Kapitel 33 - Wilde Nacht
Ich wachte in einem verdammt weichen und verdammt großen Bett wieder auf. Seufzend streckte ich mich. Der Schmerz war ganz aus meinen Gliedern gewichen. Müde war ich immer noch. Ich ließ meinen Blick etwas schweifen. Ich lag in einem Schlafzimmer. Zu meiner Rechten befand sich eine Tür. Sperrangelweit offen. Dahinter tat sich ein großer Raum auf. Ein Büro. Minervas Büro. Meine Hauslehrerin saß an ihrem Schreibtisch. Die Schreibfeder erhoben. Ihr Blick aber lag auf mir. Langsam legte sie die Feder auf den Schreibtisch. Stand auf. Lief zu mir. Ich setzte mich langsam auf. Kurz drehte sich der Raum. Ich blinzelte. Es wurde besser. „Wie geht es dir?", wollte die Frau wissen und blieb vor mir stehen. „Ganz gut", gähnte ich. Suchte nach einer Uhr. Erschrocken stellte ich fest, dass Draco schon seit einer Viertelstunde auf mich warten musste. Verdammt, er machte sich bestimmt Sorgen!
„Ich werde jetzt gehen", beschloss ich, schwang meine Beine über die Bettkante und beugte mich zu meinen Schuhen. „Mir wäre es lieber, wenn du noch etwas hier bleiben würdest. Außerdem wollte Albus noch mit dir reden." Ich schnaubte. Ein Grund mehr so schnell wie möglich in den Raum der Wünsche zu verschwinden. „Warum will er mit mir reden? Ihr habt ihm doch sicherlich alles schon erzählt", meinte ich. Ein Stich fuhr mir ins Herz. Ich hatte die beiden extra gebeten, nichts von meiner ausbrechenden Magie zu erzählen. Aber durch diesen Zwischenfall waren sie sicherlich dazu gezwungen worden. „Nun, Albus weiß nicht viel mehr als die anderen Ordensmitglieder auch. Severus wollte zu Hause ein paar Pergamente besorgen. Wir sind mit ihm mitgegangen, damit wir danach alle weiter zum Grimmauldplatz reisen können. In seinem Haus wurden wir von Peter Pettigrew überrascht, der dich angegriffen hat. Nach der Flucht zum Orden gelang es, dich zu heilen und wieder nach Hogwarts zu bringen."
Überrascht sah ich auf. Sie hatten Dumbledore also nichts von meinem Magieausbruch erzählt. Und anscheinend auch nicht, dass ich mich selbst geheilt hatte. Ich konnte nicht anders als warm zu lächeln. „Danke, Minerva." Ich streckte meine Hand aus, die sie ergriff und leicht drückte. Auf ihre Lippen trat ein mütterliches Lächeln. „Bleib hier. Ruh dich weiter aus", bat sie. Ich schüttelte den Kopf. Löste meine Finger aus ihren und band mir meine Schnürsenkel. „Keine Sorge, ich passe auf mich auf. Und ich werde in guten Händen sein", meinte ich. Wenn Draco von dem Vorfall erfahren würde, würde er mich keine Sekunde mehr stehen oder aus den Augen lassen. Minerva seufzte, nickte aber und ließ mich gehen. Die ersten Schritte waren noch wackelig, danach ging alles wieder und ich machte mich langsam auf den Weg zum Raum der Wünsche.
Viel zu lange brauchte ich, aber schneller gehen traute ich mich auch nicht. Ich wollte weder Aufmerksamkeit erregen, noch in einem der Gänge zusammenbrechen. Nach einer gefühlten Ewigkeit kam ich endlich in den siebten Stock und lief vor dem Wandteppich mit Barnabas dem Bekloppten auf und ab. Eine Tür erschien. Ich hoffte, dass Draco noch immer in unserem Wohnzimmer auf mich wartete. Vorsichtig öffnete ich die Tür und schloss sie hinter mir wieder. „Flora! Da bist du ja!", rief mir Draco entgegen. Ich wandte mich ihm zu. Ihm fiel alles aus dem Gesicht. Er wurde blass. Eilte auf mich zu. Seufzend streckte ich meine Arme nach ihm aus und ließ mich gegen ihn fallen. Offensichtlich sah ich scheiße aus. „Was ist passiert? Geht es dir gut? Brauchst du was? Soll ich Madam Pomfrey rufen?" „Halt mich einfach nur fest", murmelte ich.
