Leben
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„Oh, verzeiht, gnädiger Herr!", rufe ich dem grummelnden Mann mich nur kurz um der Höflichkeit genügend umblickend zu, der meinen langen Weg von Tharkûnas Zauberreich zurück zum Hospital unglücklicherweise kreuzte und den ich in der Hast sehr unsanft anrannte. „Unmöglich diese jungen Dinger! Immer in Eile zum nächsten Fest oder Unfug!", höre ich ihn dennoch weiterschimpfen, aber gebe nichts auf die voreingenommene Vermutung. Wenn er nur wüsste, was ich Kostbares unter einem verbergenden und schützenden Tuch in dem Korb, der an meinem Arm baumelt, mit mir führe.
Aufgeregt betrete ich den großen Behandlungssaal, in dem sich weiterhin unablässig Heiler und Kräuterfrauen um die Erkrankten bemühen. Einen bislang aussichtslosen Kampf fochten, der schrecklicher ist als jede Schlacht, in einem nie enden wollenden Krieg. Oin sehe ich unweit an einem der Krankenbetten stehen, in dem ein Opfer wohl eben erst dem Leiden erlag, denn mit einem weißen Tuch wird sein dahingesiechter Körper zugedeckt. Hoffentlich das Letzte, das er in seiner unendlichen Liste verzeichnen muss. Aufgeregt gehe ich auf ihn zu.
Er fragte nicht, warum ich Dwalins Seite vor wenigen Stunden verließ und dankbar war ich darum, denn selbst wusste ich es zu dieser Zeit nicht einmal. Ziellos irrte ich umher. Versuchte, den Kummer des drohenden Verlustes zu stillen, in dem ich Orte aufsuchte, die mich mit wohligen Erinnerungen erfüllen sollten. Wollte ihn mit der Einkehr in eine zwielichtige Spelunke ertränken. Jedoch nichts half, das Leid auch nur zu dämpfen. Von allein und betäubt von billigen Fusel und Schmerz trugen mich meine Füße schließlich in die Nähe des Eingangs zu Tharkûnas Reich.
Mit schattenumwobenen Augen schaut er auf, als er dem Näherkommen gewahr wird. Ein erschöpftes Lächeln ist es, dass er mir schenkt. Trotzdem es von Herzen kommt, verkrampft erscheint es auf den trockenen Lippen. Besonders im größten Elen, umgeben von Schmerz und Tod und Kummer, jedweder Hoffnung beraubt, sollten wir niemals den Glauben an uns, unser Können und an Mahals Güte verlieren, das sagte er mir einst. Jedoch manches Mal in den letzten Wochen befürchtete ich sehr, dass der Heiler seinen Rat selbst nicht mehr befolgen kann, denn so, so und zu viel an Leid sah er während dieser. Den Verlust eines jeden Zwerges wurde ihm als vom König beauftragten Verantwortlichen mitgeteilt und die Zahl wuchs und wuchs unablässig, mehr und schneller als jedwede Aufzählung der Gefallenen einer Schlacht, ohne, dass er etwas dagegen zu unternehmen vermochte. Und nun liegt ein enger Freund, entfernter Verwandter sogar, in seinem Sterbebett und sein Leben rinnt ihm durch die erschöpften Finger wie feine Sandkörner. Bislang.
„Da bist du ja wieder. Konntest du ein wenig Abstand gewinnen?", fragt er hoffnungsvoll. Niemand weiß so gut wie er um die dringende Notwendigkeit den Tod, und sei es auch nur für kurze Augenblicke, hinter sich zu lassen, damit man nicht den Verstand verliert, sobald der Schmerz übermächtig wird.
„Nicht ganz", antworte ich geheimnisvoll und bitte ihn, während er sich sichtbar mit hochgezogenen Augenbrauen über die bizarr in der verfahrenen Situation wirkende aufgeregte Stimmung wundert, mich in einen ruhigen Raum zu begleiten. Einen separaten Behandlungsraum wählt er dafür, der bis zur endgültigen Fertigstellung des Hospitals als Lagerraum genutzt wird. Daher Decken, Bettgestelle und anderes Mobiliar sowie allerhand Nützliches wird hierin aufbewahrt. Durch einen der Luftschächte dringen die letzten Strahlen der Sonne, in denen kleine leuchtende Staubflocken wie die Faien in Tharkûnas Reich schweben. Einen unbeobachteten Moment der Ruhe gönnt sich der Heiler und lässt sich auf einen der dick gepolsterten Stühle fallen, die für die Angehörigen von Adligen als Sitzgelegenheit während der Krankenwacht vorgesehen sind. Die langen, arbeitsamen und kummervollen Wochen der wütenden Seuche zehrten an allen und jedem im Berg.
„Möchte ich wissen, was du mir zeigen willst?", fragt Oin leise und reibt sich schwerfällig die Müdigkeit aus den Augen. Ich kann ihm das Misstrauen nicht verübeln. Die Zuversicht, die er empfand, während Ori und ich ihm die Passage mit dem verzweifelt erhofften Heilmittel zeigten, und die bittere Enttäuschung ihrer, entkräftete das Gemüt unverkennbar.
