Kapitel 15 - Das Treffen der Interessierten

„Hermine, warum noch mal müssen wir das jetzt sofort machen?“ Meine Freundin schnaubte und warf Ron einen scharfen Blick zu. „Weil ihr in eurer letzten Hausarbeit durchgefallen seid, weil ihr sie nicht ernst genug genommen habt. Also machen wir das jetzt zusammen und zwar sofort. Am Wochenende findet ihr nur wieder Ausreden.“ Ich leckte mir über die Lippen und warf einen Blick zu Harry. Der sah müde und regelrecht resigniert aus. Als er meinen Blick bemerkte, schenkte er mir ein leichtes Lächeln und zuckte mit den Schultern. Wir kamen in die Bibliothek und setzten uns an einen Tisch. „Ron, du kommst mit und hilfst mir mit den Büchern“, bestimmte Hermine und zog den Weasley ungeachtet seines Gestammels hinterher. Ich packte meine Schreibsachen aus und rieb mir über die Augen. Hermine kam direkt von Arithmantik. Die Jungs und ich hatten schon frei gehabt. Aber trotzdem schleppte unsere Freundin uns direkt nach dem Abendessen in die Bibliothek, obwohl wir morgen noch Unterricht hatten. Freitagmittags hatten wir doch frei, warum also konnten wir nicht dann mit unseren Hausaufgaben anfangen? Und warum war ich überhaupt mit Hermine mitgekommen? Wenig später tauchten Ron und Hermine mit zwei Stapeln Büchern auf und wir versenkten uns in unseren Aufsatz für Zaubertränke.

Als ich das nächste Mal auf die Uhr schaute, war es eine halbe Stunde vor Sperrstunde. Ich öffnete meinen Mund um den anderen bescheid zu geben, aber Hermine kam mir zuvor. „Ich frage mich, ob du noch mal über Verteidigung gegen die dunklen Künste nachgedacht hast, Harry“, meinte sie und blickte von ihrem Pergament auf. Meine Worte blieben mir im Hals stecken und ich runzelte meine Stirn, bis mir die Erkenntnis kam. Hermine redete über die Idee eines eigenen Klubs. „Natürlich hab ich, wie sollte ich auch nicht, wo wir diese Sabberhexe als Lehrerin haben…“, brummte Harry und rieb sich über die Augen. „Ich meinte die Idee, die ich hatte, dass du unser Lehrer sein könntest.“ Harry blickte von seinem Pergament auf und legte seine Feder beiseite. Er leckte sich über die Lippen. Starrte von Hermine zu Ron und schließlich blieb sein Blick an mir hängen, bevor er leicht nickte. „Wisst ihr, ja schon, ich – ich habe ein bisschen drüber nachgedacht.“ „Und?“, wollte Hermine wissen und lehnte sich weiter über den Tisch. „Keine Ahnung“, murmelte Harry und sein Blick schwenkte von mir zu Ron. „Ich fand die Idee gleich von Anfang an gut“, bekundete dieser. „Ich hab euch ja gesagt, dass eine Menge Glück dabei war“, warf Harry ein. „Ja, Harry, und dennoch ist es lächerlich, so zu tun, als ob du in Verteidigung gegen die dunklen Künste nicht gut wärst, denn das bist du. Du warst letztes Jahr der Einzige, der den Imperius-Fluch vollständig abschütteln konnte – abgesehen von Flora natürlich, die ihm von Anfang an widerstanden hat –, du kannst einen Patronus erzeugen, du kannst einiges, was ausgewachsene Zauberer nicht beherrschen; Viktor hat immer gesagt…“

„Jaah? Was hat Vicky gesagt?“, unterbrach Ron das Mädchen und schnaubte. Ich verdrehte meine Augen. War er etwa immer noch sauer deswegen? Oder gar eifersüchtig? „Haha. Er hat gesagt, Harry könne Dinge, die nicht mal er beherrschen würde, und er war in seinem Abschlussjahr auf Durmstrang.“ „Hast du etwa immer noch Verbindung zu ihm?“ „Ist das denn so wichtig?“, mischte ich mich in die Diskussion mit ein. „Stell dir vor, ich hab nämlich auch noch Briefkontakt zu Viktor. Und auch zu Fleur.“ „Nun, was meinst du? Willst du uns unterrichten?“, wandte Hermine sich wieder an Harry und ignorierte den Weasley. Harry schwieg kurz. „Nur dich und Ron, ja?“, meinte er schließlich zögerlich. „Also … jetzt flieg nicht wieder vom Besen, Harry, bitte … aber ich denke wirklich, dass du alle unterrichten solltest, die lernen wollen. Immerhin geht es darum, dass wir uns gegen V-Voldemort verteidigen wollen. Ach, Ron, reiß dich zusammen. Mir kommt’s ungerecht vor, wenn wir den anderen Leuten nicht auch die Chance geben“, meinte Hermine und ich nickte leicht. Andernfalls würde unser Vorhaben gar keinen Sinn machen. „Schon, aber ich bezweifle, dass irgendjemand außer euch beiden etwas von mir lernen will. Ich bin doch durchgeknallt, oder?“, schoss Harry zurück. „Tja, ich glaube, du wärst überrascht, wie viele Leute gerne hören würden, was du zu sagen hast. Sieh mal, du weißt doch, am ersten Wochenende im Oktober gehen wir nach Hogsmeade. Wie wär’s, wenn wir allen, die interessiert sind, erzählen, dass wir uns im Dorf treffen und dort alles besprechen?“ „Warum müssen wir das außerhalb der Schule machen?“, gähnte Ron. „Weil ich nicht glaube, dass Umbridge sehr glücklich wäre, wenn sie herausfinden würde, was wir vorhaben“, schnaubte Hermine und wandte sich wieder ihrem Buch zu.