Der Slytherin hievte mich hoch. Trug mich zum Sofa und legte mich dort ab. Ich wartete, bis er saß, dann schob ich mich etwas nach oben und legte meinen Kopf in seinen Schoß. Zufrieden schloss ich meine Augen, als er begann, mir über die Stirn zu streichen. „Was ist passiert?", wiederholte der Junge seine Frage. Ich seufzte. Ihm würde ich nichts verschweigen, auch wenn es ihn verdammt aufregen würde. „Meine Magie hat sich in den letzten Tagen etwas angestaut. Ich habe die Zeichen erst heute richtig erkannt. Deswegen habe ich Severus und Minerva gebeten, mit mir an einen Ort zu gehen, wo ich meine Macht freisetzen kann. Severus hat sein Haus vorgeschlagen." Draco brummte. „Ich habe dort meine Magie benutzt. Dann wurden wir angegriffen." Der Slytherin hielt inne. Ich spürte deutlich, wie er sich anspannte. Beruhigend legte ich eine Hand auf sein Knie. „Ich ... ich wurde getroffen. Der Fluch kam aus dem Nichts. Wir sind zum Orden geflohen. Dort habe ich mich selbst geheilt. Nur drei der Mitglieder haben es mitbekommen, aber ich habe sie nicht aufgeklärt. Je weniger sie wissen, desto besser für sie und für mich. Sie werden nichts verraten. Severus hat mich dann wohl zurück nach Hogwarts gebracht. Ich bin eingeschlafen und erst wieder in Minervas Privaträumen aufgewacht. Als ich gesehen habe, wie spät es ist, habe ich mich sofort auf den Weg zu dir gemacht."
Ich seufzte. „Es tut mir leid. Du hast dir bestimmt Sorgen gemacht." „Die mache ich mir jetzt immer noch. Flora, du wurdest angegriffen! Was ist, wenn der Angreifer deine Magie gesehen hat und es meldet?" Ich schüttelte leicht meinen Kopf. „Severus hat sein Gedächtnis verändert. Es sollte alles sicher sein." „Wie geht es dir jetzt? Hast du noch Schmerzen?" „Nein. Ich bin nur sehr erschöpft." „Wir bleiben so. Du ruhst dich aus." „Ist gut", seufzte ich und schloss meine Augen.
Eine Weile war es ruhig. Draco strich mir über den Kopf und ich entspannte. Bis mein Freund mit einem Mal wehmütig seufzte. Sofort öffnete ich meine Augen wieder und blickte zu ihm hoch. „Was ist?", wollte ich wissen. Sein Blick ging nach hinten. Auf den Teil der Wand, der die Außenwelt imitierte. „Draußen ist so eine schöne Winterlandschaft. Schade, dass wir nicht zusammen draußen sein und eine Schneeballschlacht machen können", meinte Draco. Ich nickte leicht. Ich bedauerte es genauso sehr wie er, dass wir nicht offen mit unserer Freundschaft umgehen konnten. Eine verrückte Idee schoss durch meinen Kopf und ich musste grinsen.
„Willst du was Verrücktes machen?", fragte ich. Draco löste seinen Blick vom Fenster und schaute zu mir hinunter. „Was?" „Lass uns nachts zusammen rausschleichen. Dann können wir einen Schneemann bauen und eine Schneeballschlacht machen", schlug ich vor. „Ich weiß ja nicht", meinte Draco und biss sich auf die Lippe. Sein Blick glitt kurz wieder zu dem Fenster. Dann zu mir. „Es ist doch sehr dunkel. Und im Schnee besteht eine größere Gefahr, dass wir erwischt werden. Außerdem wurdest du heute angegriffen und bist geschwächt." „Ach was. Wir warten ein bisschen. Vielleicht in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch? Da wird es mir bestimmt schon wieder gut gehen. Außerdem ist da Vollmond, also wird es nicht ganz so dunkel sein. Und unter der Woche achten die Lehrer bei ihren Patrouillen kaum auf das, was auf den Ländereien passiert. Sie sind nur drinnen und werfen vielleicht mal einen Blick raus. Aber wir brauchen ja durch den Vollmond nicht zwingend Licht durch unsere Zauberstäbe. Es wird kaum auffallen, dass wir da sind."
