5.

   Michele hatte nicht mit dem überraschenden Eindringling gerechnet und starrte einfach nur auf die hübsche junge Frau in dem leichten Sommerkleidchen. Sie trug gelbe Gummihandschuhe, mit denen sie ihr hochrotes Gesicht verdeckte. Wer war sie und was wollte sie hier in seiner Wohnung? Irgendwie kam sie ihm allerdings bekannt vor und er grübelte vor sich hin, wo er ihr schon einmal begegnet war.

   „Das selbe könnte ich Sie fragen!", sagte Michele und erste jetzt bemerkte er, dass er noch immer splitterfasernackt vor Frau stand. Schnell griff er sich in den Schritt, um sein entblößtes Gemächt zu verdecken, was die Situation nicht weniger prekär machte.

   „Ich putze hier!", kam es unter den Handschuhen hervorgenuschelt, „Würden Sie sich jetzt bitte etwas anziehen?"

   Michele blickte hastig um sich und entdeckte die graublaue Decke auf dem Sofa liegen, die er sich schnell um die Hüften wickelte: „Sind Sie die Putzfrau, die Clotilde für mich besorgt hat?" Clotilde hatte ihm gar nichts davon gesagt, dass sie bereits fündig geworden war.

   „Ich weiß nicht mal, wer Clotilde ist. Meine Großcousine Sabina hat mir den Job verschafft." Vorsichtig lugte die hübsche Frau unter den gelben Gummihandschuhen hervor, um zu sehen, ob der nackte Mann noch immer nackt war, „und wer sind Sie?"

   „Ich bin der Hausherr." Vorsichtig lief er auf den Eindringling zu und reichte ihr die rechte Hand, während er mit der linken, die Decke zusammen hielt, die um seine Hüfte lag, „Ich bin Michele, im übrigen."

   Argwöhnisch blickte Ariana ihren neuen Chef an, ohne dabei auf seine Hand zu achten: „Warten Sie mal. Sind Sie nicht der unverschämte Kerl, der am Bahnhof meine Tochter geschubst hat?"

   Michele kniff die Augen zusammen und musterte die neue Putzfrau mit dem wilden Lockenkopf. Tatsächlich es waren die selben wunderschönen, großen, braunen Augen, die er nicht mehr aus dem Kopf bekam und die ihn jetzt alle böse anfunkelten. Er wollte schon etwas sagen, doch sie fiel ihm einfach ins Wort.

   „Sie hat ihr Eis dabei fallen lassen! Wissen Sie eigentlich, wie sehr sie geweint hat? Und dann laufen Sie einfach weiter, weil es Sie überhaupt nicht juckt, wenn Sie ein Kind so bitter enttäuschen!"

   „Warten Sie mal, Sie sind doch in mich rein gelaufen! Außerdem hab ich mich entschuldigt!", versuchte Michele sich, mit erhobenen Händen zu verteidigen, doch Ariana ließ ihn gar nicht erst weiter sprechen.

   „Sie haben sich überhaupt nicht entschuldigt. Sie haben nur doof geguckt und sind weiter gelaufen! Schämen Sie sich den überhaupt nicht?" Ariana steckte ihren Finger aus und zeigte damit auf Micheles nackte Brust, auf der noch immer kleine Wassertröpfchen zu sehen waren, die ihm aus dem schwarzen Haar tropften. Er stand wie ein Schrank vor ihr, der sie bei weitem überragte.

   Michele blickte noch immer geschockt auf Ariana hinunter und überlegte, wie er die Sache wohl entschärfen konnte. Er war müde und hatte keine Lust sich mit seiner neuen Putzfrau anzulegen, die dann später vielleicht das Klo mit seiner Zahnbürste putzen würde: „Es tut mir wirklich leid. Ich hatte nicht die Absicht, Ihnen oder Ihrer Tochter zu Nahe zu treten. Ich werde Sie selbstverständlich für das Eis entschädigen. Wie wäre es mit einem Espresso?"

   „Sagen Sie mal, was bilden Sie sich eigentlich ein? Wenn, dann müssen Sie sich schon bei meiner Tochter entschuldigen!" Ariana schüttelte verständnislos den Kopf und murmelte dann vor sich hin: „Unglaublich. Macht sich einfach an die Putzfrau ran."

   „Ich hab mich überhaupt nicht an Sie ran gemacht!" Michele wirkte, wie vor den Kopf geschlagen und machte einen Schritt zurück, „Sie fordern, dass ich mich nochmal entschuldige, aber wenn ich es tue, dann heißt es plötzlich, dass ich mich an Sie ran mache. Wie heißen Sie eigentlich?"

   „Das geht Sie gar nichts an!", keifte ihn der wilde Lockenkopf an und drehte sich einfach um, um mit ihrer Arbeit fortzufahren.

   „Ich glaube schon, dass mich das was angeht." Michele blieb stur und sah seine freche Angestellte mit zusammengekniffenen Augen an.

   „Ach ja?" Frech blickte Ariana zu Michele hoch und kam mit erhobenem Haupt auf ihn zu. Erst als sie nur noch wenige Zentimenter voneinander trennten, blieb sie stehen und sah ihn herausfordernd an: „Und warum denken Sie, dass es Sie etwas angeht, wie ich heiße?"

   „Weil ich Ihr Boss bin!", sagte Michele mit einem Grinsen und sofort wurde die aufgebrachte, junge Frau still. Da hatte er eigentlich recht.