„Nun gut. Du kannst die Leute gerne einladen, aber ich spiele nur mit Flora zusammen den Lehrer“, meinte Harry und Hermine schaute wieder auf. Ihr Mund klappte leicht auf und sie blickte von Harry zu mir und wieder zurück. „Du weißt doch, dass Flora Angst vor Organisationen hat“, zischte sie dann. „Außerdem wollen wir sie doch zu nichts zwingen.“ „Sie sitzt hier mit dir am Tisch. Und sie gibt sich geschlagen“, seufzte ich und blickte zu Harry, der zu strahlen begann. „Ist gut, Harry. Ich spiele mit dir den Lehrer. Aber am Anfang will ich mich erst einmal etwas zurückhalten. Und wenn ich unterrichten soll, dann darf mich niemand über meine Zauberkraft ausfragen, sonst bin ich raus.“ Der Junge mit der Blitznarbe sprang auf und eilte um den Tisch herum, um mich von hinten in seine Arme zu ziehen. „Danke Flora!“ „Oh Flora, das ist ja fantastisch!“, stieß Hermine aus und umarmte mich von der Seite, sobald Harry mich losgelassen hatte. „Finde ich klasse“, meinte auch Ron und nickte mir zu. Ich konnte ein Kichern nicht verhindern. „So sehr ihr euch auch freut, Leute. In einer Viertelstunde ist Sperrstunde und bis dahin wäre ich gerne zurück im Gemeinschaftsraum.“ Die Blicke der drei flogen zur Uhr. Hermine und Harry fluchten. Eilig packten wir unsere Sachen zusammen und eilten durch die Gänge zurück zum Gemeinschaftsraum.

„Ich muss dir was erzählen“, begann ich. „Das klingt ja so ernst“, schmunzelte Draco, doch als er meine Miene sah, verstummte er und deutete auf das Sofa in der Mitte des Raumes. Ich hängte meine Schultasche an den Kleiderhaken und wir setzten uns. „Ist etwas passiert?“, wollte Draco wissen, als ich nur schwieg. „Wie man’s nimmt“, seufzte ich und zuckte mit den Schultern. Ich leckte mir über die Lippen und überlegte, wie ich anfangen sollte. „Hermine hatte eine Idee. Und es ist verdammt wichtig, dass du niemandem davon erzählst.“ „Du weißt, dass alles, was hier drin besprochen wird, auch hier drin bleibt.“ „Ja, tut mir leid. Ich mache mir nur Sorgen, dass wir entdeckt werden. Umbridge würde uns sicher umbringen.“ Draco runzelte seine Stirn. „Warum?“, wollte er wissen und griff nach meiner Hand. Ich drückte die seine fest und atmete tief durch. „Hermine hatte eine Idee. Sie findet Umbridges Unterricht scheußlich. Ich glaube das tun alle, immerhin lernen wir nur Theorie und keine Praxis. Und jetzt hatte Hermine die Idee, dass Harry und ich unseren Freunden einfach selbst Verteidigung beibringen sollen. Beim Hogsmeade-Wochenende wollen wir uns mit allen Interessierten treffen und Details besprechen. Ich … Es soll eine Organisation werden … Und ich habe doch Angst davor … Seit ich in meiner Grundschulzeit mal in einer war und ausgenutzt wurde. Als … als ich es bemerkt habe, bin ich ausgestiegen, und dann haben sie mich gemobbt. Es war fürchterlich. Und jetzt…“ „Niemand wird dich hier in Hogwarts mobben, Flora. Und niemand wird dich ausnutzen. Die Lehrer achten auf sowas, deine Freunde passen auf dich auf, ich passe auf dich auf. Außerdem denke ich, dass du eine tolle Lehrerin wärst.“ „Immerhin ist das ja auch aktuell mein Traumberuf“, schmunzelte ich. Draco begann breit zu grinsen. „Na siehst du. Du wirst das toll machen.“

Ich nickte und seufzte. „Ich weiß nicht, ob ich es dann an dem Tag zu unserem Treffen schaffe. Du weißt schon. Weil ich nicht weiß, wie lang das gehen wird und wie erschöpft ich danach sein werde. Oh man, auf was habe ich mich da bloß eingelassen?“ Stöhnend legte ich meinen Kopf in meine Hände. Draco legte mir einen Arm um die Schultern. „Hey, was haben wir gerade besprochen? Du wärst eine tolle Lehrerin. Und du bist verdammt gut in Verteidigung. Am liebsten würde ich auch in euren kleinen Klub gehen, um von dir zu lernen. Aber ich denke, die anderen würden mich zum Teufel jagen“, kicherte der Slytherin. Ich blickte auf und runzelte meine Stirn. „Was?“, grinste Draco. „Es stimmt. Du solltest auch lernen dich zu verteidigen“, murmelte ich. „Flora, ich kann eurem Klub nicht beitreten. Das wäre viel zu … Einfach … Es geht nicht.“ „Und wenn wir es hier tun würden? Nur wir beide? Ich unterrichte dich. Immerhin steht uns allen ein Kampf, wenn nicht sogar ein Krieg bevor. Du musst genauso vorbereitet sein wie wir anderen, damit ich weiß, dass du sicher bist!“ Draco schwieg.

Nach kurzer Zeit nickte er. „Das wäre wahrscheinlich ganz sinnvoll“, murmelte er. „Gut. Was willst du zuerst lernen?“ Der Junge grinste schief. „Ich dachte die Lehrerin entscheidet, was die Schüler lernen. Aber gut, ich will den Patronus erlernen.“ „Oh, das ist gut. Ok, lass mich kurz nachdenken, was ich alles darüber weiß. Ich habe mich etwas damit beschäftigt, damit ich in der Lage bin, einen Patronus zu beschwören. Richtig gemacht habe ich es aber erst in den Sommerferien. Also, pass auf: Der Zauberspruch lautet Expecto Patronum und kann bei Bedrohungen durch besonders grauenvolle Ungeheuer eingesetzt werden. Das bekannteste Beispiel wäre wohl ein Dementor. Der Zauber wird durch die Kraft einer glücklichen Erinnerung erzeugt. Und zwar nicht nur irgendeiner. Es muss die glücklichste Erinnerung sein, die du besitzt. Sonst bekommst du wenn überhaupt nur einen ungestaltlichen Patronus zustande. Der hilft zwar auch, aber am besten ist immer noch ein gestaltlicher Patronus. Nur ein gestaltlicher Patronus ist stark genug, ein oder mehrere bedrohliche Wesen gezielt zu verjagen. Der Patronus ist dein persönlicher Beschützer. Er nimmt für eine Person immer die gleiche Tiergestalt an, kann sich aber auch durch starke Einflussfaktoren verändern. Man kann auch durch die Patroni miteinander kommunizieren. Das habe ich vom Orden gelernt. Ich glaube, Dumbledore hat das entwickelt und nur die Mitglieder des Ordens wissen, wie es geht. Und es ist echt abgefahren. Ich kann es dir bestimmt beibringen, aber dazu musst du erst einmal einen gestaltlichen Patronus zustande bringen können. Also, ich würde sagen, genug geredet. Du…“