„Ich weiß immer noch nicht so recht", seufzte Draco. „Hey, wenn uns doch jemand bemerkt, können wir immer noch abhauen. Oder die Erinnerungen verändern, wenn wir erwischt werden. Komm schon, Draco. Es wird zwar verdammt kalt, aber auch verdammt lustig!" Ich sah meinen Freund mit großen Augen an. Der seufzte und nickte schließlich ergeben. „Gut. Lass es uns machen", grinste er.
Mein Wecker klingelte. Ich schreckte hoch. Stellte ihn schnell ab. Angespannt lauschte ich in die Stille. Lavender murmelte. Parvati seufzte. Stille. Erleichtert atmete ich auf. Jedes Mal, wenn ich mich nachts rausschlich, befürchtete ich, dass die Mädchen aufwachten. Und doch war es bis jetzt noch nie passiert. Der Mond schien hell durchs Fenster und erhellte unser Zimmer. Ich griff nach dem Stapel Klamotten und zog mich in der Wärme meines Bettes um. Extra dick, mehrere Schichten. Meine Füße quetschte ich in warme Winterstiefel. Und dazu eine wasserdichte Winterjacke. Sirius' Mantel befand sich aktuell noch in der Reparatur, aber Minerva hatte mir versprochen, dass ich ihn bis zum Wochenende heil wiederhaben würde. Als ich nach meinem Zauberstab griff und ihn in meine Jackentasche steckte, packte mich eine freudige Aufregung. Letztes Jahr waren Draco und ich schon einmal nachts nach draußen geschlichen um Spaß zu haben. Damals im Sommer, um im See zu baden. Dieses Schuljahr hatten wir uns auch schon einmal rausgeschlichen, aber das war eher gezwungen gewesen. Und die Erlebnisse im Verbotenen Wald waren alles andere als angenehm. Nun war ich wirklich gespannt, wie lange wir draußen aushalten würden, bevor es uns zu kalt wurde. Hoffentlich würde alles glattlaufen. Hoffentlich würden Draco und ich nicht entdeckt werden – ganz so sicher war ich mir da nämlich nicht mehr. Und hoffentlich würden wir ordentlich Spaß haben können, bevor die Kälte uns wieder nach drinnen trieb.
Ich schlich mich aus dem Schlafsaal und stieg im Dunkeln die Treppe hinunter, bis ich in den mondscheinerhellten Gemeinschaftsraum trat. Das Feuer war heruntergebrannt, die Glut glomm nur noch ganz leicht. Ich schlich weiter; Zog meinen Zauberstab aus meiner Tasche. Vorsichtig gab ich dem Portrait der Fetten Dame einen Schubs und hüpfte in den Gang. Noch war es dunkel; Draco nicht da. Ich hob meinen Zauberstab. „Lumos." Die umliegenden Portraits murmelten empört. Ich wandte mich der Treppe zu, über die mein Freund kommen musste, wenn er mich abholen wollte. Schon sah ich einen Lichtpunkt auf und ab hüpfen. Mein Herz machte einen Satz. Dann erkannte ich Draco und atmete erleichtert durch. Schnell lief ich ihm entgegen. Er blieb stehen und wartete auf mich. Zusammen liefen wir nach unten.
Ein Miauen ließ uns innehalten. „Nox", flüsterte ich, Draco tat es mir gleich und wir drückten uns an die Wand. Mrs Norris drückte sich noch kurz vor uns im Gang herum, dann wurde es wieder komplett still. Wir warteten noch kurz, dann spähten wir um die Ecke. Die Katze war wirklich verschwunden. Wir ließen unsere Zauberstäbe wieder erleuchten und schlichen weiter. Ohne irgendwelche Störungen kamen wir in die Eingangshalle und eilten los. Draco drückte das Tor auf, ich schlüpfte hindurch und ließ meinen Zauberstab erlöschen. Draco schloss hinter mir das Tor ganz leise und steckte seinen Zauberstab weg. Sein Atem bildete Wölkchen in der kalten Novembernachtluft. Der Mond schien hell über unseren Köpfen und beleuchtete die schneeweiße Landschaft. Draco griff nach meiner behandschuhten Hand und zog mich hinter sich her über den freigeräumten Innenhof. Wir folgten dem Weg hinunter zu Hagrids Hütte, bogen aber rechtzeitig großzügig ab und kamen in die Nähe des Schwarzen Sees. Dort blieben wir stehen.
