Must be true love
Da hat man schon einmal einen starken, muskulösen festen Freund - Und dann ist die faule Socke, die nach viel zu viel Deo stinkt, zu müde, um einem den Koffer zum Auto zu schleppen!
Hustend schiebe ich Tua von mir weg, der sich, nachdem er sich in seine Duftwolke gehüllt hat, direkt wieder zu mir ins Bett legen will. Natürlich ist er schwerer und größer und mir somit unfair überlegen. "Du hättest einfach duschen sollen", meckere ich.
"Halt die Klappe, Xanthippe", nuschelt er ins Kissen.
"Alles klar, Sokrates", schnaube ich verächtlich und will aufstehen, weil mir die Duftpartikel in den Atemwegen brennen.
"Iara", umschlingt er meine Taille und schaut mich wehleidig schmollend an.
"Ach, plötzlich heißt es wieder Iara", murre ich, doch meine Mauern reißen ein, als er mich mit schrecklich viel Gefühl verpackt in einer winzigen Bewegung in seine Arme zieht.
"Urlaub heißt abschalten, sei wann anders pissig", murmelt er mit geschlossenen Augen und ich rieche Pfefferminz. Er hält also immerhin das Minimum an Sauberkeit ein, auf das wir uns vor ein paar Tagen geeinigt haben, als er unangekündigt und vor allem ungeduscht in der WG aufgetaucht ist. Um ein Haar hätte ich ihm die Tür vor der Nase zugeschlagen. Leider konnte er mich mit mitgebrachten Resten seiner verflixt leckeren Pilzpfanne bestechen. Unser Kühlschrank war ausgeräubert und auf dem letzten Becher Kirschjoghurt hing ein Post-It von Bastian, auf das er ein Messer und saftig rote Blutstropfen gemalt hatte …
Langsam verfliegt der überschüssige Deo-Dunst und das seichte Aftershave vermischt mit Tuas ureigenen Geruch tritt in den olfaktorischen Vordergrund. Der modrige, muffige Mief, den er gestern aus dem Boxclub mit heimgebracht hat, klebt in einem kleinen, feinen Film direkt auf seiner Haut. An seinem freiliegenden Hals nehme ich ihn noch entfernt wahr. In den Kellerräumen des Kabuffs sind die sanitären Anlagen zurzeit defekt, weshalb der Schweiß, den die physische Anstrengung zutage fördert, ungehindert auf seinem Körper trocknet.
Ich für meinen Teil war eine Runde in der lichtenberger Nachbarschaft joggen. Wir kamen beide gegen elf in Trainingsmontur bei ihm an, die wir uns auf der Treppe wie zwei Besessene gegenseitig vom Leib rissen. Er ist quasi in der Sekunde eingeschlafen, in der wir nicht mehr eins waren, sodass ich mich, an ihn gekuschelt, ebenfalls gegen die eigentlich dringend notwendige Pflege entschieden habe und erst am Morgen duschen gegangen bin. Dafür aber ordentlich, mit peelen, epilieren, einseifen und eincremen.
Völlig ungeachtet meiner Bemühungen hat er trotzdem seine Katzenwäsche durchgezogen.
"Du hast es echt übertrieben mit dem Übertünchen", schnüffle ich an seinem T-Shirt, das er frisch von der Wäscheleine gepflückt haben muss. Pure Faulheit macht anscheinend kreativ. Die unangenehme Duftnote wird fast gänzlich von wohltuenden Aromen überlagert.
Ein Lächeln umspielt seine Mundwinkel. "Ja, ich weiß, tut mir leid", gesteht er leise. Sein Kuss besänftigt mich einigermaßen. Eventuell trage ich eine Mitschuld an seinem desolaten Hygienezustand. Mein lustgeleiteter Anschlag auf ihn war zugegeben nicht dazu gedacht, ihn unter die gute alte Brause zu kriegen. Wieso haben wir gestern eigentlich nicht in der Dusche gevögelt?
Seufzend streiche ich mit dem Daumen über seine glatte Wange. "Hoffentlich sprießt auf deinem Babyarsch-Gesicht bald noch was."
"Keine Sorge, ich nehme den Rasierer nicht mit."
Stimmt, wir fahren ja ans Meer. Erst jetzt wird mir richtig bewusst, was ein gemeinsamer Urlaub mit Tua eigentlich bedeutet. Ich lächle. "Und die Musikauswahl auf der Fahrt überlässt du mir?", hake ich strahlend nach, denn ich kann mein Glück nach wie vor kaum fassen.
Tua presst die Lippen aufeinander, nur eine schmale Linie bleibt übrig. "Kein Wort davon", droht er finster. "Sonst entziehe ich dir dein Spezial-Recht wieder."
Quietschend vor Freude klatsche ich in die Hände. Neben mir schickt Tua ein russisches Stoßgebet gen Himmel, bevor er sich auf mich rollt und mich mit einem nach Zahnpasta und Mundspülung schmeckenden Kuss ruhigstellt.
