4. Verloren in der Dunkelheit

"It's okay to get lost every once in a while. Sometimes getting lost is how we find ourselves."

Doch schon bald fanden die drei Freundinnen auf einer kleinen, aber hübschen Lichtung vor. Im herab fallenden Mondlicht offenbarte sich ihnen ein halbrunder Tümpel, auf dessen dunkler Wasseroberfläche unzählige Laubblätter friedlich hin und her trieben, so als gäbe es für sie keinerlei Anlass zur Hast. Hier und da drang aufgeregtes Quaken durch die Luft, ansonsten herrschte an diesem abgelegenen Ort das eherne Gesetz des Schweigens. 

Wie gebannt starrte Antonia auf die Karte. 

»Der Teich liegt auf unserem Weg, das ist schon mal gut. Wenn ich die Zeichen richtig deute, müssen wir auf jeden Fall den Kurs geradeaus halten.«

»Super, dein Optimismus beruhigt mich ja ungemein«, meldete sich Rosalie sarkastisch zu Wort, während sie sich mit einer Hand durch das kurze blonde Haar fuhr. »Da fühle ich mich doch glatt um Welten besser und wohl behütet!«

»Gehen wir weiter«, beschwor Elisabeth eindringlich, die ihrerseits  versuchte, die Zeit halbwegs im Auge zu behalten. "Streiten können wir uns, wenn wir uns halbwegs in Sicherheit gebracht haben. Nun kommt schon!«

Wenige Minuten des Marschierens verstrichen, bevor die launische Stimmung von Mutter Natur wie aus heiterem Himmel zuschlug und aller Schicksalsrichtungen erneut auf dramatische Art und Weise veränderte. 

Ein plötzlicher Schrei, voller Angst und Überraschung, zerfetzte augenblicklich das dünne Gewand der Stille, bis am Ende nichts als lose Fasern übrig blieben. Antonia, die bislang den Marsch der Truppe angeführt hatte, war nun nicht mehr da.  Stattdessen rutschte ihre kreischende Gestalt über den mit nassen Laub bedeckten Abhang hinunter, ja trudelte sogar wie ein herabstürzendes Flugzeugdirekt dem eigenen Untergang entgegen. 

»Ahhh«, schrie die Fallende  wie am Spieß, während ihr rasanter Sturz scheinbar kein Ende nehme wollte. Schneller als erwartet  verschwand ihr niedersausende Körper aus dem Blickfeld und wurde somit mit Haut und Haar von der bleiernen Dunkelheit verschluckt. Weitere Minuten verstrichen, bevor aus naher Entfernung ein dumpfes Knacken ertönte.

Elisabeth und Rosalie, derweilen an Ort und Stelle erstarrt, benötigten ein paar Augenblicke der Ruhe, um das gerade Erlebte einigermaßen sacken lassen zu können. 

»Verdammter Mist, Antonia muss wohl auf dem feuchten Laub ausgerutscht sein. Was machen wir jetzt nur?«, keuchte eine panisch dreinblickende Rosalie, die sich vor lauter Aufregung immer und immer wieder mit einer Hand übers Gesicht und auch durch das Haupthaar fuhr. 

»Ich fürchte, wir müssen auf die gleiche Weise runter. Der Boden ist zu rutschig, als dass ein senkrechter Abstieg möglich wäre. Nicht gerade optimal, aber besser als sich den Hals zu brechen«, schnaubte die Brünette, die sich gleich darauf in Bewegung setzte und dabei eine bitterernste Miene zur Schau trug. Geschwind setzte sich die junge Frau auf den Boden, klemmte sich  Taschenlampe und Tasche zwischen die Beine und holt ein paar Mal tief Luft. 

Zwar lag der süßliche Geruch von Moder wie eine schwere Parfümwolke in der Luft, doch schenkte sie dieser Wahrnehmung  keinerlei Beachtung. Ihr Fokus lag einzig und allein auf dem Vorhaben, halbwegs gesund und munter unten anzukommen. 