„Darf ich deinen Patronus sehen?“ Irritiert blinzelte ich. „Was?“ Draco blickte mich offen an. „Darf ich deinen Patronus sehen?“ „Ähm, na klar“, meinte ich. Schnell sprang ich auf, eilte zu meiner Schultasche und holte meinen Zauberstab. „Alles klar, dann mal los“, murmelte ich und schloss meine Augen. Dachte an Draco. Unsere Freundschaft. All die schönen Erinnerungen. „Expecto Patronum“, flüsterte ich und öffnete meine Augen. Ein blau schimmernder Drache brach aus meinem Zauberstab und flog seine Runden durch den Raum der Wünsche. Draco sprang mit offenem Mund auf. „Dein Patronus ist ein Drache? Wie abgefahren ist das denn bitte?“, schrie er schon fast. Ich grinste und senkte meinen Zauberstab. Der Drache verpuffte. Draco löste seinen Blick von der Stelle, wo mein Patronus eben noch gewesen war, und blickte mit offenem Mund zu mir. „Das ist ja echt unglaublich! Du bist unglaublich! An was denkst du, wenn du ihn erschaffst?“ Ich spürte, wie meine Ohren heiß wurden. „Ich denke … Nun ja … Ich denke an dich und unsere Freundschaft.“ Die Hitze breitete sich in meine Wangen aus. Dracos Strahlen erstarb. Mein Herz setzte einen Schlag aus. Ich schluckte. Dann machte der Slytherin ein paar große und schnelle Schritte und schloss mich fest in seine Arme. Als er sich wieder von mir löste, schimmerten seine Augen verdächtig. Doch er sagte nichts und holte stattdessen seinen Zauberstab.

„Also, dann mal los“, murmelte er und erhob das magische Stück Holz. Eine Dreiviertelstunde später hatte es mein Freund immerhin geschafft, einen soliden ungestaltlichen Patronus zu erzeugen. Wir beließen es für heute dabei und machten uns auf den Weg zum Abendessen. Ein paar Gänge vor der Großen Halle trennten wir uns.

Kommendes Wochenende ist Hogsmeade-Wochenende. Treffpunkt ist Samstag um zehn Uhr vor dem Eingangsportal der Schule. Alle Schüler mit Einverständnis der Eltern dürfen daran teilnehmen. Die Einverständniserklärungen werden beim Treffpunkt überprüft. Sobald die Schüler die Bestätigung haben, dürfen sie sich auf den Weg nach Hogsmeade machen. Schüler der dritten Klasse geben ihre Einverständnis bei Professor McGonagall ab, die die Schüler bei diesem ersten Besuch nach Hogsmeade führt. Um einen Überblick zu behalten, bitten wir alle Schüler, die mit nach Hogsmeade gehen, sich hier auf der Liste einzutragen. Wer sich bis Samstag Morgen um acht Uhr nicht auf der Liste eingetragen hat, dem kann der Besuch nach Hogsmeade bei zu hoher Anmeldezahl versagt werden.

Grinsend trug ich Hermine und mich in die Liste ein. Meine Vorfreude auf Hogsmeade verflog allerdings wieder, als ich daran dachte, was mir bevorstand. Gut, Harry stand es auch bevor. Aber mir war noch ein bisschen mulmiger zumute als ihm. Dennoch war ich schon ziemlich gespannt, wen Hermine zu unserem Treffen alles eingeladen hatte. Und wie das überhaupt verlaufen würde.

Hermine umklammerte mein Handgelenk und zog mich ruckartig aus der Menschentraube heraus. „Her!“, rief ich und suchte nach Harry und Ron, doch die beiden Jungs waren in der Menge verschwunden. Hermine unterdessen lieferte mir keine Erklärung für ihr Verhalten. Sie zerrte mich einfach weiter hinter sich her durch die Gänge, bis sie in ein leeres Klassenzimmer abbog. Sie warf die Tür zu und ließ ihre Tasche auf den Boden fallen. „Sagst du mir jetzt endlich, warum du so einen Aufstand machst?“, wollte ich wissen und rieb mir über mein Handgelenk. „Ich brauche deine Hilfe“, meinte meine Freundin und kramte in ihrer Tasche nach einem Stück Pergament, das sie mir reichte. „Du willst aber nicht, dass ich dir einen Aufsatz schreibe oder so?“, fragte ich und versuchte mich an einem schiefen Grinsen. „Nein. Du sollst das Pergament verhexen.“ Mein Grinsen fiel. „Was?“ „Naja. Wir wollen diese Organisation doch so sicher wie möglich gestalten. Also dachte ich mir, dass sich alle Mitglieder auf dieser Liste eintragen müssen. Und um sicherzugehen, dass niemand petzt – oder dass wir zumindest herausfinden, wer petzt – möchte ich, dass du diese Liste verhext. Ich habe stundenlang in der Bibliothek nach dem richtigen Spruch gesucht. Hier, das ist er. Du bekommst das bestimmt besser hin als ich.“

Hermine drückte mir ein kleines Stück Pergament in die Hand und ich las den Spruch. Pusulae in facie notant proditorem quasi insinuatis si aliquid de conventibus occultis detegit. „Ganz schön lang“, murmelte ich. „Es ist auch ein schwerer Spruch. Höhere Magie“, meinte Hermine. „Und was genau bewirkt er? Ich will wissen, auf was ich da unterschreibe. Wenn ich es überhaupt tun werde“, seufzte ich. „Oh, naja. Wenn jemand etwas von Geheimtreffen ausplaudert, wachsen ihm Pusteln im Gesicht, die das Wort Petze bilden.“ Mein Mund klappte auf und ich blickte mit großen Augen zu meiner Freundin. „Und diese dramatische Maßnahme kommt von dir? Von dir? Hermine Granger? Und dann auch noch so locker daher gesagt.“ „Ja. Warum ist das so unglaubwürdig.“ Hermine zuckte mit den Schultern. Ich schüttelte meinen Kopf. „Du bist krasser drauf als ich dachte. Ok, lass mich nur kurz meine Magie sammeln oder so.“ Ich legte das Pergament vor mir auf einen der Tische, zog meinen Zauberstab und atmete tief durch. Beschwor bewusst das Kribbeln und die Wärme herauf. Richtete meinen Stab auf das Pergament. „Pusulae in facie notant proditorem quasi insinuatis si aliquid de conventibus occultis detegit“, murmelte ich und das Pergament leuchtete auf. Dann war es auch schon vorbei.

