Kapitel 7 - Anstrengende Anreise und langer Abend

„Flora, du musst aufwachen. Wie geht es dir?“, waberte Mollys Stimme durch meine leeren Träume. Seufzend öffnete ich meine Augen und blinzelte zu der Frau auf. „Hm?“, murmelte ich. „Wie fühlst du dich, Liebes? Denkst du, du kannst heute schon nach Hogwarts gehen? Wenn nicht, ist es gar kein Problem, dass du auch noch ein paar Tage hier im Hauptquartier bleibst.“ „Ach was, ich fühle mich schon wieder fit“, meinte ich und richtete mich im Bett auf. Nun gut, ganz fit war ich noch nicht. Ich fühlte mich etwas schlapp und verdammt müde, obwohl ich wohl mehr als alle anderen geschlafen hatte. Aber immerhin war mir nicht mehr glühend heiß; Ich schien kein Fieber mehr zu haben. Und auch das Bedürfnis zu kotzen war einem leichten Hungergefühl gewichen. Molly runzelte ihre Augenbrauen und legte ihre Hand auf meine Stirn. „Tatsächlich hast du wieder normale Temperatur. Komisch. Na schön. Aber wenn es dir in Hogwarts wieder schlechter geht, dann geh bitte sofort zu Madam Pomfrey. Okay?“ „Klar. Ich mach mich dann mal fertig.“ Molly nickte und verschwand aus meinem Zimmer. Ein Glück zitterten meine Beine und Arme nicht mehr, als ich mich vollends aus dem Bett stemmte und meine bereitgelegten Klamotten anzog. Ich verstaute den letzten Rest meiner Sachen in meinen Koffer, zog meinen Zauberstab und ließ das Gepäckstück gemächlich hinter mir her bis in die Eingangshalle schweben.

„Flora!“, kam es mit einem Mal von der Seite und ich zuckte zusammen. Tonks zog mich in eine stürmische Umarmung. Wenige Sekunden später schob sie mich eine Armlänge zurück und musterte mich kritisch. „Und dir geht es wirklich schon wieder gut? Bist du dir sicher, dass du dich nicht noch wenigstens einen Tag hier ausruhen willst?“ „Alles gut Tonks, wirklich“, grinste ich meine Freundin an. Die atmete tief durch und nickte. „Na dann komm mal mit zu unseren Kollegen. Mad-Eye hat schon wieder einen Plan wegen Harry ausgeheckt. Weil wir nach Kings Cross laufen müssen.“ Tonks legte mir ihren Arm um die Schulter und zog mich zu der Gruppe Erwachsener, die sich alle nahe der Küche aufgestellt hatten – so weit weg von Mrs Black wie möglich. Molly, Arthur, Remus und Sirius erwarteten mich mit einigermaßen besorgten Gesichtern. Nur Moody schien amüsiert zu sein. Als Tonks und ich bei den anderen ankamen, klopfte er mir kräftig auf die Schulter und murmelte ein „Nur weiter so“ vor sich hin. „Gut, der Plan sieht folgendermaßen aus: Tonks, Molly und Flora begleiten Harry in der ersten Gruppe zum Bahnhof. Danach komme ich mit dem Gepäck. Nach mir dann Arthur mit Ron und Hermine. Und Remus mit den anderen Weasleys. Nein, Sirius, du kannst nicht mit. Dumbledore hat es dir verboten, schon vergessen? Und ich verbiete es dir auch! Gut, Sturgis sollte noch als Unterstützung für Harrys Gruppe kommen. Wo bleibt der Typ bloß? Ich gehe mal nachschauen. Und dann nehme ich das Gepäck an mich“, erklärte Moody und humpelte in Richtung Haustür davon. „Ich gehe auch schon mal nach draußen. Die Lage im Auge behalten und so“, meinte Tonks und eilte hinter dem Ex-Auror her.