»Oh, dieser ganze Unsinn wird ja besser und besser. Jetzt ist's offiziell. Dieser Tag gehört zu den Top 5 meiner schlimmsten Erlebnisse«, fauchte eine auf Krawall gebürstete Rosalie, deren Fingernägel sich wie ausgefahrene Krallentief tief in den Stoff ihrer getragenen Jacke bohrten. 

Wie eh und je erinnerte ihr Gebaren an das Verhalten einer wütenden Katze, die im Insgeheimen darüber sinnierte,  ob sie nicht doch die dargereichte Hand beißen wollte.

Mit einem gewissen Maß an verspürter Genugtuung musste Elisabeth allerdings rasch feststellen, dass die widerwillige Blondine trotz der offenkundigen Allüren ihrem vorangegangen Beispiel folgte.

»Lass ein wenig Abstand zu mir, ja«, rief die Brünette ihrer Nächststehenden zu und erhielt daraufhin, wie oh Wunder, tatsächlich ein bestätigendes Kopfnicken zurück.

Wäre doch gelacht, wenn ich diesen kleinen Rodel nicht  hinbekommen würde.

Im Insgeheimen all ihren vorhandenen Mut zusammen nehmend, stieß sich Elisabeth urplötzlich mit der freien Hand ab und fand sich gleich darauf im freien Fall wieder. Wie ihre Vorgängerin rutschte sie mit einem Affenzahn die steile Anhöhe hinab, versuchte dabei jede serpentinähnliche Kurve so gut wie nur möglich mitzunehmen.

Klammer Wind blies der Tapferen fortwährend ins Gesicht. Aufgewirbelter Dreck und unangenehme Nässe wirbelten gleichfalls zu allen Seiten auf und gruben sich dabei im Handumdrehen tief in das feuchte Gewebe ihrer Kleidung. Wenig später stieg in ihr bereits die vage Ahnung auf, schon bald das angepeilte Ziel zu erreichen, daher grub sie unvermittelt ihre Fersen immer wieder tief in die Erde. Lange Sekunden verstrichen, bevor das Licht am Ende des Tunnels in greifbarer Nähe geriet und sie ihre Talfahrt endlich stoppen konnte. 

Randnotiz für mich: Unbedingt mehr Sport machen. Verdammt, das war doch kein Zuckerschlecken gewesen!

Sobald Elisabeth glaubte, dass ihre Sinne nicht mehr gefährlich am Rand der Benommenheit wankten, schwang sie sich ihre Tasche über die Schulter, packte ihre Taschenlampe  und nahm schließlich wieder eine stehende Haltung ein. 

Gerade als sich die junge Frau zur Seite drehen wollte, vernahm sie bereits ein deftiges Gefluche hinter sich. Mit zuckenden Mundwinkel drehte sie sich um die eigene Achse, nur um gleich darauf Rosalies sauertöpfischen Blick zu begegnen.

»Alles gut überstanden?«, fragte die Brünette ihre Begleitung spitz, hielt jener jedoch eine Hand zum Aufstehen hin. Rosalie, die kurz die Augen verdrehte, nahm das Angebot schließlich mit einem dankbaren Lächeln auf den Lippen an und hievte sich somit wieder in die Senkrechte. 

»Ich seh bestimmt wie ein Dreckspatz aus, aber sonst passt alles. «

»Gut,  dann lass uns nach Antonia schauen. Hoffentlich geht es ihr gut...«, gab eine ernstdreinblickende Elisabeth rasch zu bedenken, eine Meinung, welche die Blondine, gemäß ihres eigenen grimmigen Kopfnickens, ebenfalls teilte.

Ab dann riefen die zwei Freundinnen immer wieder »Antonia! Antonia! Wo bist du?« in das pechschwarze Gehölz hinein und wedelte dabei mit dem Licht ihrer Taschenlampen wie wild geworden umher. Stetig prallte der Klang an dem dicht besiedeltem Gehölz ab, bevor der Wind die Tonfolge mit seinen unsichtbaren Klauen ergriff und in eine weit entlegene Ferne davon trug. 