Draco löste seine Finger von meinen. Ich wandte mich noch einmal dem Schloss zu. Scannte alle Fenster, doch nirgendwo konnte ich ein Licht entdecken. Alle Bewohner mussten schlafen. „Hey, Flora!", rief mein Freund mit einem Mal. Ich drehte mich um. Plötzlich traf mich etwas Kaltes mitten im Gesicht. Ich stolperte einen Schritt zurück. Wischte mir eilig den Schnee aus dem Gesicht. Draco vor mir fing an zu lachen. Hielt sich den Bauch und ging in die Knie. „Na warte!", rief ich und beugte mich nach unten. Schnell formte ich ebenfalls einen Schneeball. Doch ehe ich ihn werfen konnte, sprang mein Freund auf und eilte davon. Ich rannte ihm hinterher. War gar nicht so einfach in dem hohen Schnee. Immer wieder stolperte ich. Irgendwann war es mir zu blöd und ich warf meinen Schneeball einfach. Natürlich traf ich nicht. Draco blieb augenblicklich stehen und nahm sich eine Handvoll Schnee. Schnell formte ich mir ebenfalls eine weitere Waffe und los ging unsere richtige Schneeballschlacht.
Es dauerte etwas, bis ich Draco auch endlich traf, dafür wich ich seinen Schneebällen präzise aus. Als ich den Slytherin schon zum zweiten Mal mitten ins Gesicht traf und er ein Gesicht zog, dass ich mich vor lachen kaum halten konnte, ließ er den Schneeball in seiner Hand fallen und lief auf mich zu. Kichernd setzte ich zur Flucht an und rannte den Weg zurück, den ich ihn vorhin gejagt hatte. Wenigstens war so schon eine Schneise vorhanden, durch die ich rennen konnte. Ein klarer taktischer Vorteil. „Flora, na warte!", rief Draco. „Du fängst mich eh nicht", lachte ich und stolperte im nächsten Moment. Fluchend fing ich mich mit den Händen ab und stemmte mich schnell wieder auf meine Füße. Zu spät. Arme schlangen sich um mich. Hoben mich hoch. Ich kreischte auf. Dann warf Draco mich in den Schneeberg neben uns. „Das ist kalt! Du bist gemein!", stieß ich aus und klopfte mir den ganzen Schnee von meinen Kleidern. Draco lachte jedoch bloß und warf sich auf mich. Lachend drehte ich uns um, nahm Schnee in meine Hand und schmierte ihn meinem Freund ins Gesicht. „Bah, Flora!", prustete der Slytherin und drückte mich an den Schultern nach hinten.
„Hallo, ist da jemand?" Mein Herz setzte einen Schlag aus. Dracos Grinsen wich blanker Panik. Ich warf meinen Kopf herum in die Richtung, aus der der Ruf gekommen war. Hagrid musste uns gehört haben und lief nun mit einer Laterne über die Ländereien, direkt in unsere Richtung. Ich sprang auf die Beine; Zog Draco mit nach oben. Hektisch sah ich mich nach einem Versteck um. Wenn wir jetzt wegliefen, würde der Halbriese uns auf jeden Fall sehen. Draco griff nach meiner Hand. Ein Ruck ging durch meinen Körper, als er mich hinter den großen Schneehaufen zog und dort hinkniete. Mich zog er in seine Arme und drückte mich an seinen Körper. Wir machten uns so klein wie möglich. Atmeten so flach wie möglich. Und harrten aus. Hagrids Schritte knirschten auf dem Schnee. Sie kamen immer näher. Dann hörten sie auf. Ich hielt den Atem an. Mein Herzschlag dröhnte laut in meinen Ohren. „Hm, hab ich mir das bloß eingebildet? Sah das hier vorhin auch schon so aus? Naja, die Schüler machen ja jeden Tag Schneeballschlachten. Bestimmt hab ich's mir nur eingebildet. Werde schon paranoid", dröhnte Hagrids Stimme durch die Nacht. Seine Schritte begannen von Neuem, dieses Mal liefen sie von uns weg.
