99. Chaosqueen
Die Chaosqueen Tülay ist zurück! :D
Durch das ganze Buch hindurch hab ich sie nie wirklich gemocht. Aber jetzt - und weil ich weiss, wie die Geschichte ausgeht - wird sie mir immer lieber XD sie ist schon ein geiler Charakter hehe.
Viel Spass mit dem Kapitel <3
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Tülay geriet in Panik. Als sie begriffen hatte, dass Adara gerade dabei war, vornüberzukippen, war sie losgestürzt und hatte sie gerade noch so auffangen können. „Adara, Adara komm zurück, bleib bei mir, hörst du?", verlangte sie eine Spur zu hysterisch und tätschelte immerzu die Wange der jungen Frau, die bis auf eine Menge Sand nichts am Leib trug. Adaras Haut war eiskalt und sie war leichenblass, wie die studierte Medizinerin mit Schrecken feststellte. „Nicht gut! Gar nicht gut!", stieß sie hervor und schaute sich panisch im Haus um. Erst jetzt fiel auch ihr das Papierchaos auf. „Was zur...", begann sie, blinzelte kurz, schüttelte ihren Kopf, wie um ihre Gedanken zu priorisieren und wandte sich dann wieder ihrer Patientin zu. Behutsam strich Tülay ihr die noch nassen, halb von Eiskristallen besetzten Haare aus dem Gesicht und kam nicht darum herum, sich zu fragen, was nur mit dem armen Mädchen passiert war. Selbst in diesem Zustand war Adara noch bildhübsch, das musste selbst Tülay ihr zugestehen. Es war, als würde sie schlafen. Tülay dachte diesen Gedanken fürsorglich zu Ende und ließ seinen Nachhall in ihrem Kopf verklingen. Und dann, ganz plötzlich, als hätte man ihr eine gigantische Glocke über den Kopf gestülpt und von außen einige Male heftig dagegen geschlagen, begann Tülay die Situation endlich zu verstehen. „Trocknen und wärmen", murmelte Tülay rasch und legte Adaras Kopf behutsam auf den Boden. Im Badezimmer fand sie Handtücher – und bemerkte nebenbei, dass ihre Hose jetzt ganz nass war, wegen Adaras Haaren. Auch sie rief vergebens nach Tom, rief allerdings mehr als nur einmal und am Schluss schrie sie sogar fast, bis sie es dann aber doch aufgab und sich endlich daran machte, die Bewusstlose Adara wieder auf Zimmertemperatur zu bringen und sie vom hartnäckigen Sand zu befreien. Ganz ohne von der Situation peinlich berührt zu sein ging es aber doch nicht und Tülay war ziemlich froh, dass niemand anwesend war und ihren puterroten Kopf sehen konnte. Ihr war es ja schon peinlich genug gewesen, in der Uni die Leichen nackt zu sehen, geschweige denn die Patienten in der Klinik, in der sie ab und zu die Nachtschichten übernommen hatte. „Kleidung", stammelte sie, als sie fertig war und ging natürlich ihrem ersten Impuls folgend nach hinten in das kleine Gästezimmer, wo der große Spiegelschrank stand. Doch dort befand sich nur ein Teil von Toms Kleidern. Frustriert pustete sich Tülay eine abspenstige Haarsträhne aus dem Gesicht. „Nun ja, für den Anfang wird es wohl reichen müssen", grummelte sie und zog Hose und Hemd groben Griffes heraus. Es war bei ihrem Geschick eigentlich schon vorprogrammiert gewesen, dass die Hälfte der auf den Ablagen befindlichen Kleidungsstücke ebenfalls herausgerissen wurden, doch schlussendlich war es dann zu spät, als dass sie noch hätte reagieren