Geburstags-Mika-Pika

"Braucht ihr noch Hilfe mit irgendwas, Jungs?" Ich stecke den Kopf in Mikas Zimmer, in dem mein Mitbewohner und mein Freund vor Mikas hochgeklapptem Schrankbett stehen. Beide haben ihre T-Shirts ausgezogen und der Schweiß vom Möbelrücken glänzt auf ihrer Haut. "Oh, Entschuldigung", spotte ich. "Bei euch geht's wohl gleich heiß her, was?"
"Du wolltest deine beste Freundin doch verkuppeln, was ist daraus geworden, hä?", fragt Tua mich unvermittelt. Ich hatte eigentlich mit einem schmutzigen Witz gerechnet, aber dafür scheint er nicht in Stimmung. Er ist erschöpft. Grummelnd marschiert er zum Fenster rüber und schraubt die Wasserflasche auf, die ich auf Mikas ausdrücklichen Wunsch hin vor einer halben Stunde dort abgestellt habe. "Jemand Drittes, der mit zupacken kann, wäre von Vorteil gewesen", knurrt mein Freund.
"Die Erschöpfung macht dich grantig. Deine schlechte Laune hat nichts mit mir zu tun", erinnere ich ihn und mich selbst. Tua verdreht die Augen und trinkt einen Schluck. Ich funkle ihn einen Moment lang böse an. Er hat keinen Grund, angepisst zu sein. Oder vielleicht doch? Ich muss ihn fragen.
"Tua hat recht", mischt Mika sich ein. "Dag hätte sich mal nützlich machen können." Er nimmt mir das Handtuch aus der Hand. "Nützlicher als du jedenfalls", foppt er mich, indem er meine Oberarme umfasst. Ich ernähre mich zurzeit normal, denke jeden Tag vorbildlich an meine drei Mahlzeiten. Mika hat einfach große Hände. Mit einem abschätzigen Schnauben reiße ich mich von ihm los. "Kannst du dir nicht mal 'n paar Muckis zulegen, Iara?", scherzt er weiter. Ich ignoriere ihn einfach, laufe zu Tua rüber und drücke auch ihm ein frisches Handtuch gegen die Brust.
"Du hättest dir leichtere Möbel bauen können, Herr Meisterschreiner", kontere ich, und werfe einen Blick über die Schulter zurück zu meinem Mitbewohner. Mika streckt mir die Zunge raus. "Na ja, wo du's gerade ansprichst: Ich zweifle langsam aber sicher daran, dass aus Dag und Pari in diesem Leben noch was wird", äußere ich meine Skepsis. Tua lacht leise. Ich wende mich ihm zu. "Hm?", mache ich und presse die Lippen aufeinander. "Gibt's was, was du mir sagen willst? Weißt du mal wieder irgendwas, was ich nicht weiß?" Automatisch kehrt die Erinnerung an Mamas Hochzeit zu mir zurück, auf der ich erfahren habe, dass meine beste Freundin mal süße, nicht jugendfreie Träume über Tua hatte. Mir hat sie es nicht erzählt, aber ihm. Gott weiß wieso. Eigentlich hätte ich gedacht, dass es ihr bei ihm noch viel peinlicher wäre. Meine beste Freundin ist komisch. Ich bin zwar froh, dass Pari und Tua einen guten Draht zueinander haben, aber gleichzeitig ist es befremdlich. Mein Freund ist nicht so vertrauenswürdig und lieb, wie es erst einmal scheint, sobald man die oberste Eisschicht abgekratzt hat.
"Es ist nichts", antwortet Tua unschuldig auf meine Frage. "Ich glaube einfach nur, die Anziehungskraft, die zwischen den beiden wirkt, besiegt Paris Unsicherheiten noch. Ist bloß so eine Vermutung." Ich zucke die Schultern.
"Na ja, wollen wir's hoffen", kommentiere ich seine Spekulationen und seufze.
"Hey." Ich zucke zusammen, als Paris Stimme an mein Ohr dringt. Auch Mika und Tua fahren zu ihr herum. "Kitty und ich könnten Hilfe in der Küche gebrauchen, jemand muss das Chili umrühren."
Bevor die Jungs auch nur einen Finger krümmen können, hake ich mich bei Pari unter.
"Ich helfe euch."
"Danke." Sie lächelt müde.
"Du bist aufgeregt, nicht wahr?", frage ich, als wir durch den Flur schreiten. "Heute siehst du Dag wieder."
"Ich konnte die halbe Nacht nicht schlafen", murmelt sie. "Bitte hör auf, über ihn zu reden; mir wird flau im Magen, wenn ich daran denke. Er verdient was so viel Besseres."
"Sag nicht sowas." Ich stoppe sie und schließe sie in die Arme. Meine beste Freundin drückt sich an mich.
"Hast du mit ihm gesprochen zwischendurch?", fragt sie mich. Das habe ich tatsächlich, aber Dag  wollte nicht über Pari reden. Er hat über Vincent gesprochen, der wohl gerade ein Mädel kennenlernt, obwohl er noch an seiner Ex-Freundin hängt. Zu Dag selbst sind wir im Zuge dieses Gesprächs nicht mehr vorgedrungen. Ich hätte ihn gern nach Pari gefragt, aber ich glaube, er redet vor allem deswegen kaum über sie, weil er nicht weiß, welchen Stellenwert er für sie hat.
"Ja, aber nicht über dich. Was passiert bei euren Treffen? Schlaft ihr miteinander?" Pari reißt die Augen auf.
"Nein, wie kommst du überhaupt darauf?"
"Du weißt genau, wie ich darauf komme. Was passiert?" Sie seufzt.
"Nichts. Er will mich jedes Mal küssen, ich kann es in seinen Augen sehen, aber ich habe Angst davor." Verspielt stoße ich ihr meinen Ellbogen in die Seite.
"Ich verstehe dich ja", sage ich behutsam, "aber wahrscheinlich küsst er ganz gut." Pari wirft mir einen finsteren Blick zu.
"Ihr wollt mir alle einen Freund aufschwatzen, und ehrlich gesagt hilft mir das null. Alles, was ihr damit erreicht, ist, dass ich mich unter Druck setze."
"Pari, wir wollen alle nur, dass du glücklich bist. Du bist unzufrieden mit deinem Leben, und das musst du einsehen, sonst ändert sich das nie."
"Ich komme zurecht", faucht sie leise, verschränkt die Arme vor der Brust und stampft wütend in die Küche.
"Du erinnerst mich an Tua", spreche ich Pari nochmal gezielt an, als ich die Küche betrete. Kitty schaut von dem großen Topf mit Chili auf, das auf dem Herd auf kleiner Flamme vor sich hin köchelt.
"Ich bin nicht depressiv", behauptet sie barsch.
"Das habe ich nicht gesagt", entgegne ich schwach und nehme Kitty den Kochlöffel aus der Hand.
"Soll ich euch kurz allein lassen?", fragt Mikas Freundin verunsichert. Ihr Blick huscht zwischen uns hin und her.
"Schon okay", antworte ich. "Pari?", schiebe ich noch hinterher. "Du weißt, dass ich dich lieb habe, oder?" Meine beste Freundin summt eine Bestätigung.
"Hm-mh, ich dich auch." Sie ringt sich ein Lächeln ab, und obwohl ich weiß, dass es nicht echt ist, fehlt mir die Kraft, sie darauf hinzuweisen. Ich ertrage keinen einzigen Streit mehr.

