Kapitel 39 - Der Besuch im St. Mungo
„Flora, aufwachen." Seufzend drehte ich mich von der Stimme weg. Mein Kopf tat weh. Meine Glieder waren schwer. Als hätte ich Grippe. Aber nein, das war nur mein Körper, der seine Magie zum größten Teil aufgebraucht hatte. Und jetzt musste er sich erst wieder erholen. Hoffentlich würde das in Zukunft nicht mehr so schlimm sein, wenn ich den Heilzauber der uralten Magie öfter eingesetzt hatte. „Flora, komm schon. Wir haben dich extra länger schlafen lassen. Du hast das Mittagessen verpasst. Und eure Koffer sind aus Hogwarts gekommen", vernahm ich erneut Mollys Stimme. „Hab eh keinen Hunger. Ich bin so fertig", seufzte ich und rieb mir über die Augen. „Natürlich. Aber wir wollten alle gleich ins St. Mungo und Arthur besuchen. Möchtest du mitkommen oder dich hier noch weiter ausruhen?" „Ich komme mit", seufzte ich. Mich weiter auszuruhen wäre wahrscheinlich die klügere Entscheidung. Aber ich wollte sehen, wie es Arthur jetzt ging. Und ich wollte hören, was der Orden zu meiner Aktion sagte. Molly hatte bestimmt einiges erklären müssen und Sirius hatte ja gehört, wie sie gesagt hatte, ich hätte Arthur gerettet. Naja, seit dem Angriff auf mich, wo ich mich hatte selbst heilen müssen, wussten die anderen Mitglieder ja sowieso, dass etwas mit mir nicht stimmte. Dass ich keine gewöhnliche 15-jährige Hexe war. „Wir warten unten auf dich, Liebes", meinte Molly. Die Tür knarrte.
Ich öffnete blinzelnd meine Augen und setzte mich langsam auf. Seufzend fuhr ich mir mit der Hand übers Gesicht. Mein Kopf tat weh. Ich hatte keine Ahnung, wie lange ich mich überhaupt auf den Beinen halten konnte. Wenigstens wollte ich mir nicht die Seele aus dem Leib kotzen. Mein Blick fiel auf meinen großen Koffer neben meinem Bett. Ich ließ mich davor sinken und öffnete ihn. Schnell suchte ich nach Merlins Büchlein. Erleichtert atmete ich auf. Es befand sich noch genau da, wo ich es gestern sorgfältig versteckt hatte. Gestern. Unser DA-Treffen schien Jahre her zu sein, dabei waren noch nicht einmal 24 Stunden seitdem vergangen. Unsere Mitschüler saßen gerade noch in ihrer letzten Unterrichtsstunde. Unglaublich. Hermine. Was Hermine wohl sagen würde? Hatte Dumbledore ihr erzählt, was passiert war? Oder machte sie sich jetzt nur umso größere Sorgen, weil sie keine Ahnung hatte, wo wir alle steckten? Und Draco! Er würde sich bestimmt Sorgen machen, wenn er mich nicht fand. Ich musste ihm so bald wie möglich einen Brief schicken. Langsam griff ich mir ein paar Klamotten aus dem Koffer und zog mich in meinem Zimmer um. Schnell kämmte ich meine Haare durch und rieb mir erneut mit der Hand übers Gesicht. Meine Finger streiften den Schwertanhänger meiner Kette. Seufzend stand ich auf und steckte meinen Zauberstab in meine Tasche. Ich warf mir meinen Mantel über – den Mantel, den Sirius mir geschenkt hatte – und machte mich an den Abstieg hinunter in die Eingangshalle.
Aus der Küche erklangen leise Stimmen. Kaum betrat ich den Raum, verstummten alle Gespräche. Mit schiefgelegtem Kopf beobachtete ich Tonks und Moody dabei, wie sie mich musterten. Moody hatte eine große Melone auf dem Kopf, wohl um sein magisches Auge zu verstecken, wenn wir gleich durch London fuhren. Tonks hatte heute knallpinke Haare. Schließlich ging ein Ruck durch die beiden und sie kamen auf mich zu. Tonks zog mich in eine feste Umarmung. Sie löste sich wieder von mir. Blickte mir genau in die Augen. Umarmte mich wieder. Löste sich wieder von mir. Legte ihre Hände auf meine Schultern. Schüttelte ihren Kopf. „Du bist ein Mysterium, Flora", meinte sie schließlich und ließ mich los. Moody klopfte mir kräftig auf die Schulter, sodass meine Knie nachgaben und ich mich eilig an Tonks festhielt. „Unsere beste Spielerin", lachte Moody, drückte meine Schulter und schüttelte sie etwas. Ich schloss meine Augen. Mein armer geschundener Körper.