"Frühstück?", frage ich möglichst desinteressiert in die Zärtlichkeit hinein. Ich möchte ihm einen dezenten Hinweis geben, dass ich es nicht einsehe, auch nur Brot in den Toaster zu schmeißen, wo er doch beschlossen hat, selig auszuschlafen, während ich mir den Dreck aus jeder Pore geschrubbt habe. Um ihn direkt aufzufordern, genieße ich seine Nähe allerdings zu sehr. Er könnte sich also durchaus noch Zeit lassen bis zur Vorbereitung unserer ersten Mahlzeit heute.
Grimmig gibt er umgehend klein bei - Pech für mich -, und streckt sich gähnend über mir, wobei ich seinen Adonis-Körper in voller Pracht bewundern kann. Sollte er weiter boxen wie ein Bekloppter, bin ich demnächst das hässliche Entlein an seiner Seite. Positiv betrachtet dient sein Fitnesswahn mir wenigstens als Ansporn. In sportlicher Hinsicht könnte ich nämlich wirklich mehr an mir arbeiten. Bis vor circa anderthalb Wochen wäre ich nie auf die Idee gekommen, abends um den Block zu laufen. Doch als er absolut rücksichtslos gegenüber meinen Freunden, die gerade zu Besuch waren, halbnackt bei uns herumstolzierte, hat Pari sich ans Ohrläppchen gefasst. Das ist ein unmissverständliches Zeichen dafür, wie angetan sie von dem ist, was sie sieht, und es war der ultimative Weckruf für mich. Schließlich will ich mit Tua mithalten in Zukunft. Meine brasilianische Oma sprach weise Worte: Er ist ein schöner Mann.
"Leistest du mir Gesellschaft in der Küche?", bietet er mir seine Hand an.
Ablehnend schüttele ich den Kopf und ziehe mir die Decke bis unters Kinn.
"Na, wenn du nicht freiwillig mitkommst …" Er packt mich, hievt mich hoch und ehe ich mich versehe hat er mich über die Schulter geworfen. "Hey, lass mich runter!", trommle ich gegen seinen Rücken. Die angenehme, sauna-ähnliche Hitze, die mich im Bett umgab, schwindet und die Kälte im Flur seiner Wohnung kriecht mir automatisch in die Knochen. Bibbernd unterlasse ich meinen Protest und taste mich stattdessen verzweifelt unter Tuas Oberteil. Da ist es mindestens zehn Grad wärmer.
Er zuckt zusammen bei dem unerwarteten Kontakt meiner Eiszapfen-Finger mit seiner Wirbelsäule. "Fuck", fiept er in einer hohen Tonlage, die gar nicht zu ihm passt. "Wie schaffst du es in drei Sekunden derart auszukühlen?"
"Entschuldige mal, ich bin es gewohnt, dass man im Winter heizt. Jeder Gang durch deinen Flur kommt mir seit November wie eine Wanderung durch die sibirische Tundra vor."
Ärgerlich drückt er mich an sich, damit ich aufhöre zu zittern. "Geh zurück ins Bett", befiehlt er, also tapse ich ins Schlafzimmer, aus dem ich entführt wurde. Unter den weichen Daunen normalisiert sich die Temperatur langsam. Kurz bevor ich eindösen kann, taucht Tua mit einem großen Tablett voller Leckereien vor mir auf. Ob Obstsalat, Brötchen aus dem Ofen, Tee oder Orangensaft, alles was das Herz begehrt befindet sich darauf in doppelter Ausführung.
"Manchmal glaube ich ernsthaft, du bist Jesus", bedanke ich mich auf meine verquere Weise bei ihm. Anstatt etwas zu erwidern, gibt Tua nur einen brummenden Laut von sich. Also mache ich mich einfach über sein liebevoll zusammengestelltes Frühstück her.
"Wie lange fahren wir?", will ich neugierig wissen und schnabuliere währenddessen meine Pancakes mit Blaubeeren.
"Drei Stunden?", reagiert er unsicher.
"Drei Stunden, in denen ich die Playlist kontrolliere?"
"Ich sagte, das Thema ist Tabu, Iara, schweig still." Ein halbes Lächeln hat sich auf seine Lippen geschlichen. Kein noch so grantiger Tonfall kann darüber hinwegtäuschen. Er empfindet mindestens so viel Vorfreude wie ich.
Grinsend schiebe ich das Essen beiseite und klettere auf seinen Schoß. "Ich liebe es, wenn du mir die Kontrolle überlässt", küsse ich ihn.
"Lass mich der Völlerei fröhnen, ich muss meinen Magen füllen", drückt er mich weg. Widerwillig rücke ich von ihm ab. Eine Weintraube aus meinen Obstsalat findet ihren Weg in seine Futterluke. "Du Dieb!", stürze ich mich auf ihn. Er ist kitzlig. Nicht so sehr wie ich, aber ausreichend, um ihn durch eine Attacke dieser Art geringfügig außer Gefecht zu setzen. Kurz darauf liegen Brotkrumen überall.
"Ich muss das Bett eh abziehen", schnippt er einige über die Kante.
"Willst du das jetzt machen?"
"Nee", stöhnt er. "Wenn ich nach Hause komme, starte ich ein Putzaktion, ich schwöre es dir hoch und heilig."
"Das hast du mir längst geschworen. Auf Nikos Geburtstag, der letzten Bunker-Party, unserem Spaziergang durch Kreuzberg -"
"Genug", massiert er sich die Schläfen. "Lass uns endlich losfahren, damit du Ruhe gibst."
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