"Was ist los mit dir?", frage ich Tua nur wenig später. Er ist zum Rauchen rausgegangen auf den Balkon. Die Schachtel Zigaretten, die er sonst mit sich rumträgt ist alle, er bedient sich an der aus meinem Nachtschrank die eigentlich nur für die gelegentliche Kippe danach gedacht ist. Mein Freund dehnt seinen Nacken und blickt so schuldbewusst drein, dass ich sofort Mitleid mit ihm empfinde. Tua zieht sein Handy aus seiner Hosentasche.
"Ich wollte dir das erst später zeigen." Er tippt auf seinem Smartphone rum und reicht es mir dann. Jess' Name leuchtet mir entgegen. Ich lese die Nachricht unmittelbar darunter.

Jess: Ich weiß, du antwortest mir nicht, wegen deiner Freundin. Ich habe auch aufgehört, dir zu schreiben, aber ich hoffe du liest das wenigstens. Joyce hat auf eigene Faust Hannes' Kaution bezahlt. Er ist frei. Ich fand, das solltest du wissen.

"Oh mein Gott", hauche ich und schaue zu Tua auf. "Hat er irgendwas zu dir gesagt?" Mein Freund schüttelt den Kopf.
"Er hat kein Sterbenswörtchen darüber verloren."
"Er ist einer deiner besten Freunde und er erzählt dir nicht, dass er aus dem Knast entlassen wurde?", frage ich ihn. Er zeigt auf das Datum der Nachricht. Sie ist von heute.
"Es kann sein ...", setzt Tua an, doch er spricht nicht direkt weiter. "Es könnte sein, dass Hannes vorhat, Mikas Geburtstagsparty zu crashen. Das letzte Mal, als wir telefoniert haben, hab ich ihm davon erzählt, wann die stattfindet."
"Woher hat Joyce das Geld für die Kaution?" Das ist natürlich vollkommen irrelevant, aber ich muss erstmal die Information verarbeiten, die mein Freund da gerade an mich herangetragen hat. Tua zuckt dramatisch die Schultern.
"Ich will genauso wenig wie du, dass er hier auftaucht und Stress macht, aber was soll ich tun? Ich versuche, seit ich die Nachricht bekommen habe, Joyce zu erreichen, damit sie ihm das ausredet. Sie geht nicht ran."
"Joyce zu bequatschen ergibt gar keinen Sinn, sie steht auf Hannes", überlege ich laut. Tua erstarrt.
"Wie kommst du denn darauf?", will er wissen und ich winke ab.
"Ist doch egal. Ruf Momo und Vadim an, lad sie ein. Sie können dir helfen, falls er aufmuckt. Ich kläre das gleich mit Mika ab." Bevor ich davaonrausche, küsse ich ihn auf die Wange. "Mach dir keine Sorgen." Genau, Iara, mach dir keine Sorgen.

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