»Ich bin hier, Mädels! Keine Sorge, mir geht's  gut!«, rief ihnen auf einmal eine raue Stimme entgegen,  deren heiserer Tonfall durchaus an den Klang eines eingerosteten Reibeisens erinnerte. »Verdammte Kacke,  warum passiert mir immer so ein Mist?«

Elisabeth und Rosalie teilten daraufhin einen unschlüssigen Blick, ehe sie in die Richtung, aus der die voraus gegangenen Worte stammten, aufbrachen. Wenige Augenblicke später entdeckten zwei sorgenvolle Mienen, wie Antonia fluchend auf dem Boden saß und sich mit einer Hand über die scheinbar pochende Stirn rieb. 

»Kein Grund zur Panik! Hab zum Glück nur kurz mit diesem Strauch gekuschelt. Wenn ich allerdings mit dieser alten Eiche auf Tuchfühlung gegangen wäre... na dann Prost Mahlzeit!«

»Dein Wort in Gottesgehörgang«, seufzte Elisabeth, doch ihr wachsamer Blick vermochte nach eingehender Betrachtung keinerlei Brüche oder etwaige Blutspuren auf dem leicht zitternden Leib zu erkennen. Hier und da funkelten zwar ein paar Kratzer um die Wette, allerdings schien die Apothekerin mit ihrer Einschätzung der Lage durchaus ins Schwarze getroffen zu haben.

Ein paar Meter von dem Trio entfernt, lagen Antonias verloren gegangenen Utensilien querbeet auf dem mit buntem Laub überzogenen Boden verstreut.

»Aber wo ist die Karte bitteschön abgeblieben?«, rief der plötzlich verzweifelt dreinblickende Rotschopf aus, während zur gleichen Zeit ein unverhohlenes Entsetzen in ihren in weit aufgerissenen Augen auf glomm.  Auch Elisabeth und Rosalie erfassten sofort das Dilemma, in welchem die Drei scheinbar nun knietief fest saßen.

»Ohne den Wegweiser finden wir hier nicht mehr raus!«

»Nein, nein, das kann doch alles nicht wahr sein ....«,  empörte sich Rosalie augenblicklich, doch Antonia brachte sie mithilfe eines strengen Blicks recht schnell wieder zum Schweigen.

»Verdammt! Wenn der Wind die Landkarte nicht weit weg gefegt hat, besteht vielleicht noch die Möglichkeit, dass sie hier irgendwo in der Gegend herum liegen könnte«, trug Elisabeth schließlich ihren Vorschlag mit gefasster Miene vor, obwohl sie innerlich selbst größte Mühe dabei empfand, ihre aufsteigende Nervosität wie ein Boxer im Ring nieder zu kämpfen.

Vorsichtig schlenderte das Trio weite  durch den verdunkelten Forst. Nach wie vor breitete sich ein bleiernes Schweigen über den Köpfen der drei Frauen aus, doch fehlte diesem einhüllenden Zustand nun jegliche Gemütlichkeit. Unvermittelt riss ein schauriges Grollen Elisabeth aus ihren Überlegungen und ließ sogleich ihre Sicht in Richtung des nächtlichen Gestirns schnellen.

Um unser Glück ist es heute Abend wirklich nicht gutbestellt, schlussfolgerte die Brünette grimmig, sobald sie dem mittlerweile pechschwarzen Firmament entgegen sah.

Inzwischen verhingen finstere Wolkenfäden den dusteren Himmel. Kein helles Mond- und Sternenlicht zeigte sein eitles Gewand mehr. Lauter Donner, so als würde der Gott Odin höchstpersönlich Ragnarök ausrufen, begann mit einer beinah schmerzhaft lauten Lautstärke herab zu schallen. 