Daher ohne weitere Verzögerung, entferne ich das Tuch und zeige ihm den Inhalt des Korbes. Wie Schnee beschienen von der hellen Wintersonne, glitzert das Weiß der Niphredil und erhellen den Raum mit ihrer Reinheit.
„Bei Mahals zerzaustem Bart", keucht Oin und spring von einem plötzlichen Überschwang an Freude gepaart mit Aufregung und Unglaube gepackt auf. „Woher?" Noch nie erlebte ich den Heiler sprachlos. Zögerlich streckt er die Hand nach den Blüten aus, ganz so, als fürchte er, sie würden verschwinden, sobald er nur daran denkt sie zu berühren. „Sie wuchsen in Tharkûnas Garten", kläre ich auf, verschweige jedoch bewusst, wie sie dort grünen konnten. Schreckliche Vorwürfe würde er sich bereiten, wenn er wüsste, dass ihre Samen in seiner durch ihn längst vergessenen Schatulle ruhten, nur darauf warteten, gepflanzt zu werden.
„Es sind so viele", japst er, überwältigt von der plötzlichen, nicht mehr erhofften Rettung. „Aber nur eine benötigt ein Erkrankter, um zu gesunden." Ich nicke. Wir werden gegen die Krankheit siegen, das wird ihm in diesem Moment und mir umso stärker bewusst, als ich die helle Freude in seinen Augen glitzern sehe.
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„Dwalin?" Sanft streiche ich ihm mit dem Handrücken über die fieberglänzende Schläfe. Keine Reaktion zeigt er auf Berührung und Ansprache, atmet flach und langsam, kaum wahrnehmbar, währe da nicht das leichte Heben und Senken der Nasenflügel, das verdeutlicht, wie schwer es ihm bereits fällt, genügend Luft zu bekommen.
Ori begrüßte mich mit bang-willkommenen Blick zurück an seiner Seite. Lange harrte er allein am Krankenbett. Zitternd darum, dass es dem Krieger und Freund nicht schlechter gehen mag, er sogar stirbt, während ich abwesend bin. Wie hätte er es mir nur erklären sollen? Wie den Schmerz nehmen, der noch größer gewesen wäre, weil ich nicht seine Hand beim letzten Atemzug halten konnte?
Den Korb überließ ich Oin, der jede verfügbare Kraft zu sich rief, um die Heilpflanze an die Erkrankten zu verteilen. Nur eine Einzelne der weißen Blumen nahm ich an mich, verbarg sie jedoch bislang in dem Umschlag meines Kleiderärmels.
„Ihr ward lange fort", flüstert Ori, unsicher, ob die Feststellung ungebührlich oder gar zu tadelnd ausgesprochen wurde. „Ich musste etwas suchen, das ich nicht hoffte zu finden", raune ich geheimnisvoll und ziehe die Blume hervor. Groß werden seine Augen, denn auch er erkennt sie sofort. Jedoch anders als Oin, interessiert er sich nicht für ihre plötzliche Herkunft. „Ich wusste, dass Ihr sie finden werdet", sagt er unter herabrinnenden Tränen der Freude. Eigenartig ist diese Sicherheit, war er es doch, der das Heilmittel an sich entdeckte. Ohne diese Leistung würde ich jetzt nicht hier stehen und Dwalin erneut versuchen aufzuwecken, damit er endlich wie so viele andere in diesen Augenblicken gesunden kann.
Nahe zu ihm herunter beuge ich mich, ignoriere die Übelkeit, die ob des Geruchs der inneren Verwesung aufkommen will, und lege meine Stirn an die seine. Schweißnasse und unerträglich fieberglühende Hitze verdeutlicht, wie schlecht es um ihn steht. Keine weitere Zeit dürfen wir vergeuden. Jetzt, da wir ein Heilmittel in ausreichender Menge zu Händen haben, treibt mich die Angst nach Ansteckung nicht mehr um, und so entferne ich die schützende Maske und hauche ihm einen Kuss auf die ganz ausgetrockneten Lippen.
Ein Moment lang steht sein Atem still und ich erschrecke fürchterlich ... jedoch dann, eine leichte Bewegung, kaum spürbar, ein Zucken seiner Lippen unter den meinen. „Was ein wundervoller Augenblick, um zu sterben", murmelt er an sie. Sehr leise. Ein Flüstern in der Weitläufigkeit einer Höhle nicht deutlicher hörbar. „Wehe", ermahne ich ihn, halb gespielt, halb wahrhaftig ernst.
