Kapitel 3
Ich hatte beschlossen, dass ich heute nach der Uni gleich bei Jason vorbeischauen würde. Ich musste mir sicher sein können, dass es ihm gut ging, denn sonst könnte ich mich auf gar nichts mehr konzentrieren. Er war mir schließlich total wichtig.
Hoffentlich war der Einbruch bei uns einmalig gewesen und er hatte nun seine Sucht auf rohes Fleisch wieder im Griff.
Thomas wollte mich unbedingt begleiten, er meinte zwar, dass er einfach bei mir sein wollte, doch ich war mir sicher, dass er mich zu diesem Zeitpunkt nicht alleine mit meinem Bruder lassen wollte, da er sich da nicht so wohl fühlte. Ich konnte es ja auch verstehen, es war wirklich komisch, doch ich war ja auch kein Baby, das man auf Schritt und Tritt verfolgen musste.
„Mal sehen, was uns nun erwartet!", meinte Thomas, als wir aus dem Auto ausstiegen und zu Jasons Haus liefen. Wir machten es allerdings anders als er, wir holten uns nicht einfach den Schlüssel, den er versteckt hatte, wir klingelten an der Haustür, wie ganz normale gesittete Leute.
„Ich hoffe, dass das nur einmalig war. Ich habe momentan auch mit der Uni genug zu tun und will nicht auch noch dafür verantwortlich sein, meinen Bruder ständig zu seinen Sitzungen beim Therapeuten zu schleifen oder ihn womöglich noch einweisen zu lassen. Verstehe mich nicht falsch, ich liebe ihn über alles und ich werde immer für ihn da sein, doch ich mache mir auch total Sorgen, da er sein Leben schließlich auch genießen soll."
Thomas schloss von hinten seine Arme um meinen Oberkörper und zog mich näher an sich. Er gab mir einen sanften Kuss auf den Kopf, auf mein Haar und mein Herz fing gleich schon wieder an, schneller zu schlagen. „Ich weiß, du bist die herzensgütigste Person, die ich kenne. Ich weiß, dass du Menschen, die dir etwas bedeuten, niemals im Stich lassen würdest und dafür liebe ich dich auch so sehr. Du bist mein wundervolle May."
Seine Worte erfüllten mich mit Wärme und ich wollte mich gerade herumdrehen, um ihn zu küssen, als Jason schnell die Tür öffnete, sie beinahe aufriss.
„Hau ab! ich habe dir doch gesagt, dass es mir gut ...!" Jason starte mich und dann Thomas an, während er im Satz stockte. „Oh, tut mir leid, May, Thomas, ich dachte, ihr wärt schon wieder mein nerviger Nachbar. Der geht mir dermaßen auf die Nerven, ich könnte echt auf ihn losgehen."
Thomas und ich sahen uns verwirrt an. „Was hat dein Nachbar denn getan?", fragte Thomas ihn das, was ich auch dringend wissen wollte. Jasons Gesicht wurde ganz rot vor Wut, wie wenn er gleich explodieren würde.
„Dieser Vollhorst kommt ständig zu mir rüber und will durch meine Wohnung streifen, um zu sehen, ob ich irgendwo Fleisch gehortet habe. Ich bin heute auch zu ihm gegangen und ihm habe ihn um ein bisschen Fleisch gebeten, da ich wieder solchen Hunger hatte, doch er meinte, dass ich verrückt wäre. Ich war im Supermarkt, doch als ich wieder zu Hause war, kam er schon vorbei und wollte mir das ganze Fleisch wegnehmen, da er meinte, dass ich krank wäre. Also habe ich es versteckt, doch er kam wieder und er hat alles gefunden. Das hat mich total wütend gemacht."
Ich trat erst einmal in Jasons Haus ein. Ich nahm meine Bruder an den Schultern. „Hey, beruhige dich. Er ist jetzt weg und dein Fleisch auch. Ich will deinem Nachbar zwar nicht recht geben, aber vielleicht st es ja momentan wirklich besser für dich, wenn du kein Fleisch mehr isst. Keine Sucht ist gut und ich verspreche dir, jetzt beruhigen wir uns erst einmal und dann gehen wir los und kaufen dir die besten Pommes der Stadt und danach essen wir auch noch einen großen Eisbecher. Du wirst sehen, anderes Essen schmeckt auch so super und danach wirst du sicherlich auch kein Verlangen auf Fleisch mehr haben."
Ein paar Minuten danach ging Thomas schon einmal mit Jason zum Auto und ich wollte noch einmal kurz auf die Toilette. Da das Klopapier alle war, lief ich zu seinem Vorratsschrank und wollte mir neues holen, doch als ich die Tür öffnete, stohl sich ein Schrei aus meinem Mund und erfüllte das ganze Haus.
Die ganze Vorratskammer war voller Fleisch. Blutigem Fleisch. Es lag überall und fast kniehoch. Er musste alle Geschäfte leergekauft haben. Was war nur los mit meinem Bruder?
Ein paar Sekunden nach meinem Schrei stand schon Thomas hinter mir und packte mich sanft, aber bestimmt am Arm, um mich von dort wegzuziehen. Ich vergrub mein Gesicht in seinem Hemd und fing an, zu schluchzen. Thomas strich mir beruhigend über die Schulter. „Was ist denn nur los mit ihm? Thomas ich habe wirklich große Angst um ihn ... ich weiß nicht, was ich nun machen soll! Er ist doch mein Bruder, er war immer so glücklich und ausgeglichen und das passt gar nicht zu ihm. Er ist so verändert, ich erkenne ihn nicht wieder."
Thomas drückte mich näher an ihn heran. „Shh, May, alles ist gut. Wir werden zusammen professionelle Hilfe für ihn finden und dann wird es ihm wieder besser gehen. Ich stehe dir bei und zusammen schaffen wir das. Wir beide haben doch bisher alles geschafft und ich werde auch alles dafür geben, dass mein bester Kumpel auch wieder mein bester Kumpel wird!"
***
Den Rest des Tages waren wir mit Telefonieren beschäftigt. Wir hatten Jason mit zu uns genommen, da ich ihn in dieser Verfassung nicht alleine lassen konnte. Die meisten Psychologen wimmelten uns ab, da sie dachten, wir wären die, die Hilfe bräuchten, doch als wir gerade schon aufgeben wollten, fanden wir endlich jemanden, der sich sogar anbot, schon morgen Früh die erste Sitzung mit Jason abzuhalten.
Ich war so erleichtert. Es musste so ja alles besser werden. Ich wollte doch nur, dass es meinem Bruder gut ging.
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