Kapitel 1 - Der Orden des Phönix

Gerade las ich Dracos zweiten Brief an mich, als es mit einem Mal an der Terrassentür klopfte. Erschrocken ruckte mein Kopf nach oben. Aus Reflex erhob ich meine eine Hand leicht. Doch es war nur eine Eule, die mit ihrem Schnabel energisch gegen das Glas schlug. „Meine Güte, was ist denn mit der los?“, murmelte ich und blickte zu Tetris, die unseren Besucher aufmerksam beobachtete. Seufzend erhob ich mich von meinem Platz und tapste über den Boden zur Tür. Die schob ich auf und gewährte der fremden Eule Einlass. Sie hüpfte ins Wohnzimmer, blieb dann vor mir stehen und streckte mir ihr Bein entgegen. Erst jetzt bemerkte ich die kleine Schriftrolle daran. „Oh“, machte ich erstaunt, kniete mich hin und erlöste die Eule von ihrer Post. Sie schuhute, schüttelte sich und flog wieder nach draußen. Kopfschüttelnd blickte ich zu Tetris. „Du haust aber nicht einfach ab, wenn ich jetzt die Tür offen stehen lasse, oder?“ Tetris legte ihren Kopf schief und stieß einen leisen Schrei aus. Schulterzuckend ließ ich die Tür also offen. Sonst wurde es so schnell so stickig hier drin. Noch im Gehen brach ich das mir unbekannte Wachssiegel der Schriftrolle und entrollte das Pergament. Abrupt blieb ich stehen. Das durfte doch nicht wahr sein! Ich hatte keine zwei Wochen Ruhe gehabt!

Verehrte Miss Dawson,
hiermit möchte ich Sie darüber informieren, dass Sie Ihre restlichen Ferien an einem anderen Ort verbringen sollen, der unserer Sache dienlich ist. Ich kann über diesen Brief nicht allzu offen reden, daher mehr wenn ich Sie morgen Abend gegen elf Uhr abhole. Bitte packen Sie Ihren Hogwartskoffer und warten Sie vor der Haustür auf mich.
Mit freundlichen Grüßen
Albus Dumbledore

Seufzend senkte ich das Pergament und blickte zu Tetris, die abermals ihren Kopf schiefgelegt hatte. „Frag mich besser nicht. Albus Dumbledore will, dass ich die restlichen Ferien an einem wahrscheinlich geheimen Ort verbringe um wahrscheinlich Dinge zu tun, die sehr wahrscheinlich gegen das Gesetz verstoßen. Warum sonst sollte er so geheimniskrämerisch tun und mich im Dunkeln abholen?“, seufzte ich. Tetris schuhute. „Ja, du hast leicht reden. Du musst ja nur die Post überbringen“, grinste ich und setzte mich zu ihr an den Tisch. Ich warf noch einen schnellen Blick auf Dracos Brief, ehe ich Feder und Pergament zur Hand nahm.

Draco
Es hat sich eine neue Situation ergeben. Dumbledore will mich morgen Abend abholen und an einen geheimen Ort bringen. Ich weiß noch nicht, wo dieser Ort sein soll oder was das alles zu bedeuten hat. Ich schreibe dir in den kommenden Tagen Genaueres. Irgendwo werde ich schon eine Eule ausfindig machen.
Flora

Eilig schickte ich Tetris mit der Nachricht ab. Da war ich aber mal gespannt, was der große Albus Dumbledore nun von mir wollte. Ein bisschen konnte ich es mir schon denken. Ich war Merlins Erbin. Dumbledore wollte meine Unterstützung, er musste mir nur noch sagen für was.

Meine Nacht war recht kurz und so stand ich schon früh auf um meinen Koffer zu packen. Die meisten Schulsachen sowie meine Uniformen hatte ich direkt in dem großen Schrankkoffer gelassen. Nur meine anderen Klamotten hatte ich wieder herausgeholt, zusammen mit ein paar anderen Kleinigkeiten, die nun überall in meinem Zimmer verstreut lagen. Seufzend sammelte ich Schulbücher und magische Süßigkeiten ein und warf sie in den Koffer. Dann begann ich meine Klamotten zu sortieren. Ich wusste ja, auf welche Wetter und Temperaturen ich mich einstellen musste. Brummend bemerkte ich, dass mir ein paar meiner Kleidungsstücke bereits zu klein geworden waren. Ich musste dringend einkaufen gehen. Genügend Geld hatte mein Vater mir ja hinterlassen. Vielleicht hatte ich in den nächsten Tagen mal die Möglichkeit, in London bummeln zu gehen. Muggellondon sollte da ja genügen.