Ich leckte mir über die Lippen und blickte zu Hermine. „Hat es funktioniert?“ Sie zuckte mit den Schultern. „Das werden wir dann sehen. Aber ich vertraue dir und deiner Macht. Und immerhin hat das Pergament aufgeleuchtet. Irgendwas ist auf jeden Fall passiert.“ „Gut … also dann … gehen wir in die Bibliothek.“ „Um wie viel wetten wir, dass die Jungs nicht dort sein werden? Sie sind bestimmt abgehauen, sobald sie gemerkt haben, dass wir nicht mehr hinter ihnen sind“, grinste Hermine und ich stieg mit ein. „Ich wette nicht, aber ich bin mir sicher, dass du recht hast.“ Ich schnappte mir meine Schultasche und hakte mich bei Hermine unter. Zusammen schlenderten wir zur Bibliothek. Ron und Harry waren wirklich nicht da. War auch nicht anders zu erwarten gewesen.

„Du musst was essen, Flora.“ „Ich kann aber nicht.“ „Nein, du willst nur nicht.“ „Hermine, ich bin gerade körperlich nicht in der Lage zur Speiseaufnahme. Außer du willst, dass ich dich auf dem Weg in den Innenhof vollkotze.“ Hermine schüttelte den Kopf, sagte aber nichts mehr. Pünktlich standen wir vor Filch in der Schlange und ließen uns mit einem Kopfnicken nach Hogsmeade entlassen. Ich zupfte an meinem Mantel und schlang meine Arme um mich. Warum war ich noch gleich hier? Warum ging ich noch gleich nach Hogsmeade? Warum nahm ich noch gleich an diesem Treffen teil? Warum noch gleich hatte ich Hermines Plan zugestimmt? Warum noch gleich hatte ich nachgegeben und musste nun mit Harry Lehrerin sein?

„Du bleibst zurück“, flüsterte eine Stimme. Ich zuckte zusammen, als sich Harry auch schon meine Hand schnappte und bei sich unterhakte. Ich blickte nach vorne. Hermine und Ron waren ein paar Meter vor uns und unterhielten sich angeregt. Ich konnte nicht anders als leicht zu schmunzeln, was mir allerdings sofort wieder verging. „Du musst ja erst mal nichts machen. Nur alles anschauen und zuhören“, meinte Harry. Ich leckte mir über die Lippen und dachte an das erste Gruppierungstreffen aus meiner Grundschulzeit zurück. Ich wusste nicht mehr, wie ich dort gelandet war, nur, dass ich der Anführerin Maja bei ihrer Rede von ihrer selbsterfundenen Religion mit steigender Begeisterung zugehört hatte. Am Ende gab es ein Aufnahmeritual für alle, die wollten. Und wer nicht wollte, der hatte am nächsten Tag Heuschrecken im Schulranzen und Farbbeutel im Spind. Wie auch immer diese Kinder das geschafft hatten. Das Aufnahmeritual war schrecklich gewesen, demütigend. Wir hatten…

„Denk nicht daran.“ Ich schreckte auf und blickte in Harrys warme grüne Augen. „Was?“ „Ich kenne diesen Blick. Du solltest nicht daran denken. Konzentrier dich auf Hogsmeade. Wir sind fast da.“ Nickend nahm ich mir seinen Rat zu Herzen und starrte auf die Häuser vor uns. Dort warteten bereits Hermine und Ron. Das Mädchen setzte sofort zum Sprechen an, kaum dass wir bei den beiden angekommen waren. „Hört mal, Ron und ich haben uns bei Leuten umgehört, von denen wir dachten, sie wollen vielleicht ernsthaft Verteidigung gegen die dunklen Künste lernen, und ein paar von ihnen schienen interessiert.“ „Wo gehen wir eigentlich hin? In die Drei Besen?“, wollte Harry wissen. „Oh – nein, nein, da ist es immer rappelvoll und furchtbar laut. Ich hab den anderen gesagt, sie sollen uns im Eberkopf treffen, in diesem anderen Pub, du weißt doch, er ist nicht an der Hauptstraße. Ich glaub, die Kneipe ist ein bisschen … nun ja … zwielichtig … aber normalerweise gehen keine Schüler da rein, also glaub ich nicht, dass jemand lauscht“, erklärte Hermine. Harry nickte und zog mich mit sich die Straße entlang. Ich drückte seine Hand, während wir unserem Ziel immer näher kamen.

Dann standen wir vor dem alten Haus mit dem rostigen und verwitterten Schild. „Na kommt, gehen wir“, meinte ich, als meine drei Freunde zögerten. Energisch – um nicht selbst zu kneifen – zog ich Harry mit mir nach drinnen und blickte mich um. Ein Schauder durchlief mich. Verdammt dunkel. Und Hermine hatte recht. Verdammt zwielichtig. Aber dafür auch verdammt leer. Neben dem alten Wirt waren nur vier Personen anwesend, die sich keinen Deut für uns interessierten. „Ich setze mich schon mal an einen Tisch“, murmelte ich und gab Harry frei, der mit den anderen beiden die Theke ansteuerte. Eilig suchte ich mir einen der freien Tische aus und setzte mich auf die Bank. Ich wusste, wenn ich mich jetzt nicht hinsetzen würde, würde ich von hier verschwinden und ganz bestimmt nicht mehr wiederkommen. Ob es nun an diesem Ort, diesen Personen hier oder dem nahenden Treffen lag, konnte ich nicht mit Sicherheit sagen.

