45. Kapitel
Der Himmel war fast wolkenfrei, als das Quidditchspiel stattfand. Da der April gerade erst gestartet hatte, mussten sie trotz der Sonne noch Pullover tragen, denn auf den Tribünen war es immer noch kalt.
Es spielten Slytherin gegen Hufflepuff und die Stimmung war gedrückt bei dem grün-silbernen Haus. Slytherin hatte dieses Jahr nicht gut gespielt, das erste Spiel gegen Gryffindor hatten sie so hoch verloren, wie schon lange nicht mehr. Beim zweiten gegen Ravenclaw wurde erwartete, dass sie es gewannen, jedoch hatte Jasper Lee mit seinen Strategien sein Haus zu einem umkämpften Sieg geführt und nun spielten sie gegen Hufflepuff, die einen Treiber hatten, der bereits von den Chudley Cannons nach seinem Abschluss im Sommer angeworben worden war.
Alekto wartete auf der Tribüne, bis Madame Hooch den Anpfiff machte, bevor sie sich eine Ausrede ausdachte. Von Anfang an war das Schicksal von Slytherin fast schon besiegelt und Alekto freundete sich innerlich bereits mit dem vierten Platz an.
"Ich bin zu müde dafür", meinte sie schließlich und gähnte herzhaft. "Ich hatte gestern wieder Nachsitzen bei Fraser." Ihre Freundinnen nickten ihr nur zu, bevor sie aufschrien, weil ein Jäger den Quaffel hatte fallen lassen.
So drängte sie sich durch die Menschenmasse, bis sie die hölzerne Treppe erreicht hatte. Das Schreien und Poltern der Schüler war laut, aber sie könnte schwören, sie hätte ihre Namen gehört.
Verwundert drehte sie sich um und suchte mit den Augen das hölzerne Gerüst ab. Eine Person hatte sich über das Geländer gelehnt und blickte zu ihr runter.
"Myrddin?", fragte sie erneut und Alekto stellte ihre Füße nebeneinander, als sie wartete.
Irina kam die Stufen hinunter und blieb vor ihr stehen, einen Moment lang sahen sich die beiden Mädchen an. Irinas braune Locken hingen ihr offen über den Rücken und sie trug Eyeliner, der ihre tiefblauen Augen um so mehr betonten. Sie trug einen blau-bronzenen Pullover - die Farben ihres Hauses - aber zwischen den Fingern drehte sie eine kleine Fahne mit einem Dachs darauf, als Zeichen, welches Team sie in diesem Spiel unterstützte.
Alekto konnte sich nicht erinnern, jemals mit Irina alleine gesprochen zu haben. Verwundert und auffordernd sah sie Helens Stiefschwester an und wartete auf einen Grund.
Auch sie schien nicht genau zu wissen, wie sie das Thema anschneiden sollte. "Ist etwas mit Helen vorgefallen?", fragte Irina schließlich, was Alekto nur noch mehr Rätsel aufbrachte. Sie überlegte einen Moment, Helen verbrachte immer noch viel Zeit mit Charles, aber das war nichts Neues, sie hatte vor einer Woche versehentlich ihre Pflanze in Kräuterkunde mit zu viel Dünger vergiftet, der neuste Spruch für ihre Locken hatte eigentlich ganz gut funktioniert. . . Alekto verzog das Gesicht und zuckte mit den Schultern. "Ich weiß es nicht, wieso?" Zugegeben war sie in letzter Zeit sehr stark mit sich selbst und Merlins Geheimnis beschäftigt gewesen, aber Helen verbrachte auch die meiste Zeit ohne sie.
Irina drehte die kleine Fahne zwischen den Fingern. "Keiner von uns war begeistert, als unsere Eltern geheiratet haben", begann sie. "Helen mochte mich von Beginn an nicht, aber viele Mädchen mögen mich nicht, mit der Zeit wurde es etwas besser, aber nicht wirklich schwesterlich. Ich denke, wir sind einfach sehr unterschiedliche Personen. . . nicht, dass man als Geschwister nicht auch sehr unterschiedlich sein kann, dein Bruder hatte immer eine warme Persönlichkeit und war sehr aufgeweckt und du wirkst so ernst und-. . ."