Letztlich war mein Koffer gepackt und ich stand wieder unter der Spannung des Wartens. Also schleppte ich mein Gepäck schon einmal zur Treppe. „Was mache ich eigentlich? Ich kann doch zaubern“, fiel es mir wieder ein. Ich kramte meinen Zauberstab hervor und ließ den Koffer ganz einfach nach unten bis zur Tür schweben. Gut, dass diese Spur nicht auf mir lag, die das Zaubereiministerium benutze, um alle minderjährigen Hexen und Zauberer zu kontrollieren. „Ich muss meinem Vater noch eine Nachricht schreiben“, bemerkte ich kurz darauf beim Frühstück. Ich schnappte mir Zettel und Stift und dachte kurz nach.

Vater
Ich bin schon früher zurück ins Internat gefahren. Es findet ein Sommeraufbaukurs für die nächste Klassenstufe statt.
Deine Tochter Flora

Ja, das sollte ihm gefallen. Ich holte mein gefälschtes Zeugnis aus meinem Zimmer und platzierte es zusammen mit dem Zettel auf dem Wohnzimmertisch. Wann immer mein Vater auch zurückkommen würde, er würde beides finden und sicher nicht enttäuscht sein. Aber das war auch schon die einzige Emotion. Nicht enttäuscht sein. Mit jeder verstreichenden Stunde wuchs meine Aufregung und Neugier immer mehr. Ich wollte endlich, dass Dumbledore mich abholte und mir sagte was Sache war. Ich wollte wissen, wohin er mich bringen wollte. Und ich wollte wissen, was ich dort tun sollte. Um halb elf hielt ich es nicht mehr aus. Ich verfrachtete meinen Koffer vor die Haustür, schloss diese ab und setzte mich auf die Stufen davor. Ich musste ein komisches Bild abgeben, wie ich da in der Dämmerung saß und mit einem Koffer zu warten schien. Ein Glück waren unsere Nachbarn bereits alle im Haus zugange, die meisten Kinder schliefen schon und der Rest schaute die Abendnachrichten oder beschäftigte sich anderweitig. Keiner hatte einen Grund aus dem Fenster zu sehen. Ich stützte meinen Kopf auf meine Hände und dachte weiter nach.

Mir kam mein Gespräch mit Dumbledore wieder in den Sinn, Ende des Schuljahres in seinem Büro. Er hatte sich meine Unterstützung für den Kampf gegen Voldemort zugesichert. War es das, was mir bevorstand? Der Kampf gegen das Böse? Aber in welcher Form? Ein lauter Knall holte mich in die Wirklichkeit zurück. Sofort griff ich nach meinem Zauberstab und hielt ihn schützend vor mich. „Aber, aber, Miss Dawson. Ich würde mein Leben doch gerne noch eine Weile behalten“, erklang die ruhige Stimme meines Schulleiters. Mein Herz beruhigte sich nur langsam, während ich meinen Zauberstab wieder in meine Hosentasche steckte. „Ich hätte mir denken sollen, dass Sie apparieren, Dumbledore. Dann wäre ich besser auf den Knall vorbereitet gewesen“, seufzte ich und stand auf. „Es schadet nichts, immer vorsichtig zu sein, Miss Dawson. Nun, ich denke, ich schulde Ihnen eine Erklärung. Wollen wir nicht ein Stück gehen?“ Ich warf einen Blick auf meinen Koffer, der im nächsten Moment verschwand. „So sollte ihn niemand finden. Also? Ich sehe, es gibt hier einen schönen Weg um das Dorf herum“, meinte Dumbledore und lief schon los. Mir blieb keine andere Wahl als ihm zu folgen.

„Also, dann schießen Sie mal los“, murmelte ich nach ein paar Schritten. Ich war müde, es wurde langsam doch recht kalt und ich hatte irgendwie das Gefühl, dass diese Nacht noch lang werden würde. „Natürlich, Miss Dawson. Vielleicht erinnern Sie sich ja noch an unser Gespräch Ende des letzten Schuljahres? Nun, in den letzten Wochen ist es mir gelungen, eine alte Widerstandsgruppe wieder ins Leben zu rufen, die es schon im ersten Krieg gegen Voldemort gab. Den Orden des Phönix. Momentan können wir nicht allzu offen gegen Voldemort vorgehen – aus offensichtlichen Gründen. Daher haben wir uns auf andere Bereiche spezialisiert, zum Beispiel der Anwerbung neuer Mitglieder und der Verbreitung der Nachricht von Voldemorts Rückkehr, aber auch der Überwachung Harry Potters zu dessen Schutz. Ich beabsichtige, Sie ins Hauptquartier des Ordens zu bringen und als neues Mitglied aufzunehmen. Gewiss wird niemand Ihr Geheimnis erfahren, weswegen es zum Unverständnis der meisten Mitglieder kommen wird – immerhin ist die Teilnahme erst volljährigen, mit der Schule fertigen Zauberern und Hexen gestattet. Aber auf mein Wort hin wird niemand an Ihrem Wert für unsere Unternehmung zweifeln. Heute Abend findet ein Treffen der meisten Mitglieder statt, um Sie vorzustellen und in unsere Arbeit einzuführen. Was sagen Sie?“ Geplättet von der Informationsflut schwieg ich und dachte nach. Es gab eine Widerstandsgruppe gegen Voldemort und ich sollte in deren Hauptquartier. Sie arbeiteten…