Meine Freunde kamen wieder. Harry setzte sich neben mich auf die Bank und reichte mir eine Flasche mit Butterbier. Ich leckte mir über die Lippen und nahm einen Schluck. „Wisst ihr was? Hier drin könnten wir alles bestellen, was wir wollen. Ich wette, dieser Typ würde uns alles verkaufen, es wär ihm schnuppe. Ich wollte immer schon mal Feuerwhiskey ausprobieren“, durchbrach Ron nach ein paar Minuten die Stille. Ich verdrehte grinsend meine Augen. Ron war einfach … Ron. „Du – bist – Vertrauensschüler“, zischte Hermine. Rons Strahlen erstarb und er blieb stumm.

Wir warteten noch ein paar weitere Minuten und gerade, als Hermine auf die Uhr an der Wand schaute, schwang die Tür des Wirtshauses auf. Mein Mund klappte auf, als der Raum sich mit immer mehr unserer Mitschüler füllte. Warum waren das so viele? Warum! Meine Hand schoss zur Seite und ich umklammerte Harrys Hand fest. Der drückte zurück und ich musste nicht zu ihm schauen, um zu wissen, dass ihm genauso bang war wie mir. Ich setzte mich aufrechter hin. Beobachtete unsere Mitschüler, die sich erst Butterbier besorgten und dann ein einziges Stuhlchaos vor uns bildeten. Es erleichterte mich zu sehen, dass Fred, George, Lee und Ginny mit von der Partie waren. Auch Neville, Dean, Lavender und die beiden Patils waren da, wobei mich Parvati strahlend angrinste. Ich versuchte zittrig zurückzulächeln. Als nächstes entdeckte ich Cho mit einer ihrer zahlreichen Freundinnen. Harrys Finger schlossen sich fester um meine. Er musste sie auch bemerkt haben. Luna blickte in der Gegend umher und ich musste unwillkürlich leicht grinsen. Angelina unterhielt sich mit Alicia und Katie. Die beiden Creevey-Brüder schienen mal wieder Harry anzuhimmeln. Und dann noch ein paar Hufflepuffs und Ravenclaws, die ich nur vom Sehen her kannte.

Ich schluckte und zerquetschte Harrys Hand. Ok, das würden wir schon hinbekommen. 25 Personen entsprachen etwa einer Klasse in Hogwarts, also auch gleich die perfekte Übung für mich. Das würde schon werden. Ganz bestimmt. „Ähm. Nun – ähm – hi“, begann Hermine und die Aufmerksamkeit schwankte zu ihr. Nur ich beobachtete die Menschen vor mir. „Nun … ähm … ja, ihr wisst, warum ihr hier seid. Ähm … also, Harry hier hatte die Idee – besser gesagt, ich hatte die Idee – dass es gut wäre, wenn Leute, die Verteidigung gegen die dunklen Künste lernen möchten – und ich meine wirklich lernen, versteht ihr, nicht den Stuss, den Umbridge mit uns macht – weil das niemand Verteidigung gegen die dunklen Künste nennen kann … Also, ich dachte, es wäre gut, wenn wir, nun, die Dinge selbst in die Hand nehmen würden“, brachte Hermine ihre Idee endlich auf den Punkt. „Und damit meine ich lernen, wie wir uns richtig verteidigen, nicht nur in der Theorie, sondern indem wir tatsächlich zaubern…“ „Du willst doch auch deine ZAG-Prüfung in Verteidigung gegen die dunklen Künste bestehen, wette ich?“, warf ein Junge ein. „Natürlich will ich das. Aber ich will noch mehr, nämlich richtig ausgebildet sein in Verteidigung, weil … weil … weil Lord Voldemort zurück ist.“

Schreie und andere Geräusche ertönten, während die Hälfte aller Anwesenden zuckte oder sich hektisch nach allen Seiten umsah. Ich verdrehte meine Augen. Wie konnte man so eine schreckliche Angst vor einem bloßen Namen haben? Aber gut, ich hatte die Schreckensherrschaft des dunklen Zauberers nie miterlebt. Und ich hatte keine Verwandten, die mir davon berichten konnten. Die meisten der anderen jedoch schon. Ich sollte wohl also nicht einfach so urteilen. Hermine wartete kurz, bis sich alle wieder einigermaßen beruhigt hatten, dann sprach sie weiter. „Nun … das ist jedenfalls der Plan. Wenn ihr mitmachen wollt, müssen wir entscheiden, wie wir…“ „Wo ist der Beweis, dass Du-weißt-schon-wer zurück ist?“, fauchte ein anderer Junge. Immer dieses Verlangen nach Beweisen. „Nun, Dumbledore glaubt es…“, erwiderte Hermine. „Du meinst, Dumbledore glaubt ihm.“ Der Junge deutete auf Harry, der sich neben mir etwas mehr anspannte. „Wer bist du eigentlich?“, zischte Ron. „Zacharias Smith. Und ich glaube, wir haben das Recht, genau zu erfahren, weshalb er behauptet, Du-weißt-schon-wer sei zurück.“ „Sieh mal, darum sollte es bei diesem Treffen eigentlich überhaupt nicht gehen“, setzte Hermine erneut an, doch dieses Mal unterbrach Harry sie. „Ist schon gut, Hermine.“ Er drückte meine Hand und ich drückte sie zurück.