Ich lief wieder zurück in Richtung Treppen. Mein Koffer stand ziemlich im Weg. Kurz darauf hörte ich Schritte. Dann ein Schrei. Reflexartig hob ich meinen Zauberstab und fing Ginny mit einem Zauber auf. Drei Koffer donnerten neben ihr die Treppe hinunter, während ich das Mädchen neben mich schweben ließ. Ihre Beine zitterten stark, als ich sie auf dem Boden absetzte. Mit großen Augen blickte sie mich an. Ihre Worte – ob nun Danksagung oder sonst was – gingen in dem plötzlich auftretenden Kreischen von Mrs Black unter. Ginny zuckte zusammen. Ich fing sie auf, als sie nach hinten über einen der Koffer stolperte. Mit einem Knall tauchten Fred und George auf und besahen sich die Koffer am Boden und ihre Schwester. Es war nicht schwer zu erkennen, wer für dieses Malheur verantwortlich war. Und zusätzlich zu Mrs Black begann nun auch noch Molly zu schreien. Ich schloss meine Augen und wünschte mir einen Stillezauber herbei. Dieses ganze Geschrei war zu viel am frühen Morgen. Ich war gerade sowieso nicht in meiner besten Verfassung. Und verdammt müde!

Ich öffnete meine Augen wieder und sah Ron die Treppe hinunterstürmen. Mit großen Augen blickte er sich um. „Was ist denn hier los?“, schrie er mir über ein „Blutsverräter, Abschaum!“ von Mrs Black und ein „Ihr müsst nicht immer alles verzaubern!“ von Molly zu. „Bitte, treib einfach Hermine und Harry zusammen und sorg dafür, dass sie runter kommen. Wir sollten uns mit unserer Abreise beeilen“, schrie ich zurück. Ron nickte und eilte die Treppe wieder hinauf. Ich warf einen Blick durch die Halle. Moody war wieder aufgetaucht und redete mit Remus und Sirius. Sie warfen dem kreischenden Portrait einen Blick zu und nickten. Offenbar wollten sie es nicht zum Schweigen bringen. Dann mussten wir wenigstens auch nicht mehr darauf achten, leise zu sein. „Geht’s dir gut?“, wandte ich mich an die immer noch zitternde Ginny in meinen Armen. Die nickte leicht. „Dank dir. Ohne dich … Bestimmt wäre ich im St. Mungo gelandet.“ Das Mädchen schauderte. Ich drückte sie fester an mich und wir beobachteten die Menschen um uns herum. Moody sammelte nach und nach das ganze Gepäck ein. Molly schimpfte immer noch mit Fred und George, auch wenn Arthur mittlerweile versuchte, sie zu beschwichtigen und auch Remus kam wenig später dazu. Sirius blickte mit verschränkten Armen in der Gegend umher. „Kommt ihr alle jetzt bitte sofort runter!“ Ich zuckte mit Ginny zusammen und blickte mit großen Augen zu Molly. Wie konnte eine Frau wie sie so laut schreien? Doch es zeigte Wirkung. Erst tauchte Ron auf. Dann Hermine. Und zum Schluss Harry.

„Harry, du gehst mit mir, Tonks und Flora. Lass Koffer und Eule da, Alastor kümmert sich um das Gepäck … oh, um Himmels willen, Sirius, Dumbledore hat nein gesagt!“ Ich folgte Mollys Blick auf einen großen schwarzen Hund und runzelte meine Stirn. Dann traf mich die Erkenntnis. Sirius war ein Animagus. Und wahrscheinlich ein nicht registrierter. Sonst hätte ihn das Ministerium mit Sicherheit schon lange gefunden. So als gesuchter Massenmörder. „Also, Ginny. Wir sehen uns auf Gleis 9¾. Bis später“, meinte ich und löste ihre Arme von mir. „Passt auf euch auf“, meinte sie und ich nickte. Auf dem Weg zur Haustür verstaute ich meinen Zauberstab in meiner Tasche. Wenig später traten Molly, Harry, Sirius in Hundegestalt und ich auf die Straße und der Grimmauldplatz Nummer 12 verschwand. „Wo ist Tonks?“, wollte Harry wissen und blickte sich um. Ich tat es ihm gleich, fand meine Freundin aber erst, als Molly auf sie deutete. Grinsend schüttelte ich meinen Kopf. Verdammt komisch sah Tonks in ihrer Muggelverkleidung aus. „So ˋne Überraschung, Harry. Wir sollten uns beeilen, nicht wahr, Molly“, meinte diese, als wir bei ihr ankamen. „Ich weiß, ich weiß, aber Mad-Eye wollte auf Sturgis warten … wenn Arthur uns doch nur wieder Autos aus dem Ministerium besorgt hätte … aber Fudge will ihn heutzutage nicht mal mehr ein leeres Tintenfass ausleihen lassen … wie ertragen die Muggel bloß das Reisen ohne Zauberei…“ Harry und ich warfen uns einen Blick zu. Also Molly dramatisierte aber ganz schön. Zu Fuß zu gehen war bei Weitem nicht schlimm.