„Nun ist aber gut, Mad-Eye. Du siehst doch, dass sie noch nicht wieder fit ist", kam Molly von der Seite. „Das möchte ich auch meinen, nach einem solchen Stück Magie! Und das als Minderjährige. Sehr beeindruckend. Ja, ja", nickte Moody und humpelte zur Tür. „Also, bis später, Sirius", meinte Molly und winkte dem Mann kurz. Er winkte zurück, sah wieder etwas verstimmt aus. Wahrscheinlich, weil er nicht mit zum St. Mungo durfte. Oder überhaupt nach draußen. Wir verließen den Grimmauldplatz und liefen in Richtung U-Bahn. Ich konnte nicht verhindern, dass ich nach hinten zurückfiel. Ich war einfach noch zu schwach und meine Freunde alle zu euphorisch, endlich anzukommen. Doch das war egal. Moody lief hinter mir und ließ nicht zu, dass ich hinter ihn zurückfiel. Immer wieder schob er mich energisch nach vorne. Zuerst ärgerte ich mich darüber. Aber dann erkannte ich, dass er es nicht böse meinte. Also sagte ich nichts.
An der U-Bahn-Station musste Harry uns allen Tickets hinauslassen und den anderen an den Drehkreuzen helfen. Endlich in der U-Bahn setzte ich mich erleichtert hin und schloss meine Augen. Mein Kopf pochte. Meine Glieder taten weh. Dazu bekam ich auch noch Muskelkater. Moody neben mir brummte etwas. Mit einem Mal legte sich seine Hand auf meinen Kopf und er zog mich gegen seine Schulter. Ich riss meine Augen auf. Blickte irritiert zu ihm hoch. Moody lehnte sich zu mir herunter. „Du hast eine beeindruckende Zauberkraft, Flora. Jetzt kann ich verstehen, warum Dumbledore dich unbedingt im Orden haben wollte. Immer wachsam!", nickte er. Ok. Irritiert schüttelte ich meinen Kopf. Schloss meine Augen erneut. Sollte er doch denken was er wollte. Ich wusste nur, dass ich unglaublich erschöpft war. Diese ganzen Zaubersprüche der uralten Magie waren irgendwie ein bisschen wie Wundertüten. Ich wusste nie, wie ich körperlich da wieder aus der Sache rausging. Und ich konnte nur hoffen, dass die Konsequenzen mit mehr Übung weniger schlimm sein würden.
„Die nächste Station müssen wir raus", sagte Tonks irgendwann. Ich blickte zu ihr herüber. Sie saß neben Harry und blickte in einen Plan. Wahrscheinlich hatte sie sich den Weg aufgeschrieben. Normalerweise fuhren Zauberer ja nicht mit der Bahn. Sie apparierten einfach. Als die U-Bahn zum Halten kam, stand Moody zuerst auf und half mir auf die Beine. Dann schnappte sich Tonks meine Hand und zog mich voran auf die Rolltreppe zu. Sie ließ meine Hand nicht los, auch nachdem wir oben ankamen und auf die Einkaufsstraße traten, die ich heute Morgen bloß leer und im Dunkeln gesehen hatte. Jetzt war sie voller Menschen – zu vieler Menschen. Mein Kopf begann stärker zu pochen. „Na los, wir müssen da lang", meinte Tonks und zog mich durch die Menschen aufs St. Mungo zu. Die anderen folgten uns. Wir kamen vor einer der Schaufensterpuppen des getarnten St. Mungo zum Stehen. „Hierher!", winkte Tonks die anderen heran. Schmunzelnd stellte ich fest, dass Harry mehr als irritiert aussah. Die anderen mussten alle wissen, dass wir gleich in der Eingangshalle des Zaubererkrankenhauses stehen würden. Nur wie wir da reinkamen, das war auch mir schleierhaft, waren Bill und ich doch gestern einfach appariert.
