01~Das könnte ein guter Tag werden!
Y/n POV
Es regnete leicht, aber das störte uns nicht. Abuelo war jemand, der dem Wetter keine große Beachtung schenkte und ich, war gerade viel zu sehr damit beschäftigt, meinen Gedanken hinterherzugehen, als mich über ein bisschen Regen zu ärgern.
Abuelo hatte so gut wie keine Erfahrung mit Kindern. Das gestand er mir bereits vor ein paar Jahren, als ich sieben wurde.
"Ich verstehe mich besser auf Bücher als auf Menschen, fürchte ich. Bücher sind so einfach im Umgang."
Das hatte er gesagt. Er hatte mir ebenfalls erklärt, dass er seine Tochter, nicht großgezogen hatte. Er und seine ehemalige Ehefrau hatten sich kurz nach ihrer Geburt getrennt und sie hatte mitsamt seiner Tochter, aus dem Staub gemacht und war in ein anderes Dorf gezogen. Weit, weit weg von hier.
Ebenfalls hatte er mir erzählt, dass ich dort aufgewachsen sei. Allerdings erinnerte ich mich nicht daran. Ich habe das Gefühl ich würde schon immer bei meinem Abuelo leben und es störte mich keineswegs.
Außerdem fand ich, auch schon damals, dass er gut mit Menschen umgehen konnte- zumindest konnte er es mit mir.
Seufzend lehnte ich meinen Kopf an die kühle Scheibe. Die Autofahrt dauerte vier Stunden; ich saß vorne und Abuelo erzählte mir aus seinem Leben, als wäre ich eine gute Bekannte bei einem Teekränzchen.
Er war achtundsiebzig Jahre alt und führte eine kleine Bücherei. Leider wurde diese geschlossen und er kam auf auf grandiose Idee, gleich ganz umzuziehen. Er sprach Deutsch und Spanisch mit Menschen, Französisch mit Katzen, und mit Vögeln sprach er Latein.
Einmal hatte er sich fast umgebracht, weil er während des Treppensteigen ein Buch gelesen hatte. Unser altes Haus war schön, aber nicht ganz ungefährlich; es gab viele Treppen, glatte Dielen und scharfe Kanten.
"Ich kaufe ein paar niedrige Stühle", sagte er. "Und Teppiche! Nur...wie kauft man einen Teppich? Weißt du das vielleicht, Mi ángel?" (Mein Engel?)
Ich überlegte. "Weiß ich gar nicht. Bisher hab ich noch keinen gekauft."
"Wir werden es schon heraus finden." Er lachte auf. Ich stieg mit in das Lachen ein und sah wieder aus dem Fenster, denn Abuelo lenkte den Wagen in eine Auffahrt und hielt an.
Auf Anhieb verliebte ich mich in das Haus. Die Backsteine waren im hellsten Weiß von diesem gesamten Dorf gestrichen worden und leuchteten mit Sicherheit sogar im Dunkeln.
Wir beschlossen reinzugehen und ich stürmte vorraus, hinter mir hörte ich Abuelo noch Lachen. "Dann such dir schonmal ein Zimmer aus, mi pequeño!" (Meine Kleine!)
"Sí!" Ich entnahm ihm den Schlüssel und öffnete die Tür. Zuhause suchte ich mir erstmal ein Zimmer aus und am späten Abend, nachdem wir soweit alle Möbel und etliche Umzugskartons rein geschleppt hatten, hatten wir es uns auf dem Sofa bequem gemacht.
Als dann jemand an die Tür klopfte, legte er behutsam ein Drama von Shakespeare auf den Stuhl und eilte mit großen Schritten zur Tür.
Er kehrte in Begleitung einer korpulenten, grauhaarigen Frau zurück. Ich sah ihn an und er lächelte, und das nicht nur mit dem Mund, sondern auch mit den Augen und den Augenbrauen. "So da bin ich wieder Y/n."
Ich nickte und versuchte den Blicken der Frau auszuweichen.
Plötzlich verbeugte Abuelo sich vor der Frau. "Darf ich vorstellen? Y/n, dies ist Chiara López, sie verkauft mir die Bücherei hier in diesem Dorf. Senõra López, dies ist meine Nieta Y/n, sie kommt vom Himmel."
Die Frau seufzte- ein Seufzer der sich für mich eher förmlich, als freundlich anhörte- und legte die Stirn in Falten. "Es ist echt tragisch."
Nun wurde ich neugierig und machte große Augen. "Was denn? Was ist tragisch?"
"Kindchen. Dies ist ein Gespräch zwischen zwei Erwachsenen." Die Frau räusperte sich.