Selbst der heulende Wind schien sich um ein paar weitere Grade abgekühlt zu haben. Gleich gierigen Diebesfinger, die stets nach ihrer ausgewählten Beute schnappten, sausten die stärker werdenden Böen herab und zerrten dabei an den frei liegenden Haaren und Gewändern der verloren gegangenen Frauen. Mehrmals musste Elisabeth die Position ihres aufflatternden Schals richten, dessen wolliger Stoff ihr immer wieder heftig ins Gesicht schlug. 

Nur wenige Minuten später war es ihr, als hätten sie bereits jeden gottverdammten Zentimeter dieses mitteleuropäischen Dschungels abgesucht. Am Ende blieb die Landkarte nach wie vor wie vom Erdboden verschluckt. Jene niederschmetternde Erkenntnis schlug bei Elisabeth sogleich wie eine Bombe ein. Auch Antonia und Rosalie standen Verzweiflung, Angst und Hoffnungslosigkeit unübersehbar ins Gesicht geschrieben.

Während die Drei mit ihrer unverhohlenen Fassungslosigkeit rangen, stimmte derweilen eine singende Krähe, irgendwo hoch in einem verzweigten Baumwipfel sitzend, ein Requiem für einen zerplatzen Traum an.

Elisabeth, die nun einen froschgroßen Kloß im Hals verspürte, konnte nur mit Müh und Not den aufgestiegenen Tränen einen bühnenreifen Auftritt versagen.  Höchst erzürnt warf Rosalie unlängst einen vom Boden aufgelesenen Ast gegen einen wehrlosen Baum, an dessen harter Rinde das Geschoss natürlich abprallte und mit einem lauten Krachen auf dem Waldboden fiel. 

»Was für eine beknackte Nacht! Ich glaub, ich dreh gleich durch!«, schrie die blonde Frau ihren Frust sogleich in die freie Wildbahn hinaus, schüttelte dabei erbost die geballte Faust gen Himmel und trat schließlich sogar gegen einen kleinen Busch.

Dagegen versuchte Antonia auf weniger aggressiver Art und Weise ihrem verspürten Unmut Luft zumachen. Silberne Zähren liefen ihr über die Wangen hinweg, kein Ende schien dabei in greifbarer Nähe. Immer wieder, sich wohl der Tätigkeit völlig unbewusst, murmelte der Rotschopf folgende Worte in die stille Nacht hinein.

»Was wird mit uns geschehen?«

Weitere Momente verstrichen, bevor Elisabeth als Erste ihre Fassung wiedergewann. Tiefe Atemzüge einnehmend, gelang es ihr allmählich, das verknotete Gefühlsknäul in ihrer Brust wieder in einzelne Strähnen aufzutrennen. Geradeals die Brünette das Zepter des Wortes ergreifen wollte, machte ihr der aufgezogene Sturm urplötzlich einen Strich durch die Rechnung.

Rasch erkannte sie, wie ein erschütternder Donner buchstäblich die Erde zum Erbeben brachte, während unzählige Blitze in Form von hell leuchtenden Strahlen in Richtung der schlummernden Landschaft herab zuckten. Sogar der Wind, nun die Stärke eines kleinen Orkans besitzend, heulte mittlerweile so laut wie ein vollmondtrunkener Werwolf auf. Zudem hielt im selben Augenblick, wie auf das Stichwort gerufen, der Einzug eines prasselnden Regenfalls inne.

Unwillkürlich lag der Geruch von frischer Kühle in der Luft, klamme Nässe fraß sich im Handumdrehen durch die freigelegten Haare und Gewänder. Hilfesuchend starrten die Frauen einander an, so als hoffte jede im Insgeheimen darauf, dass eine von ihnen sogleich eine rettende Lösung aus dem Hut zaubern würde. Doch weit gefehlt, denn das Schicksal hatte sich bisweilen nimmer durch Tatenlosigkeit bekämpfen lassen.

Aber so ist das mit den Geistesblitzen. Immer dann, wenn du sie am dringendsten benötigst, lassen sie einem im wahrsten Sinne des Wortes im Regen stehen.

