03~ Shakespeare ist schon lange Tod!
"Gracias!", rief ich noch und wank zum Abschied. Nachdem meine Verletzung tatsächlich verschwunden war, wurde ich noch dem Rest der Familie vorgestellt.
Mirabel und ich verbrachten danach noch ein wenig Zeit miteinander. Vielleicht hatte Pepa recht und wir würden eines Tages wirklich gute Freundinnen werden.
Der Lockenkopf mit Brille wank mir und als ich mich in Bewegung setzte, wurde sie immer kleiner und verschwommener, bis ich sie gar nicht mehr erkannte.
Ich hielt auf das weiße Haus zu, das ruhig im Licht der Flammen dalag. Es war bereits dunkel und höchstwahrscheinlich schliefen einige Dorfbewohner schon.
Das weiß leuchtete wie die Sterne am Himmelszelt- ich erkannte es schon vom weiten.
Ich öffnete kurzerhand die Tür und trat ein. "Bin wieder da!"
Keine Reaktion.
"Abuelo?"
Verwirrt schloss ich die Haustür und schlich leise Richtung Wohnzimmer.
"Dieses Kind ist ihre Enkelin, nicht ihre Tochter." Senõra López sprach zu meinem Abuelo. Verwirrt zog ich meine Augenbrauen zusammen. Kann der doch egal sein ob ich seine Enkelin oder Tochter bin? "Ich müsste regelmäßig nach ihr schauen und meine Zeit ist knapp bemessen. Ein Mann ist einer solchen Aufgabe nicht gewachsen."
Wie redet die bitte mit ihm?
"Sie sind jederzeit Herzlich Willkommen.", sagte Abuelo und fügte unwillkürlich hinzu: "Sofern Sie Ihre Besuche tatsächlich für unverzichtbar halten. Ich werde mich um Dankbarkeit bemühen. Aber für Y/n bin ich selbst verantwortlich. Verstehen Sie? Sie ist meine Enkelin und seit sie sechs Jahre alt ist, lebt sie bei mir."
"Aber Y/n ist ein Kind! Und Sie sind ein Mann!"
"Sie haben eine wahrlich bemerkenswerte Beobachtungsgabe", erwiderte Abuelo. Er sprach ruhig obwohl ich mir vorstellen konnte, dass er innerlich kochte. "Ihr Optiker kann stolz auf Sie sein."
"Aber was wollen sie mit ihr anfangen?"
Ich sah durch den winzigen Türspalt und erblickte die beiden. Abuelo zog ein verwirrtes Gesicht. "Ich werde sie lieben. Wenn ich den Gedichten glauben darf, die ich gelesen habe, ist das mehr als genug."
Bei den Worten lächelte ich. Abuelo war echt der beste! Senõra López allerdings schnaubte nur und verschränkte die Arme vor der Brust. "Meinen Sie also, ja? Also die-"
"Die Aufgabe, für ein Kind zu sorgen, birgt zweifellos viele dunkle Geheimnisse, aber ich bin der festen Überzeugung, dass sie nicht unlösbar sind."
Ich ließ von der Wohnzimmertür ab und stieg die Treppe hinauf, direkt in mein Zimmer.
Erschöpft von dem heutigen Tag, ließ ich mich in mein Bett fallen.
Wer hätte gedacht, dass ich heute die Madrigals treffe?
Darüber hinaus, sind mein Abuelo und ich übermorgen zum Essen eingeladen, denn morgen sollte anscheinend ein wichtiges Festival stattfinden- zu dem Abuelo und ich auch eingeladen waren.
Vielleicht war das nicht der perfekte Start in ein neues Leben, aber ein vielversprechender Anfang.
Anlässlich meines achten Geburtstages backte Abuelo einen Schockoladenkuchen, der nicht ganz gelang, weil er in der Mitte einsackte. Trotzdem erklärte ich ihn zu meinem Lieblingskuchen.
"Denn", sagte ich "man kann die Mulde mit extra Zuckerstuss füllen, und viel Zuckerstuss finde ich lecker."
"Freut mich, das zu hören.", meinte Abuelo und lächelte. "Wenn ich mich nicht irre, heißt es allerdings Zuckerguss. Ich gratuliere dir sehr herzlich zu deinem vermutlich achten Geburtstag, mi pequeño. Wie wäre es mit etwas Shakespeare zum Geburtstag?"
Weil ich wegen meiner Ungeschicktheit oft Teller zerbrach, servierte Abuelo deshalb den Kuchen auf dem Einband von 》Ein Sommernachtstraum《.
Nun wischte er den Einband mit einem Ärmel ab und schlug das Buch in der Mitte auf. "Magst du mir einen Abschnitt mit Titania vorlesen?"
Ich verzog das Gesicht. "Ich wäre lieber Puck."