   Kurz überlegte Sie, ob es ratsam war, ihm noch einmal kontra zu geben und murmelte dann ein genervtes ‚Na schön' vor sich hin: „Ariana Bianchi", sagte sie kleinlaut und fügte dann aber noch einmal mit fester Stimme hinzu: „Aber für Sie bin ich Signorina Bianchi!"

   „Schön Sie kennen zu lernen, Signorina Bianchi!" Michele reichte ihr abermals die Hand und dieses Mal nahm sie widerstrebend an, wobei sie sich nicht einmal die Mühe machte, die Gummihandschuhe auszuziehen.

   „Gut, nachdem wir das geklärt haben, lassen Sie mich bitte meine Arbeit machen!" Ariana drehte sich einfach um und beachtete Michele gar nicht mehr, der verdutzt von dannen zog.

   Als Michele im Schlafzimmer stand und sich eine Jeans und ein weißes Hemd überzog, grinste er verstohlen in sich hinein. Er hatte irgendwie gehofft, sie wieder zu sehen, aber nicht erwartet, dass sie soviel Temperament hatte. Doch irgendwie gefiel ihm das. Sie war nicht nur hübsch, sondern sagte auch klar und deutlich, was sie dachte. Er nahm sich vor, sie näher kennenzulernen, aber dennoch mit Vorsicht zu genießen. Er konnte also noch auf die eine und andere Begegnung zwischen ihnen hoffen.

   Währendessen, nahm Ariana ihren neuen Job sehr ernst und schrubbte die Küchenschränke, den Kühlschrank und den Boden, während Michele immer mal wieder nach dem Rechten sah, was sie zunehmend störte. Irgendwann hielt sie sich nicht mehr zurück und stellte sich dem schönen Italiener in den Weg: „Kontrollieren Sie all ihre Angestellten?"

   „Ich wollte mir nur etwas zu trinken holen. Man sind Sie empfindlich." Kopfschüttelnd, wollte Michele eben die Küche verlassen, doch Ariana hielt ihn zurück.

   „Wenn ich Ihre Wohnung sauber halten soll, dann stehen Sie mir halt einfach nicht im Weg rum", keifte Ariana ihn an und schob ihn genervt aus der Küche.

   „Sagen Sie mal, sind Sie immer so unfreundlich?" Michele hatte langsam genug von der Frau mit der großen Klappe, blieb abrupt stehen und drehte sich um, woraufhin Arianas Nase plötzlich an seinem Brustkorb klebte.

   Mit weitaufgerissenen Augen, starrte sie ihren neuen Boss an und für einen Moment überlegt sie, ob sie sich entschuldigen sollte, oder lieber munter drauf losschimpfen sollte. Letztendlich hob sie abwehrend die Arme und versuchte sich zu fassen, bevor sie noch einmal die starke Frau raushängen ließ: „Ich bin nicht unfreundlich!"

   „Beweisen Sie mir das Gegenteil!", er blickte sie grinsend an und wartete, bis die verdutzte Ariana endlich wieder das Wort fand.

   „Rutschen Sie mir doch den Buckel runter!" Ariana wollte sich mit erhobenem Haupte von ihm abzuwenden, doch Michele griff nach ihrer Hand und zog sie zurück. Sie standen sich nun ganz nahe und für einen Moment, vergaßen beide ihre Diskussion und starrten sich einfach nur an.

   „Wie wärs, wenn ich uns einen Espresso mache und wir nochmal von vorne anfangen?", beschwichtigte Michele die nun kleinlaute Ariana, als er wieder das Wort fand.

   „Ich werde nicht fürs Espresso trinken bezahlt, sondern fürs Arbeiten!" Arianas Stimme klang nun gar nicht mehr vorlaut, sondern eher wie ein schüchternes Flüstern.

   „Ihr Boss gönnt Ihnen sicherlich eine Pause. Sehen Sie es einfach als Teil Ihrer Arbeit!" Michele ließ seinen ganzen Charme spielen und zog elegant die Augenbraue nach oben.

   „Müssen Sie nun schon die Damen bezahlen, damit sie mit Ihnen Espresso trinken?" Elegant biss sich Ariana auf die Unterlippe. Wenn er dachte, er könne sie mit seinem hübschen Lächeln erobern, würde sie ihm ganz schnell zeigen, dass sein Charme bei ihr nicht wirkte.

   Michele warf genervt die Hände in die Höhe. Wie konnte eine Frau nur so stur sein? Er drehte sich entnervt um und verließ die Küche, wo er sich im Türrahmen noch ein letztes Mal umdrehte und sagte: „Vergessen Sie es einfach!"

   Ariana stand einfach nur da, und sah zu, wie ihr Chef die Küche verließ. Sie kam nicht umhin, sein Hinterteil mit einem gierigen Blick zu bewundern, als er von dannen zog. Dann war er weg und sie vernahm, wie wenig später die Wohnungstür zugeworfen wurde. Irgendwie bedauerte Sie ihr Verhalten. Eigentlich war er ja ganz nett und sah außerdem unverschämt gut aus. Doch Giuseppe hatte dafür gesorgt, dass sie der Männerwelt nicht mehr ganz so offen gegenüber stand, wie sie es einst getan hatte. Sie war abgestumpft und vorsichtig geworden, nichts, was man mit ein paar netten Worten wieder in Ordnung bringen konnte.

   Vielleicht war sie irgendwann wieder in der Lage, einem Mann zu vertrauen, doch nicht jetzt und hier. Zu tief saß die Enttäuschung, die in ihr brodelte wie ein Vulkan. Ein Vulkan, der selbst das Gefühl der Einsamkeit zu unterdrücken schien.

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