Mit einem Mal bellte Sirius und wir alle zuckten zusammen. Als er begann, seinen eigenen Schwanz zu jagen, konnten Harry und ich unser Lachen nicht unterdrücken. Der Weg nach Kings Cross wurde mit dem menschlichen Hund ziemlich entspannt und ein einziges Vergnügen. Auch wenn Molly die Sache deutlich anders sah. „Entspann dich“, flüsterte ich ihr zu und beobachtete Harrys strahlendes Gesicht, während der Sirius beim Taubenjagen oder Katzenerschrecken zusah. Ohne Zwischenfälle gelangten wir zum Bahnhof, stellten uns an die Absperrung zwischen Gleis neun und zehn und glitten hinüber auf das Gleis für den Hogwarts-Express. Der Zug war schon da und stieß dunklen Rauch in die Luft. Hexen und Zauberer tummelten sich überall verteilt, fielen sich in die Arme, präsentierten neue Errungenschaften und Haustiere und erzählten von ihren Ferien. „Hübscher Hund, Harry!“, rief Lee und winkte in unsere Richtung, ehe er im Zug verschwand. „Oh, gut, da ist Alastor mit dem Gepäck, schau…“ Mollys Worte ließen mich zum Eingang des Gleises schauen. Tatsächlich hatte auch der Ex-Auror sich in eine leichte Verkleidung geworfen und schob einen großen Wagen mit unseren Koffern in unsere Richtung. „Alles in Ordnung, glaub nicht, dass wir verfolgt werden“, murmelte er uns zu. Dann erschienen Arthur, Hermine und Ron hinter ihm. „Kommt schon, Kinder, nehmt eure Koffer“, murmelte Molly und scheuchte uns zu Moody. Also begannen wir vier mit dem Entladen.

Gerade hievte ich den letzten Koffer herunter, als auch Remus mit Fred, George und Ginny auftauchte. Wir waren endlich komplett. „Kein Ärger?“, wollte Moody sofort wissen. „Nichts“, nickte Remus. „Die Sache mit Sturgis melde ich trotzdem an Dumbledore. Das ist schon das zweite Mal, dass er eine Woche lang nicht auftaucht. Wird allmählich so unzuverlässig wie Mundungus“, brummte Moody und ich nickte leicht. Wo er recht hatte. Wir durften einfach nichts riskieren. Nicht in solchen Zeiten. Und bei unserer Sache. „Also, passt auf euch auf“, lenkte Remus vom Thema ab und reichte Ginny seine Hand. Ich war die einzige, die eine leichte Umarmung bekam. „Ja, den Kopf in Deckung und die Augen offen halten“, nickte Moody und klopfte mir erneut kräftig auf die Schulter. „Und vergesst nicht, das gilt für alle – seid vorsichtig, was ihr schreibt. Wenn ihr euch einer Sache nicht sicher seid, schreibt lieber nichts davon in einem Brief“, meinte der Mann dann. „War großartig, euch alle kennenzulernen. Ich denke, wir sehen uns bald“, verabschiedete sich auch Tonks und umarmte Hermine, Ginny und mich einmal. Plötzlich pfiff jemand und ich zuckte zusammen. Schnell ließ ich meinen Blick schweifen. Der Zug musste jeden Augenblick losfahren. „Jetzt aber los! Schreibt uns … seid brav … wenn ihr was vergessen habt, schicken wir es nach … jetzt aber rein in den Zug, schnell…“, murmelte Molly, drückte uns reihum an sich und schob Ron und Ginny dann energisch in Richtung Zug.