„Arbeitet ihr im Geheimen?“, wollte ich wissen. „Ja. Bedauerlicherweise glaubt das Zaubereiministerium nicht, dass Voldemort zurückgekehrt ist. Daher können wir nicht allzu offen vorgehen.“ Gut, also eine geheime Widerstandsgruppe, die gegen das Ministerium arbeitete. „Was wären meine Aufgaben?“ „Sie würden vielfältig eingesetzt werden, Miss Dawson. Ich bin mir Ihrer Macht bewusst, daher traue ich Ihnen alle Arten von Aufträgen zu. Natürlich erst, wenn Sie sich im Orden und im Hauptquartier eingelebt haben. Aber Sie dürfen an allen Sitzungen des Ordens teilnehmen; Es wird nichts vor Ihnen verheimlicht.“ Interessant, interessant. Ich würde also ein vollständiges Mitglied des Ordens werden, ohne Wenn und Aber. Und das bloß, weil ich Merlins Erbin war. „Ich freue mich, dass ich dem Widerstand helfen und gegen Voldemort kämpfen kann. Lassen Sie uns gehen“, schloss ich meine Gedanken. „Wunderbar. Dann lassen Sie uns zurück zu Ihrem Haus gehen“, schmunzelte Dumbledore. Kaum dort, wurde mein Koffer mit einem Schlenker seines Zauberstabs wieder sichtbar.

„Halten Sie Ihren Koffer gut fest und nehmen Sie meinen Arm. Wir werden apparieren“, meinte Dumbledore. Ich nickte, umklammerte den Henkel mit der einen und seinen Arm mit der anderen Hand. Schon spürte ich ein Reißen hinter meinem Bauchnabel. Ich wurde weggezogen. Taumelnd kamen wir auf einer leergefegten Straße zum Stehen. Wobei – nur ich taumelte, Dumbledore stand wie eine eins. Blinzelnd blickte ich vor uns auf eine Häuserreihe. „Das Haus ist aber nicht gut getarnt. Welches von beiden ist es denn?“, wollte ich wissen und blickte von Nummer 11 zu Nummer 13. Hm, komisch. Wo war denn die 12? „Oh, Sie werden feststellen, dass das Haus wunderbar getarnt ist. Es ist versteckt und ich bin der Geheimniswahrer. Hier vor Ihnen, Miss Dawson, befindet sich Grimmauldplatz Nummer 12.“ Die Fassade der beiden Häuser begann zu wackeln. Mein Mund klappte leicht auf. Zwischen Nummer 11 und 13 tat sich ein neues Haus auf, viel ramponierte und ungepflegter, aber es war unverkennbar da. Grimmauldplatz Nummer 12.

„Ich muss Sie bitten beim Eintreten äußerst bedacht und leise zu sein. Das Haus führt ein gewisses Eigenleben und wir wollen gewisse Bewohner nicht unnötig wecken“, meinte Dumbledore und trat zur Tür. „Alles klar“, murmelte ich und stemmte meinen Koffer hinter ihm her. Dumbledore öffnete die Tür. Ich trat von der Dunkelheit der Nacht in eine noch dunklere Dunkelheit einer Halle, die schon wenige Sekunden später durch einen Kronleuchter erhellt wurde. Ein Stimmensummen wurde laut. Neugierig blickte ich um eine Ecke zu einer angelehnten Tür, aus der Licht schimmerte. „Wie es aussieht, sind bereits alle Ordensmitglieder eingetroffen. Wunderbar. Ich zeige Ihnen noch schnell Ihr Zimmer, in dem Sie die nächsten Wochen unterkommen werden. Dann können wir zu den anderen stoßen“, schmunzelte mein Schulleiter, offenbar bester Laune, da wir nun hier waren. Mit einem Schlenker seines Zauberstabs ließ Dumbledore meinen Koffer vor sich her schweben. Ich folgte ihm die alte, knarrende Treppe hinauf in den ersten Stock und weiter in ein Schlafzimmer, das definitiv schon bessere Zeiten gesehen hatte. Aber es hätte auch schlimmer sein können. Sanft landete mein Koffer neben dem Bett und wir stiegen die Stufen wieder hinunter.

