Kapitel 10 - Annäherungen
Am nächsten Morgen wartete ich absichtlich darauf, dass Hermine aus dem Schlafsaal verschwand. Gerade brauchte ich einfach etwas Abstand von ihr. Und sie schien es keinen Deut zu interessieren, zumindest unternahm sie keinen Weckversuch und ging ohne ein Wort. „So Flora, raus aus den Federn“, kam es mit einem Mal von Lavender. Ich runzelte meine Stirn und schob den Bettvorhang zur Seite. „Warum bist du schon wach? Parvati, du auch?“ Die beiden Mädchen warfen sich einen Blick zu und fingen an zu lachen. „Natürlich. Heute gehen wir mit dir frühstücken. Und außerdem haben wir später Wahrsagen, da wollen wir nicht zu spät kommen“, erklärte Lavender und schwang sich aus dem Bett. Wir machten uns nacheinander im Bad fertig, schnappten unsere Schulsachen und stiegen die Treppen hinunter in den Gemeinschaftsraum. „Hey Flora, können wir kurz reden?“, kam es mit einem Mal von der Seite. Hermine. Lavender machte schon den Mund auf, aber ich legte ihr eine Hand auf die Schulter. Sie blieb still. „Was gibt’s?“, wandte ich mich an Hermine. „Es tut mir leid, dass ich dich gestern versetzt habe. Das war doof von mir.“ Ob sie sich wohl auch entschuldigt hätte, wenn Lavender und Parvati gestern Abend nichts gesagt hätten? Ich zuckte mit den Schultern. „Du bist ja nicht meine einzige Freundin. Und du kennst die Jungs halt schon länger als mich. Wir müssen ja nicht ständig alles zusammenmachen“, meinte ich. Lavender hakte sich wie zur Bestätigung bei mir unter. Hermine nickte kurz angebunden, drehte sich um und lief auf einen der Tische zu. Dort saßen Harry und Ron.
„Kommt, lasst uns gehen“, meinte Parvati und lief voraus. „Kommt ihr mit mir zum Essen?“, hörte ich Hermine fragen, als wir an ihr und den beiden Jungs vorbeiliefen. „Sorry Hermine, aber wir müssen noch Hausaufgaben machen“, gähnte Ron. Dann verschwanden wir aus ihrer Hörreichweite. „Heute ist unser langer Tag, wisst ihr das eigentlich? Astronomie um Mitternacht und ich habe noch nicht mal den Aufsatz für Zaubertränke fertig. Oder den für Geschichte angefangen“, seufzte Lavender auf dem Weg hinunter in die Eingangshalle. „Dann musst du eben in der Mittagspause daran arbeiten. Zumindest an dem Aufsatz für Zaubertränke. Binns wird wahrscheinlich eh wieder über das gleiche Thema reden wie am Montag und vergessen haben, dass er uns einen Aufsatz aufgegeben hat“, meinte ich. Der Lockenkopf stöhnte theatralisch. „Das ist noch gar nichts, Lav, denk doch nur mal an unsere ZAGs. Das wird ein Ding“, seufzte Parvati. „Na, ihr kennt euch wenigstens schon etwas mit den Prüfungen hier in Hogwarts aus. Letztes Jahr hab ich ja keine schreiben müssen, weil ich Champion war“, warf ich ein und bekam prompt eine Gänsehaut bei den Erinnerungen daran.
