte sie am Arm.

Sie stolperte mir hinterher und wir stürzen beinahe unbeholfen aus der Höhle.

Ängstlich sah ich mich um und vernahm ein Piepen in meinem Ohr, welches sich eher dumpf anhörte, da ich durch meinen Schrei wie betäubt war.

Das Beben hatte aufgehört, schlagartig.

"Alles gut?" Das Mädchen klang besorgt und ich nickte, mit den Gedanken ganz woanders.

Was war das eben?

"Sicher?"

Wieder nickte ich. "J-ja. N-Nun lass uns gehen."

"Okay." Ihr Blick war noch immer voller Sorge und ich zwang mir ein Lächeln auf. "Es ist alles gut, Mira. Mach dir keine Sorgen, verstanden?"

Sie lachte auf. "Mira?"

"Ja.", meinte ich stolz. "Ist mein Spitzname für dich!"

1717 Wörter

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