können. Mit einem ernüchternden Blick beschaute sie sich die eben entstandene Unordnung, war aber ganz und gar nicht geneigt, sie wieder zu beseitigen. „Später", sagte sie zu dem Kleiderhaufen und machte auf dem Absatz kehrt. Als sie dann zurück durch den Flur und damit wieder bei Adara war, erkannte sie aber, dass die Kleidung, die sie da in den Händen trug, ganz und gar nicht ausreichend war. Da stellte sich nämlich noch immer das Unterwäsche-Problem. Tülay verdrehte allmählich ganz schön genervt die Augen, ließ das Kleiderbündel fallen und machte sich doch noch auf die Suche nach angemessenen Klamotten. Irgendwann hatte sie dann die Tür hinter dem Piano und kurze Zeit später dann auch Adaras Sachen gefunden. Als sie wieder vor ihrer Patientin kniete und sich nun fragte, wie sie es bloß fertigstellen sollen, den Stoff an die Frau zu bringen. Doch als hätte das Universum sich ihrer dieses eine Mal erbarmt und ihr Vorhaben nicht in einer absoluten Katastrophe enden lassen wollen, begannen Adaras Augenlider zu zucken. Tülay legte das Kleiderbündel zu Seite und bückte sich über Adara. Diese begann, den Kopf zu bewegen. Ihre Augenbrauen fuhren zusammen und aus ihrer Kehle drangen gepresste Laute. Dann endlich erwachte sie und schaute empor in Tülays wachsames, alarmiertes Gesicht. Ihr Mund öffnete sich, wie um etwas zu fragen, doch kein Wort kam über ihre Lippen. Adara sah verwirrt aus, fand Tülay. Verwirrt und... etwas verängstigt. „Geht es dir gut?", fragte sie die am Boden liegende. „Weißt du, wer du bist? Wie du hier hergekommen bist? Welches Datum wir heute haben?", fuhr sie fort, ohne Adara die Chance zu geben, überhaupt antworten zu können. Aber das kam dieser gerade recht, denn nur auf die erste Frage hätte sie wirklich eine Antwort gehabt. Wie sie hier herkam, konnte sie der Ärztin ja schlecht erklären und das Datum... Sie wusste, dass es draußen verdammt kalt war, aber sonst war sie vollkommen aufgeschmissen. Langsam setzte sie sich auf – Tülay rückte endlich ein Stück von ihr ab. „Wo ist Tom?", krächzte sie sah die Frau mit den südländischen Wurzeln abwartend an, doch diese hob nur entschuldigend die Schultern. „Ich weiß es nicht, Adara. Er ist vorgestern auf der Arbeit gewesen, aber seit gestern fehlt jede Spur von ihm. Ich dachte, vielleicht macht er blau. Deshalb bin ich hierhergekommen", erklärte sie, hielt dann aber inne und schüttelte erneut ganz in Tülay-Manier den Kopf, dass die langen Haarsträhnen nur so auf ihren Schultern zuckelten. „Du bist sicher durstig. Und du solltest... dich... nun ja, anziehen. Hier", meinte sie und reichte Adara das Stoffpaket.
„Ich bringe dich, denke ich, besser in ein Krankenhaus, damit man dich vorsichtshalber untersucht", sagte Tülay unvermittelt, nachdem Adara wieder auf die Beine gekommen war und nun ihren Umständen entsprechend unsicheren Schrittes durch das Zimmer stolperte. Aber für Tülay sah die Situation natürlich ganz anders aus. Sie konnte ja nicht wissen, was Adara hinter sich hatte und machte sich – auch aus medizinischer Sicht – ziemliche Sorgen um die junge Frau, die einen so verwirrten Eindruck machte. „Nein, ich brauche keine Hilfe", wehrte