Vor der angelehnten Tür blieb ich noch einmal stehen und atmete tief durch. Dumbledore legte mir eine Hand auf die Schulter. Ich blickte zu ihm hoch. Er nickte mir zu und schob mich in den Raum. Augenblicklich erstarben alle Stimmen und ich fand mich im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit wieder. Die ganzen Hexen und Zauberer saßen an einem langen Tisch, ähnlich einem Konferenztisch. Wie passend. Ich versuchte dem Drang entgegenzuwirken, mich klein zu machen und hinter Dumbledore zu verstecken. Ich war Merlins Erbin, verdammt! Und eine Gryffindor! Hoffentlich unauffällig streckte ich mich etwas und blickte entschlossen in die Runde. Die meisten Gesichter hatte ich noch nie zuvor gesehen. Gut, bis auf McGonagall und Snape hatte ich noch niemanden zuvor gesehen. Ach, Moody war auch da, aber das letztes Schuljahr war ja nicht der echte Moody gewesen, also zählte der wohl nicht. Dumbledore ließ meine Schulter wieder los und stellte sich neben mich. „Das, verehrte Ordensmitglieder, ist Flora Dawson. Derzeitige Hogwarts-Schülerin im Hause Gryffindor und äußerst begabt. Ich beabsichtige, sie in den Orden aufzunehmen und voll einzubinden“, erklärte Dumbledore. Die Stille hielt noch etwa drei Sekunden an. Dann brach eine laute Diskussion los.

Ich räusperte mich leicht und schlug die Hände hinter meinem Rücken zusammen. Bloß stramm stehen und die anderen reden lassen. Natürlich konnten sie Dumbledore nicht verstehen, sie kannten meine Macht nicht. Da konnte der alte Mann sagen was er wollte. Aber ich würde mein Geheimnis definitiv nicht verraten, nur um in einem geheimen Orden akzeptiert zu werden. Dafür war dieses Geheimnis zu wertvoll. Zu zukunftsbestimmend. Mein Blick flog von einem zum anderen am Tisch. Mehrere Sätze flogen mir um die Ohren, zusammenhang- und antwortlos. „Sie ist noch ein Kind, Dumbledore!“ „Ich dachte wir nehmen keine Schüler auf!“ „Das ist unerhört!“ „Warum tut er das?“ „Miss Dawson ist eine sehr begabte Schülerin!“, verteidigte McGonagall mich, aber das war auch schon die einzig positive Stimme. Von Snape kam nichts. Natürlich passte es nicht zu ihm, sich bei solch einer Diskussion einzumischen, und erst recht nicht, für mich Partei zu ergreifen. Ich als Gryffindor, Feindin des Hauses Slytherin. Schwachsinn.

„Das reicht“, sagte Dumbledore. Obwohl die Stimmen um uns herum viel lauter gewesen waren, hörten ihn alle sofort. Was mich noch mehr erstaunte: Sie hörten auch auf das, was er sagte. Fast augenblicklich wurde es wieder ruhig und Dumbledore bekam die Aufmerksamkeit zurück. Der alte Mann räusperte sich und erhob seine Stimme. Fast vibrierte mein Körper bei seinen Worten. „Meine Entscheidung ist endgültig. Jeder von euch wird Miss Dawson als vollwertiges Mitglied des Phönixordens akzeptieren und gleichermaßen auch so behandeln.“ Der alte Mann musterte die anderen über seine Halbmondbrille hinweg. Es blieb still. „Nun, da das geklärt ist, wäre eine Vorstellungsrunde für Miss Dawson angebracht.“ Dumbledore begann, auf jeden Zauberer und jede Hexe zu zeigen und mir deren Namen zu nennen. Ich wusste schon nach dem dritten, dass ich bestimmt eine Ewigkeit brauchen würde, um jeden mit dem richtigen Namen anzusprechen.