Ich erlaubte mir noch nicht erleichtert zu sein. Wir mussten warten. Hoffen, dass der Halbriese schnell wieder einschlief und uns dann nicht noch einmal hörte. Bald schon verklangen Hagrids Schritte. Ein einzelnes Bellen tönte durch die Nacht, als Fang sein Herrchen begrüßte. Dann herrschte Stille. Draco und ich warteten weiter. Irgendwann begannen meine Beine einzuschlafen. Tief atmete ich durch und löste vorsichtig Dracos Arme von mir. Noch vorsichtiger stand ich auch und spähte um den Schneeberg herum zu Hagrids Hütte. Kein Licht brannte. Hagrid musste im Bett liegen und hoffentlich schlief er mittlerweile auch wieder tief und fest. „Alles sicher", murmelte ich Draco zu. Mein Freund stand ebenfalls auf und schüttelte seine Arme und Beine durch.
„Sollen wir nicht lieber wieder ins Schloss gehen?", meinte er und ließ seinen Blick über die Landschaft schweifen. „Lass uns doch zuerst noch einen Schneemann bauen", schlug ich vor. Wenn schon denn schon. „Ich weiß ja nicht", seufzte Draco. Sein Blick verharrte auf Hagrids Hütte. Ich folgte ihm. „Hagrid schläft bestimmt schon wieder tief und fest. Beim Schneemannbauen müssen wir ja auch nicht so laut sein." „Bist du sicher, dass er dann morgen nicht merkt, dass hier heute Nacht jemand war?" Ich winkte ab. „Und wenn schon, er kann ja nicht herausfinden, wer. Na los", meinte ich und bückte mich nach unten, um eine Kugel zu formen. Diese begann ich über den Schnee zu rollen. Ich hörte Draco seufzen und warf einen Blick über meine Schulter. Der Slytherin tat es mir gleich und rollte eine Kugel. Schmunzelnd machte ich weiter, bis meine Kugel schließlich groß genug war. Draco rollte seine Kugel zu mir, hob sie vorsichtig hoch und setzte sie auf meine. Ich schnappte mir etwas Schnee und befestigte die beiden Kugeln aneinander. „Ich rolle die kleine Kugel", beschloss ich. „Und ich besorge Äste", nickte Draco. Ich hielt inne. „Sei vorsichtig", murmelte ich. „Natürlich", meinte Draco, drückte kurz meine Schulter und stiefelte dann in Richtung Waldrand. Mit pochendem Herzen rollte ich die letzte Kugel und beobachtete dabei meinen Freund, der vor den Bäumen stehenblieb und sich nach ein paar Zweigen bückte. Mein Herz beruhigte sich erst wieder, als er fast wieder bei mir war. Ich nahm meine kleine Kugel hoch und platzierte sie auf unserem Schneemann. Draco befestigte sie mit etwas Schnee. Dann steckte er zwei lange Äste als Arme in die mittlere Kugel und einen kleinen Zweig als Nase in den Kopf. Ich malte mit meinen Fingern Augen, Mund und Knöpfe.
„So", nickte ich, klopfte meine Hände ab und trat einen Schritt zurück. „Sieht gut aus", grinste Draco mich an. Ich nickte lächelnd. Und schauderte im nächsten Moment. Die Kälte drang durch jede Pore. „Ich nehme mal an, dir ist auch so kalt wie mir", schmunzelte Draco und ich nickte. „Dann lass uns wieder reingehen", meinte er. „Warte. Ich will noch eine letzte Sache machen", sagte ich. Draco hielt inne und beobachtete mich dabei, wie ich mich rücklings in den Schnee fallen ließ und einen Schneeengel machte. Ich streckte ihm meine Hand entgegen und ließ mich von ihm hochziehen. Zufrieden betrachtete ich mein Werk. „Jetzt können wir reingehen", nickte ich. Und musste prompt niesen. „Nicht dass du krank wirst", meinte Draco und Besorgnis schwang nur allzu deutlich in seiner Stimme mit. „Ach was. Und wenn schon, dann gehe ich direkt zu Madam Pomfrey und lasse mir was geben. Nicht wie letztes Jahr." „Dann ist ja gut. Komm, lass uns endlich wieder ins Warme gehen." Draco gähnte. Ich kicherte.
