46. Kapitel

Alekto saß im Schneidersitz auf ihrem Bett und las den Tagespropheten. Es war der vom Freitag und da es Sonntag war, war er immer noch der Aktuellste. Früher hatte sie ihn jeden Tag gelesen, aber in letzter Zeit war sie nicht mehr viel dazugekommen. Vielleicht war es das Beste, ein großer Artikel berichtete über einen Zauberer, der verschwunden war, er war ein Sekretär des Zauberministers gewesen. Ein anderer berichtete über eine Muggelfamilie, die in ihrem Haus vor Liverpool ausgelöscht wurde, mit dem dunklen Mal im Himmel als eindeutiges Zeichen.

Es gab ihr ein beklemmendes Gefühl und sie versuchte sich mit einem Artikel über eine amerikanische Hexe namens Diane Keaton, die gerade in Hollywood Karriere machte, abzulenken. Aber sie kam nicht darum, herum, wieder an den Krieg zu denken. Hogwarts wirkte so friedlich und sicher. Der April hatte erst gerade gestartet, aber in zwei Monaten war das Schuljahr zu Ende und dann hatte Alekto nur noch ein Jahr vor sich, bevor sie sich der Welt stellen musste. Dann hatte sie keinen Professor Dumbledore mehr, der ein wachendes Auge auf seine Schützlinge hatte und dann hatte sie auch keinen Professor Fraser mehr, der sich um einiges besser mit solchen Situationen auskannte.

Sie faltete die Zeitung zusammen, sie musste Merlins Geheimnis finden, mit Merlins Kräften könnte sie etwas ausrichten und vielleicht sogar den Krieg beenden.

Sie hätte den Sonntagnachmittag für ihre Hausaufgaben nutzen können, aber dafür hatte sie nun wirklich keine Lust. Stattdessen wanderten ihre Gedanken woanders hin. Sie streckte sich über das Bett und zog die unterste Schublade ihres Nachttisches heraus. Sie fischte die Holzstücke zwischen dem Krimskrams heraus und legte sie auf das Bett.
Vielleicht sollte sie wirklich versuchen, die Schmuckschatulle wieder zusammenzubauen. Mit dem Daumen strich sie über die goldenen Lettern A. N. M., die für Alekto Nimue Myrddin standen. Es war nun über ein halbes Jahr her, seitdem ihr Bruder gestorben war und sie alleine gelassen hatte. Sie spürte einen Stich im Herzen und plötzlich kamen ihr die Tränen. Eine Welle von Trauer überkam sie, sie vermisste ihn so sehr, was würde sie dafür geben, in nur für eine Minute wiederzusehen, ihm von ihrem Jahr zu erzählen. . . ihm einfach nur zu sagen, dass es ihr gut ging. . . zu hören, dass es ihm gut ging, was immer das Nachleben sein mochte.

Sie unterdrückte ein Schluchzen, gerade als die Tür aufging. Schnell wandte Alekto sich ab und rieb sich mit dem Ärmel über die nassen Augen.
"Hast du die Hausaufgaben in Astronomie schon gemacht?", fragte Helen. "Was hast du da?" Sie sah zu Alekto, die immer noch eines der Holzstücke an die Brust drückte.
Diese räusperte sich. "Ich versuche, eine alte Schmuckschatulle zu reparieren und bastle daran herum."

Helen nickte nur und begab sich zu ihrem Bett, wo sie die Schuhe abstreifte. "Sag mir, wenn ich dir helfen kann."
Alekto sammelte die Stücke zusammen und legte sie zurück in den Nachttisch, dieses Mal aber in eine der aufgeräumteren Schubladen. Sie sah wieder zum Tagespropheten und dann zu Helen, die einen von Leas Kitsch-Romanen gestohlen hatte.