"Bitter?", half Alekto mit einem passenden Adjektiv für sie aus.
"Das habe ich nicht gesagt", verteidigte sich Irina. "Ich meinte abweisend."
"Oh, vielen Dank, ich dachte schon, es wäre etwas Nettes", erwiderte Alekto sarkastisch. "Ich bin mir durchaus bewusst, dass ihr nie das 'Stief' aus Stiefgeschwister gestrichen habt, komm zum Punkt!" Sirius wartete sicher schon.
Die Ravenclaw spitzte etwas betupft die Lippen. "In letzter Zeit wirkte Helen noch kälter uns gegenüber. Früher war sie Ilya mehr neutral gegenüber, manchmal hatten sie sich sogar ganz gut verstanden, aber auch er bemerkte es. Es ist, als würde sie uns wieder hassen, wie am Anfang, als unsere Eltern geheiratet haben. Ich habe unseren Eltern geschrieben, aber bis jetzt kam keine Reaktion von Helen."
Da war auch Alekto ratlos. "Ich weiß von nichts, aber ich werde definitiv mit ihr sprechen", sagte sie schließlich und warf einen kurzen Blick auf ihre Uhr. Sirius hatte nicht genau gesagt, wann sie sich trafen, nur dass es während des Spiels war, es war also nicht ihre Schuld, wenn sie 'zu spät' kam.
Irina nickte und blieb still. Alekto beschloss ihre peinliche Zusammenkunft zu beenden und verabschiedete sich mit wenigen Worten, bevor sie die letzten Stufen hinunterpolterte und sich auch den Weg ins Schloss machte.
Mit großen Schritten durchquerte sie den Vorraum der Großen Halle und sprang die erste Treppe hoch, als wieder ihr Name gerufen wurde, aber dieses Mal ihren Vornamen.
"Wie geht's dir?", fragte Charles und Alekto presste die Zähne aufeinander. War das ein Zeichen des Universums, mehr Zeit mit ihren Freundinnen zu verbringen?
"Slytherin spielt", erwiderte Alekto nur, was gleichzeitig auch eine Frage war.
Charles kratzte sich am Hinterkopf, seine blond-braunen Haare trug er immer noch etwas länger, aber nicht so lange wie Sirius. "Ich muss mich auf die ZAGs vorbereiten, außerdem werden wir wohl eh verlieren", sagte er und fügte: "Du hast die ZAGs schon hinter dir", hinzu, als Alekto nichts erwidert.
Sie nickte nur. "Dann halte ich dich nicht länger auf." Mit einem großen Schritt war sie auf der nächsten Treppenstufe.
"Weißt du. . .", begann Charles und Alekto schloss genervt die Augen. Was war heute mit den Leuten los. "Erzähle Helen nicht, dass ich dir das gesagt habe, aber sie fühlt sich in letzter Zeit etwas abgewiesen von dir und Lea."
Sie musste sich zwingen, ruhig zu bleiben, als sie sich umdrehte. "Vielleicht sollte sie dann etwas weniger Zeit mit dir und deinen Freunden verbringen. Ich würde ja gerne mehr Zeit mit ihr verbringen, aber das geht nicht, wenn sie dauernd mit euch ist!"
An Charles Gesicht konnte man sehen, dass er wohl eine besser gelaunte Alekto erwartet hatte und nun nicht genau wusste, wie er mit der Situation umgehen sollte. Auch er war eine Person, mit der Alekto noch nie in ihrem Leben ein Einzelgespräch geführt hatte.
"Wieso nicht", meinte er zögerlich und stieß seine Brille höher. "Du und Lea seid Helens beste Freunde, ich würde auch euch gerne besser kennenlernen."
"Niemand will dich besser kennenlernen, Rookwood", konnte sie Sirius Stimme hören. Er und Lupin kamen gerade aus einem der wegführenden Gänge. Wie immer am Wochenende trug ein T-Shirt, das so ausgewaschen war, dass man das Logo nicht mehr erkennen konnte, und ebenso eine ausgewaschene Jeans. Lupin trug einen Gryffindorpullover und hatte die Ärmel hochgekrempelt, einen Arm hatte er um Sirius Hüfte gelegt, nahm ihn aber weg, als sie zu den beiden Slytherins traten.