„Aber du wirst doch an deiner alten Schule auch Prüfungen geschrieben haben?“, wollte Lavender wissen und runzelte die Stirn. Mein Herz begann schneller zu schlagen. „Ja natürlich, aber ich meine, die werden ja schon anders sein als hier, ich kann es ja nicht wissen, bei uns war das alles so familiär. Irgendwie gar nicht stressig. Es waren halt auch die ersten drei Jahre“, faselte ich irgendwas zusammen und hoffte, dass ich glaubwürdig rüberkam. „Wie kann denn eine Schule und vor allem die Prüfungen familiär ablaufen?“, fragte Parvati und runzelte ihrerseits die Stirn. Meine Ohren wurden warm. „Oh, naja. Wir hatten zum Beispiel keine Häuser. Es gab nur Jahrgänge und die haben sich alle untereinander verstanden. Jeder hat jedem geholfen, auch die Lehrer ihren Schülern. Und … ähm … an Prüfungstagen durften wir alle länger schlafen … es wurde immer nur ein Fach am Tag geprüft und kein Unterricht gemacht … und die meisten Lehrer haben uns Traubenzucker und Schokolade auf unsere Plätze gelegt … es war einfach eine sehr entspannte Atmosphäre.“ Das war nicht einmal gelogen. Auf meiner weiterführenden Schule in der normalen Welt – der Muggelwelt – war das tatsächlich so gewesen. Jahrgänge statt Häusern, Hilfe von jedem, und Snacks bei Klausuren. „Oh, das klingt toll!“, seufzte Lavender und schloss kurz ihre Augen.
Sie stolperte auf der letzten Treppenstufe. Ich hielt sie schnell fest und stemmte mich gegen ihr Gewicht. So kamen wir sanft auf der Treppe zum Liegen. Sie halb auf dem Boden der Eingangshalle, ich auf den Stufen. Parvati begann zu lachen. Lavender und ich stiegen mit ein. „Ja, es war wirklich schön an meiner alten Schule. Ich vermisse sie sehr. Es war eine ziemliche Umstellung, als ich hierher gewechselt habe.“ „Das kann ich mir vorstellen. Hier geht alles etwas strenger zu“, nickte Parvati und half Lavender auf die Füße. „Aber aus uns sollen ja auch anständige und gut ausgebildete Hexen werden“, warf ich ein und schwang mich auf meine Füße. „Ja, da hast du recht. Aber eigentlich brauche ich gar nicht so gut sein. Ich will später mal einen Laden in der Winkelgasse aufmachen. Oder in einem arbeiten. Vielleicht im Eissalon oder im Tierladen. Das würde mir gefallen“, grinste Lavender. „Oh, wirklich? Das ist ja schön! Und was ist mir dir, Parvati?“ Das Mädchen zuckte mit den Schultern. „Ich weiß noch nicht. Hab keinen Plan.“ Wir setzten uns an den Gryffindor-Tisch. „Und was ist mir dir, Flora?“, wollte Lavender wissen und schnappte sich die Schüssel mit dem Rührei. Ich zuckte leicht mit den Schultern und stellte mir Porridge zusammen.
„Ich bin mir unsicher. Aber ich denke, ich würde gerne Lehrerin hier in Hogwarts werden.“ „Oh, das kann ich mir richtig gut vorstellen. Und ich könnte meine Kinder vorwarnen, dass ich ihre Lehrerin kenne“, lachte Parvati. Ich konnte nicht anders als zu kichern. „Ich weiß nur noch nicht, für welches Fach ich mich bewerben würde. Das kommt ja auch immer darauf an, welche Professoren mal eine Auszeit machen oder aufhören wollen.“ „Hm, dann würde ich dir Verteidigung gegen die dunklen Künste aber nicht empfehlen. Diese Stelle ist verflucht. Seit Jahren ist jeder Lehrer immer nur ein Schuljahr da. Aber ich kann mir auch nicht vorstellen, dass jemand wie Flitwick, McGonagall oder Snape so früh aufhören werde“, überlegte Lavender. „Naja, Alte Runen könnte ich mir gut denken. Professor Babbling ist ja schon ziemlich alt. Und bei ihr übersetzen wir immer nur stur. Das würde ich definitiv ändern. Und in Pflege magischer Geschöpfe würde ich mir Raue-Pritsche zum Vorbild nehmen“, erklärte ich und spielte leicht mit dem Ring an meinem Finger. Dem Silberring mit filigranem Drachenkopf, den Draco mir zum Geburtstag geschenkt hatte. „In den Fächern könnte ich dich auch sehen. Hagrid ist ein schlechter Lehrer. Und vor allem liebt er alle Tiere, die irgendwie gefährlich sind und einen Hang haben uns zu töten. Aber Raue-Pritsche ist ja eigentlich schon im Ruhestand. Das heißt, du könntest auf jeden Fall Mal Vertretungslehrerin spielen, so wie sie in den letzten Monaten immer mal wieder“, meinte Parvati.