„Dies hier ist Sirius Black, gewiss hast du schon von ihm gehört.“ Ein entflohener Massenmörder? Interessant. Was machte der im Hauptquartier des Widerstands? „Netterweise stellt er uns sein Haus als Hauptquartier zur Verfügung.“ Ach, das tat er also. Aber warum war er überhaupt Teil des Ordens? „Dies hier ist Dädalus Diggel. Neben ihm sitzt Elphias Doge. Dort hinten in der Ecke, das ist Mundungus Fletscher. Die liebe Hestia Jones. Nymphadora Tonks.“ „Nenn mich nicht Nymphadora!“, rief die junge Frau dazwischen. Ich musste mehrmals blinzeln, als ihre Haare sich von lila zu knallrot und dann weiter zu rosa färbten. Wie machte sie das bloß? Das war ja mega cool! „Sie wird lieber Tonks genannt. Neben ihr sitzt Remus Lupin, er war ein Jahr vor deinem Eintritt in die Schule Professor für Verteidigung. Minerva und Severus kennst du ja bereits. Und Alastor Moody sollte dir ebenso bekannt sein. Das hier sind Sturgis Podmore und Kingsley Shacklebolt. Und dann haben wir noch die gute Emmeline Vance. Sehr schön, nun muss ich noch ein paar kleine Dinge mit Miss Dawson besprechen, bevor ich wieder gehen muss. Ich schicke sie euch gleich zurück in die Versammlung. Miss Dawson, wenn ich bitten dürfte.“ Dumbledore zeigte auf die Tür. Ich trat vor ihm in die Halle und begleitete ihn zur Haustür. Dort blieben wir stehen.

„Zuerst einmal möchte ich Sie hinsichtlich dieser Sache um absolute Verschwiegenheit bitten. Auch gegenüber Ihren Freunden. Sie dürfen nichts erwähnen, was den Orden betrifft. Dies ist von äußerster Wichtigkeit. Kann ich auf Sie zählen?“, bat Dumbledore. Ich nickte entschlossen. Wahrscheinlich brachte das Wissen, was ich hier zusammentrug, mich sowieso in Gefahr, dann sollten meine Freunde erst recht nichts davon erfahren. „Dann wollte ich Ihnen noch erzählen, dass auch Hagrid im Orden ist. Er war heute nicht da, weil er einer wichtigen Mission nachgeht. Auch Arthur, Molly, Bill und Charlie sind im Orden. Die Weasleys werden zusammen mit Miss Granger bald hier ankommen. Außerdem verwenden wir im Orden eine spezielle Kommunikation über unseren Patronus. Einer der anderen Mitglieder wird sie Ihnen in den nächsten Tagen beibringen. Nun hoffe ich, alles gesagt zu haben, denn mir bleibt keine Zeit zu bleiben. Ich muss gehen. Ich wünsche Ihnen viel Glück, Miss Dawson. Ach, das hier wollte ich Ihnen noch geben. Ich bin mir sicher, Sie könnten es vielleicht gebrauchen. Das ist ein Beutel mit unaufspürbarem Ausdehnungszauber. Auf Wiedersehen.“ Dumbledore drückte mir einen Beutel in die Hand und verschwand so schnell, dass ich nicht einmal ein Wort des Abschieds oder Dankes an ihn richten konnte.

Ich sammelte meine Gedanken kurz und lief zurück in den Besprechungsraum. Den Beutel umklammerte ich fest mit meiner Hand. „Du kannst dich neben mich setzen“, rief Tonks, kaum dass ich wieder im Raum stand, und winkte auf einen freien Stuhl neben sich. Ich konnte nicht anders als leicht zu lächeln. „Danke“, murmelte ich beim Setzen. Dann beobachtete ich einfach die Runde. Besah, wie Moody das Sprechen übernahm und Pläne zur Bewachung von Harry vorstellte. Betrachtete, wer sich alles freiwillig meldete, um ein Auge auf ihn zu haben. Dann schlug die Uhr in der Ecke eins und unsere Versammlung löste sich auf. Die meisten Ordensmitglieder verschwanden aus dem Haus, Remus Lupin und Sirius Black blieben zurück. „Dann willkommen in meinem Heim, Miss Dawson“, begrüßte Letztgenannter mich mit großer Gestik, ehe er mir seine Hand reichte. „Bitte, ich bin Flora“, murmelte ich und schüttelte ihm die Hand. „Sirius. Wir werden hier jetzt wohl eine Weile zusammen feststecken.“ Der Schwarzhaarige zwinkerte. „Und ich bin Remus. Wir im Orden duzen uns ja meistens alle“, kam es von der Seite und ich schüttelte nickend eine zweite Hand. „Ich werde dir später die Kommunikation mit deinem Patronus beibringen. Aber ich denke, jetzt solltest du erst einmal schlafen gehen. War bestimmt etwas viel heute für dich, was?“, lächelte der hagere Mann mich sanft an. Gähnend nickte ich. „Frühstück gibt’s übrigens hier. Das ist eigentlich Küche und Esszimmer, musst du wissen“, rief Sirius mir hinterher. „Alles klar, dann bis später“, winkte ich über meine Schulter und stiefelte die Treppe hinauf. Ich verzichtete auf das Umziehen und fiel direkt ins Bett. Träumen tat ich natürlich von allem, was ich heute erfahren hatte.