Wir stiefelten los durch den Schnee hinauf zum Schloss. Der Weg zog sich ordentlich in die Länge. Die Kälte wurde mir nun nur allzu deutlich bewusst. Meine Hände zitterten. Endlich kamen wir an den Innenhof, liefen aber nicht direkt darüber, sondern schlichen durch die Bogengänge bis zum Portal. Draco drückte die Tür auf. Ich schob mich hinein und atmete erleichtert auf, als es augenblicklich etwas wärmer wurde. Mit zitternden Fingern zog ich meine Handschuhe aus und bewegte meine Finger etwas, damit ich sie endlich wieder richtig spüren konnte. Erst dann griff ich nach meinem Zauberstab. „Lumos", flüsterte ich und drehte mich zu Draco um, der nun auch in die Eingangshalle trat. Er zitterte leicht und schüttelte seine Hände ordentlich. Dann holte er ebenfalls seinen Zauberstab hervor. „Also dann", gähnte ich. „Ich bringe dich noch nach oben", beschloss mein Freund. Ich schüttelte meinen Kopf. „Geh direkt nach unten. Wenn ich alleine erwischt werde, bekomme ich nicht so großen Ärger, wie wenn du alleine erwischt wirst. Wir brauchen beide unseren Schlaf und müssen uns aufwärmen." „Na gut", seufzte Draco, was mir nur zeigte, wie kalt ihm sein musste. Sonst hätte er niemals so schnell zugestimmt.
„Wundere dich nicht, wenn du mich später nicht beim Frühstück siehst. Ich hab in der ersten Stunde Geschichte, das werde ich einfach verschlafen", meinte der Slytherin. „Ist gut. Ich denke ich werde dasselbe mit Alte Runen machen. Spätestens beim Mittagessen sollten wir uns wiedersehen", erwiderte ich. „Ist gut. Schlaf gut." „Du auch." Wir umarmten uns schnell. Dann lief Draco die Treppen nach unten in den Kerker. Ich begann den Anstieg zum Nordturm. Ohne Zwischenfälle kam ich bis zum Portrait der Fetten Dame, wo ich mich mehrmals laut bemerkbar machen musste, ehe sie aufwachte. Bevor sie mich anzischen konnte, nannte ich das Passwort und ihr Bild schwang zur Seite. Schnell stolperte ich in den Gemeinschaftsraum und warf einen Blick auf die Uhr. Erstaunt schüttelte ich meinen Kopf. Kurz vor vier Uhr morgens. Unglaublich! Wie schnell die Zeit verging. Schnell schlich ich in meinen Schlafsaal und direkt weiter ins Bad. Dort warf ich meine schneenassen Klamotten in den Wäschekorb.
Kurz blickte ich zur Dusche. Was würde ich jetzt nicht alles für warmes Wasser geben! Aber dann würde ich nur die anderen wecken und die würden Fragen stellen. Das konnte ich also nicht machen. Schnell huschte ich aus dem Bad und eilte zu meinem Bett, um mir meinen Pyjama überzuziehen. Bibbernd legte ich mich unter die Decke, wo eine heiße Wärmflasche auf mich wartete. Ich stockte. Dann musste ich breit grinsen. Bestimmt hatte Dobby von Dracos und meinem Ausflug gewusst und uns was zum Aufwärmen hingelegt. Ich packte die wohlige Wärme und drückte sie eng gegen meinen eiskalten Körper. Mir wurde wärmer und ich dämmerte langsam weg.
„Flora." „Hatschi!" Na ganz toll. „Geh weg Hermine", murmelte ich und kuschelte mich weiter in meine Decke. „Flora, geht's dir nicht gut?", wollte meine Freundin wissen. „Ach was. Ich – Hatschi!" Mist. Ich hatte mich doch verkühlt. Hoffentlich ging es Draco wenigstens gut und er wurde nicht auch noch krank. „Gestern ging's dir doch noch blendend, was ist denn heute los?", schnaufte Hermine. Ich fühlte ihre Hand auf meiner Stirn. „Geh weg, du bist kalt!" „Nein, du bist einfach nur heiß. Du hast erhöhte Temperatur." Ich seufzte. Na ganz klasse. Verdammt sei die Kälte! Warum konnte es Schnee nicht einfach im Sommer geben? „Ich will nicht krankwerden", jammerte ich und drehte mich zu meiner Freundin um. „Tja, das bist du aber schon", seufzte die. Ich jammerte. „Bleib liegen. Ich schicke Madam Pomfrey zu dir." Mein erster Impuls war es, sofort abzuwinken. Dann erinnerte ich mich wieder daran, dass ein einfacher Trank mich im Handumdrehen wieder gesund machen konnte. Also nickte ich leicht. „Sobald es mir besser geht, komme ich in den Unterricht." „Mach dir keinen Stress und ruh dich ordentlich aus. Bis später", erwiderte Hermine und verschwand aus dem Raum. Ich kuschelte mich weiter in mein Kissen und schloss noch einmal die Augen.
