Vierzig Jahre
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„Weißt du eigentlich, dass du heute auf den Tag genau vor vierzig Jahren zu uns gekommen bist." Von der so beiläufig eingeworfenen Bemerkung der Herrin Dís völlig überwältigt, steche ich mir prompt mit der Sticknadel in den Finger. Im letzten Moment kann ich den in ihren Privatgemächern äußerst unpassenden Fluch über das schmerzende Missgeschick zurückhalten und schiebe mir stattdessen die blutende Fingerspitze in den Mund. „Wirklich!?", frage ich nach und sie nickt lächelnd ob der verwirrten Reaktion.
Völlig entfallen ist mir das Datum und die Bedeutung dahinter. Mein halbes Leben verbrachte ich damit nun bereits in den Diensten des Königshauses stehend. Und was in dieser Zeit alles geschah. Wie sehr sie mich doch veränderte. So jung und dumm, von Angst erfüllt und unselbstständig war ich damals. „Ich weiß noch, wie eingeschüchtert und verschreckt du seinerzeit vor mir standest, als Dwalin dich hierher brachte. Verletzt über die körperlichen Verletzungen hinaus. Zerbrochen von innen heraus durch Verluste und Leid." Scheinbar nicht nur ich erinnere mich mit Schmerz an dieses Mädchen von einst, denn Dís tupft sich unauffällig mit dem Ärmelsaum eine Träne ob ihres Gedenkens aus dem Augenwinkel.
Jedoch eigentlich unbeschwert kann ich an diese Zeit zurückdenken. Jedwede damalige Schwäche begleitet mein Leben nun schon lange nicht mehr. Die Zuneigung, das Vertrauen, Anerkennung, Freude und die Liebe, die ich hier erfuhrt, heilten und setzten die zerbrochene Seele Stück für Stück wieder zusammen, gaben mir Stärke, innere Kraft und Selbstachtung. So viel durfte ich lernen, erleben und erringen. Was wäre wohl sonst aus mir geworden?
„Wir sollten das feiern, meinst du nicht auch!?", schlägt Dís plötzlich mit Überschwang an Begeisterung für ihren Einfall in der Stimme vor. Ebenso sie änderte sich in den letzten vierzig Jahren. Wunderschön und edel anzusehen, wie es einer Prinzessin gebührt, ist sie nach wie vor, gleichwohl silber-matte Strähnen des seitdem erlittenen Kummers über die Verluste von Vater, Gemahl und zu früh geborener Tochter das Gold der Haare durchwirken. Stärker wurde sie dadurch, eine mutige, unverzagte Kriegerin, jedoch ohne geschmiedete Waffen in den Händen, denn trotzend der Trauer versang sie nicht in Gram und Grimm, sondern kämpfte für die Freuden und Sicherheit ihrer Familie und wirkte zielstrebig besonders an dem Wohl des bürgerlichen Volkes. Als Rechte der Hand half ich ihr dabei Hospitäler, Mutter-, Waisen- und Armenhäuser zu erbauen, eine tägliche warme Speisung für Bedürftige einzuführen und zu verwirklichen, dass der Preis für Lebensmittel kaum bei Erntemisserfolgen steigt, da die Bauern mit Zahlungen aus der Bergkasse entschädigt werden.
„Natürlich erst, sobald Dwalin und Balin heimkehrten." Auf einer Handelreise in das Reich der Breitstämme begaben sie sich vor ein paar Wochen und werden eigentlich bald von dort zurückerwartet. Allerdings ein für Ende Februar durchaus gewöhnlicher heftiger Schneesturm, der die letzten Tage tobte, wird die Heimreise wohl erheblich verzögern. Niemals ohne sie würde ich solch einen Anlass feiern wollen, das erahnt Dís richtig, denn großen und Dwalin sogar den größten Anteil, war er es doch, der mich dereinst hierher brachte, tragen sie an seinem Grund. Daher, jedoch nur unter der Bedingung, dass es nur eine kleine Festlichkeit werden soll, stimme ich ihrem Vorschlag zu. Keinen Umstand will ich bereiten und zudem, ein Ereignis ist es, von dem nur wenige überhaupt Kenntnis haben, bin ich doch offiziell erst einige Zeit später als Gesandte aus den Eisenbergen in den königlichen Haushalt aufgenommen worden.