Ein paar Stunden später war ich erstaunlich munter für den wenigen Schlaf, den ich in dieser Nacht noch bekommen hatte. Das Bett war gemütlicher als es aussah. Summend zog ich mich um und folgte dann dem Duft nach Bacon und Ei hinunter in die Küche. Der Konferenztisch wirkte ganz anders, wenn er nicht gefüllt war mit lauter Ordensmitgliedern. Nun war für drei Personen gedeckt. Remus saß schon am Tisch und blätterte in einem Buch. Sirius trat gerade nach etwas am Boden. Ich zuckte zusammen, als mir dieses Etwas vor die Füße purzelte. „Blutsverräter. Schande für die Familie. Böses Blut“, brabbelte der Hauself vor sich hin und rappelte sich auf. Dann fiel sein Blick auf mich. „Und Schlammblüter auch noch, falsches Blut“, spuckte er aus. „Aber nein, ich bin ein Reinblüter“, stellte ich automatisch klar. Diese Lügengeschichte, die ich mir vor fast einem Jahr zusammen mit den Weasleys ausgedacht hatte, saß tief in meinen Knochen. Der Hauself hielt kurz inne. Dann murmelte er weiter. „Böses Blut. Blutsverräter.“ „Aus der Küche, Kreacher!“, schrie Sirius und warf einen Deckel. Ich machte einen Satz zurück. Das Geschirr landete krachend dort, wo eben noch meine Füße gewesen waren. Aber der Hauself verzog sich brummend aus dem Raum.

„Nimm ihn nicht zu ernst. Er war jahrelang allein hier in diesem verfluchten Haus. Er ist einfach verrückt geworden. Und hängt sehr an den alten Familienansichten“, schnaubte Sirius. „Familienansichten?“, wollte ich wissen und wandte meinen Blick von der Tür ab. „Ja. Die Familie Black, musst du wissen, war der gleichen Ansicht wie Du-weißt-schon-wer. Diese ganze Sache vom reinen Blut. Das Portrait meiner Mutter hängt noch am Eingang und wenn man sie weckt, dann schreit sie Zeter und Mordio weil hier so viele Unreine und Blutsverräter sind“, erklärte der Schwarzhaarige mir bereitwillig, ehe er auf den Platz gegenüber von Remus deutete. Ich setzte mich hin. Der Mann stellte die letzte Schüssel auf den Tisch. Unser kleines Frühstück konnte beginnen. „Wollen wir gleich mit dem Üben anfangen?“, fragte Remus, kaum dass ich meinen Teller von mir geschoben hatte. „Immer langsam, Moony. Die Kleine ist… Wie alt bist du eigentlich?“, wollte Sirius wissen. „15. Und wir können gerne loslegen. Ihr werdet sehen, ich bin ziemlich begabt“, grinste ich. Ups, eigentlich hatte ich gar nicht so angeberisch klingen wollen. Sirius neben mir begann bellend zu lachen. „Na das will ich aber sehen. Lasst es uns hier machen. Die anderen Räume sind noch nicht wirklich… entgiftet. Und in der Halle wecken wir nur das Portrait.“

„Moment mal, Sirius. Sie ist noch minderjährig. Wenn sie außerhalb der Schule zaubert, dann wird das Ministerium es erfahren“, warf Remus ein. „Oh, keine Sorge, das wird nicht passieren. Die Spur liegt nicht auf mir“, winkte ich ab. Die beiden Männer zogen die Augenbrauen zusammen. „Sicher?“, fragte Sirius. „Wie geht das?“, wollte Remus wissen. Ich zuckte bloß mit den Schulter. „Sicher bin ich mir auf jeden Fall. Ich weiß bloß nicht, wieso das so ist“, murmelte ich. Naja, das war gelogen. Ich hatte die Spur nicht auf mir, weil ich ohne Merlin gar keine Hexe wäre. Und Merlin hatte da bestimmt auch was geregelt. „Na gut. Dann hol mal deinen Zauberstab und wir fangen an“, seufzte Remus nach ein paar Sekunden des Nachdenkens. Gesagt, getan. Ich holte meinen Zauberstab aus meinem Zimmer. Als ich wieder in die Küche kam, war das Geschirr vom Tisch verschwunden. Sirius saß auf dem Tisch. Remus stand neben ihm, ebenfalls mit Zauberstab in der Hand. Mein Herz begann schneller zu klopfen. Das würde das erste Mal sein, dass ich einen Patronus zauberte. Welche Gestalt er wohl annehmen würde? Hibbelig blieb ich vor Remus stehen, der mich wie heute nach der Ordensversammlung warm anlächelte.