Wir packten unsere Koffer und machten, dass wir hinein kamen. Im Gang stellten wir uns an die Fenster und blickten hinaus auf den Bahnsteig, wie viele andere Schüler auch. „Bis dann!“, rief Harry und ich begann leicht zu winken. Mit einem Ruck setzte sich der Hogwarts-Express in Bewegung und langsam wurden alle Menschen und der Bahnsteig selbst kleiner. Nur Sirius nicht. Der jagte uns noch ein Stück bellend hinterher, bis er hinter einer Kurve zurückblieb. „Er hätte nicht mitkommen sollen“, sprach Hermine meine Gedanken aus. Es war einfach ein zu großes Risiko. Wenn ihn jemand erkannte… Oder noch von früher wusste, dass er ein Animagus war… „Ach, mach dir keine Gedanken, der arme Kerl hat doch seit Monaten kein Tageslicht mehr gesehen“, winkte Ron ab. Hermine kam nicht mehr zu einer Antwort, denn mit einem Mal klatschte Fred in die Hände. „Nun, wir können hier nicht den ganzen Tag rumstehen und quatschen, wir haben mit Lee geschäftliche Dinge zu besprechen. Flora, kommst du mit?“ Ich nickte. George nahm meinen Koffer in seine Hand.

Ich winkte den anderen noch einmal zu und folgte den Zwillingen an vollbesetzten Abteilen vorbei, bis wir Lee schließlich fanden. „Da seid ihr ja endlich! Ich dachte schon, ihr verpasst den Zug. Wisst ihr wie schwer es war, die anderen Schüler fernzuhalten?“, begrüßte uns der Junge. „Sorry, Mann. Wir haben halt etwas gebraucht. Unsere Mutter hat uns ewig aufgehalten“, meinte Fred und stemmte seinen Koffer ins Gepäcknetz. Lee zuckte mit den Schultern, griff sich meinen Koffer und hievte ihn ebenfalls nach oben. „So, Lee“, grinste Fred und ließ sich auf das Polster fallen. George und ich taten es ihm gleich. „Jetzt haben wir einiges mit dir zu besprechen. Und ich glaube, Flora ist auch noch nicht auf dem neuesten Stand. Eine Schande, immerhin ist sie unsere Gönnerin. Wir haben dir ja erzählt, dass wir an Nasch- und Schwänzleckereien arbeiten“, schmunzelte George. Die Jungs verbrachten fast die ganze Fahrt damit, über ihre erfundenen Süßigkeiten zu reden. Sich Zauber zu überlegen. Mich auszufragen und um Hilfe zu bitten. Manchmal kam ihnen auch eine Idee für einen Streich und einen Scherzartikel, den sie erfinden wollten, aber hauptsächlich ging es um diese Süßigkeiten. „Wir brauchen nur noch jemanden, der die Süßigkeiten testet. Fred und ich haben uns zu oft dafür geopfert.“ „Wir könnten ja mal im Gemeinschaftsraum rumfragen“, schlug Lee vor. „Ich glaube kaum, dass sich irgendwer freiwillig verhexen lässt. Oder eben freiwillig noch nicht getestete magische Süßigkeiten probiert. Da könnte wer weiß was schief gehen“, warf ich ein. „Also müssen wir eine Bezahlung in Aussicht stellen“, grinste Fred mich an. „Was? Aber das wollte ich damit gar nicht sagen…“

Doch Fred kramte schon Pergament und Feder aus seinem Koffer. „Pass auf, wir schreiben einen Aushang. Irgendwer wird sich da schon anbieten.“ Ein paar Minuten lang kratzte die Feder über das Pergament. Dann reichte Fred es weiter an seinen Zwilling. Der nickte und zeigte es Lee. Der nickte ebenfalls und reichte es mir. Ich runzelte meine Stirn und begann zu lesen.