Tonks lehnte sich gegen die Scheibe. Ihr einer Arm legte sich um meine Schulter. Sie drückte ihre Wange gegen das Glas. „Hallo, wir sind hier, um Arthur Weasley zu besuchen", flüsterte sie. Ich konnte nicht anders als zu grinsen, als die Schaufensterpuppe direkt vor uns nickte. Einer ihrer Finger bewegte sich. Tonks packte mich mit beiden Händen an den Schultern und wir traten mitten durch das Glas. Ich blinzelte angestrengt. Endlich konnte ich die Eingangshalle sehen. Jetzt bei Tag war sie hell erleuchtet. Oder nein, nicht erleuchtet, das Licht kam von draußen. Durch die Fenster. Auf den Stühlen im Wartebereich saßen einige Hexen und Zauberer und vor dem Tresen befand sich eine Schlange aus Menschen. Ein lautes Pfeifen ließ mich mein Gesicht verziehen. Hier drinnen war es genauso laut wie draußen. Nur, dass das nicht an den Unterhaltungen der Patienten lag. Nein, viele der Wartenden hatten wohl irgendwelche magischen Unfälle gehabt. Eine Hexe machte einen Lärm wie eine übergroße Teekanne. Ein anderer Zauberer klingelte beim Gehen, als hätte er ein Dutzend Glöckchen verschluckt. Seufzend rieb ich mir über die Stirn. Na hoffentlich war es auf Arthurs Station leiser.
„Sind das Ärzte?", hörte ich Harry hinter mir fragen. Schnaufend schüttelte ich meinen Kopf. Der Junge sollte sich doch so langsam mal in unsere neue Welt eingefügt haben. Ich hatte es einigermaßen geschafft und war erst seit anderthalb Jahren drin. Er hatte drei Jahre mehr Vorsprung. Ein neuerliches Kreischen der Teekesselfrau ließ meinen Kopf schmerzhaft pochen. Ich verzog mein Gesicht und massierte meine Augen ein bisschen, hinter denen sich der meiste Schmerz sammelte. Ach, wäre ich doch einfach im Grimmauldplatz geblieben und hätte mich weiter ausgeruht!
„Hier rüber!", hörte ich Molly rufen und öffnete meine Augen wieder. Sie lief mit den anderen auf den Empfang zu. Murrend machte ich einen Schritt in ihre Richtung. „Warte, Flora", murmelte Tonks im gleichen Moment. Wieder legte sie mir einen Arm um die Schulter und führte mich zu einer der Wände, damit wir uns dort anlehnen konnten. „Du hättest vielleicht im Grimmauldplatz bleiben sollen. Wir sehen doch alle, dass es dir nicht so gut geht. Du bist fertig. Was ich auch verstehen kann, immerhin hast du heute Nacht anscheinend Arthur das Leben gerettet. Du musst einfach mehr auf dich achten!", plapperte meine Freundin leise drauflos. Seufzend schloss ich meine Augen.
„Was bitte hat Molly erzählt? Und wer weiß alles davon?", wollte ich wissen. „Ich glaube der ganze Orden weiß mittlerweile Bescheid. Molly hat bloß erzählt, dass Arthur ohne dein Eingreifen gestorben wäre. Und daraus können wir ja alle schließen, dass du über eine unglaubliche Zauberkraft verfügen musst. Mehr aber auch nicht. Wobei das auch schon eine ganz schöne Bombe ist. Deine Zauberkraft scheint ja die von Dumbledore zu übertreffen! Naja, nach der Sache mit dem Angriff und deiner Selbstheilung wussten wir ja alle schon, dass bei dir was im Busch ist. Aber wir stellen es auch nicht infrage oder haken weiter nach. Wenn es uns niemand erzählt, muss das ja einen Grund haben. Deswegen wird auch keiner versuchen, dein Geheimnis herauszufinden. Es muss sicherer für dich und auch uns sein, sonst hättest du es bestimmt schon längst verraten. Wir respektieren das." Tonks verstummte und ich folgte ihrem Blick zu unseren Begleitern, die jetzt ganz vorne bei der Empfangsdame angekommen waren. Kurze Zeit später bogen sie in einen der Flure ab.