„Gut. Der Zauberspruch lautet Expecto Patronum. So geht die Bewegung. Du musst während dem Zauber an die glücklichste deiner Erinnerungen denken. Nur so kann der Zauber dich beschützen und schließlich vielleicht auch eine Gestalt annehmen. Keine Sorge, selbst bei erfahrenen Zauberern dauert es meistens Tage, wenn nicht sogar Wochen des intensiven Lernens, bis sich eine Form zeigt“, erklärte Remus. Ich schnaubte. War ja ganz erbauend. „Ich mache es dir mal vor.“ Remus hob seinen Zauberstab und sprach die magischen Worte. Ein blau schimmernder Wolf brach aus seiner Zauberstabspitze hervor und rannte eine Runde durch die Küche, bis er einfach verpuffte. „Jetzt bist du dran. Es kann helfen, wenn du deine Augen schließt“, meinte Remus und blickte zu mir. Ich schloss meine Augen und dachte nach. Was war meine glücklichste Erinnerung? Ich ging weit in meinem Gedächtnis zurück und dachte an meine Mutter. An unsere Familienausflüge. An unsere Käferjagd. „Expecto Patronum“, murmelte ich und schwenkte meinen Zauberstab. „Sehr gut! Das ist mehr, als ich fürs erste Mal erwartet habe“, rief Remus. Ich öffnete meine Augen wieder. Enttäuscht stellte ich fest, dass sich lediglich ein blau schimmerndes Schild vor mir gebildet hatte. Eine Patronusform blieb aus. Das Schild verschwand und ich blickte in zwei grinsende Gesichter.

„Gleich noch einmal“, forderte Sirius mich auf. Ich schloss wieder meine Augen. Dachte an meine Mutter. Gemeinsame Kochtage mit ihr und meinem Vater. Gemeinsame Spieleabende. „Expecto Patronum“, sprach ich und öffnete meine Augen. Wieder nur ein Schild! „Vielleicht ist deine Erinnerung nicht glücklich genug. Oder sie liegt schon zu weit zurück und ist verblasst. Versuch es doch noch einmal mit einer anderen“, schlug Remus bei meinem enttäuschten Gesicht vor. Ich nickte. Ließ meine Augen offen. Dachte nach. Und dann kam mir in den Sinn, was mich im vergangenen Jahr wohl mit Abstand am Glücklichsten gemacht hatte. Die Freundschaft zu Draco. Seine Geschenke an mich. Unsere Geburtstagsfeiern. Seine Freude, als ich ihm Dobby zeigte. „Expecto Patronum“, grinste ich. Und dann geschah es. Eine Form brach aus meinem Zauberstab. „Verdammt!“, stieß Sirius hervor und fiel vom Tisch. Remus bückte sich rasch unter der Gestalt, die ihre Kreise durch die Küche zu drehen begann. Ich konnte nicht anders als zu lachen. Mein Patronus war ein Drache! „Abgefahren!“, rief Sirius. Ich wandte meine Aufmerksamkeit den beiden Männern am Boden zu und mein Patronus verschwand. „Hast du jemals jemanden getroffen, dessen Patronus ein Drache war?“, wandte sich Sirius an seinen Freund. Der schüttelte bloß den Kopf und stand wieder auf.

„Gut.“ Remus räusperte sich. „Dann hätten wir diese Hürde schon einmal geschafft. Erstaunlich, wie schnell das geklappt hat. Kommen wir zur Kommunikation. Nachrichten zu verschicken ist eigentlich ganz einfach. Zuerst musst du deinen Patronus mit dem Zauberstab zu dir rufen. Dann musst du laut und deutlich den Adressaten nennen. Danach sprichst du in genauem Wortlaut deine Nachricht und schickst deinen Patronus mit einem Schlenker deines Stabes wieder weg. Sobald er verschwunden ist, musst du dich nicht länger darauf konzentrieren. Einen Patronus kann niemand aufhalten. Er wird in jedem Fall am Ziel ankommen“, erklärte Remus. „Sirius, geh doch mal in dein Schlafzimmer. Wir probieren das direkt aus“, wies er seinen Freund an, der winkend aus der Küche verschwand. „Also los, Flora. Beeindrucke mich erneut“, grinste Remus. „Expecto Patronum“, murmelte ich und dachte dabei an Draco. Sofort brach der Drache aus meiner Stabspitze. Ich machte mit meinem Zauberstab eine winkende Bewegung. Der Patronus kam zu mir geflogen und setzte sich vor mich auf den Boden. „Eine Nachricht an Sirius. Wir müssen das Haus dringend saubermachen“, sprach ich laut und deutlich. Dann winkte ich erneut mit meinem Zauberstab. Der Drache erhob sich und flog davon. Wenig später kam Sirius wieder. „Nachricht erhalten. Und ich gebe dir eindeutig recht“, grinste er. „Ich hab’s geschafft!“, jubelte ich und die beiden Männer stimmten in mein Lachen mit ein. „Und das in Rekordzeit. Meinen Glückwunsch, wirklich beeindruckend“, meinte Remus.