TONNENWEISE GALLEONEN!
Will das Taschengeld nicht mit deinen Ausgaben
Schritt halten?
Willst du ein wenig Gold nebenher verdienen?
Melde dich bei Fred und George Weasley,
Gryffindor-Gemeinschaftsraum,
zwecks einfacher und praktisch schmerzfreier
Teilzeitarbeit.
(Leider müssen wir darauf hinweisen, dass die Bewerber
sämtliche Tätigkeiten auf eigene Gefahr ausüben.)

Seufzend blickte ich zu den drei Jungs. „Das kann doch nicht euer Ernst sein. Praktisch schmerzfreie Teilzeitarbeit? Und habt ihr überhaupt so viel Geld, um mögliche Bewerber zu bezahlen? Und stellt euch mal vor, jemand trägt ernsthafte Schäden davon. Dann bekommt ihr einen riesigen Ärger, wer weiß wie weitreichend das gehen könnte.“ „Flora, sei doch keine Spielverderberin. Wir wollen ja niemandem ernsthaft schaden“, brummte George. „Bin ich nicht, ich bin nur realistisch. Aber schön, tut, was ihr für richtig haltet. Wenn es schief geht, dann kommt nicht bei mir angekrochen. Ich habe euch gewarnt.“ „Du bist so gemein“, rief Fred aus und fasste sich theatralisch an die Brust. Ich verdrehte grinsend meine Augen und reichte ihm das Pergament zurück. „Nein, nur realistisch“, wiederholte ich und lehnte mich entspannt zurück. Irgendwann wurde es Zeit zum Umziehen. Ich kramte meine Uniform aus meinem Koffer und verschwand schnell auf die Toilette. Als ich wiederkam, hatten sich auch die Jungs umgezogen. Dann ertönte eine Ansage.

Wenige Minuten später fuhr der Zug in den Bahnhof in Hogsmeade ein. Wie letztes Jahr ließen wir die Koffer im Abteil zurück und beeilten uns aufs Gleis zu kommen. „Komm Flora. Hier geht’s zu den Kutschen“, meinte Fred und schnappte sich meinen Arm, um mich im Gedränge nicht zu verlieren. Letztes Jahr hatte mich Snape an dieser Stelle abgeholt und in Dumbledores Büro gebracht. Und es hatte in Strömen geregnet. Heute zeigte sich der strahlende Nachthimmel in seiner vollen Pracht und ich durfte mit meinen Freunden in einer der pferdelosen Kutschen hinauf zum Schloss fahren. Schneller als gedacht war die Fahrt zu Ende und wir stiegen zusammen mit der Schülermenge die Stufen hinauf bis in die Eingangshalle. Von dort ließen wir uns weiter in die Große Halle treiben und setzten uns an unseren Haustisch. Die Stimmen summten um mich herum. Ich genoss den Anblick des Himmels an der Hallendecke und ließ meinen Blick schweifen. Er blieb an der Eingangstür hängen und die nächsten Minuten fand ich so nicht nur Harry und die anderen. Auch Draco betrat mit seinen Freunden die Halle. Die Tische füllten sich immer weiter. Das Stimmengewirr wurde immer lauter. Und dann betrat McGonagall mit den neuen Erstklässlern die Halle und alle Schüler verstummten. Ganz vorne angekommen, stellte meine Hauslehrerin Hocker und Sprechenden Hut auf. Die Kinder warteten daneben. Einige zuckten zusammen, als der Hut zu singen begann.