Tonks legte ihren Arm um meine Schulter und wir folgten den anderen durch einen Korridor und eine Treppe hinauf, die mich fast zum Keuchen brachte. Dann kamen wir vor einer Tür zum Stehen, in der die Patienten mit schweren Bisswunden lagen, wie ein Schild Auskunft gab. „Wir warten draußen, Molly. Arthur wird nicht zu viele Besucher auf einmal haben wollen ... erst geht mal die Familie rein", meinte Tonks und Moody brummte zustimmend. Harry machte einen Schritt zurück, doch da griff Molly schon nach ihm und zog ihn zu sich. „Stell dich nicht so an, Harry, Arthur will sich bei dir bedanken. Und bei dir natürlich auch, Flora, also kommt ihr beide auch mit rein", nickte sie entschlossen und öffnete die Tür. Wir betraten die kleine Station und ich musterte alles. Arthur lag ganz hinten im Bett. Neben ihm gab es nur noch zwei Patienten. Ein Zauberer, der apathisch an die Decke starrte und eine Hexe, die in der Hexenwoche blätterte.
„Hallo!", rief Arthur euphorisch, als er uns sah. Den geöffneten Tagespropheten warf er beiseite und winkte uns zu sich. Molly zog mich kraftvoll nach vorne, sodass ich stolperte. Bestimmt bugsierte sie mich auf den einzigen Stuhl neben Arthurs Bett und tätschelte mir kurz die Schulter, ehe sie ihren Mann begrüßte. Auch die anderen Weasleys schlossen ihn kurz in die Arme. „Wie geht's dir, Arthur?", wollte Molly sofort wissen. „Mir geht's bestens", lachte Arthur und sein Blick fiel auf mich. „Dank dir, Flora, vielen Dank. Bill hat mir erzählt, was du getan hast. Ach, es geht, ja, aber wenn sie nur den Verband abnehmen könnten, ich würde glatt nach Hause gehen." „Und wieso können sie den nicht abnehmen, Dad?", wollte Fred wissen. Ich schloss meine Augen und lehnte mich gegen die Stuhllehne und die Wand in meinem Rücken. „Nun ja, jedes Mal, wenn sie's versuchen, fang ich an zu bluten wie ein Schwein. Sieht so aus, als hätte diese Schlange ein ziemlich ungewöhnliches Gift in den Zähnen gehabt, das Wunden offen hält. Sie sind sowieso erstaunt, dass ich nicht gestorben bin. Ein paar Wunden haben sich anscheinend schon auf wundersame Weise geschlossen." Ich spürte den Blick aller Anwesenden auf mir und brummte etwas. „Naja, sie sind sich aber sicher, dass sie ein Gegengift finden; sie hätten schon viel schlimmere Fälle als meinen gehabt, behaupten sie – liegt bestimmt nur daran, dass ich nicht mehr so viele Wunden wie bei meiner Einlieferung hatte – und bis dahin muss ich nur stündlich einen blutbildenden Trank nehmen..."
Ich döste tatsächlich soweit ein, dass die nächsten Unterhaltungen total verschwammen. Erst Mollys „Das reicht jetzt!" ließ mich wieder aufschrecken. Leicht kippte ich und streckte meine Arme aus, um mich an den Personen neben mir festzuklammern. Die Zwillinge legten sofort ihre Hände auf meine Schultern und lehnten mich wieder zurück an die Wand. „Entschuldige, Flora, ich wollte dich nicht erschrecken. Du hättest vielleicht doch zu Hause bleiben sollen ... So, Mad-Eye und Tonks sind vor der Tür, Arthur, sie wollen dich auch noch sehen. Und ihr könnt alle draußen warten. Außer du natürlich, Flora", sagte Molly und blitzte ihre Kinder böse an. Was hatte ich bitte verpasst? Fred und George grummelten etwas, setzten sich aber an die Spitze und verließen als erste das Zimmer. Ron, Ginny und Harry folgten ihnen und Tonks und Moody betraten den Raum. Ich lehnte mich nach vorne und stützte meine Ellenbogen auf meine Knie. Wenn die anderen schon rausgehen mussten, ich aber explizit bleiben durfte, musste sich das folgende Gespräch doch um den Orden drehen. Oder um mich und meine Zauberkraft. Oder eben um Arthurs Angriff.
