1.

Gestresst nippte Ariana an ihrem, bereits kalten Espresso, während sie sich die fadenscheinigen Ausreden ihres Ex-Freundes anhörte, der ihr seit einer geschlagenen Stunde das Ohr abkaute. Sie hatte ihr Handy mittlerweile zwischen Schulter und Kopf eingeklemmt und lief, vollbepackt mit Rechnungen und Briefen, zu dem schäbigen Küchentisch ihrer viel zu kleinen Küche.

„Giuseppe, hör endlich auf....!", wollte sie eben ansetzten, als er sie unterbrach und ihr erneut sein Leid klagte.

Wie konnte Ariana sich nur jemals auf diesen Schlappschwanz einlassen? Es war ihr ein Rätsel, wie sie so dumm sein konnte und sich von dem gutaussehenden Italiener mit den strahlend blauen Augen hat blenden lassen. Wie oft hatte ihre Mutter gepredigt, dass sie auf die inneren Werte zählen sollte und nicht den schönen Kerlen verfallen! Doch was hatte sie getan? Mit ihren damals 22 Jahren, hatte sie sich von dem, 30-jährigen Eisverkäufer verführen lassen. Die Beziehung war ein ewiges Auf und Ab, eine emotionale Achterbahn der Gefühle, die nie zu enden schien. Wenige Monate später hatte er sie geschwängert und prompt seinen Job hingeschmissen.

Jetzt war es wieder einmal soweit. Giuseppe hatte erneut eine Arbeitsstelle verloren und beklagte sich nun, wie schlecht es um seine finanzielle Lage stand. Die Unterhaltszahlungen für Alessandra, ihrer gemeinsamen 5-jährigen Tochter, konnte sie für die nächsten Monate wohl knicken. Dabei stapelten sich die unbezahlten Rechnungen nun auf dem kleinen Küchentisch und sie hatte keine Ahnung, wie sie so schnell, so viel Geld auftreiben sollte. Alessandras Schule hatte sie schon dreimal angemahnt und Ariana war sich sicher, dass sie diese nicht mehr allzu lang hinhalten konnte. Vielleicht sollte sie einfach ihre Koffer packen und nach Rom zurückkehren.

"... und dann ist da ja auch noch das Auto, das abbezahlt werden muss!", hörte sie Giuseppe noch sagen, bevor die Verbindung unterbrach. Ihr Guthaben war aufgebraucht!

Wütend, warf Ariana das Handy auf den kleinen Tisch und vergrub ihr Gesicht in ihren Händen. Konnte es eigentlich noch schlimmer kommen? Wohl kaum. Zwanghaft versuchte sie die aufkommenden Tränen zurückzuhalten, was ihr nur mit Mühe gelang. Irgendwie hatte sie sich ihr Leben etwas anders vorgestellt, doch so saß sie nun in dem viel zu kleinen Apartment in einem heruntergekommenen Viertel von Mailand, lebte von einem Tag zum nächsten und hatte keine Ahnung, wie sie die nächsten Tage ihre Tochter und sich selbst durchbringen sollte.

Ariana atmete tief ein und als sie sich wieder gefangen hatte, blickte sie auf und stellte mit Schreck fest, dass es bereits kurz vor 4 Uhr war. Sie musste sich beeilen, um ihre Tochter von der Schule abzuholen. Eilig schlüpfte sie in ihre Sandalen, schnappte sich ihre Handtasche und mit ihrem wehenden Sommerkleid verließ das Apartment. Zum Glück war die kleine Vorschule zu Fuß gut zu erreichen, denn um diese Uhrzeit war es hier, mit den öffentlichen Verkehrsmitteln, fast unmöglich durch den dichten Verkehr zu kommen.

Als sie schließlich vor den Toren der kleinen, lokalen Schule stand, wurde sie bereits von der grimmigen Lehrerin Signora Gallo erwartet, die sie mit ihren hochgezogenen Augenbrauen und dem scharfen Blick abstrafte.

"Signorina Bianchi, Sie sind schon wieder zu spät!", keifte die kleine alte Dame sie an. Selbstgefällig blickte sie Ariana von oben bis unten an und man erkannte sofort, dass sie nichts von der jungen Frau hielt.

"Es tut mir wirklich leid Signora Gallo. Es wird nicht wieder vorkommen!", entschuldigte sich Ariana und ging in die Hocke um ihre kleine Tochter zu begrüßen. Die kleine Alessandra fiel ihrer Mutter um den Hals und küsste sie auf die Wangen. Sie war ein Abbild ihrer Mutter, mit ihren schulterlangen, braunen Locken und den tief dunklen Augen.

"Das haben Sie schon letzte Woche gesagt!", sagte Signora Gallo scharf und fügte hinzu: "Außerdem bestellt Ihnen der Rektor schöne Grüße. Wenn Sie bis nächste Woche die ausstehenden Rechnungen nicht bezahlt haben, wird der Kindergartenplatz an ein anderes Kind vergeben!"

Hastig stand Ariana auf und blickte die böse funkelnde Lehrerin flehend an: "Bitte tun Sie das nicht. Ich habe nur gerade ein paar Engpässe, da meine Firma das letzte Gehalt nicht überwiesen hat und Alessandras Vater..."

"Verschonen Sie mich! Wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg!", spottete Signora Gallo und blickte sie genervt an, "Schönen Tag noch! Ich habe schon seit einer halben Stunde Feierabend!"

Mit diesen Worten verschwand Signora Gallo wieder im Gebäude und Ariana kam nicht umhin, ihr die Zunge herauszustrecken, als die Lehrerin nicht hinsah.