„Ok, können wir jetzt aufhören darüber nachzudenken, welches Fach ich mal unterrichte. Es sind noch knapp drei Jahre bis zu unserem Abschluss. In dieser Zeit kann sich viel ändern. Und so lange muss ich einfach in allen Fächern mein Bestes geben, gute ZAGs und UTZs machen, sodass ich notfalls in jedem Fach arbeiten könnte. Dann wäre ich auch flexibel.“ „Und wer weiß, vielleicht wirst du ja irgendwann nach McGonagalls Rücktritt Hauslehrerin von Gryffindor oder Schulleiter nach Dumbledore“, witzelte Lavender und wir lachten erneut an diesem Morgen zusammen. „Verdammt, es ist schon so spät! Wir müssen uns beeilen“, meinte Parvati mit einem Mal. Ich warf einen Blick auf die Uhr und mein Herz machte einen Satz. Schnell schlangen wir unser Frühstück hinunter. „Also, bis dann“, verabschiedete ich mich in der Eingangshalle von den beiden Mädchen und eilte in die entgegengesetzte Richtung zum Klassenzimmer für Alte Runen.
Hermine saß schon an ihrem Platz. „Du bist spät“, kommentierte sie, als ich mich neben sie setzte. „Ja. Hab mich mit Lavender und Parvati verquatscht“, keuchte ich und holte Feder und Pergament heraus. Der Lockenkopf schnaubte nur. Heute übersetzten wir getrennt und in eisiger Stille unseren Text. Nach einer halben Stunde war ich fertig, lehnte mich zurück und dachte über das Gespräch vom Frühstück nach. Der Gedanke, Lehrerin hier in Hogwarts zu werden, vielleicht sogar Hauslehrerin und Schulleitung, gefiel mir mit jeder Minute mehr. Nach Alte Runen machten wir Gryffindors uns auf den Weg aus dem Schloss hinaus und zum Gewächshaus. Auf dem Weg durch die Eingangshalle begegneten wir auch den Schülern aus Wahrsagen. Lavender und Parvati winkten mir grinsend zu. Hermine schloss zu Ron auf, doch Harry ließ sich etwas zurückfallen. Ich runzelte meine Stirn und trat neben den Jungen. „Alles ok? Du siehst ziemlich müde und ehrlich gesagt auch ziemlich abgekämpft aus“, flüsterte ich und musterte mit steigender Besorgnis seine Augenringe. Wir hatten gerade mal den dritten Schultag und er war schon so fertig wie nach einem ganzen Trimagischen Turnier. Der Junge seufzte und fuhr sich über die Haare. Wir traten hinaus in den Innenhof und er fröstelte. „Wir haben einfach so viele Hausarbeiten auf. Und wegen Umbridges Nachsitzen kam ich nicht dazu, gestern noch was zu machen. Und ich muss die ganze restliche Woche nachsitzen, da komme ich doch zu nichts!“, klagte er mir schließlich sein Leid.
„Ach Harry“, murmelte ich und stolperte im nächsten Moment über einen Hubbel im Boden. Harry griff nach meinem Arm und hielt mich sicher und fest auf den Beinen. Ich leckte mir über die Lippen. „Weißt du, wenn es wirklich so schlimm ist und du zu nichts mehr kommst, lasse ich dich bei mir abschreiben. Es ist ja auch nicht gesund, wenn du wegen ein paar Aufsätzen länger wachbleiben musst. Also sag bescheid, wenn es gar nicht mehr geht“, meinte ich. Harrys Griff wurde fester. „Wirklich? Das würdest du für mich tun?“ Ich nickte entschlossen. Harry atmete tief und offensichtlich erleichtert durch. „Danke! Ich danke dir so sehr! Auf dich kann ich mich einfach verlassen“, strahlte er mich schon fast an. Ich erwiderte das Grinsen. „Kein Ding, wirklich. Freunde helfen sich, vor allem bei sowas.“ Kräuterkunde kam und Kräuterkunde ging, ohne dass etwas Spektakuläres geschah.