In alter Zeit, als ich noch neu,
Hogwarts am Anfang stand,
Die Gründer unsrer noblen Schule
Noch einte ein enges Band.
Sie hatten ein gemeinsam‘ Ziel,
Sie hatten ein Bestreben:
Die beste Zauberschule der Welt,
Und Wissen weitergeben.
„Zusammen wollen wir bau’n und lehr’n!“
Das nahmen die Freunde sich vor.
Und niemals hätten die vier geahnt,
Dass ihre Freundschaft sich verlor.
Gab es so gute Freunde noch
Wie Slytherin und Gryffindor?
Es sei denn jenes zweite Paar
Aus Hufflepuff und Ravenclaw?
Weshalb ging dann dies alles schief,
Hielt diese Freundschaft nicht?
Nun, ich war dort und ich erzähl
Die traurige Geschicht‘.
Sagt Slytherin: „Wir lehr’n nur die
Mit reinstem Blut der Ahnen.“
Sagt Ravenclaw: „Wir aber lehr’n,
Wo Klugheit ist in Bahnen.“
Sagt Gryffindor: „Wir lehr’n all die,
Die Mut im Namen haben.“
Sagt Hufflepuff: „Ich nehm sie all‘
Ohne Ansehen ihrer Gaben.“
Am Anfang gab es wenig Streit
Nur Unterschiede viele,
Denn jeder der vier Gründer hatte
Ein Haus für seine Ziele.
Sie holten sich, wer da gefiel;
So Slytherin nahm auf,
Wer Zauberer reinen Blutes war
Und listig obendrauf.
Und nur wer hellsten Kopfes war,
Der kam zu Ravenclaw.
Die Mutigsten und Kühnsten doch
Zum tapferen Gryffindor.
Den Rest nahm auf die Hufflepuff,
Tat allen kund ihr Wissen,
So standen die Häuser und die Gründer denn
In Freundschaft, nicht zerrissen.
In Hogwarts herrschte Friede nun
In manchen glücklichen Jahren,
Doch bald kam hässliche Zwietracht auf,
Aus Schwächen und Fehlern entfahren.
Die Häuser, die vier Säulen gleich
Eins unsre Schule getragen,
Sie sahen sich jetzt als Feinde an,
Wollten herrschen in diesen Tagen.
Nun sah es so aus, als sollte der Schule
Ein frühes Ende sein.
Durch allzu viele Duelle und Kämpfe
Und Stiche der Freunde allein.
Und schließlich brach ein Morgen an,
Da Slytherin ging hinfort.
Und obwohl der Kampf nun verloschen war,
Gab’s keinen Frieden mehr dort.
Und nie, seit unsere Gründer vier
Gestutzt auf dreie waren,
Hat Eintracht unter den Häusern geherrscht,
Die sie doch sollten bewahren.
Nun hört gut zu dem Sprechenden Hut,
Ihr wisst, was euch beschieden:
Ich verteil euch auf die Häuer hier,
Wie’s mir bestimmt ist hienieden.
Ja, lauscht nur meinem Liede gut,
Dies Jahr wird ich weitergehen:
Zu trennen euch bin ich verdammt,
Doch könnt man’s als Fehler sehen.
Zwar muss ich meine Pflicht erfüllen
Und jeden Jahrgang teilen.
Doch wird nicht bald durch diese Tat
Das Ende uns ereilen?
Oh, seht das Verderben und deutet die Zeichen,
Die aus der Geschichte erstehen.
Denn unsere Schule ist in Gefahr,
Sie mag durch äußere Feinde vergehen.
Wir müssen uns stets in Hogwarts vereinen
Oder werden zerfallen von innen.
Ich hab’s euch gesagt, ich habe gewarnt…
Lasst die Auswahl nun beginnen.

Ich leckte mir über meine Lippen. Über dem Beifall der Schüler erhoben sich Stimmen, erhob sich ein Murmeln. Mein Blick schwenkte reflexartig zu Draco und seine Augen fanden die meinen. Der Hut warnte uns. Der Hut warnte uns vor der drohenden Gefahr und rief uns zur Einheit auf. Ich musste dringend mit Draco sprechen. So bald wie möglich. Die Menge um mich herum verstummte wieder und ich wandte meine Aufmerksamkeit halbherzig der Auswahl der Erstklässler zu. Aber meine Gedanken schweiften immer wieder zum Lied des Sprechenden Hutes ab. Erst Dumbledores Begrüßung und das Erscheinen des Essens holten mich endgültig zurück in die Wirklichkeit. Wie die ganzen Festessen letztes Jahr war auch dieses hier ein einziger Schmaus. Die Hauselfen in der Küche hatten sich selbst übertroffen und fast hatte ich das Gefühl, dass Braten, Pasteten und Torten noch besser schmeckten als die vorigen Male. Aber es war auch schon eine Weile her, dass ich so gut gegessen hatte, wie man es in Hogwarts konnte. Zu Hause hatte ich nie wirklich gekocht. Ich hatte schlicht nicht die Motivation aufbringen können, stundenlang in der Küche zu stehen, bloß um dann alleine zu essen. Da tat es auch einfach ein geschmiertes Brot. Und im Grimmauldplatz war das Essen zwar gut, aber meist einfach, und nicht zu vergleichen mit den Künsten der Hauselfen. Das sollte Molly bloß nie erfahren.