"Mamma, was tust du da?", fragte Alessandra, die ihre Mutter beobachtet hatte.

"Ach nichts, Bella." Eilig schnappte sich Ariana die kleine Hand ihrer bildhübschen Tochter und zog sie mit sich. Eigentlich wollte sie noch auf den Markt gehen, um etwas einzukaufen, doch auf ihrem Konto herrschte gähnende Leere und so mussten sie wohl mit den Resten des Vortages vorlieb nehmen.

Dabei hatte Ariana einst große Träume. Wie gerne hätte sie Modedesign studieren und ihre eigenen Kollektion entwerfen wollen. Nur deshalb war sie nach Mailand gekommen, wo sie letztendlich Giuseppe kennengelernt hatte. Doch mit der Schwangerschaft waren ihre Träume zerplatzt wie eine riesengroße Seifenblase. Nicht, dass sie es bereute, sich für ihre Tochter entschieden zu haben, sie liebte die kleine Alessandra mehr als alles andere auf der Welt, doch konnte sie ihr nichts bieten und spielte ernsthaft mit dem Gedanken, reumütig in ihr Elternhaus zurückzukehren.

Doch zu tief saß ihr Stolz und die Scham, versagt zu haben. Ihr Vater hatte wochenlang nicht mit ihr gesprochen, als er erfuhr, dass seine, streng katholisch erzogene Tochter, schwanger und unverheiratet war. Die kleine Alessandra hatte dann allerdings doch das Herz des alten Signore Bianchi erweicht und stolz hatte er sie nach ihrer Geburt in seinen Armen gehalten. Seine Tochter hatte er dennoch weiterhin mit beschämenden Blicken bestraft.

Um alles in der Welt wollte Ariana es verhindern, zurückkehren zu müssen, um ihren Eltern einzugestehen, dass sie einen Fehler gemacht hatte.

***

Bäume und Wiesen zogen an dem fahrenden Zug vorbei. Im Hintergrund sah Michele Morrone die schneebedeckten Gipfel der Alpenkette, die sich am Horizont endlos erstreckte. Er liebte das Reisen, doch er war auch jedesmal froh, wenn er endlich wieder zu Hause war, seine Söhne in den Arm schließen konnte oder seine Freunde um sich zu scharren.

Der Erfolg war über Nacht gekommen und die harte Arbeit der letzten Jahre hatte sich endlich ausgezahlt. Er war vielleicht bei weitem noch nicht so erfolgreich wie seine Kollegen in Hollywood, aber er war zufrieden mit seinem Leben.

Müde lehnte er sich im Sitz des kleinen Zugabteils zurück und schloss die Augen. Er war müde von der langen Reise quer durch Europa und sehnte sich nach etwas Ruhe. Doch egal wie sehr er versuchte abzuschalten, seine Managerin Clotilde hing ununterbrochen am Telefon, was ihn massiv stresste.

Erst als der Zug abrupt zum Stehen kam, schreckte Michele aus dem Schlaf hoch und stellte fest, dass er doch weggedöst war. Verwirrt blickte er sich um. Die Sonne brannte bereits auf die Erde und blendete ihn so sehr, dass er die Augen zu kniff. Nur mit Mühe konnte er das Schild erkennen, dass ein paar Meter weiter auf dem Bahnsteig ankündigte, dass er nur noch eine Station von seinem Ziel entfernt war. Innerlich wappnete er sich bereits, für die vielen Fans, die seit dem Erscheinen seines letzten Films auf ihn aufmerksam geworden waren. Es war seltsam, nirgends mehr hingehen zu können, ohne umringt von jungen Frauen zu sein. Doch er genoss den Trubel um seine Person, hatte er doch so lange dafür gekämpft.

Doch fürs erste, war er einfach nur froh, wenn er Rom endlich erreichte und wieder in seinem eigenen Bett schlafen konnte. Gemächlich zog er sein Handy aus der Tasche und überprüfte seine Nachrichten, als er von Clotilde aus seinen Gedanken gerissen wurde.

"Sobald wir angekommen sind, solltest du dich ausruhen. Wir müssen morgen Abend in Paris sein und der Flug geht bereits am frühen Nachmittag. Ich hab meiner Sekretärin aufgetragen, sich um den Rest zu kümmern." Eilig tippte Clotilde noch eine Email in ihr Handy ein und Michele nickte nur stumm vor sich hin. Viel Zeit zum ausruhen würde ihm also nicht bleiben.

"Hast du schon eine Reinigungskraft für meine Wohnung gefunden?", fragte er und war schon im Begriff wieder die Augen zu schließen, als seine Managerin aufschreckte.

"Mist, daran hatte ich gar nicht mehr gedacht. Ich sag Sabina, dass sie sich darum kümmern soll, bis wir aus Paris wieder zurück sind."

Sabina war die fröhliche Sekretärin seiner Managerin, die mit ihren fast 50 Jahren noch voller Selbstbewusstsein strotzte und Michele immer schöne Augen machte, sobald er nur in ihre Nähe kam. Doch so aufdringlich, wie sie auch sein mochte, man konnte sich auf sie verlassen. Wenn jemand die richtige Putzfrau für seine Wohnung fand, dann war sie es.

Nur wenige Minuten später fuhr der Zug im Hauptbahnhof von Rom, dem Roma Termini, ein. Michele packte seine Sachen zusammen und machte sich bereit für den Ansturm weiblicher Fans, die bereits auf ihn wartete. Er setzte seine Sonnenbrille auf, zog seine Mundwinkel nach oben und stieg mit einem gewinnenden Lächeln aus dem Zug, wo ein Blitzlichtgewitter auf ihn wartete.

Beta FMK2019 (Miststück)

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top