„Ich gehe gleich in die Bibliothek und mache die Hausaufgaben für Pflege magischer Geschöpfe“, erklärte Harry beim Mittagessen, dass er – warum auch immer – mit mir zusammen bei Lavender und Parvati verbrachte. „Ist gut, ich komme mit. Und ihr?“ Die beiden Mädchen warfen sich einen Blick zu. Dann jedoch siegte das Denken an den Hausaufgabenberg über das Misstrauen, das sie Harry gegenüber wohl teilweise empfanden. „Ist gut, wir müssen ja auch noch einiges fertig machen“, seufzte Lavender. So machten wir uns als Vierergruppe auf den Weg zur Bibliothek und suchten uns dort einen Tisch. „Hier, Harry. Du kannst meine Zeichnung einfach abmalen“, meinte ich und holte das entsprechende Pergament aus meiner Schultasche. „Danke, Flora“, schmunzelte Harry und begann sogleich mit dem abzeichnen. Ich kontrollierte noch einmal meine Aufsätze für Zaubertränke, Geschichte und Verteidigung und besserte ein paar Fehler aus. Dann begann ich den Aufsatz für Zauberkunst. „Hey, gleich geht der Unterricht weiter“, erkannte ich bald mit einem Blick auf die Uhr.
Wir packten also zusammen und liefen zum Klassenzimmer für Verwandlung. Die meisten Schüler schafften es, ihre Schnecke zum Verschwinden zu bringen. Ein paar aber leider nicht und so mussten wir alle diese Stunde noch einmal den Verschwindezauber üben. Besonders Harry stach mit seiner schlechten Leistung deutlich hervor; Er war sogar schlechter als Neville und das sollte was heißen. Einmal hatte ich das letztes Jahr schon erlebt, dass Harry im Unterricht schlechter was als Neville. Es war in Zauberkunst gewesen und hatte am Trimagischen Turnier gelegen. Im Unterricht für Pflege magischer Geschöpfe beschäftigten wir uns weiter mit den Bowtruckles. Danach ging es direkt zum Abendessen, wo ich mich mit Lavender und Parvati etwas abseits hinsetzte. Ich ließ meinen Blick schweifen und entdeckte Harry, der kurz darauf zum Nachsitzen verschwand. Wenig später folgte Ron. Ich runzelte meine Stirn. Hermine hatte gestern schon gesagt, dass der Weasley einfach abgehauen war. Was trieb er bitteschön? „Flora, könntest du uns vielleicht bei unseren Aufsätzen für morgen helfen?“, holte Lavender mich aus meinen Überlegungen. „Ähm, eigentlich wollte ich mich vor Astronomie noch etwas ausruhen“, meinte ich. „Aber wir sind uns wirklich unsicher bei dem Aufsatz für Zaubertränke. Und in Geschichte haben wir absolut keinen Plan. Wir haben das meiste des Vortrags verschlafen“, murmelte Parvati. „Na schön. Ich gehe eure Zaubertrank-Aufsätze durch, während ihr die für Geschichte schreibt. Und bei denen helfe ich euch dann auch etwas“, sagte ich. „Oh, du bist die Beste!“, quietschte Lavender und umarmte mich von der Seite. Ich wusste jetzt schon, dass ich das später bereuen würde.