Irgendwann nach dem zweiten oder dritten Kuchenstück lehnte Lee sich stöhnend zurück und fiel dabei fast von der Bank, was Fred mit einer schnellen Bewegung verhinderte. Die Zwillinge fingen an zu lachen. „Nicht vom Stängel fallen“, gluckste George. „Ich hab so viel gegessen, ich brauche jetzt einfach nur noch ein Bett“, antwortete Lee und klopfte sich auf seinen Bauch. Ich stimmte in das Gelächter der Umsitzenden mit ein. „Es dauert bestimmt nicht mehr lange, bis das Essen vorbei ist und Dumbledore seine Rede hält. Danach kannst du sofort ins Bett“, schmunzelte Angelina. Als hätte sie es herbeigeführt, erhob sich unser Schulleiter just in diesem Moment und wir schenkten ihm alle unsere Aufmerksamkeit. „Nun, jetzt, da wir alle ein weiteres herrliches Festessen verdauen, bitte ich für einige Momente um Ihre Aufmerksamkeit für die üblichen Bemerkungen zum Schuljahresbeginn. Die Erstklässler sollten wissen, dass der Wald auf dem Schlossgelände für Schüler verboten ist – und einige unserer älteren Schüler sollten es inzwischen auch wissen. Mr Filch, der Hausmeister, hat mich, wie er sagte, zum 462. Mal gebeten, Sie daran zu erinnern, dass Zauberei zwischen den Unterrichtsstunden auf den Gängen nicht erlaubt ist, ebenso wenig wie eine Reihe anderer Dinge, die alle auf der erschöpfenden Liste nachzulesen sind, die jetzt an Mr Filchs Bürotür hängt. Dieses Jahr haben wir zwei Veränderungen im Kollegium. Wir freuen uns sehr, Professor Raue-Pritsche erneut willkommen zu heißen, die Pflege magischer Geschöpfe unterrichten wird; wir freuen uns ebenfalls, Professor Umbridge vorstellen zu können, unsere neue Lehrerin für Verteidigung gegen die dunklen Künste.“

War es gemein, dass ich mich über Raue-Pritsche freute? Vermutlich schon. Nun, solange Hagrid noch mit seiner Mission für den Orden beschäftigt war, würde sie wohl bleiben. Danach würde der alte Tierhüter aber wohl wieder das Amt übernehmen. Fast schon schade. Aber vielleicht hielt er sich ja an die harmloseren und guten Tiere. „Auswahlspiele für die Quidditch-Mannschaften der Häuser finden statt am…“

Ich folgte Dumbledores irritiertem Blick und runzelte meine Stirn. Umbridge stand noch. Und sie räusperte sich. Es dauerte kurz, dann setzte Dumbledore sich und die neue Lehrerin begann zu sprechen. „Danke, Direktor, für diese freundlichen Willkommensworte. Nun, es ist wunderbar, wieder in Hogwarts zu sein, muss ich sagen! Und solch glückliche kleine Gesichter zu mir aufblicken zu sehen!“ Ich runzelte meine Stirn. War die Frau irgendwie übergeschnappt oder so? „Sie soll die Klappe halten“, murmelte George hinter mir. „Noch nie hat irgendjemand Dumbledore unterbrochen“, flüsterte Lee. „Kann es sein, dass sie uns wie kleine Kinder behandelt?“, kam es von Angelina. „Ich freue mich sehr darauf, Sie alle kennenzulernen, und ich bin sicher, wir werden sehr gute Freunde werden!“ „Ich will nicht mit der befreundet sein.“ „Glaub mir, ich auch nicht“, stimmte Dean mir zu.