"Hast du nichts Besseres zu tun, Black?", gab Charles zurück, ohne sich zu ihnen zu wenden.
"Nein, momentan nicht." Sirius stellte sich demonstrative dazu. "Was gibt's?"
"Slytherin-Dinge", meinte Alekto, die keine Lust hatte Sirius (und Lupin) etwas über ihre Beziehungen zu erzählen.
Theatralisch holte Sirius Luft. "Geht es gerade um die Unterwerfung der Muggels oder um das Verbannen der Schlammblüter aus Hogwarts?"
"Was läuft bei dir falsch, Black?", zischte Charles erzürnt.
"Weniger als du denkst, aber mehr als Leute glauben, was läuft bei dir falsch?", fragte er. "Ich würde augenblicklich mit Leuten abhängen, die meine Mutter tot sehen wollen, aber ich glaube, Harris ist da anders."
"Fange hier keinen Streit an, Tatze", mahnte Lupin ihn leise.
"Du musst uns nicht immer mitteilen, dass du ein Blutsverräter bist, das weiß mittlerweile ganz Hogwarts."
Sirius schnaubte belustigt. "Gut, denn bleiben Leute wie du mir vom Hals und Alekto baut sich wohl auch so einen Ruf auf, alleine, um nicht mit dir Zeit verbringen zu müssen."
Alekto warf ihm einen schnellen Blick zu. Er sollte sie da rauslassen, aber sie konnte sehen, wie Charles sie kurz irritiert musterte. Vielleicht war es die Verwendung ihres Vornamens gewesen?
"Ich habe Besseres zu tun", meinte sie schließlich und wandte sich ab. "Ich habe noch einen Aufsatz in Kräuterkunde zum Fertigstellen."
"Hast du ein Buch gefunden, das etwas über die Heilungskräfte sagen?", fragte Lupin und war in zwei Schritten bei ihr. Hinter sich konnten sie Charles und Sirius noch weiter zanken hören. "Er ist heute etwas angriffslustig", sagte er leise, als sie die Treppe hinaufgingen. "Seine Lederjacke hat einen Fleck, der selbst mit Magie nicht ausgeht." Alekto warf einen kurzen Blick über die Schulter. Mit ihm war nicht zu spaßen, wenn er schlechte Laune hatte.
"James hat Nachsitzen und Peter ist im Krankenflügel, weil er nicht auf James gehört hat, als dieser ihn warnte, dass unsere neuste Idee explodieren könnte", erklärte Sirius, als er wieder zu ihnen stieß.
"Habt ihr mehr aus Nimue herausbekommen?", fragte Alekto nach dem Grund des Treffens. Sirius und Remus warfen sich einen Blick zu. "Nicht wirklich, aber deswegen sind wir nicht hier", gestand er. "Du weißt doch, dass wir glauben zu wissen, wo sich Merlins Geheimnis befindet?"
Alekto nickte, das hatten sie ihr bei ihrem ersten Treffen im Besenschrank erzählt. Remus holte die Karte hervor und zeigte ihr einen Ort, den Alekto auf die Schnelle nicht zuordnen konnte.
"Siehst du die Wand hier? Es ist nichts eingezeichnet, aber von dem Raum her könnte etwas dahinter sein", erklärte er.
"In unserem zweiten Jahr hatten wir das Gefühl, dass sich dahinter einen Geheimgang befindet, aber wir haben den Zauber zum Öffnen nicht herausgefunden", ergänzte Sirius. "In den Stein sind Runen eingeritzt."
"Hat es irgendwo ein Schlüsselloch?" Alekto überlegte, vielleicht gab es eine andere Möglichkeit da rein zu kommen ganz ohne Schlüssel. "Wo ist das?"
"Im Keller", Remus packte die Karte wieder ein und nickte in eine Richtung als Zeichen, dass sie jetzt da hingingen. Er zupfte am hohen Kragen seines Pullovers und Alekto war sich sicher für einen Moment einen rot-violetten Fleck an seinem Hals zu sehen.