Danach verlief sich unser kleines Treffen. Ich ging in mein Zimmer und packte ein paar meiner Sachen aus meinem Koffer. Dabei fiel mir auch Pergament und Feder in die Hand. Ich hatte Draco ja noch schreiben wollen! Sofort setzte ich mich an einen kleinen Schreibtisch. Als ich das Pergament auf das Holz fallen ließ, stob eine Staubwolke sondergleichen auf. Hustend winkte ich mit meiner Hand und wischte mit meinem Arm über den Tisch. Dann begann ich zu schreiben.

Draco
Ich darf nicht zu viel sagen, und das will ich auch gar nicht, sonst bringe ich dich damit womöglich noch in Gefahr. Nur so viel: Ich bin an einem geheimen und sicheren Ort. Dumbledore hat mich in eine Gruppe eingeladen, die dem Kampf gegen Du-weißt-schon-wem dient. Es wäre vielleicht besser, wenn du den Brief verbrennst, sobald du ihn gelesen hast. Ich will nicht, dass wir beide in Schwierigkeiten kommen. Nur so viel: Ich wurde in dieser Gruppe aufgenommen und bin jetzt wohl sowas wie ein Widerstandskämpfer. Mach dir keine Sorgen, mir geht es gut und mir wird es auch gut gehen. Wir können genauer sprechen, wenn wir uns das nächste Mal in Hogwarts treffen. Lass uns bis dahin am besten nicht mehr darüber reden. Eigentlich hätte ich dir nicht einmal verraten dürfen, was ich dir eben geschrieben habe.
Deine Flora.

Ich verstaute den Brief in einem Umschlag und schrieb Dracos Namen darauf. Aber wie sollte ich den jetzt abschicken? Eine Eule hatte ich hier nicht gesehen. Und ich bezweifelte auch stark, dass irgendein Tier hier drin lange überleben konnte, wenn es sich nicht gerade um Spinnen und Mäuse handelte. Ich musste einen der Ordensmitglieder fragen, ob sie den Brief für mich abgeben könnten. Aber wie sollte ich Dracos Namen erklären? Entschlossen richtete ich meinen Zauberstab auf den Schriftzug und dachte an einen Illusionszauber, der nur so lange hielt, bis der Brief nicht mehr in den Händen eines Ordensmitglieds lag. Sobald jemand vom Postamt ihn hatte – dahin würde der Brief hoffentlich gehen – würde der richtige Name erscheinen und die Eule zur richtigen Person fliegen. Entschlossen und in der Hoffnung, dass mein Plan gelang, stiefelte ich wieder in die Eingangshalle.

Zu meiner Überraschung fand ich Remus mit einem Mann des Ordens im Gespräch. Wie hieß er noch gleich? „Ah, Flora. Remus hat mir gerade von deiner außerordentlichen Leistung erzählt. Wahrlich erstaunlich.“ „Danke, ähm…“ „Kingsley“, half mir der Mann freundlich lächelnd auf die Sprünge. „Ja, Kingsley. Dankeschön.“ „Also dann, ich muss direkt wieder los.“ „Warte! Könntest du für mich aufs Postamt gehen und einen Brief abgeben?“, bat ich den Dunkelhäutigen. „Natürlich“, nickte der und nahm mir meine Post ab. Er warf einen schnellen Blick darauf, stutzte aber nicht. Gut, also las er gerade hoffentlich Hermines Namen. „Bis dann“, verabschiedete Kingsley sich und verschwand. „Komm, es gibt gleich Mittagessen. Magst du uns beim Kochen helfen?“, meinte Remus. „Gern“, grinste ich und folgte ihm in die Küche.

Bäm! Flora ist im Orden. Meinungen? Gedanken?

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