„Weshalb ich behaupte, Du-weißt-schon-wer sei zurück? Ich habe ihn gesehen. Aber Dumbledore hat letztes Jahr der ganzen Schule erklärt, was passiert ist, und wenn du ihm nicht geglaubt hast, dann wirst du mir auch nicht glauben, und ich verschwende keinen Nachmittag mit dem Versuch irgendjemanden zu überzeugen.“ „Dumbledore hat uns letztes Jahr nur gesagt, dass Cedric Diggory von Du-weißt-schon-wem getötet wurde und dass du Diggorys Leiche nach Hogwarts zurückgebracht hast. Er hat uns keine Einzelheiten genannt, er hat uns nicht genau gesagt, wie Diggory ermordet wurde, und ich denke, wir alle würden gerne wissen…“ Harry wurde steifer als ein Brett. Ich legte meine andere Hand auf seine und rutschte näher zu ihm. Doch auch mein Herz klopfte schneller. „Wenn ihr hergekommen seid, um genau zu erfahren, wie es ist, wenn Voldemort jemanden ermordet, kann ich euch nicht helfen. Ich möchte nicht über Cedric Diggory reden, klar? Also, wenn ihr deshalb hier seid, dann verschwindet ihr am besten wieder.“ Eine dröhnende Stille trat ein, die schließlich von Hermines piepsiger Stimme unterbrochen wurde. „Also. Also … wie ich schon sagte … wenn ihr lernen wollt, wie ihr euch verteidigen könnt, dann müssen wir besprechen, wie wir vorgehen, wie oft wir uns treffen wollen und wo wir…“

„Stimmt es, dass du einen Patronus zustande bringst?“, unterbrach sie ein Mädchen und ein Raunen ging durch die Schüler vor uns. Ich konnte nicht anders als leicht zu schmunzeln. Hermine würde wohl heute kaum mehr zu Wort kommen. „Ja“, nickte Harry neben mir und entspannte sich etwas. „Einen gestaltlichen Patronus?“ „Ähm – du kennst nicht zufällig Madam Bones, oder?“ „Sie ist meine Tante. Ich bin Susan Bones. Sie hat mir von deiner Anhörung erzählt. Also – ist es wirklich wahr? Du erzeugst einen Hirsch als Patronus?“ „Ja“, nickte Harry wieder. „Ist ja irre, Harry! Das hab ich gar nicht gewusst“, stieß Lee hervor. „Ach, Flora kann das auch“, murmelte Harry und ein paar Blicke flogen zu mir. Ich spürte, wie meine Ohren warm wurden, und verfluchte Harry in allen möglichen Sprachen. „Woher weißt du davon?“, zischte ich ihm zu. „Unser gemeinsamer Freund hat es mir verraten“, schmunzelte Harry jetzt. Sirius. Er sprach von Sirius, da war ich mir sicher.

„Und hast du einen Basilisken mit diesem Schwert aus Dumbledores Büro getötet? Das hat mir eines von diesen Porträts erzählt, als ich letztes Jahr bei ihm war“, meinte ein weiterer Junge und Harrys Blick riss von meinem Gesicht los. „Ähm – ja, hab ich, ja.“ Harry räusperte sich und schwenkte den Kopf hin und her, als die Bewunderung unserer Mitschüler über ihn schwappte. „Und im ersten Schuljahr hat er den Stein der Meisen gerettet“, berichtete Neville. „…der Weisen“, rief Hermine und mein Grinsen verbreiterte sich. „Ja, genau – vor Ihr-wisst-schon-wem“, nickte Neville. „Und nicht zu vergessen“, begann Cho und wartete, bis alle Augen auf sie gerichtet waren. Ich verdrehte meine Augen. „Nicht zu vergessen die ganzen Aufgaben, die er letztes Jahr beim Trimagischen Turnier lösen musste – an Drachen und Wassermenschen und einer Acromantula vorbeikommen und so weiter…“ „Aber das hat Flora doch auch alles gemacht! Hört mal“, seufzte Harry und bekam wieder die volle Aufmerksamkeit.

„Ich … ich möchte nicht so klingen, als versuchte ich bescheiden zu sein oder so, aber … ich hatte bei all dem eine Menge Hilfe…“ „Bei dem Drachen, da hattest du keine. Da bist du wirklich ganz cool geflogen“, warf ein Junge ein. „Ja, schon…“ „Und diesen Sommer hat dir keiner geholfen, die Dementoren zu verjagen“, sagte Susan. „Nein, nein, okay, ich weiß, manches hab ich ohne Hilfe geschafft, aber was ich eigentlich sagen will, ist…“ „Weichst du aus wie ein Wiesel, weil du uns nichts von diesen Sachen breibringen willst?“, wollte Zacharias wissen. Ich verdrehte meine Augen. Der Sinn dieser Sache war es doch, dass sie alle das lernten! „Wie wär’s, wenn du endlich mal die Klappe hältst!“, rief Ron und schlug mit der Hand auf den Tisch. „Na ja, wir sind alle hier, damit wir was von ihm lernen, und jetzt erzählt er uns, dass er im Grunde nichts davon kann“, fauchte Zacharias zurück. „Das hat er nicht gesagt“, schnaubte Fred. „Willst du vielleicht, dass wir dir mal die Ohren ausputzen?“, knurrte George und zog etwas aus seiner Tasche, was aussah wie ein Arztwerkzeug. „Oder sonst was von dir, wir sind echt nicht zimperlich, wo wir das hinstecken“, hängte Fred an und Zacharias blieb blass verstummt zurück.

„Ja, schön“, riss Hermine die Aufmerksamkeit wieder an sich. „Wir müssen weitermachen … die Frage ist, sind wir uns einig, dass wir bei Harry Unterricht nehmen?“ Und es kam Kopfnicken und Zustimmungen zurück. „Aber ich werde nicht alleine unterrichten“, warf Harry ein und blickte zu mir. Sah mir direkt in die Augen. Ich schluckte. „Ich werde zusammen mit Flora unterrichten. Wir sind beide gleichberechtigte Lehrer.“ Gemurmel brach los, viele Fragen schwebten durch den Raum. „Ruhe!“, rief Ron und knallte seine Faust auf den Tisch. „Ich kann verstehen, dass ihr verwirrt seid“, begann Harry und blickte wieder zu unseren Mitschülern, „aber Flora ist verdammt begabt, fast schon mehr als ich. Na gut, ich würde sogar sagen, sie ist besser im Zaubern als ich. Vergesst nicht, dass sie im Trimagischen Turnier war. Sie hat einen verdammten Drachen gelähmt und wäre bei der Aufgabe im Schwarzen See Erste geworden. Und ich weiß, dass sie viele verdammt starke Zauber draufhat. Ich werde keinen Widerspruch ihr gegenüber zulassen und nur mit ihr zusammen unterrichten. Wenn ihr gegen sie seid, seid ihr auch gegen mich und dann habt ihr hier nichts verloren und könnt schauen, wie ihr selbst zurechtkommt. Sie ist eine große Bereicherung für unseren Unterricht und ich weiß, dass ihr das alle schnell merken werdet. Ich bin verdammt froh, dass sie das mit mir durchziehen will.“ Harrys Blick schwenkte erneut zu mir und er grinste mich breit an. Ich lächelte zurück und drückte seine Hand.