"Was wollte Rookwood eigentlich?", fragte Sirius schließlich. Da es Samstagvormittag und Quidditchspiel war, waren kaum Schüler unterwegs.
"Es ging um Helen", erwiderte Alekto knapp.
"Ich hätte mein Geld ja auf Harris gesetzt, als Gruppenaussteiger und nicht Rosson."
Gruppenaussteiger? "Was meinst du damit?", fragte Alekto scharf. Wieso hatte er das Gefühl, Lea würde ihre Dreiergruppe verlassen?
Sirius zuckte nur mit den Schultern. "Sie ist ein Halbblut und du bist ein Reinblut aus einer fanatischen Familie und Rosson hängt mit baldigen Todesser ab. Ich hätte es ihr nicht übel genommen, wenn sie sich von euch distanziert hätte."
"Meine Familie ist nicht fanatisch, nur weil sie reines Blut schätzt!", fauchte sie.
Der Gryffindor schnitt eine Grimasse. "Eurer ganzer Familienstolz basiert auf einem Mann, der Muggel schützen und in die Zaubergesellschaft integrieren wollte und ihr ignoriert das hart."
"Lass gut sein, Sirius", meinte Remus. "Sie kann nichts dafür, dass du den Feuerwhiskey über deine Jacke geschüttet hast." Er wandte sich an Alekto. "Wir haben uns nochmals mit Nimue unterhalten. Sie hatte einen Moment lange mit James gestritten und hat sich dann umgekehrt und ist in der See marschiert." Alekto hätte dieses Bild am liebsten auch verbrannt. Bis jetzt schien noch niemand Morwennas Abwesenheit bemerkt zu haben oder - und das war wahrscheinlicher - vermisste sie einfach niemand. "Sie besteht immer noch darauf, dass wir einfach mit der Suche aufhören sollen."
"Wir werden absolut nicht mit der Suche aufhören! Wir werden den Schlüssel finden, mit ihr oder ohne sie", schnaubte sie.
Die Gryffindor führten sie in eine Ecke von Hogwarts, in der sie noch nie gewesen war. Sie dachte immer, der Kerker sei der Keller des Schlosses, aber sie führten sie am Fuße des Gryffindorturms entlang und dann zwei Treppen hinunter.
Die Gänge da waren düster und nur mit Fackeln erhellt. Am Anfang hingen noch ein paar Bilder, als hätte man versucht, den Platz aufzuhübschen. Remus führte sie einen schmalen, verwinkelten Gang entlang, der in einem kleinen Raum endete. Auf der gegenüberliegenden Seite endete das Schloss und anstelle der Mauer war nur eine grob flach-gehauene Steinwand.
"Es gibt sonst nichts in diesem Raum, es ist eine komplette Sackgasse", meinte Remus, während Alekto sich umsah. Neugierig tat sie an die Steinwand. Es war, als würde eine Kälte von ihr ausgehen, aber als Alekto eine Hand darauf legte, fühlte sich der Stein gar nicht so kalt an. Sie versuchte sich auf ihre Magie zu konzentrieren, ob sie etwas damit machen konnten, aber es passierte nichts. Abgesehen von der Kälte wirkte es wie eine normale, solide Wand aus Stein.
Remus trat neben sie. "Komm hier her, hier sind die Runen." Sie legte ihre Hand an den Ort, wo er seine hatte und tatsächlich konnte sie die gerade Rillen und ihren Fingern spüren. Sie tastete weiter, die Runen gingen weiter.
Sie tastete, bis sie eine Rune gefunden hatte, die sie vom Fühlen erkannte, bevor sie wieder nach ihrer Magie griff und sich ganz auf die Rune konzentrierte. Unter ihrer Hand begann diese blau zu glühen und wie eine Flüssigkeit schwappte der Schimmer in die anderen Runen und breitete sich immer weiter aus. Die Runen formten fast einen Kreis auf der Steinwand und es war unverkennbar eine Pfote irgendwo hin.
Sie nahm die Hand wieder weg und machte einen Schritt zurück, langsam verblassten die Runen wieder.
Das musste der Weg zu Merlins Geheimnis sein, jetzt fehlte nur noch den Schlüssel und den würde sie kriegen, koste es, was es wolle!
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