Wenig später – vermutlich war ich noch einmal eingeschlafen – weckte mich das Hallen lauter Schritte. Ich öffnete blinzelnd meine Augen, als auch schon mein Bettvorhang zur Seite geschoben wurde. „Miss Dawson. Sie sind also krank", meinte Pomfrey und stellte ihre Tasche neben meinem Bett ab. „So dramatisch ist das gar nicht. Nur ein bisschen verkühlt. Hatschi!" „Ah ja, ich merke schon. Achtung, ich befühle einmal Ihre Stirn." Auch die Hand der Heilerin war furchtbar kalt. Ich schauerte. „Ja, Miss Granger hatte recht, erhöhte Temperatur. Ich gebe ihnen einen Trank gegen Erkältungen. Es sollte Ihnen schnell wieder besser gehen. Dennoch empfehle ich, dass Sie sich noch mindestens bis zum Mittagessen ausruhen." „Ist gut", nickte ich und setzte mich leicht auf. Ich nahm den kleinen Becher mit der lilanen Flüssigkeit entgegen, schloss meine Augen und kippte den Inhalt herunter. Schaudernd verzog ich mein Gesicht. „Wenn doch nur alle meine Patienten so unkompliziert wären wie Sie", seufzte Pomfrey und packte ihre Sachen wieder zusammen. „Also, ruhen Sie sich noch etwas aus. Ich entschuldige Sie bis zum Mittagessen, danach können Sie wieder in den Unterricht gehen. Sollte es jedoch nicht besser geworden sein, schicken Sie noch einmal Miss Granger zu mir." „Ist gut. Danke", gähnte ich und kuschelte mich wieder ins Kissen.
Bis zum Mittagessen schlief ich ordentlich. Meine Körpertemperatur normalisierte sich. Mein Niesen hörte auf. Frisch und munter wachte ich pünktlich zum Mittagessen wieder auf. Gähnend streckte ich mich und strampelte die Decke von mir. Mein erster Weg führte mich ins Bad und in die Dusche. Eine halbe Stunde später machte ich mich in einer frischen Schuluniform und mit meiner Schultasche auf den Weg in die Große Halle zum Mittagessen. Ich suchte den Gryffindor-Tisch nach meinen Freunden ab und fand Hermine, da sie mir energisch winkte. Schmunzelnd setzte ich mich zu ihr, Ron und Harry. „Und? Wie geht's dir jetzt?", wollte meine Freundin wissen. „Großartig. Und die Extraportion Schlaf war auch super", grinste ich. „Warum warst du überhaupt krank? Gestern ging's dir doch noch super", runzelte Ron die Stirn. Ich zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung", log ich. Ich konnte den dreien ja schlecht auf die Nase binden, dass ich heute Nacht mit Draco draußen eine Schneeballschlacht veranstaltet und einen Schneemann gebaut hatte. Das wäre wohl gerade ganz der falsche Zeitpunkt, um unsere Freundschaft offen zu legen.
Seufzend griff ich nach dem Kartoffelstampf und ließ meinen Blick zum Slytherin-Tisch schweifen, wo ich meinen Freund nach kurzem Suchen fand. Schmunzelnd stellte ich fest, dass er mit seinen Freunden lachte und scherzte und kein Bisschen angeschlagen zu sein schien. „Ist ja aber auch egal, oder? Ich hab nicht viel verpasst und durch Pomfreys Trank geht's mir schon wieder super. Ich bin bereit für den langen Tag heute", meinte ich zu Ron, der bloß mit den Schultern zuckte und sich ein großes Stück Braten in den Mund stopfte. Schmunzelnd schüttelte ich meinen Kopf und begann zu essen.
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