Ich zog eine Augenbraue hoch. Senõra López war eine jener Frauen, die stets mit herrischem Unterton sprachen. Jede Wette, dass ihr Hobby darin bestand, anderen Menschen Vorschriften zu machen und alles was auch nur ansatzweise Spaß macht zu verbieten.
"Ich geh' dann mal in mein Zimmer und schlafen.", sagte ich und gab Abuelo einen Kuss auf die Wange. "Buenas noches!" (Gute Nacht!)
"Dir auch, mi ángel!" (Mein Engel!)
~
Ich hockte auf meinem Bett, die Beine an mich gezogen und aus dem Fenster schauend. Mein Blick schweifte auf eine Gruppe aus Kindern, welche Fußball spielten.
Die Sonne schien durch mein fenster und ich lehnte meinen Kopf an die kühle Fensterscheibe.
Plötzlich kam der Ball angeflogen und prallte mit einem lauten Knall gegen die Scheibe.
Ruckartig setzte ich mich auf, öffnete das Fenster und sah nach draußen.
"Tut mir leid, Senõra! Das war ausversehen!", sagte ein Junge und sah entschuldigend zu mir hoch. "Das kommt nie wieder vor, wie spielen sonst wo anders wenn es Sie stört."
"Ach was.", sagte ich lachend und machte eine wegwerfende Handbewegung. "Ich habe mich erschreckt, ja. Aber ihr könnt doch weiterspielen!"
"Danke, Senõra!", rief ein kleines Mädchen in einem bezaubernden Kleidchen.
"Y/n! Nennt mich einfach nur Y/n!", rief ich und lächelte.
"So heißt du? Der Name klingt aber toll.", meinte ein anderes Kind und ich lachte auf. "Danke dir!"
Ich schloss da Fenster und atmete zufrieden ein. Das könnte ein guter Tag werden!
Mein Blick glitt durchs Zimmer. Um mein Bett herum stand ein Meer aus Kartons und meinen Koffer hatte ich auch nicht ausgeräumt. Er war in einem schlichten schwarz, mit einem ausziehbaren Griff oben und Schloss. Er hatte 4 Räder und Ecken aus PP (Polypropylen, ebenfalls in schwarz) und ein praktisches Trennfach.
Sollte ich die Zeit nutzen um-" Neeee!
Viel lieber würde ich das Dorf hier erkunden.
"ABUELO!", rief ich und polterte die Treppen runter. Ich bog in die Küche und tatsächlich fand ich ihn dort vor, wie er in sein Buch vertieft war. Nebenbei trank er genüsslich seinen morgen Kaffee.
"Also ich...Abuelo?" Ich tippte ihn an. Endlich sah er auf. "Oh Guten Morgen, mi pequeño! Seit wann bist du denn wach?" (Meine Kleine)
"Guten Morgen Abuelo. Ich bin schon ein bisschen länger wach." Ich gähnte, streckte mich und gab ihm dann einen Kuss auf die Wange. "Ich wollte fragen, ob ich mich ein wenig im Dorf umsehen darf?"
Er schien zu überlegen. "Klar! Warum nicht? Schließlich ist es dein erster Tag in Encanto. Ich werde mir heute vermutlich schon den Bücherladen ansehen, den ich ja in Zukunft übernehmen werde."
"Ist gut!" Ich schaute aus dem Fenster. "Glaubst du ich treffe einen von den Madrigals?"
Abuelo verschluckte sich fast an seinem Kaffee. "Was sagst du?"
Ich zögerte. "Ich frage mich, ob ich einen von den Madrigals treffen werde?"
"Bestimmt!" Er kratzte sich am linken Ohr und lachte dann leicht. "Chiara hat mir gestern Abend noch von ihnen erzählt."
"Achja?" Ich musterte ihn. "Und was genau?"
"Nun ja. Sie sagte, dass die Madrigals Gaben besitzen würden und den Leuten im Dorf, mit diesen Gaben, helfen. Also für mich hört sich das an, als wären das nette Menschen. Wieso fragst du? Bist du neugierig wegen ihrer Gaben, mi pequeño?" (Meine Kleine?)
Verlegen wickelte ich mit meinem Finger eine Haarsträhne auf. "Ja, schon. Schließlich trifft man nicht jeden Tag auf eine ganze Familie voller Fähigkeiten! Außerdem war ich einfach nur neugierig, wie es hier in Encanto so läuft."
Er nickt. "Verstehe."
"Ich bin mir sicher, dass wir uns hier total gut einleben werden!", versicherte ich und seufzte zufrieden.
Das Dorf war wirklich besonders!
Nicht nur wegen paar Menschen, die außergewöhnliche Fähigkeiten besaßen...allgemein schien dieses Dorf besonders.
Ich empfand es einfach so.
1227 Wörter
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