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„Deine Schwester möchte eine Feier für mich veranstalten", unterrichte ich Thorin am Abend eher beiläufig über die geschmiedeten Pläne, währenddessen ich eines der durchgearbeiteten Dokumente zur Seite lege, die ich in Vertretung Balins unterzeichnen darf. Das gedankenverlorene sanfte Auf- und Abstreichen seiner Finger entlang meines nackten Rückens erstirbt sofort. Mit erschrocken weiten Augen richtet er sich aus der eben noch so dahindösenden Lage zwischen weichen Kissen und Fellen auf, die sein Bett so gemütlich und warm halten. „Habe ich ein wichtiges Ereignis vergessen oder verpasst?" Geradezu zauberhaft drollig ist der große Kriegerkönigsheld Thorin Eichenschild manches Mal, wenn er denkt, einen Fehler begangen zu haben, den ich ihm übel nehmen könnte. Ein sofortiger zärtlicher Kuss auf einen Mundwinkel soll ihn dahingehend beruhigen.
„Keine Sorge, es ist etwas, dessen genaues Datum nur wenigen überhaupt bekannt ist. Mir selbst ist es sogar entfallen, bis sie mich daran erinnert hat." Verwirrt schaut er drein, ruft sich in seinem Kopf alle möglichen Ereignisse in Erinnerung, dessen Jähren ein Fest rechtfertigt. (Nicht, dass Zwerge für ein solches immer einen besonderen Anlass benötigen würden. In der Not wird oft auch gerne ein Grund erfunden oder fingiert). Aber er scheint zu keiner Erkenntnis zu gelangen.
„Sagst du es mir, oder soll ich mich weiterhin lächerlich machen?" Mit gespielter Ernsthaftigkeit überlege ich an einer Antwort. „Ich weiß nicht, es bringt erheblichen Spaß, den König über Durins Volk ein wenig am heißen Eisen zappeln zu lassen, vielleicht, wenn du mich noch einmal ganz lieb darum bittest." Ich schätze und genieße diesen unförmlichen Umgang zwischen ihm und mir, den wir gleichwohl nur in unseren Privatgemächern ausleben können. Die kleinen gegenseitigen Neckereien, die vertrauensvollen Gespräche, das ungehemmte Lachen und Scherzen. Mein König ist er, ja, Waffenbruder, Freund, Vertrauter, indes aber auch seit nunmehr beinahe sechs Jahren teilen wir fast jede Nacht das Bett miteinander. Ohne Liebe, jedoch mit Spaß.
Thorin brummt übertrieben missmutig über das impertinente anmaßende Verhalten, das ich mir ihm gegenüber wage zu erlauben. Bestrafen muss er mich dafür. Unbedingt und streng. Unbeachtet dessen, dass die Dokumente, die auf dem Kissen vor mir ausgebreitet liegen, knittern und die noch nicht getrocknete Tinte der Unterschriften verschmieren könnte, stürzt er sich auf mich, bannt den Körper mit all seinem beachtlichen Gewicht an die weiche Matratze, indem er sich auf meinem Becken platziert.
„Du bist ganz schön frech", murmelt er, ergreift meine Handgelenke und führt sie mir über den Kopf zusammen. Jede Möglichkeit, seinen Lippen Einhalt zu gebieten, die erst den Hals, das Dekolette und dann beide Brüste mit kurzen Berührungen necken, nahm er mir damit. Ich winde und wende mich unter der süßen Qual. Keuche auf, sobald er kitzelige Stellen trifft, atme heftiger, solange er die richtigen einen wohlkalkulierten Moment zu lange verwöhnt. „Aber ich werde Gnade vor Recht walten lassen und dich noch einmal ganz lieb darum bitten, mir zu sagen, was es Bedeutendes zu feiern gibt", murmelt er schließlich und zweifelhaft ist, ob die Bestrafung in der eben erfolgten Maßregelung liegt oder doch darin, dass er diese plötzlich unterlässt.
