13

Michele erwachte am nächsten Morgen allein. Ariana war längst mitten in der Nacht verschwunden und ins Gästezimmer geflohen. Sie wollte um keinen Preis, dass ihre Tochter sich falsche Hoffnungen bezüglich eines neuen Vaters machte. Dabei verdiente das kleine Mädchen gerade das am meisten.

Aus der Küche hörte er Töpfe scheppern und Musik, die viel zu laut aus dem Radio plärrten. Er war es nicht gewohnt, dass es so früh am Morgen schon so zu ging. Müde setzte er sich in seinem Bett auf und überlegte, wie er es schaffte, die quirlige Ariana wieder ins Bett zu bekommen, doch da erinnerte er sich daran, dass sie nicht allein hier war. Die kleine Alessandra war jetzt auch hier und innerlich freute ihn die Tatsache, dass ein Kinderlachen diese Räume erfüllte. Es würde noch eine ganze Woche dauern, bis er zu seinen eigenen Kindern reisen würde und sie wieder in den Armen halten konnte.

Irgendwann schaffte er es und stieg aus dem Bett. Michele warf sich ein paar Klamotten über und spähte aus dem Schlafzimmer. Er hörte das zarte Stimmchen von Alessandra, die zu irgendeinem Song im Radio sang und Lachen von Ariana, die sich freute, endlich ihre Tochter wieder bei sich zu haben. Als sie sah, dass er sie beobachtete, lächelte sie ihn an und Michele ging das Herz auf.

„Guten Morgen, die Damen", scherzte er und lief auf Ariana zu, um ihr einen Kuss auf die Wange zu drücken. Diese wich ihm aber gekonnt aus und sah ihn böse an. Er verstand sofort, dass sie vor ihrer Tochter nicht empfänglich für Zärtlichkeiten war.

„Das Frühstück steht auf dem Tisch, greif zu", trällerte Ariana, „Außerdem habe ich nachher ein Bewerbungsgespräch für eine Sekretärinnenstelle. Könntest du eventuell auf Alessandra aufpassen, wenn ich dort bin?"

„Wieso suchst du einen Job? Du arbeitest doch für mich?" Michele war verwundert über den Verlauf der Dinge und auch ein klein wenig verletzt über die Entscheidung, sich scheinbar einen neuen Job zu suchen.

„Nach all dem ... also ich kann nicht für dich arbeiten, wenn ... du weißt schon", stotterte Ariana vor sich hin.

„Das ist vollkommener Unsinn. Du kannst natürlich weiter für mich arbeiten." Michele ahnte bereits, dass all sein gutes Zureden sinnlos war. Ariana hatte sich längst entschieden.

„Ich hab heute Nachmittag auch noch einen Termin bei einer Schule für Alessandra und morgen Vormittag eine Wohnungsbesichtigung. Könntest du uns fahren?" Kleinlaut überbrachte Ariana die vielen Informationen, die Michele augenblicklich ins Stocken geraten ließen.

„Warum entspannst du nicht für einen Moment und lehnst dich zurück? Es scheint mir gar so, als ob du es nicht erwarten kannst, endlich hier wegzukommen." Gekränkt ließ Michele die Tasse auf den Tisch krachen und verschüttete dabei den Kaffee.

„Ich bin eine erwachsene Frau. Ich kann für mich selbst sorgen. Wenn ich hierbleibe, geb ich meinem Vater nur recht."

Resigniert lehnte sich Michele zurück und blickte zu Ariana auf, die tunlichst vermied, ihm in die Augen zu sehen: „Ich werde dich fahren, auch wenn ich es nicht gutheiße."

Etwa zwei Stunden später, verabschiedete sich Ariana von ihrer Tochter und winkte Michele nur zu. Es war fast, als wäre nie etwas zwischen den beiden passiert und wehmütig sah er ihr nach. Er konnte vielleicht nicht verhindern, dass sie sich einen neuen Job suchte, doch er würde alles dafür tun, dass sie keine Wohnung fand.

„Du, was machst du eigentlich den ganzen Tag?", fragte da plötzlich Alessandra und riss ihn aus seinen Gedanken.

„Na ich arbeite auch. Dafür muss ich oft viel reisen. Ansonsten mache ich Musik."

„Was arbeitest du denn?", fragte das kleine Mädchen, während sie auf dem Boden mit ein paar Autos seiner Söhne spielte.

„Ich bin Schauspieler und Sänger", antwortete Michele und setzte sich zu ihr auf den kalten Fliesenboden.

„Echt? Bist du am Theater? Ich war mal am Theater mit der Schule", plapperte das kleine Mädchen munter drauf zu und Michele überlegte ernsthaft, wie viel er ihr erzählen konnte. Schließlich war sein letzter Film nicht gerade jugendfrei gewesen.

„Nein, ich mache Filme", antwortete er und versuchte, das Mädchen abzulenken: „Hast du hunger?"

Doch Alessandra ging gar nicht darauf ein und wollte mehr wissen: „Cool. Kann man dich auch im Kino sehen? Ich war noch nie im Kino. Mama meinte, das ist viel zu teuer."

Dieses Stichwort nahm Michele gerne zum Anlass um das Thema zu wechseln: „Willst du denn mal ins Kino gehen?"

„Oh ja gerne", rief Arianas Tochter aus und sprang in die Luft.

„Na dann lass und doch morgen Abend zusammen ins Kino gehen. Ich hab gehört, es läuft gerade ein richtig toller Kinderfilm."