So hatte ich also keine richtige Pause vor Astronomie und war dementsprechend müde, als wir uns alle auf dem Turm in absoluter Dunkelheit einfanden. Nur Harry sah noch müder und abgerackerter aus als ich mich fühlte. Wenigstens machten wir in dieser Stunde nicht viel mehr als uns den Nachthimmel anzuschauen. Dann schlurften wir alle zurück zum Gemeinschaftsraum. Ich hielt inne, als Harry sich plötzlich an einen der Tische setzte und Feder und Pergament aus seiner Schultasche zog. „Was willst du denn jetzt noch machen?“, gähnte ich. „Snapes Aufsatz. Ich hab ihn noch nicht angefangen und ich muss wenigstens irgendwas abgeben“, murmelte der Junge. Ich nickte und lief weiter in den Schlafsaal. Lavender und Parvati lagen schon in ihren Betten. Hermine musste gerade im Bad sein. Ich kramte aus meinen Schulsachen den Aufsatz für Zaubertränke heraus und lief wieder nach unten in den leeren Gemeinschaftsraum. „Hier. Kannst abschreiben. Aber ändere bitte ein paar Sachen ab, damit Snape nichts merkt. Ich will es mir mit ihm nicht verscherzen“, meinte ich und reichte Harry meinen Aufsatz. Der blinzelte ungläubig darauf. „Danke Flora! Du bist wirklich eine wahre Freundin. Und wenn Snape was merkt, sage ich einfach, ich hätte deinen Aufsatz geklaut als du nicht hingesehen hast.“ Ich schmunzelte leicht. „Kein Ding. Schau bloß, dass du nicht so spät ins Bett kommst. Die Hausaufgaben von heute kannst du auch noch wann anders machen. Also dann, gute Nacht.“ „Gute Nacht.“ Ich schlurfte wieder nach oben in den Schlafsaal. Nun schlief auch Hermine. Ich machte mich blitzschnell bettfertig und schlief noch schneller ein.
„Nicht ganz so miserabel, wie ich erwartet hatte“, begann Snape am nächsten Morgen seinen Unterricht und deutete auf unsere Zaubertrankphiolen. Ein leises Stöhnen hinter mir erklang. Ich kniff meine Lippen zusammen. Natürlich. Harrys Trank war nutzlos gewesen, weshalb Snape ihn hatte verschwinden lassen. Er würde durchfallen – die schlechteste Note war ein T für Troll. Hätte er seinen Trank abgeben können, hätte er vielleicht noch ein Schrecklich rausholen können. Zwar immer noch durchgefallen, aber besser als ein Troll allemal. „Bringen Sie Ihre Aufsätze nach vorne aufs Pult und holen Sie sich ihre Phiolen ab. Selbstverständlich habe ich die Tränke daraus bereits entfernt“, schnarrte Snape. Ein großes Stühlerücken begann. Ich blieb noch sitzen. Was brachte es mir, mich jetzt vor das Pult zu drängen. Die Wartezeit war die gleiche. Als die ersten Schüler sich wieder auf ihre Plätze fallen ließen, stand auch ich auf. Sorgfältig legte ich meinen Aufsatz auf den Stapel Pergament und suchte nach der Phiole mit meinem Namen. Nach kurzem Suchen fand ich sie und sah mir auf dem Rückweg zu meinem Platz meine Note an. Ein Ohnegleichen. Was hatte ich auch anderes erwartet?