Moody humpelte neben Arthurs Bett und klopfte mir im Vorbeigehen kräftig auf die Schulter. Ich brummte und spürte kurz darauf Tonks' Hand meinen Kopf tätscheln. Ich zog meinen Kopf zur Seite. Ich war kein Hund und kein kleines Kind. Mir ging's einigermaßen. Sie durften mich alle gerne wieder umsorgen, wenn kein wichtiges Gespräch mehr anstand. „So, Arthur, was genau ist in der Nacht passiert?", fragte Moody und der Weasley seufzte schwer. „Es war meine Dummheit. Ich hatte einen langen Tag und bin eingenickt. Als die Schlange kam, war ich zu langsam", erklärte er. „Du kannst von Glück reden, dass es Flora gibt", schniefte Molly und tätschelte ihm die Hand. Moodys magisches Auge rollte in meine Richtung. Ich verdrehte die Augen. „Was ist eigentlich mit der Schlange? Es muss doch zumindest Spuren von ihr geben", wollte ich wissen. Tonks schüttelte leicht ihren Kopf. „Das ist ja das merkwürdige an der Sache. Die haben den ganzen Bereich abgesucht, aber die Schlange nirgends gefunden. Sieht ganz so aus, als wäre sie nach dem Angriff auf Arthur verschwunden ... aber Du-weißt-schon-wer hat doch nicht im Ernst erwartet, dass eine Schlange dort eindringen kann?", murmelte sie. Moody brummte. „Ich schätze, er hat sie als Späherin geschickt, weil er bisher noch kein Glück gehabt hat. Nein, ich denk mal, er will sich ein klareres Bild von dem verschaffen, was ihn erwartet, und wenn Arthur nicht da gewesen wäre, hätte das Viech viel mehr Zeit gehabt rumzuschnüffeln."
Kurz war es ruhig, dann begann Moody wieder zu sprechen. „Potter sagt also, er hat gesehen, wie alles passiert ist?" Ja, das war eine sehr merkwürdige Sache. „Ja. Wisst ihr, Dumbledore scheint fast darauf gewartet zu haben, dass Harry etwas Derartiges sieht", seufzte Molly. Ich runzelte meine Stirn. Bitte was? Und warum wusste ich nichts davon! Ich ballte meine Fäuste. Dumbledore war ein gefährliches Mysterium. „Ja sicher, 's ist was Merkwürdiges an diesem Potter-Jungen, das wissen wir alle", nickte Moody. Ich zog meine Augenbrauen hoch. Das hatte Harry nicht verdient! Immerhin lastete so viel Erwartung und Verantwortung auf ihm. „Als ich heute Morgen mit Dumbledore gesprochen habe, schien er sich wegen Harry Sorgen zu machen", erklärte Molly. „'türlich ist er besorgt. Der Junge sieht Dinge aus dem Innern der Schlange von Du-weißt schon wem", brummte Moody. Mein Mund klappte auf. Ich wusste doch, dass etwas an Harrys Geschichte komisch gewesen war! Er hatte es so dargestellt, als wäre er wie ich nur Zuschauer der Szenerie gewesen, dabei hatte er im Körper der Schlange gesteckt! „Natürlich weiß Potter nicht genau, was das bedeutet, aber wenn Du-weißt-schon-wer Besitz von ihm ergriffen hat, dann..."
„Moment", unterbrach ich Moody und wedelte mit meinen Händen. Die Augenpaare der vier Anwesenden legten sich auf mich. „Ich hätte es gespürt, wenn irgendeine dunkle Macht von Harry Besitz ergriffen hätte. Fragt mich nicht wieso, aber es ist so. Meine Magie reagiert unglaublich sensibel auf dunkle Magie. Auf Böses. Ich spüre sie, wenn sie in der Nähe ist. Und Harry war in der Nacht ganz nah bei mir. Zuerst als er diese Vision hatte, da waren wir ja quasi in zwei Türmen gegenüber. Und dann in Dumbledores Büro, da hab ich ihn sogar berührt." Wobei ... Ich erinnerte mich daran, dass ein kurzer Schmerz von ihm auf mich übergegangen war. Als wäre für eine Millisekunde etwas Böses in ihm gewesen. „Du bist schon ein seltsames Mädchen, Flora", nickte Moody und klopfte mir erneut auf die Schulter. Schwach musste ich lächeln. „Ich bin eben etwas Besonderes. Ich werde das nicht weiter ausführen. Nicht in den nächsten paar Jahren. Meine Taten müssen für mich sprechen."