Eine kurze Stille trat ein, die Hermine durchbrach. „Gut. Nun, dann ist die nächste Frage, wie oft wir uns treffen. Ehrlich gesagt, weniger als einmal die Woche hat wohl keinen Sinn…“ „Wart mal, wir müssen aufpassen, dass wir unserem Quidditch-Training nicht in die Quere kommen“, warf Angelina ein. „Ja, unserem auch nicht“, nickte Cho. „Auch nicht unserem“, meinte Zacharias kleinlaut. „Ich bin sicher, wir finden einen Abend, an dem alle können, aber versteht ihr, das ist ziemlich wichtig, immerhin geht es darum, dass wir uns gegen V-Voldemorts Todesser zu verteidigen lernen…“ „Gut gesagt. Ich persönlich halte das für äußerst wichtig, vielleicht noch wichtiger als alles andere, was wir dieses Jahr tun, einschließlich der ZAG-Prüfungen!“, meinte ein Junge großspurig und blickte sich mit verschränkten Armen in der Runde um. Als niemand etwas sagte, setzte er seine Rede fort. „Ich persönlich begreife einfach nicht, warum uns das Ministerium in dieser schwierigen Zeit eine so unbrauchbare Lehrerin vorsetzt. Offensichtlich wollen sie nicht wahrhaben, dass Ihr-wisst-schon-wer zurück ist, aber uns eine Lehrerin zu schicken, die uns im Ernst daran hindern will, defensive Zauber einzusetzen…“ „Wir glauben, der Grund, warum Umbridge nicht will, dass wir in Verteidigung gegen die dunklen Künste ausgebildet werden, ist der, das sie irgendeine … irgendeine Wahnidee hat, dass Dumbledore seine Schüler zu einer Art Privatarmee aufstellen könnte. Sie denkt, er würde uns gegen das Ministerium ins Feld führen“, erklärte Hermine und ich begann, die Stimmen um mich herum auszublenden.

Ich hatte geschafft, wozu ich hier war. Alle wussten, dass ich zusammen mit Harry unterrichten würde, und bisher gab es auch keine Stimmen dagegen. Wie es dann in Wirklichkeit bei den Unterrichtsstunden aussehen würde, würden wir dann ja sehen. Am Rande bekam ich mit, dass die anderen nun einen Raum für unsere Treffen suchten. Kurz dachte ich daran, den Raum der Wünsche vorzuschlagen, verwarf den Gedanken aber gleich wieder. Ich wollte Dracos und meine Treffen nicht gefährden, das eine essenzielle Ding, was ich in Hogwarts unbedingt brauchte. Ich blieb also stumm und wir kamen weder zu dem Entschluss, wann wir unsere Treffen abhalten sollten, noch, wo wir sie abhalten sollten. „Nun gut, wir werden versuchen was zu finden. Sobald wir ein Datum und einen Ort für das erste Treffen haben, lassen wir eine Nachricht an alle rumgehen“, meinte Hermine. Sie bückte sich und kramte in ihrer Tasche. Heraus zog sie ein Stück Pergament und ihre Feder. Mein Herz begann schneller zu schlagen. Die Liste. Die verzauberte Liste. Ich spannte mich etwas an. „Ich – ich denke, ihr solltet alle eure Namen aufschreiben, nur damit wir wissen, wer da war. Und ich denke auch, wir sollten uns einig sein, dass wir nicht groß rumposaunen, was wir tun. Wenn ihr also unterschreibt, erklärt ihr euch einverstanden, weder Umbridge noch sonst jemandem zu sagen, was wir vorhaben.“ Kaum endete Hermine, griff sich Fred auch schon Pergament und Feder und setzte seinen Namen drauf.

„Ähm … nun … sicher erzählt mir Ernie, wann das Treffen ist“, stammelte Zacharias, doch auch der Junge neben ihm – Ernie, der vorher großspurig seine Rede gehalten hatte – schüttelte unsicher den Kopf. „Ich – nun, wir sind Vertrauensschüler. Und wenn jemand diese Liste findet … also, ich wollte sagen … du hast es selbst gesagt, wenn Umbridge das rauskriegt…“ „Eben hast du noch verkündet, diese Gruppe sei für dich das Wichtigste in diesem Jahr“, schnaubte Harry. „Ich – ja. Ja, das denk ich auch, es ist nur…“ „Ernie, glaubst du wirklich, dass ich diese Liste einfach rumliegen lasse?“, fragte Hermine. „Nein. Nein, natürlich nicht. Ich – ja, natürlich, ich unterschreibe.“ Zuletzt setzten noch Hermine, Ron, Harry und ich unsere Unterschriften auf das Pergament, dann packte Hermine die Liste weg und die allgemeine Aufbruchsstimmung begann. Schnatternd standen alle auf und verließen den Pub. Ich trank noch den letzten Schluck Butterbier aus und folgte Harry dann durch die Tür.

Draußen atmete ich tief durch. Harry legte lachend einen Arm um meine Schultern. „Wir haben’s geschafft. War doch gar nicht so schwer“, grinste er und ich nickte lächelnd. „Nun, ich glaube, das ist ziemlich gut gelaufen“, nickte auch Hermine. „Dieser Zacharias ist ein Peinsack“, schimpfte Ron und blickte der Gruppe um den Jungen hinterher. „Ich mag ihn auch nicht besonders, aber er hat gehört, wie ich am Hufflepuff-Tisch mit Ernie und Hannah geredet habe, und er schien wirklich interessiert dran, mitzukommen, was konnte ich also sagen? Aber je mehr Leute, desto besser im Grunde – Michael Corner und seine Freunde wären wohl nicht gekommen, wenn er nicht mit Ginny gehen würde…“ Mein Mund klappte auf. Ron verschluckte sich und hustete „Er tut was?“ während er wild die Straße rauf und runter schaute. Seit wann hatte Ginny einen festen Freund? Und warum erzählte sie mir das nicht? Warum hatte ich es nicht gemerkt? Warum hatte meine Freundin so ein Geheimnis vor mir?