»Mist. Mist. Mist. Packt eure Sachen und nichts wie weg von hier!«,  brüllte Antonia, scheinbar zur rechten Zeit wieder dem Tal  der Tränen entkommen, den Umherstehenden zu.
»Bewegt eure Hintern! Ich will hier echt nicht von einem Blitz gegrillt oder einem umfallenden Baum getroffen werden!«

»Wohin sollen wir denn überhaupt verschwinden, Frau Schlaumeier?«,  wollte Rosalie in ihrer typisch aneckenden Manier  wissen, während sie das Kind trotzig in die Luft reckte. 

»Einfach gerade aus. Wir halten den Kurs, wie vorhin besprochen. Diskutieren können wir, sobald wir uns wieder in Sicherheit befinden!", gab  nun eine leicht genervte Elisabeth zu bedenken.  »Jetzt macht endlich die Biege!«

Gesagt, getan.

So schnell wie ihre Beine sie trugen,  spurteten die Drei regelechtdurch den finsteren Horst. Aufgewirbeltes Laub raschelte dabei zu aller Füßen ständig laut auf, ganz so, als ob es sich über das lautstarke Gestampfe aufregen wolle. Wie selbstverständlich nahm Elisabeth die Führung ihrer kleinen Truppe ein, dabei dicht auf den Fersen gefolgt von Rosalie, die trotz ihres zierlichen Auftrittes eine erstaunliche Fitness besaß. 

Antonia, hingegen, stellte sich kurz darauf als das völlige Gegenteil der zwei anderen Freundinnen heraus.

»Sport ist Mord«,  jammerte der zutiefst unglückliche Rotschopf in einer Tour, die schlaksigen Arme hielt sie dabei stets keuchend auf die Hüften gepresst. Binnen weniger Minuten wuchs der trennende Abstand zwischen den Drei auf ein stattliches Maß an.

»Komm schon, beweg endlich deinen schlaffen Hintern! Du kriegst das schon gebacken!«, versuchte Rosalie, nun zurückrufend, sie zum schneller laufen zu motivieren. 

»Noch...so eine Aussage...dann...springe...ich dir an die Gurgel! Und wenn es das Letzte ist, was ich in diesem Leben tun werde. Was ziemlich sicher der Fall sein wird, denn lange kann ich diese Tortur  nicht mehr durchstehen«, röchelte Antonia lautstark um Sauerstoff, hielt sich aber nichtsdestotrotz wacker auf beiden Beinen.

Unentwegt prasselten feine Regentropfen, die wie kalte Wellen gegen steinerne Klippen brandeten, gegen ihre Gesichter und ließen schon bald die Sicht in die Ferne deutlich schummriger erscheinen. Sobald Elisabeth wieder Notiz von der  vorbei rasenden Umgebung nahm, fiel jener ins Auge, dass die Anzahl der hier verwurzelten Bäume stetig mehr abnahm.

Angespornt durch diese Entdeckung, bündelte die Brünette, trotz dem qualvollen Seitenstechen, ihre letzten Kräfte und nahm sogleich Kurs auf das vermeintliche Ende des Waldes. Wie erschöpfte Läufer, die durch das Zielband liefen, schleppten sich die Freundinnen letzten Endes an einer einsam und allein stehenden Tanne vorbei, nun endgültig den grünen Hain hinter sich lassend.

Vorsichtig beugte Elisabeth ihren bebenden Oberkörper sogleich gen Boden, um in einer ruhigen Minute zu alter Stärke zurückfinden zu können. Ihre beiden Kumpaninnen plumpsen hingegen wie schwere Kartoffelsäcke auf den erdigen Untergrund nieder und rangen gleichfalls hörbar um Luft. 

Schließlich, als sich die Atmung der Dunkelhaarigen  wieder beruhigt hatte, nahm sie wieder eine kerzengerade Haltung ein. Mithilfe ihrer Taschenlampe versuchte die junge Frau sofort  ihrer neuen Umgebung genauer unter die Lupe zu nehmen.