Kurz schwiegen wir alle. Moody schaute zwischen uns allen hin und her. Schließlich blieb sein Blick bei Arthur hängen. Sein magisches Auge jedoch rollte erneut zu mir herum. „Flora, was genau ist heute Nacht passiert? Du brauchst nicht zu viel zu erzählen, nur das Nötigste", brummte er, den Blick nicht von Arthur abgewandt, nur sein magisches Auge starrte mich weiterhin nieder. Ich seufzte schwer. „Sagen wir, ich hatte eine Eingebung. Eine Vision. Ich habe den Angriff auf Arthur gesehen. Ich war nicht die Schlange!", stellte ich schnell klar, als Tonks' Blick panisch wurde. Meine Freundin atmete erleichtert auf. „Und das könnt ihr mir glauben. Ich stand bloß daneben. Habe alles gesehen, konnte aber nicht eingreifen. Und dann bin ich aufgewacht und zu Dumbledore gerannt. Harry und die anderen waren aber schneller als ich. Ich wusste gar nicht, warum sie da waren, Dumbledore hat mich einfach zum Grimmauldplatz geschickt. Erst dort hat sich das Rätsel ein bisschen gelüftet. Schließlich hat Bill mich abgeholt und hierher gebracht. Ich habe Arthur geheilt, soweit es meine Kräfte zuließen." „Und das ist schon mehr als jeder andere Zauberer geschafft hätte. Selbst Dumbledore..." „Dumbledore!", stieß ich aus und unterbrach Moody. Die Atmosphäre im Raum schien sich zu ändern. Die Luft schien zu gefrieren. Düster sah ich zu den anderen auf. „Dumbledore steht unter mir. Und ich vertraue ihm nicht." Molly und Arthur warfen sich einen besorgten Blick zu. Moodys beide Augen fixierten mich, während Tonks es nicht schaffte, in meine Richtung zu blicken.
Seufzend richtete ich mich auf. Sah mich gezwungen, mich auch noch hinzustellen. Mich zu meiner vollen Größe aufzubauen. „Ich bin dem Orden treu, keine Sorge. Aber ich unterstehe Dumbledore nicht. Wenn mir seine Entscheidungen nicht gefallen, werde ich meine eigenen treffen. Ihr könnt es nicht verstehen, weil ihr meine Situation nicht kennt, aber ... Ich bin auf eurer Seite. Dessen seid euch gewiss." Ächzend ließ ich mich wieder auf meinen Stuhl fallen und fuhr mir übers Gesicht. Kurz war es ruhig. Dann räusperte Molly sich. „Wisst ihr, was ich mich gefragt habe? Ihr-wisst-schon-wer muss diese Aktion doch geplant haben. Warum hat Severus uns dann nicht davon berichtet?", fragte sie. Ich verdrehte erneut meine Augen. Moody knurrte, doch ich erstickte jede böswillige Vermutung sofort im Keim. „Wer weiß, wie sehr Ihr-wisst-schon-wer Severus vertraut", begann ich und warf dem Ex-Auror unter uns einen scharfen Blick zu. „Ich weiß, dass Severus es uns sofort gesagt hätte, hätte er von der Aktion erfahren. Er will schließlich nicht, dass einer von uns verletzt oder getötet wird. Nein, wenn die Schlange wirklich eine Späherin war, dann hat Ihr-wisst-schon-wer vielleicht niemandem seiner Gefolgsleute etwas davon erzählt, um sicherzugehen, dass niemand gewarnt werden kann. Versteht ihr?" Tonks nickte. Moody brummte etwas, doch er schien keinen Einwand zu haben.