In Gedanken gab ich mir eine Backpfeife. Ich hatte auch Geheimnisse vor meinen Freunden. Geheimnisse, die weit größer waren als ein fester Freund. Und ich regte mich über Ginnys Geheimnis auf. Was war ich nur für eine schreckliche Freundin? „Leute, ich denke ich gehe zurück ins Schloss. Die Anstrengung durch das Treffen, ihr versteht“, meinte ich und Hermine nickte sofort. Ich löste mich von Harry und machte mich alleine auf den Weg zurück nach Hogwarts. Genau das wollte ich jetzt sein. Allein. Es war gerade Zeit fürs Mittagessen, aber ich ging nicht in die Große Halle, sondern lief die Treppen nach oben. Ich bog auch nicht zum Gemeinschaftsraum ab, sondern machte mich auf direktem Weg zum Raum der Wünsche. Vor dem Wandteppich lief ich dreimal an der Wand vorbei und dachte an das gemütliche Wohnzimmer, das Draco für uns beide erdacht hatte. Schnell schlüpfte ich durch die Tür und hängte meinen Mantel an den Haken. Im Kamin an der Wand prasselte ein Feuer. Ich ließ mich in den weichen Sessel davor fallen und döste vor mich hin. Doch meine Gedanken schwirrten und kamen nicht zum Stillstehen, während ich über mein Leben nachdachte.

Jemand rüttelte an meiner Schulter. Mein Herz begann zu rasen. Ich schreckte auf. Erhob meine Hand. Sackte keuchend wieder in mich zusammen. „Erschreck mich doch nicht so“, murmelte ich und schloss meine Augen. „Tut mir leid. Wie geht es dir? Ist alles in Ordnung?“, wollte Draco wissen und legte seine warme Hand auf meine Wange. Ich zuckte mit den Schultern. „Das Treffen war gut. Gab viele Diskussionen, aber am Ende haben alle zugestimmt mitzumachen und Harry und mich als Lehrer akzeptiert. Jetzt bin ich bloß mal gespannt, wie die Unterrichtsstunden werden. Wir haben weder einen festen Tag, noch einen Ort dafür. Aber ich hab ein schlechtes Gewissen.“ „Warum? Weil du den Raum der Wünsche nicht vorgeschlagen hast?“ „Nein. Ich will unsere Treffen nicht gefährden, die gehen mir über alles. Es geht darum, dass Ginny einen festen Freund hat. Und sie hat es nie mit auch nur einem Wort erwähnt. Ich habe mich darüber aufgeregt, dass sie so ein Geheimnis vor mir hat, dabei habe ich doch noch viel größere vor ihr, vor all meinen Freunden. Nur nicht vor dir.“ Draco seufzte, setzte sich neben mich auf die Sessellehne und zog mich an seine Brust. „Manche Geheimnisse muss man eben haben. Und du hast große Geheimnisse, die nicht nur dich und ein oder zwei weitere Menschen betreffen. Sie betreffen die ganze Welt. Du musst diese Geheimnisse haben, weil nicht nur du sonst in Gefahr wärst, sondern deine Freunde und alle anderen Menschen auch. Du brauchst deswegen kein schlechtes Gewissen zu haben.“

Ich schmiegte mich näher an Draco und seufzte. Eine kurze Zeit lang war es still. „Willst du den Pflanzen-Zauberspruch heute noch einmal ausprobieren?“, fragte mein Freund vorsichtig. Ich schüttelte meinen Kopf. „Ich will viel lieber mit dir kuscheln.“ Draco lachte brummend auf. „Dann gehen wir aber besser aufs Sofa.“ Er löste sich von mir und stand auf. Bevor ich es ihm jedoch gleichtun konnte, schob er seine Arme unter meinen Körper und hob mich einfach hoch. Ich quietschte, riss meine Augen auf und klammerte mich an ihm fest. Wieder lachte Draco. „Ich lass dich schon nicht fallen“, kicherte er und schlenderte zum Sofa hinüber. Dort setzte er mich ab und platzierte sich neben mich. Kurzerhand legte ich mich hin und bettete meinen Kopf in seinem Schoß. Als er begann, mir über meine Haare zu streichen, schloss ich meine Augen. „Ich war mit Crabbe und Goyle in Hogsmeade. Die beiden denken immer nur ans Essen, das kann ich dir sagen. Bin bestimmt eine Dreiviertelstunde mit ihnen im Honigtopf festgesteckt und konnte schon anfangen meinen eigenen Einkauf zu essen, bis die beiden endlich fertig waren. Danach wollten sie sofort ins Drei Besen und ein zweites Frühstück machen. Ich musste aber zuerst zum Schreibwarenladen und sie sind natürlich mitgekommen. Wirklich schade, dass sie sich kaum für gute Bücher interessieren. Und auf dem Weg zum Drei Besen fiel den beiden dann ein, dass sie was im Honigtopf vergessen hatten.“ Draco lachte leise und ich musste schmunzeln. In der Schule schienen die beiden eher seine Anhängsel zu sein, aber wenn sie alleine waren oder er von ihnen redete, merkte man deutlich, dass er sie mochte und als Freunde ansah.

„Also sind wir zurück zum Honigtopf und haben noch mal eine halbe Stunde verschwendet, bevor wir endlich ins Drei Besen gekommen sind. Da war es dann nichts mehr mit zweitem Frühstück. Stattdessen gab es frühes Mittagessen. Und wir haben wieder eine ganze Weile gebraucht, bis wir rausgekommen sind. Danach sind wir…“ Ich schlief tatsächlich ein. Ein paar Stunden später weckte Draco mich und wir aßen etwas vom Abendessen, was uns Dobby extra vorbeigebracht hatte. Danach machten wir uns schnell auf den Weg in unsere Gemeinschaftsräume und ich huschte weiter in den Schlafsaal, damit es so aussah, als wäre ich schon die ganze Zeit dort gewesen.

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