sich Adara, aber bei Tülay redete sie da gegen eine Wand und keine fünf Minuten später saßen sie beide tatsächlich in Tülays Auto. „Tülay, bitte. Ich will nicht in ein Krankenhaus", beteuerte Adara immer wieder, aber Tülay blieb stur. „Ich lasse dich jetzt sicher nicht allein in dem Haus zurück, Adara", erwiderte sie mit Nachdruck. „Außerdem hast du mir noch immer nicht gesagt, wie du dorthin gekommen bist. Oder warum du nackt warst", fügte sie etwas leiser hinzu, aber darauf würde sie keine Antwort bekommen – nicht in diesem Leben, jedenfalls. In Adaras Kopf arbeitete es. Sie hatte das Foto in dem einen Artikel gesehen. Darauf waren die Zwillinge abgebildet gewesen. Die Namen waren jener ihrer Cousins, der Söhne ihres Onkels Quirin. Und der eine... Der eine war ganz eindeutig Nemico gewesen. Und sein Bruder... Adara kannte auch seinen Bruder. Sie hatte ihren eigenen Cousin getötet. „Tülay, ich muss wirklich ganz dringend wo hin. Ich hab keine Zeit, um untersucht zu werden, wirklich", versuchte sie noch einmal. Tülay blieb stumm, aber immerhin widersprach sie diesmal nicht, weshalb Adara es weiterversuchte. „Ich muss unbedingt nach Dublin." „Nach Dublin?" Tülay klang skeptisch. Adaras Anliegen schien vollkommen aus dem Zusammenhang gerissen und die junge Ärztin wunderte sich sehr darüber. „Ein Unternehmen, das L.A.U.B. AG heißt. Vielleicht sagt dir das etwas", redete Adara auf dem Beifahrersitz weiter und Tülays Verwunderung wuchs nur noch mehr. „Natürlich sagt mir das etwas, ich arbeite schließlich dort!", entfuhr es Tülay, die nun wirklich gar nicht mehr wusste, wo oben und unten war, in dieser Konversation. Und auch bei Adara begann der Groschen endlich zu fallen, nachdem er nun schon lange herumgerollt war. Das alles hing zusammen! „Bitte Tülay! Bitte, ich flehe dich an! Wir müssen unbedingt zu dieser L.A.U.B. AG! Bitte! Es geht hier um Leben und Tod!", beschwor Adara die Ärztin und übertrieb dabei nicht einmal, obwohl es sich für Tülay wohl so anhören musste. Aber Adara hatte gerade etwas sehr Wichtiges begriffen. Ihr Onkel Quirin hatte zwei Söhne mit einer Menschenfrau – etwas, was sie selbst noch bis vor kurzem für unmöglich gehalten hatte. Und von dem, was sie auf den Zetteln, die überall im Haus oben auf den Klippen herumlagen, hatte lesen können, wusste sie, dass einer dieser Zwillingsbrüder niemand geringeres als Nemico gewesen war – den sie, Adara, umgebracht hatte. Und der andere... Der andere Bruder musste derjenige sein, der die Anschläge auf Tom ausgeübt hatte. Nur ging Adara nicht auf, weshalb. Es ergab einfach noch immer keinen Sinn, wenn sich die Puzzlestücke auch endlich ein Stück weit zusammensetzten. „Na schön", murrte in diesem Moment Tülay vom Fahrersitz aus und setzte den Blinker, um an der nächsten Kreuzung abzubiegen. Adara konnte zwar nicht in die junge Frau hineinschauen, aber sie konnte förmlich spüren, wie sich auch Tülay in besorgter Nervosität anspannte. Ihre Hände klammerten sich ans Lenkrad, sodass ihre Knöchel weiß hervortraten und ihre Kiefermuskulatur begann ebenfalls zu arbeiten. „Danke", war das einzige, das Adara zwischen ihren Lippen hervorpressen konnte.