„Gut, haben wir dann alles geklärt? Langsam bräuchte ich doch wieder mein Bett", seufzte ich und rieb mir über meine Stirn. „Wir sind fertig", meinte Moody und klopfte Arthur vorsichtig auf die Schulter. „Arthur. Wir sehen uns." „Tschüss, Arthur", verabschiedete sich Tonks. Ich beobachtete die anderen Weasleys und Harry dabei, wie sie in den Raum kamen. Ich runzelte meine Stirn. Irgendwas stimmte nicht. Die Stimmung zwischen ihnen war so komisch. Hatten sie sich etwa gestritten? Zumindest der leise Abstand, den die Weasleys zu Harry hielten, sprach dafür. Aber warum hätten sie sich streiten sollen? Und hätten wir das dann nicht gehört? Ich schüttelte meinen Kopf und winkte Arthur zu, bevor wir alle die Station verließen. Tonks ergriff erneut meine Hand und führte mich so aus dem St. Mungo und hinab zur U-Bahn-Station.
Auf der Fahrt zurück zum Grimmauldplatz döste ich wieder vor mich hin, angelehnt an Tonks' Schulter. „Alles in Ordnung mit dir, Harry, Schatz? Du siehst gar nicht gut aus. Ist dir schlecht?", fragte Molly mit einem Mal und ich schreckte auf. Harry saß mir gegenüber und ich musste Molly recht geben. Er sah gar nicht gut aus. Doch der Junge schüttelte nur seinen Kopf und starrte auf einen Punkt über mir. Den Rest der Fahrt beobachtete ich ihn genau. Er saß zwischen Molly und Moody, die anderen Weasleys hatten sich nicht neben ihn gesetzt. Und immer wieder warfen sie ihm so komische Blicke zu. Hatten sie sich etwa wirklich gestritten? Aber dann wären ihre Blick doch wütender, oder? Aber stattdessen sahen sie Harry einfach nur komisch an. Fast so, als ... „Wir müssen hier raus", verkündete Tonks und stand auf. Sie zog mich nach oben und hielt mich energisch fest, als die U-Bahn zum Stehen kam. Erleichtert atmete ich auf, als wir wieder an die frische Luft traten. Zwar unglaublich kalt, aber herrlich frisch und hier liefen auch kaum Leute umher. „Harry, mein Lieber, bist du sicher, dass es dir gut geht? Du siehst ja fürchterlich blass aus ... bist du sicher, dass du heute Morgen geschlafen hast? Du gehst jetzt schnurstracks nach oben ins Bett, dann kannst du vor dem Abendessen noch ein paar Stunden schlafen, einverstanden?", meinte Molly wenig später. Im Augenwinkel sah ich Harry nicken.
Kaum hatte die Weasley die Haustür des Grimmauldplatzes Nummer 12 geöffnet, eilte Harry die Treppe hinauf und weg war er. Ich blieb stirnrunzelnd zurück. Irgendwas stimmte mit dem Jungen nicht. Er strahlte nicht nur Schlaflosigkeit aus. Es war, als würde ihn etwas zutiefst bedrücken. Innerlich fertig machen. „Flora, komm, du hast doch das Mittagessen verpasst. Iss noch eine Kleinigkeit", meinte Molly. Ich wollte mich dagegen wehren, wollte eigentlich einfach nur ins Bett. Aber Molly hatte schon recht, ich hatte durchaus Hunger. „Also, wir gehen dann mal wieder", verabschiedete sich Moody und klopfte mir erneut an diesem Tag auf die Schulter. Tonks schloss mich in ihre Arme und weg waren die beiden. Molly führte mich und ihre Kinder in die Küche, wo Sirius am Tisch saß und Löcher in die Luft starrte. Als er uns bemerkte, sprang er grinsend auf. Dann erlosch sein Lächeln wieder. „Wo ist Harry?", wollte er sofort wissen. „Er ist ins Bett gegangen. Ihm fehlt einfach Schlaf. Und Flora fehlt ein Mittagessen. Haben wir noch Reste da?", erklärte Molly. „Natürlich", nickte der Hausherr. Während Molly mich auf einen der Stühle bugsierte, holte Sirius einen Teller und stellte mir eine Portion Fish and Chips vor die Nase. Ich leckte mir über die Lippen und begann zu essen. „Also, ich haue mich auch noch mal eine Runde aufs Ohr. Ihr wisst ja, die Anstrengung", verabschiedete ich mich danach und verschwand winkend aus der Küche.
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