Einen Unterricht später in Geschichte hielt Binns – wie erwartet – wieder den gleichen Vortrag wie am Montag. Trotzdem versuchte ich aufzupassen und meine Notizen zu erweitern. Ich mochte Geschichte an sich sehr gerne – und nun hatte ich die Möglichkeit, mehr über eine Welt zu erlernen, die ich 14 Jahre lang nicht gekannt hatte. Aber bei Binns schleppender Stimme schliefen einfach immer alle Schüler ein. Dieses Mal schlummerten Harry und Ron sogar schon, noch bevor der Lehrer überhaupt einen richtigen Satz gesprochen hatte. Seufzend blickte ich zu den beiden und schüttelte meinen Kopf. Die mussten echt verdammt müde sein, wenn sie so schnell einschliefen. Gut, Harry war vielbeschäftigt durch das Nachsitzen und die späten Hausaufgabensitzungen. Aber was trieb Ron bitteschön, das ihn so sehr auslaugte? „Ich glaub’s ja nicht!“, murmelte Hermine neben mir und streckte ihre Hand über mein Pergament zu Harry aus. Ich hielt sie fest und blickte ihr entschlossen in die Augen. „Lass ihn, er hat gerade viel um die Ohren. Soll er ein paar Stunden Schlaf nachholen“, meinte ich. Hermine blickte mich mit gerunzelter Stirn an. Dann riss sie ihre Hand aus meiner und konzentrierte sich wieder auf ihre Notizen. Lautlos seufzte ich. Wie hatte unsere Freundschaft innerhalb eines Tages bloß so sehr leiden können? Lag es daran, dass wir die letzten Wochen alle in einem Haus festgesessen hatten? Vielleicht waren wir zu lang zu nah beieinander gewesen. Hatten nicht genügend Abstand gehabt. Oder war es immer noch deswegen, weil ich ihr und den anderen alles über den Orden des Phönix verschwieg? Ich schüttelte meinen Kopf. Hermine war meine Freundin, kein Zweifel, aber ich hatte auch noch andere Freunde. Lavender und Parvati zum Beispiel. Harry war mein Freund, Ron würde ich eher als einen Bekannten bezeichnen. Fred, George und Lee waren meine Freunde. Ginny war meine Freundin. Mit Dean, Neville und Seamus konnte ich mich auch noch näher anfreunden, immerhin waren sie in meinem Haus und Jahrgang. Und dann war da noch Draco. Mein wohl bester Freund. Aber unsere Freundschaft konnten wir schlecht öffentlich ausleben.
Nach dem Mittagessen verschwanden Harry und Ron in die Bibliothek. Ich begleitete sie dabei und nur das schien es zu sein, was Hermine davon abbrachte, mit ihnen zu gehen. „Ähm, Flora?“ Ich schreckte von meinem Verwandlungs-Aufsatz auf. „Neville? Was gibt’s?“ Der Junge schaute unsicher von mir zu Harry und Ron und wieder zurück auf meine Stirn. „Ich wollte dich fragen … also … ich bin nicht so gut in Verwandlung…“ Ich konnte nicht anders als zu grinsen. „Setz dich. Brauchst du Hilfe bei deinem Aufsatz?“ „J-Ja.“ Neville ließ sich auf den Stuhl neben mich fallen. „Und jetzt brauchst du noch Feder, Pergament und Schulbuch“, schmunzelte ich. Prompt lief er rot an, stammelte ein paar Worte und holte alles aus seiner Schultasche. Mein Plan, mich etwas vertrauter mit den anderen Gryffindor-Jungs zu machen, schien wohl schon jetzt zu starten. Bis zum Ende der Mittagspause half ich Neville bei seinem Aufsatz und schrieb gleichzeitig an meinem eigenen. „Danke, Flora! Du hast mir so gut geholfen, das war wirklich nett“, murmelte Neville, als wir uns auf den Weg zu Verteidigung gegen die dunklen Künste machten. „Kein Ding. Du kannst mich immer fragen, wenn du mal Hilfe brauchst. Ich helfe gerne.“
„Flora wird nämlich mal Lehrerin in Hogwarts“, kam mit einem Mal Lavender von der Seite und legte mir einen Arm um die Schulter. Neville bekam große Augen. Meine Ohren wurden heiß. „Ach, rede doch keinen Unsinn!“, murmelte ich und stieß dem Mädchen meinen Ellenbogen in die Seite. „Nichts Unsinn. Flora will Lehrerin hier in Hogwarts werden. Und ich könnte sie mir für jedes Fach vorstellen!“, meinte Parvati. „Und was denkst du?“, wandte ich mich an den Tollpatsch unseres Jahrgangs. „Ähm … also … du hast das vorhin wirklich sehr gut gemacht … mit dem Erklären und so. Ich finde, du könntest wirklich Lehrerin werden“, sagte Neville. Ich leckte mir über die Lippen. „Na bei so viel Zuspruch“, murmelte ich und Lavender und Parvati begannen zu lachen. Umbridge zog ihren Theorietrip weiterhin eisern durch und wir verbrachten die ganze Unterrichtszeit mit Lesen. Ich kam nicht umhin, der Frau hin und wieder einen bösen Blick zuzuwerfen. Nicht nur brachte ihr Unterricht rein gar nichts, wegen ihr stand Harry schon in der ersten Schulwoche total unter Stress. „Kommt, lasst uns in der Bibliothek noch etwas an den Hausaufgaben schreiben“, wandte ich mich nach dem Unterricht an Harry und Ron. Wir hatten nun frei, Hermine und ein paar der anderen mussten jetzt noch zu Arithmantik.