***

Ariana saß nervös mit übereinandergeschlagenen Beinen auf dem harten Stuhl des Empfangszimmers. Von diesem Bewerbungsgespräch hing so viel ab und sie musste unbedingt einen guten Eindruck hinterlassen. Immer wieder blickte sie verstohlen auf die Armbanduhr, ohne ungeduldig wirken zu wollen. Doch die Sekretärin hatte dies längst bemerkt und warf ihr einen abschätzigen Blick zu.

„Signorina Bianchi?" Eine tiefe Stimme riss Ariana aus ihren Tagträumen und sie sprang auf, um sich vorzustellen.

„Ähm ja. Das bin ich", stotterte sie vor sich hin und der hübsche Mann, der sich als Signore Longo herausstellt, dem Chef der Firma, führte sie in sein Büro.

Als sich Ariana auf den Platz gegenüber des Schreibtisches setzte, hatte sie Möglichkeit, den sportlich wirkenden CEO des Unternehmens eingehend zu mustern. Er war vielleicht um die 40 Jahre alt, hatte graumeliertes Haar und statt eines Anzugs, trug er Jeans und ein weißes Polohemd. Seine Haut war wettergegerbt und die leichten Fältchen um seine Augen wirkten verdammt sexy.

„Signorina, Sie hatten sich auf die Stelle der Empfangsdame beworben", stellte der Chef fest und Ariana räusperte sich.

„Nein, eigentlich hatte ich mich als Sekretärin beworben", warf Ariana ein und erntete dabei einen musternden Blick von dem gutaussehenden Kerl.

„Ihre Qualifikationen stimmen nicht ganz mit der Stellenbeschreibung überein", stellte Signore Longo fest und warf einen Blick auf die Unterlagen, die sie noch am frühen Morgen in die Firma gemailt hatte.

„Ich kann Ihnen versichern, dass ich harte Arbeit gewöhnt bin und ich passe mich schnell an. Außerdem bin ich äußerst lernwillig."

„Das glaub ich gern." Der Blick von Signore Longo wanderte über Arianas Gesicht und hinunter über ihre Brüste. Er starrte sie regelrecht an und ihr stieg die Hitze ins Gesicht. Es war ihr äußerst unangenehm, aber sie brauchte diesen Job so dringend.

„Geben Sie mir eine Chance, Signore Longo. Ich werde Sie überzeugen, dass ich es wert bin." Ariana hoffte inständig, dass der Kerl ihr Angebot nicht missverstehen würde, und setzte ihr schönstes Lächeln auf.

„Wir finden sicherlich Gelegenheiten, wo sie sich unter Beweis stellen können." Grinsend ließ der CEO seinen Blick über Arianas Beine wandern und am liebsten wäre sie aufgesprungen und hätte das Büro verlassen. Doch sie würde damit leben müssen, denn ohne diesen Job, war es schwer, zu beweisen, dass sie eine gute Mutter war.

Letztendlich willigte Signore Longo ein und gab ihr eine Chance, zu zeigen, was sie kann. Allerdings war die Stelle nur temporär und er ließ es sich offen, sie jederzeit zum Empfang zu degradieren. Ariana stand auf und schüttelte die Hand ihres zukünftigen Chefs, der seine Finger fest um ihre schloss und sie an sich zog. Ein Küsschen links und rechts und Ariana verließ fluchtartig das Büro. Diese Verabschiedung war alles andere als professionell gewesen, dennoch hatte sie es zugelassen und bereute insgeheim, dass sie ihn nicht in seine Schranken verwiesen hatte.

Die ganze Busfahrt zurück zu Micheles Wohnung, hatte sie einen regelrechten Kloß im Hals und schämte sich bereits, für ihre vorschnelle Entscheidung. Sie würde Michele sicherlich nichts von dem aufdringlichen Kerl erzählen.

Zumindest hatte sie eine Hürde überstanden. Jetzt musste sie nur noch den Platz an der neuen Schule bekommen und ihr war leichter für heute. Doch würde es auch mit der Wohnung am nächsten Tag funktionieren? Würde ihr Glück anhalten?

Fast hätte Ariana die Haltestelle verpasst, weil sie so in Gedanken versunken war. Eilig schlüpfte sie durch die, bereits sich schließenden Türen und lief die Gasse hinunter zur Haustür von Micheles Wohnhaus. Sie hatte einen Ersatzschlüssel mitgenommen und ließ sich selbst hinein. Schon im Treppenhaus konnte sie lautes Gekicher hören und fragte sich, was Alessandra und Michele wohl veranstalteten. Es klang, als wäre ein Zirkus zu Gast.

Leise schloss Ariana die Tür auf und lugte hinein, nur um fast von einem Ball abgeschossen zu werden. Erschrocken blickten Michele und Alessandra auf und fanden die grinsende Ariana im Türrahmen stehen.

So glücklich und unbeschwert hatte Alessandra lange nicht gewirkt und irgendwie ging Ariana das Herz auf, als sie ihre Tochter mit dem neuen Mann an ihrer Seite sah.

„Mama, ich geh morgen mit Michele ins Kino", plapperte das kleine Mädchen atemlos daher, „Hast du gewusst, dass Michele auch ein Spieler ist?"

„Ein Spieler?", fragte Ariana verwirrt.

„Sie meint Schauspieler", antwortete Michele ihr und grinste verlegen.

„Echt? In welchem Film?" Ariana überlegte, ob ihr Michele aus irgendeiner Fernsehserie bekannt vorkam, doch sie konnte sich nicht erinnern, ihn schon je im Fernsehen gesehen zu haben.

Michele kratzte sich am Kopf und überlegte, wie er seiner Angebeteten weismachte, dass er in einem erotischen Liebesfilm mitgewirkt hatte. Inständig hoffte er, dass er sie damit nicht abschrecken würde.

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