„Das Zaubereiministerium hat der Ausbildung junger Hexen und Zauberer immer die größte Bedeutung beigemessen. Die seltenen Gaben, die Sie von Geburt an besitzen, können verkümmern, wenn wir sie nicht durch sorgfältige Anleitung fördern und hegen würden. Die uralten Fähigkeiten, die der Gemeinschaft der Zauberer vorbehalten sind, müssen von Generation zu Generation weitergegeben werden, wenn wir sie nicht für immer verlieren wollen. Der Schatz magischen Wissens, den unsere Vorfahren zusammengetragen haben, muss bewahrt, erweitert und vertieft werden von jenen, die zum ehrenvollen Dienst des Lehrers berufen sind. Jeder Schulleiter, jede Schulleiterin von Hogwarts hat etwas Neues zu der schweren Aufgabe beigetragen, diese geschichtsträchtige Schule zu führen, und das ist auch gut so, denn ohne Fortschritt treten Stillstand und Verfall ein. Und doch muss dem Fortschritt um des Fortschritts willen eine Absage erteilt werden, denn häufig bedürfen unsere erprobten und bewährten Traditionen nicht des Herumstümperns. Ein Gleichgewicht also zwischen Altem und Neuem, zwischen Dauer und Wandel, zwischen Tradition und Innovation, weil manche Änderungen zum Besseren ausschlagen, während andere im Urteil der Geschichte sich als Fehlentscheidungen erweisen werden. Desgleichen werden manche alten Gewohnheiten bewahrt werden, und das ganz zu Recht, während andere, veraltet und überholt, aufgegeben werden müssen. Gehen wir also voran in eine neue Ära der Offenheit, der Effizienz und der Verantwortlichkeit, bestrebt, das zu bewahren, was bewahrenswert ist, zu vervollkommnen, was vervollkommnet werden muss, und zu säubern, wo wir Verhaltensweisen finden, die verboten gehören.“

Ich atmete erleichtert auf, als die Frau endlich endete und sich setzte. Dennoch begann ich erst zu klatschen, als auch Dumbledore es tat, und das auch nur kurz. Ich konnte weder Umbridge, noch ihre Rede richtig einschätzen, aber es klang ganz so, als wollte sie sich sehr stark in die Schule einmischen und irgendwas verändern. Dumbledore erhob sich wieder und ergriff das Wort. „Ich danke Ihnen vielmals, Professor Umbridge, das war eine höchst aufschlussreiche Rede. Nun, wie gesagt, die Quidditch-Auswahlspiele finden statt am Freitag kommende Woche nach dem Mittagsunterricht. Bitte sprechen Sie hierzu den Kapitän oder die Kapitänin Ihres Hauses an, dann erhalten Sie auch eine genaue Zeit. Viel bleibt mir nun nicht mehr zu sagen. Ich denke, wir hatten alle eine anstrengende Anreise und einen langen Abend. Gehen Sie ins Bett.“ Lee mir gegenüber atmete erleichtert aus. Wir erhoben uns alle von der Bank und drängten uns aus der Halle und die Treppen nach oben. Schnell kamen wir in den Gemeinschaftsraum, wo Lee sich sofort verabschiedete. „Wir hängen noch unseren Aushang am schwarzen Brett auf“, meinte Fred und ich folgte den beiden Zwillingen. „Ich bin immer noch dagegen“, gab ich kund, doch die beiden grinsten mich nur an. „Wissen wir. Und wir tun es trotzdem“, lachte George. „Dann gehe ich jetzt mal schlafen. Wir sehen uns morgen“, verabschiedete ich mich und trat den Weg in den Schlafraum an.

Kurz nach mir kamen auch Lavender und Parvati, doch erst, als wir alle drei schon umgezogen und im Bad fertig waren, tauchte Hermine auf. „Vertrauensschülerpflichten“, winkte sie bloß ab und verschwand mit ihrem Pyjama im Bad. Ich legte mich in das kuschelige Bett mit der Wärmflasche und schlief schnell ein.

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