„Darf ich auch mitkommen?“, kam es plötzlich von hinten. Ich drehte mich überrascht um, lächelte Neville dann aber an. „Klar, sehr gerne.“ „Wir kommen auch mit“, meinte Lavender und hakte sich bei Parvati unter. Als große Gruppe setzen wir uns an einen der Tische in der Bibliothek. Ich schrieb mit Neville weiter an dem Aufsatz für Verwandlung. Harry und Ron beantworteten die Fragen für Pflege magischer Geschöpfe. Und Lavender und Parvati arbeiteten eifrig an ihren Hausaufgaben für Wahrsagen. Ich konnte nicht anders als meinen Blick kurz über uns schweifen zu lassen. Wir gaben schon eine schöne Lerngruppe ab. Geschlossen machten wir uns später auf den Weg zum Abendessen und es kam dabei sogar eine richtige Unterhaltung zustande. Schließlich wurde es aber für Harry Zeit zum Nachsitzen. „Ich muss noch was erledigen“, murmelte Ron nur Minuten später und verschwand ebenfalls. „Wisst ihr, was er jeden Abend treibt? Das ist nun schon das dritte Mal, dass er sich mit dieser Ausrede davonstiehlt“, fragte ich in die Runde. Neville zuckte mit den Schultern. „Wenn ich das nur wüsste“, seufzte Lavender und ich runzelte meine Stirn. „Keine Ahnung“, meinte Parvati und ich beließ es dabei. Vielleicht würden wir ja bald alle erfahren, was Ron denn so getrieben hatte die letzten Abende.
Irgendwann verabschiedete Neville sich von uns und eilte zum Portal der Großen Halle, wo Dean und Seamus auf ihn warteten. Wenig später machte ich mich mit Lavender und Parvati auf den Weg zum Gryffindor-Gemeinschaftsraum. „Also wir wollen uns jetzt eines der Magazine anschauen. Immerhin haben wir schon den ganzen Nachmittag Hausaufgaben gemacht“, meinte Lavender. „Ich schreibe lieber noch etwas. Dann muss ich am Wochenende weniger machen“, meinte ich und das Mädchen nickte. „Ist gut. Aber wenn dir langweilig wird, kannst du dich jederzeit zu uns gesellen“, grinste sie. „Ich werde dran denken“, lachte ich und breitete mich an einem Tisch im Gemeinschaftsraum aus. Mit dem Aufsatz für Verwandlung war ich fertig geworden. Nun wollte ich mich an Pflege magischer Geschöpfe machen. Ich sah mir die Fragen an, die Raue-Pritsche uns aufgegeben hatte, und begann im Buch zu blättern. Mit einem Mal räusperte sich jemand neben mir und ich blickte auf. „Was gibt’s?“ wollte ich wissen und musterte Hermine. Eine ihrer Hände spielte mit ihren Haaren. Kurz biss sie auf ihrer Lippe herum. „Kann ich mit dir Hausaufgaben machen?“ Fast hätte ich über diese simple Frage gelacht. Schmunzelnd deutete ich auf den Platz mir gegenüber. „Sehr gerne“, meinte ich und schob mein Zeug etwas zur Seite. Hermine begann schon fast zu strahlen wie eine Glühbirne. In Eintracht arbeiteten wir an unseren Hausarbeiten. Nebenher verzauberte Hermine Stricknadeln und ich beobachtete diese eine Weile beim Stricken einer Mütze. Kopfschüttelnd fing ich mich wieder und schrieb weiter.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top