Jedoch mit dem Versprechen auf eine Fortsetzung der Zärtlichkeiten, befriedigender diesmal, sobald ich seiner Bitte nachkomme, erneut mit der Süße des Hinauszögerns versehen allerdings, sollte ich ihn weiterhin necken, rutscht er zwischen meine Beine, die sich bereitwillig für ihn öffnen. „Also, meine Liebe, was gibt es Großes zu feiern?" Kurz überlege ich, auf welche Option der Weiterführung ich Lust empfinde und entscheide mich für die des ungehemmten Vergnügens. „Die Herrin erinnerte sich daran, dass ich heute vor genau vierzig Jahren das erste Mal die Schwelle dieses Hauses übertrat und in eure Dienste gestellt wurde."
Thorin scheint erstaunt ob dieser Auskunft und der bereits in Leidenschaft entflammte Blick wird unvermittelt weicher. „Vierzig Jahre", murmelt er ungläubig und ich nicke zur Bestätigung. Zu mir hinunter beugt er sich, stützt die Arme neben meinen Kopf und gibt mir einen ergriffenen Kuss voller Hingabe und Zärtlichkeit. „Eine lange Zeit. Du warst damals so jung und unschuldig." Ich lächle schelmisch gegen seine Lippen. „Ganz anders denn heute." Thorin lacht, knapp aber belustigt, und stößt als Anerkenntnis der nunmehrigen Verderbtheit sein Becken mir entgegen. Noch feucht von der Begegnung früher an diesem Abend bin ich, erneut betört von den Liebkosungen. Das Eindringen in mich gelingt ihm daher ohne Widerstand. Sechs Jahre, dennoch kaum in seiner sinnlichen Vehemenz verringerte sich das Empfinden, ihn in mir zu spüren. Die aufkommende Erregung wie flüssiges Feuer in den Adern. Augenblicklich vergessen jedwede Pflicht und Sorge. Versunken in glühender Lust.
„Ein Anlass, der wahrlich groß begangen werden muss", stimmt er seiner Schwester zu. Allerdings vermute ich, keine Feierlichkeit in ihrem Sinne plant er in diesem Moment, gemächlich, beinahe müßig in seinen Bewegungen, dem sanften Wogen seiner Hüften wie Wellen gegen die meinen, nicht stürmisch genug, um Befriedigung zu erwirken, weder bei ihm noch bei mir. Jedoch die dabei empfundene Sinnlichkeit zählt mehr, die sich beständig bis zur Unerträglichkeit steigernde Erregung, die tief gefühlte Nähe und Verbundenheit zueinander.
Schließlich gänzlich regungslos in mir verweilt er, küsst mich andächtig. Keine Frau, die ihm lediglich Vergnügen bringt, bin ich. Keine Hure, keine Gespielin, selbst als Konkubine würde er mich nicht bezeichnen, da mehr als bloße Leidenschaft unsere gemeinsamen Stunden füllt, das Abkommen uns vielmehr bedeutet als nur reine Diensterfüllung und Befriedigung. Wohl niemand anderes kennt all den Schmerz, all das Leid, all die Sorgen, Ängste, Freuden, Träume, Pläne und Glücksmomente denn wir voneinander. Gleichwohl, von dem wahren Grund, aus dem Dwalin mich einst hierher brachte, hat er keinerlei Kenntnis. Nie fragte er danach und nie erzählte ich ihm davon. Vergessen möchte ich ihn, wenn auch niemals vergeben.
„Was wünschst du dir von mir, um diesen Tag gebührend zu ehren?", murmelt er, das Gesicht in meiner Halsbeuge vergraben, denn einiges an Anstrengung bedarf es, trotzend dem Drang nach Befriedigung sich nicht zu bewegen, solange ich ihm diesen nicht gewährte. Um alles könnte ich ihn ersuchen - Gold, Geschmeide, Macht, Rang, Titel, selbst das Licht von Mond und Sternen gefangen in einer Phiole – er würde es mir gewähren. Jedoch mein Wunsch ist viel bescheidener, gleichwohl schwieriger umzusetzen.