"Len?", fragte sie nach einer Minute der Stille und Helen strich sich ein paar Strähnen ihres Ponys aus den Augen, als sie aufsah. Alekto haderte mit ihren Worten. "Ist. . . ist etwas mit Irina und Ilya vorgefallen?"
Zuerst wirkte Helen verwirrt, dann fragte sie: "Du meinst abgesehen vom Üblichen?"
Alekto zuckte mit den Schultern und setzte sich aufrecht hin. "Sie meinte, sie hätte euren Eltern geschrieben. . . wegen etwas und. . ." und was? Sie wusste es selbst nicht.
Helen verzog das Gesicht. "Ja, meine Mutter hat mir letzte Woche ein Heuler geschickt und alles nur, weil ich meinte, Leute wie sie und Ilya sollten ihren Platz in der Gesellschaft kennen."
"Halbblute?", fragte Alekto nach, die eine Sekunde brauchte um zu begreifen worüber sie sprach.
Helen verdrehte nur die Augen. "Leute wie sie stolzieren durch die Hallen Hogwarts und werfen ihre ach so tollen Haare über die Schulter als gehöre ihnen das Schloss, dabei sollten sie nicht einmal existieren." Sie wandte sich wieder ihrem Buch zu.
"Kann es sein, dass du einfach nur eifersüchtig bist?", fragte Alekto kalt. Lea und sie waren sich Helens Gefühle gegenüber ihrer Stiefschwester nur zu gut bewusst und hatten immer versucht dagegenzuwirken, aber Alektos Gefühle waren momentan ein einziges Chaos und sie war gereizt.

Helen sah genervt von ihrem Buch auf. "Ich auf sie? Sie stolziert hier so rum, um zu kompensieren, dass ihre Mutter ein Muggel war."
"Was ist mit Lea? Kennt sie ihren Platz in der Gesellschaft?"
Die andere Slytherin setzte sich ruckartig auf. "Lea ist nicht wie die!"
"Wie wer, Helen?", fragte Alekto scharf.
Die beiden Mädchen sahen sich einen Moment stumm an, dann stand Helen auf und Alekto tat es ihr gleich.

"Was ist in letzter Zeit mit dir los?", wollte Helen sanft wissen. "Du verwendest schwarze Magie, du hast Geheimnis, du schleichst dich Nachts raus und du verbringst neuerdings Zeit mit Sirius Black. Die Alekto, die ich kenne, würde so etwas nie tun."
"Und die Helen, die ich kenne, würde uns nicht immer für ihren Freund versetzen und seine Freundesgruppe ihrer vorziehen", zischte Alekto, die gerade nicht versöhnlich gestimmt war.
"Bist du deshalb wütend? Weil ich so viel Zeit mit Charles verbringe?" Im Gegensatz zu Alekto wirkte sie eher besorgt als wütend. "Du bist eine meiner besten Freundinnen, sprich mit mir! Was ist los und wieso triffst du dich mit Sirius Black?" Sie wirkte fast schon flehend. "Gibt es diesen Hufflepuff, von dem du erzählt hast, überhaupt?"

Alekto sah ihn Helens blaue Augen und mit Schrecken musste sie feststellen, dass sie zum ersten Mal in ihrer Freundschaft ihr nicht vertraute. Laut Regulus hatte sie mit der Slytheringruppe über sie gesprochen oder zumindest mit Charles, welche Geheimnisse würden bei ihr sicher sein? Merlins Geheimnis sicher nicht.
"Ich kenne Sirius noch aus meinen Kindheitstagen, er versteht mich, unsere Familien sind ähnlich", sagte sie mit trockener Kehle. "Weder du noch Lea wissen, wie das ist. Ich habe meinen Bruder verloren und jetzt scheinst du dich immer mehr von unserer Dreiergruppe zu lösen." Ihr kamen wieder die Tränen in die Augen, könnte sie bitte für fünf Minuten bei einer Emotion bleiben?

Bevor sie die Tränen unauffällig weg blinzeln konnte, hatte Helen sie bereits in eine Umarmung gezogen. Doch sie erwiderte die Umarmung nicht sofort. Momentan wusste sie wirklich nicht, was sie von diversen Situationen in ihrem Leben halten sollte und sie hatte niemanden, mit dem sie sprechen konnte.
Sie wünschte, sie könnte Morwennas Portrait erneut verbrennen oder sonst etwas in Brand setzen! Nimue vielleicht?

Ein kürzeres (dafür emotionales) Kapitel, weil das vorherige etwas länger geworden ist als die üblichen. 

Wir haben 34. Kapitel (+ Prolog) gebraucht um auf 1k Reads zu kommen und jetzt sind es schon fast 2k Reads. Verrückt🙈

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