Und dann dämmerte ihr das Offensichtliche.

Nicht die asphaltieren Konturen der rettenden Hauptstraße starrten ihr entgegen, sondern ein gigantisches Gebirgskette. 

»Wo sind wir denn jetzt wieder gelandet? Hier sind wir ja komplett falsch!«, kommentierte eine fassungslos dreinblickende Antonia die aktuelle Lage, während Rosalie ungewöhnlich stumm blieb.

Graue Gesteinsmassen thronten in einer fast erhabener Position über aller Köpfe hinweg, erinnerten in ihrer Form sogar an versteinerte Riesen, die vor langer langer Zeit in einen tiefen Schlaf gefallen waren. Ein dunkles Kleid, angefertigt aus waldgrünen Tannen und braunen Laubbäumen, verzierten hingegen die erkennbare Oberfläche der Felsen.

Was für eine Aussicht!, dachte sich Elisabet ehrfürchtig, die in jenem Moment gut nachvollziehen konnte, warum so viele Bergsteiger ihren Hals riskierten, nur um auf den gewaltigen Spitzen die von ihnen so sehnsüchtig herbei gewünschte Freiheit zu finden.

Nach wenigen Augenblicken des Bestaunens richtete die die junge Frau allerdings recht schnell wieder ihre Aufmerksamkeit auf das aktuelle Problem aus, dessen Lösung so rasch wie möglich herauszufinden galt. Da der aufgezogene Sturm und die klirrende Kälte weiterhin keine Gnade mit den Verlorenen kannten, musste unbedingt ein sicheres und vor allem trockenes Versteck gefunden werden.

Schnupfen und Blasenentzündung können mir wirklich gestohlen bleiben, vielen lieben Dank der Nachfrage. Aber wo genau können wir überhaupt einen passenden Unterschlupf zu finden? Ich kenne mich hier so wenig aus, wie der Papst wohl Ahnung von einem flotten Dreier mit zwei Nonnen hat!

Als hätte Antonia ihre Gedanken gelesen, so gesellte sich diese im Nu an ihre Seite. Die leicht beschmutzten Hände an der Hose abwischend, bedachte die Rothaarige schließlich ihre Nächststehende mit einem wissenden Blick und flüsterte folgende Worte in die bleierne Stille hinein.

»Der sehr nah erscheinende Berg mit der abfallenden Spitze müsste, wenn mich nicht alles täuscht, der Sanfte Josef sein. Er sticht mit seiner gekrümmten Kontur ziemlich gut hervor, nicht wahr?«

Wie aus dem Nichts durchfuhr ihr Körper urplötzlich ein heftiges Zucken, während ihren ihre Augen zeitlich auf die Größe von zwei Tennisbällen anschwollen. 

»Leute... Meine wanderungsfanatischen Eltern haben mir mal erzählt, dass sich angeblich eine Höhle in dem Sanftem Josef befindet. Der Eingang dürfte nicht weit entfernt von der aufgestellten Wegbeschreibung liegen. Nicht unbedingt das Vier Jahreszeiten, aber in der Not frisst auch der Teufel Fliegen, oder?«

Elisabeth und Rosalie teilten daraufhin einen kurzen Blick.

»Na dann. Lasst uns doch diese Höhle aufsuchen«, schlug die überraschend kompromissbereit Blondine vor. »Ich kann es kaum erwarten, diesem vermaledeiten Wetter endlich zu entkommen!«

Obwohl es um den allgemeinen Optimismus wahrlich nicht gut stand, so schien doch die verlockende Aussicht auf eine Unterkunft, egal welcher Art, ihnen wieder einen frischen Lebensmut einzuhauchen. Leise plaudernd schlenderten die jungen Erwachsenen in Richtung des Berges,  nicht ahnend, welch böse Überraschung sie in dem Innenleben jener Behausung erfahren würden.

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