„Lass uns von hier weggehen - nur wir beide, nur für ein paar Tage. Ich bin das andauernde Versteckspiel leid, die heimlichen, flüchtigen Küsse in dunklen Ecken, immer so zu tun, als würden wir kaum mehr teilen denn Gedanken und Gesinnung." Er atmet schwer gegen meine Haut, vermag er doch allzu sehr diesen Wunsch nachzuvollziehen, teilt ihn vermutlich sogar. Seitdem wir uns während eines gemeinsamen Ausflugs zum Niphredilfeld in den westlichen Landen wiederfanden, hatten wir keinerlei Gelegenheit mehr und getrauten uns auch nicht, weitere als nur die Nachtstunden in vertrauter Zweisamkeit miteinander zu verbringen. Zu groß ist die Gefahr entdeckt zu werden, zu desaströs wären die Folgen.
„Dein Wunsch sei mir Befehl, Uzfakuh. Ich habe auch schon eine Idee wohin." Ganz aufgeregt werde ich bei seiner Zusage. So lange verließ ich den Berg nicht mehr, um andere Dinge als den Hof und die Hallen zu sehen, Abenteuer zu erleben, neues kennenzulernen, Pflichten, Ränken und der steifen Etikette zu entfliehen. Er hebt den Kopf, um mich anzusehen, denn an dem schnelleren Herzschlag wird er wohl die Freude darüber gespürt haben. Sanft streichen meine Finger entlang der kantigen Konturen seines Gesichts, kraulen durch den Bart, den er in letzter Zeit etwas länger sprießen lässt, liebkosen die vollen Lippen, die sich zu einem Lächeln krümmen, das er in dieser Schönheit nur mir schenkt.
„Und jetzt nimm mich, um diesen Tag, an dem sich unsere Lebenswege kreuzten, angemessen zu zelebrieren." Eine Bitte, die ich nicht wiederholen oder ihm noch deutlicher heißen muss. Langsam jedoch beginnt er sich wieder zu bewegen. Genießt jedweden Sinnesreiz mit Appetit statt Hunger. Lustvoll. Bedächtig. Sein Gesicht verzogen unter der Achtsamkeit mich vollends zu befriedigen, mir jeden Wunsch von den Augen abzulesen, jede Regung wahrzunehmen, und dabei nicht allzu tief in den eigenen Wahnsinn des Verlangens und der Lust zu versinken, die er mir bereiten will. Die edle Schönheit seiner Züge im Moment köstlicher Qual kaum vergleichbar mit Schätzen oder Wundern, die ich vor ihnen sah. Wie liebe ich ihn doch in diesen und während so vielen anderen.
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„Meister Gloin, Ihre Majestät hat mich beauftragt, Euch diese Dokumente zuzustellen. Er bittet Euch darum, sie bis heute Abend zu unterzeichnen." Der Meister der Münze nimmt mir die überreichten Pergamentrollen ab und stapelt sie vorsichtig auf seinen gewissenhaft aufgeräumten Schreibtisch. Kein seltener Gast bin ich in seinem Anwesen, das sich nahe des der Königsfamilie befindet, ist seine Gemahlin Yrsa doch eine langjährige gute Freundin und Vertraute.
„Gut", bestätigt er schließlich, nachdem er ein paar von ihnen entrollte und kurz ihren Inhalt überflog. „Ich werde sie dann vorbeibringen lassen." Ich verbeuge mich dankend und will mich bereits wieder zum Gehen wenden, indes kommt Yrsa wohl auf der Suche nach ihrem Gemahl in das Arbeitszimmer, an der Hand ihren Erstgeborenen führend, der sich mit seinen gerade einmal eineinhalb Jahren an den ersten wackeligen Schritten versucht. Ein beträchtlich genaues Abbild seines Vaters ist er, der keine Gimli, kostbarer Augenstern seiner Eltern.
„Oh Astâ, wie schön dich zu sehen", begrüßt mich meine Freundin mit vergnügt hoher Stimme. Traurig lange erschwerten Verpflichtungen gegenseitige Besuche und seit der Geburt zog sie sich von Bällen und anderen Festlichkeiten weitestgehend zurück, bei denen wir uns ansonsten begegneten. Doch als Nan'ul hasûna durfte ich sie während Schwangerschaft, Entbindung und Wochenbett begleiten. Eine intensive, vertrauensvolle Zeit, die unsere Freundschaft vertiefte und gegen alle Widrigkeiten beständig festigte.