Er lachte auf. "Nur zu."
Ich versuchte mich an ein paar Versen, tat mich aber schwer. Als Abuelo wegschaute, ließ ich das Buch auf den Fußboden fallen und machte einen Handstand darauf.
"Bravo!" Abuelo lachte und klatschte Beifall auf dem Tisch "Du bist aus dem gleichen Holz geschnitzt wie die Elfen!"
Ich purzelte gegen den Küchentisch, kam wieder auf die Beine und probierte es noch einmal vor der Tür.
"Estupendo! Du wirst immer besser. Fast perfekt." (Großartig!)
"Nur fast?" Ich kam ins Schwanken und schielte ihn von unten an. Meine Augen begannen zu brennen, doch ich blieb kopfüber stehen. "Sind meine Beine nicht gerade?"
"Nicht ganz. Dein links Knie wackelt leicht. Aber kein Mensch ist vollkommen. Mit Ausnahme von Shakespeare und der ist schon lange tot."
In meinen Augen war Abuelo ein Rätsel. Er aß kaum etwas, schlief wenig und lächelte seltener als andere Leute. Aber dort, wo sich bei anderen Menschen die Lunge befand, war in seinem Fall die Güte daheim und er war höflich bis in die Fingerspitzen.
Wenn er gegen einen Laternenpfahl rannte, weil er wieder einmal im Gehen las, entschuldigte er sich ausgiebig und überprüfte dann, ob der Laternenpfahl noch heil war.
Außerdem bewunderte er Shakespeare schon so lange wie ich denken kann, oder besser gesagt wie ich bei ihm lebe. Würde er ihn nicht ständig erwähnen, würde man wohl niemals darauf kommen.
Selbst hier oben hörte ich die nervige Stimme von Senõra López. "Was esst ihr eigentlich?"
Bei uns war das Essen zweifellos interessanter, als bei den, wo ich bisher gegessen hatte.
Abuelo versäumte manchmal monatelang, Fleisch zu kaufen. Was mich betraf, zerspringen in meiner Nähe keine Teller mehr in tausend Scheiben- Schon seid ich zwölf Jahre alt geworden bin, nicht mehr.
Trotzdem servierte mir Abuelo manchmal noch immer mein Essen auf einem Weltatlas oder auf dem Einband eines guten Romanes.
Teilweise kam ich aber auch ohne was zu essen aus, zumindest zu Abend.
Er selbst hätte ebenso gut nur von Aprelas, Tee und Rum vor dem Zubettgehen Leben können.
Sobald ich lesen konnte, füllte Abuelo den Rum in eine Flasche, auf deren Etikett 》orina de gato《 geschrieben stand, damit ich ihn nicht anrührte. (Katzenpisse)
Trotzdem hatte ich daran gerochen und dann am Bauch der schlafenden Nachbarskatze gerochen. Die beiden Gerüche waren verschieden, jedoch einer schlimmer und ekelhafter wie der andere.
Ich war so in Gedanken, dass ich gar nicht mitbekam was Abuelo ihr geantwortet hatte. Nur sie hörte ich wieder reden. "Das ist doch keine Ernährung für ein Kind. Das ist nicht richtig!"
Tatsache war, dass wir prima zurecht kamen, nur schien es Senõra López unbegreiflich. Mir war nichtmal klar, warum sie sich einmischen musste.
Ich vermutete außerdem, dass die Frau >>ordentlich<< meinte, wenn sie >>richtig<< sagte.
Ja, Abuelo und ich leben nicht ordentlich. Doch um wirklich glücklich zu sein, fand ich, ist Ordnung nicht wirklich erforderlich.
"Sie sind jederzeit Herzlich Willkommen!", hörte ich Abuelo rufen, dann viel die Haustür ins Schloss. Schnell kletterte ich zu meinem Fenster und sah nach draußen, Senõra López stolzierte davon. Ob sie eigentlich eigene Kinder hat?
Plötzlich klopfte es und Abuelo steckte seinen Kopf durch den Türspalt, nachdem er die Tür ein wenig öffnete. "Seit wann bist du denn schon wieder da, mi pequeño?"
Ich zuckte mit den Schultern. "Lange."
"Und?"
"Und was?" Ich legte den Kopf schief und er lachte. "Wie war's im Dorf?"
Ich erwiderte sein Lächeln. "Es war super toll! Und weißt du was? Ich habe die Madrigals getroffen!"
"Echt?" Seine Augen weiteten sich. "Wie sind sie denn so?"
"Total nett, aber du kannst dir ja morgen ein eigenes Bild von der Familie verschaffen.", sagte ich und zuckte erneut mit den Schultern. "Denn wir sind morgen bei Ihnen eingeladen."
"Das sind doch gute Nachrichten!"
1204 Wörter
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