Eine halbe Stunde später erreichten sie die äußersten Viertel von Dublin und Tülay schlug fast schon aus Gewohnheit ihren üblichen Arbeitsweg ein. „Heute ist niemand in der Firma, Adara. Ich weiß gar nicht, wieso ich mich hierzu habe überreden lassen", seufzte Tülay, schaffte es aber nicht ganz, die Nervosität abzulegen. Adara hingegen wusste, dass sie Recht haben musste. Das mulmige Gefühl in ihrer Magengrube wurde immer schlimmer, je näher sie den in der Ferne liegenden, grauen Betonblöcken kamen. In großen, roten Lettern thronte eine Anzeigetafel mit den Initialen der Firma auf dem Dach des Hauptgebäudes, in dessen Schatten das kleine Auto nun hineinfuhr. Tülay öffnete die elektronischen Tore mit ihrem Batch, einer elektronischen Schlüsselkarte. Das Areal lag einsam und verlassen da. „Und was willst du jetzt tun?", fragte Tülay und tätschelte mit ihren offenen Handflächen auf ihre Oberschenkel. „Hier ist niemand, Adara. Und wir sollten auch nicht hier sein." „Wir müssen da rein", unterbrach Adara Tülay und ging ungewohnt sicheren Schrittes auf den Eingang zu. „Warte! Es ist...", rief ihr Tülay noch hinterher, doch da rüttelte Adara schon mit aller Kraft an der Tür „abgeschlossen", vollendete Tülay ihren Satz, als sie mit gezücktem Schlüssel neben Adara zu stehen kam. Die Tür quietschte beim Aufgehen und knarrte entsetzlich, als sie hinter den beiden Frauen wieder ins Schloss fiel. Adara und Tülay gingen die langen, kahlen Flure entlang. Ihre Schritte hallten gespenstisch von den Wänden wider und selbst Tülay, die ja hier arbeitete, lief es kalt den Rücken runter. Aus einem Impuls heraus schaltete sie das Licht im Flur ein, doch die grellen Neonlampen vermochten in keinster Weise, dem Ort die einschüchternde Ausstrahlung zu nehmen. Im Gegenteil. Durch die flackernden Lichter an der Decke wurden die langen Flure den Frauen nur noch unheimlicher. „Hier lang. Tom arbeitet immer dort vorne", sagte Tülay und flüsterte beinahe, so leise sprach sie. Adara folgte ihr schweigend. Vorsichtig, als handle es sich dabei um zerbrechliches Glas, öffnete Tülay die Tür zum lichtdurchfluteten Laborraum, in dem ein halbes dutzend Mikroskope und Pipettierstationen auf grauen Labortischen standen und nur darauf warteten, dass die Männer und Frauen in den weißen Kitteln zurückkamen. „Hier ist niemand", raunte Tülay, bemerkte dann, dass sie flüsterte, besann sich eines besseren, schüttelte wie gehabt den Kopf und wiederholte erneut in normaler Lautstärke: „Hier ist niemand. Lass uns gehen." Am Arm zog sie Adara wieder hinaus auf den Flur und wollte schon den Rückweg einschlagen, da fiel ihr etwas ein. „Warte kurz hier, ja? Ich muss nur noch kurz etwas holen gehen", meinte sie mit unschlüssig erhobenem Zeigefinger und sprintete dann in die andere Richtung davon. „Es dauert nur einen Moment!", rief sie über die Schulter noch zurück und bog in einen weiteren Gang ein. Adara wartete. Um sie herum wurde es immer stiller und mit der Ruhe wuchs ihr Unbehagen. Tülay hatte ihr zwar beteuert, dass hier niemand war, aber ihr Bauchgefühl konnte sie doch nicht trügen, oder? In ihrem Kopf fuhren die Gedanken Achterbahn. Die Fragen schienen sich nur so zu überschlagen. Einerseits war da Tom und sein mysteriöses Verschwinden, dann war der tote Nemico und natürlich die L.A.U.B. und irgendwie wusste Adara, dass sie so verdammt nah dran war, des Rätsels Lösung endlich zu finden, aber dann eben doch wieder nicht. Es ergab einfach keinen Sinn... Plötzlich gingen die Lichter im Flur aus und noch ehe Adara wusste, wie ihr geschah, legte sich von hinten eine Hand über ihren Mund. Eine zweite hielt ihre Arme fest. Sie konnte nicht schreien, sich nicht einmal mehr bewegen und wurde kurz darauf zu Boden gedrückt. Und dann erloschen ihre Lichter auf ein Erneutes.
„So, ich hab's, wir können...", meinte Tülay, als sie mit dem USB-Stick in der Hand zurückkehrte und blieb perplex stehen, als sie den in Dunkelheit getauchten, Adaralosen und auch sonst leeren Flur vorfand „los", wisperte sie das letzte Wort des Satzes in die beängstigende Stille hinein. Panik machte sich in ihr breit. Sie hatte eindeutig zu viele Horrorfilme gesehen, um nicht wissen zu können, wie solche Geschichten ausgingen. Wieder schüttelte sie energisch ihren Kopf. Das war Schwachsinn! Adara musste hier irgendwo sein, sie konnte ja schlecht einfach so verschwinden.
Oder etwa doch? Schliesslich...
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Ich bin böse und mache hier einen Cut ;)
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