„Musst du gleich zurück oder kannst du noch ein paar Augenblicke für eine Tasse Tee bleiben?" Eigentlich nur zur Übergabe der Dokumente schickte mich Thorin hierher, aber da heute keinerlei Verpflichtungen mehr zu erledigen sind, wird er es mir nicht übelnehmen, wenn ich ein wenig länger fortbleibe. „Dann werde ich in der Zeit die Papiere durchsehen und unterschreiben, damit du sie gleich mit zurücknehmen kannst", schlägt Gloin vor und ein ausgezeichneter Einfall ist dies.
In ihren Salon ziehen wir uns daher zurück und genießen eine Tasse Tee bei typischen Frauengesprächen, aktuellem Tratsch und Klatsch des Hofes und allerhand Späßen, während Gimli mit geschnitzten Figuren von Zwergenkriegern und Orks auf dem Fußboden spielt. Ein ganz bezaubernder Zwergling ist er. Einmal ein starker Krieger wird er unzweifelhaft werden und ich hoffe, das Tharkûna ihm ein langes, erfolgreiches und glückliches Leben weissagte.
„Also, ich hörte mit Wohlwollen, Thorin übergibt dir immer mehr an Verantwortung, ich denke ja, er wird dich in Kürze in den Rat berufen." Herzhaft lache ich über Yrsas gelungenen Scherz. „Niemals. Eine Frau im Rat, was denkst du denn, was Meister Abarron und einige andere dann für einen Zwergenaufstand proben würden." Sie winkt jedoch stoisch das Gegenargument zur Seite. „Ach, diese alten, reichen Männer, die nur ihren eigenen Vorteil im Sinn haben, werden sowieso bald ihre Macht verlieren. Nein, nein, ich prophezeie dir, irgendwann wirst du Mitglied des Rates und dort eine hohe Stellung einnehmen, Meisterin des Berges vielleicht sogar." Ihre Augen funkeln ganz aufgeregt bei dieser Vorstellung. Ich jedoch schüttle weiterhin zweifelnd den Kopf. In gar keinem Fall wird dies geschehen.
„Thorin hält Großes von dir ... und nicht nur er. Einflussreiche Leute sehen dich gerne an seiner Seite und würden, wenn gleichwohl bisher nur gemunkelt, sogar eine Verbindung zwischen euch gutheißen. Stell dir das vor, du als Königin über Durins Volk, Herrscherin der blauen Hallen." Geradezu lächerlich werden ihre Utopien nun. „Glaube mir, das wird niemals, unter keinen Umständen, eintreten. Keinen Titel und keine Herkunft habe ich trotz allem inne, die ihm das erlauben würde. Zudem, keinerlei körperliches Interesse hat er an mir und ich an ihm." Schwer fühlt es sich an, sie zu belügen. Immer ehrlich waren wir bislang zueinander, jedoch um jeden Preis müssen Thorin und ich geheim halten, dass dem gänzlich anders ist.
Yrsa setzt sich plötzlich neben mich und ergreift freundschaftlich schätzend meine Hand. „Ist das denn wirklich so?", fragt sie mit hochgezogener Augenbraue. Ein schrecklicher Verdacht schleicht sich in das unvermittelt schnell schlagende Herz, aber dennoch muss ich weiterhin alles daran setzen, uns nicht zu verraten. Ich will gerade eine erneute Zurückweisung beginnen, da unterbricht sie mich mit mütterlich sanfter Stimme. „Astâ, ich bin Hebamme, ich erkenne an einer Frau, ihrem Verhalten, ihrem Geruch, ihrem Körper, wenn sie verhütende Mittel gebraucht. Und das du solche regelmäßig nun schon seit mehreren Jahren einnimmst, ist unverkennbar und das kann nur eines bedeuten, denn mit keinem Mann sonst als Thorin sehe ich dich so vertraut umgehen, auch, wenn ihr es immer geschickt und bei anderen bisher erfolgreich versucht, zu verbergen. Ich kenne dich ... und ihn."
Mit entsetzt weiten Augen blicke ich sie an. Weiterhin zu leugnen, was sie ohnehin weiß, wäre eine Beleidigung unserer Freundschaft. „Ich bitte dich, sag es niemandem. Keine Liebe ist es, die das Bett mit uns teilt, und solange sein Thronerbe ungesichert ist, wird ihm eine Liaison mit einer Dienstmagd, denn nicht mehr als das bin ich trotz der hohen Ämter und des Ansehens, nur in Schwierigkeiten, wenn nicht sogar um seinen Thron bringen. Zudem, viel zu nahe lege der Verdacht, dass er mir nur deswegen Position und Rang verlieh, ich dadurch alles verlieren könnte, worum ich so lange kämpfte und mit dem ich Gutes beeinflussen kann."
So herzerschütternd flehentlich ausgesprochen ist die Bitte, dass sie mich mit Tränen in den Augen in die Arme schließt. „Ich beteuere dir beim Leben meines Sohnes, kein einziges Wort darüber wird über meine Lippen kommen." Ein bedeutender, auf ewig bindender Schwur. Familie ist uns Zwergen heilig, ein Versprechen auf ihr Leben kostbarer denn alles Geschmeid der Welt, egal ob verloren oder existent.
„Aber versprich mir eins", beschwört sie und die mütterliche Strenge, obwohl sie nur wenig älter ist denn ich, schenkt wohlige Sicherheit und Wärme. „Achte auf dich und falls du dennoch Hilfe oder Rat benötigst, egal welcher Art und egal wann, dann kommst du zu mir." Ich nicke weiterhin unter Tränen, wenn sie auch nun ob der Rührung fließen, und bin froh darum, dass sie mir diese Zusicherung abnimmt.
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Später Nachmittag ist es bereits, als ich mit den von Gloin unterschriebenen Dokumenten zum Anwesen zurückkehre. Jassin empfängt mich ganz aufgeregt im Eingangssaal. „Gut, dass du wieder da bist. Ihre Majestät hat dich unlängst gesucht, da ein hoher Gast eintraf, dem du Aufwarten sollst."
Verdrießlich ist das Schnauben, während ich ihr die Schriftrollen übergebe. Damit, dass er nur stolz auf mich ist und dies jedermann zeigen möchte, rechtfertigte er die manchmal allzu offensichtliche Vorführung meiner Person bei Gästen, Abgesandten und anderen Fürsten. Jedoch oft unwohl fühle ich mich dabei. Wie ein seltenes, magisches Tierwesen in einen goldenen Käfig gesperrt, ist es doch für viele ungewöhnlich und unbegreifbar, dass eine Frau solch hohe Stellung und Ehren innehat.
Als ich die Tür zum Salon öffne, in dem sie auf mich warten, wird mir plötzlich schrecklich elend. Ein Schauer kriecht mit Eiseskälte den Rücken entlang, der Kopf beginnt zu schmerzen und im Magen dreht und krampft sich alles zusammen. Mit den Sinnen einer Kriegerin große Gefahr spüre ich, weiß sie jedoch nicht einzuordnen.
Thorin sitzt in einem Sessel gegenüber der Tür, sein Gast in einem Weiteren ihm direkt zugewandt, so dass ich Gestalt und Gesicht nicht sehen kann. „Oh, da ist sie ja endlich", verkündet mein König das anscheinend sehnsüchtig erwartete Eintreffen und ich knickste anstandsgemäß tief vor ihm.
„Ihr habt nach mir verlangt, Majestät", erkläre ich dennoch das Erscheinen und er winkt mich mit einer auffordernden Handbewegung zu sich, der ich sogleich dienstbar folge leiste. Dabei entsetzlich schwer wie Blei fühlen sich jedoch die Beine an, so als würde jeder Schritt mich einem großen Unheil näher bringen. Irgendetwas stimmt nicht. Ganz und gar nicht.
„Herzog, ich möchte Euch gerne meine Leibdienerin und Rechte meiner Hand vorstellen", spricht Thorin mit diesem unverhohlenen glänzenden Stolz in der Stimme, von dem ich euch eben erzählte, erhebt sich und nimmt meine Hand, um mich ehrenvoll die letzten Schritte an seine Seite zu führen. Tief gesenkt sind Verneigung und Blick, mit dem ich seinen Gast gebührend begrüßen möchte.
„Es freut mich sehr, Euch in Thorins blauen Hallen Willkommen heißen zu dürfen", sage ich freundlich. Allerdings, als ich den Blick schließlich hebe, um unseren Gast anzusehen, erschrecke ich zutiefst und weiß nun, warum meine Sinne mich warnen wollten.
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