Ungern entferne ich mich, jedoch in die Augen schauen möchte ich ihm. Möchte das Leuchten in ihnen sehen. Wie die Gewissheit, dass er nicht sterben muss, hell und klar schimmert, dem Funken des Lebens gleich, mit dem Ilúvatar uns segnete. Allerdings die Erschöpfung ist so enorm, dass er sie weiterhin geschlossen hält. „Dwalin", flehe ich daher, mich anzusehen. Tief atmet er, hustet flach, rafft all die verbliebene Stärke zusammen und hebt die dunklen Augenlider. Ein Lächeln huscht über unser beider Angesichter. Seines kürzer und schwächer denn das meine, dennoch eine Lebendigkeit besitzt es, die strahlender ist als all das Licht von Sonne, Mond und Sterne vereint während des Durinstags am Firmament. „Wir haben ein Heilmittel gefunden." Wunderschöner noch als ich erhoffte, leuchtet die Freude in seinen Augen, jedoch schnell schließt er sie wieder, da selbst diese kleine Anstrengung ihm alle Lebenskräfte kostet. „Nie habe ich daran gezweifelt, dass du ein solches finden wirst", murmelt er und droht plötzlich erneut in die Bewusstlosigkeit zu entgleiten.
„Dwalin, nein, bitte, bitte, du musst wach bleiben. Nur noch für einen Moment", flehe ich verzweifelnd und führe die Blume an seinen Mund. „Bitte, iss das, es wird dir helfen." Er brummt Unverständliches und wohl mit dem letzten Rest an Lebenswillen, öffnet er die Lippen, so dass ich Stückchen für Stückchen erst die Blüte und zuletzt den Stängel mit den spitzen Blättern dazwischen schieben kann. Langsam kaut er, kräuselt die Augenwinkel über den vermutlich bitteren Geschmack. Immer wieder animiere ich ihn dazu, weiterzumachen, bis die Niphredil vollkommen verschwand. In einen tiefen Schlaf fällt er danach, ohne, dass weder Ori noch ich es verhindern kann. Die Gefahr ist groß, denn im letzten Stadium der Krankheit befindet er sich mittlerweile, dass er trotzdem niemals mehr aus ihm erwachen wird. Erschöpft und obwohl ich dachte, nach all den Tagen in Kummer verbracht keine Tränen mehr zu haben, vor Verzweiflung von ihnen überströmt, lasse ich mich auf den Stuhl nieder.
Dann warten wir.
Eine halbe Stunde.
Aus der schleppend eine Ganze wird.
Balin kommt schließlich hinzu. Er hörte von dem Segen. Wie auch Thorin und Dís und die Ratsmitglieder, ja der gesamte Hof und alle im Berg. Die Nachricht von der Errettung verbreitetet sich schneller als jedes auf strohgedeckten Häusern um sich greifende Feuer. Ori überlässt ihm seinen Platz, aber als er gehen will, bitte ich ihn, zu bleiben. Dankbar bin ich darum, dass er mit mir über Dwalin wachte. Dafür seine Verpflichtungen vernachlässigte. Mich nicht alleine ließ in Kummer und Schmerz, Verzagen und Hoffen.
Zwei weitere Stunden vergingen ... langsam ... schweigend ... bangend ... da zeigt sich endlich eine erste Besserung. Das Fieberglühen seines Körpers ebbte ab. Die Schweißperlen verdunsten auf der jedoch weiterhin blassen Haut. Der Geruch kaum mehr wahrnehmbar. Allerdings nach wie vor schläft er unweckbar.
„Er wird es schaffen", meint Oin im Anschluss an seine Untersuchung, gleichwohl weiß ich nicht, ob es Wunsch oder Prognose ist. Undurchsichtig spricht das Antlitz des Heilers. Er berichtet davon, dass mittlerweile ein sehr großer Teil der leicht Erkrankten vollkommen gesundete und sich nur noch zur Überwachung im Spital aufhalten. Die, die sich im Endstadium wie Dwalin befanden, benötigen natürlich mehr an Zeit, aber einige wenige von ihnen befinden sich auf einen durchaus guten Weg der Besserung und sind unlängst erwacht. Für andere jedoch, kam trotz aller Hoffnungen jede Hilfe zu spät.
Ich bin so müde. Das Warten zehrt an meinen letzten Kräften. Trotzdem weder schlafen noch essen, noch von der Stelle bewegen, kann ich mich ... getraue es mir nicht. Die Zeit vergeht wie beständig aus Höhlenstein tröpfelndes Wasser. Tropf ... tropf ... tropf. Jeder Atemzug Dwalins gleichmäßig, tief und verheißungsvoll ruhig. Ein, aus ... ein, aus ... ein, aus. Ich umschließe seine Hand mit den meinen. Warm ist sie. Eine gewohnte Wärme. Gleichwohl die vertraute Stärke in ihr fehlt.
Balin reibt sich über die schattenumwobenen Augen. Ebenfalls wenig wenn überhaupt Schlaf fand er, seitdem sein Bruder erkrankte. Vorher bereits, gedachte er vermutlich nächteweise der zweifelhaften Zukunft des Berges ob des in ihm sterbenden Volkes. Eigensinnig bin ich nur meiner Erschöpfung zu klagen. Einjeder, Heiler, Helfer, Kräuterkundlerinnen, Soldaten, Berater, Bauern, Handwerker, Diener ... sie alle leisteten in den letzten Wochen Enormes. Wie schon so oft in der Geschichte Mittelerdes, zeigten sie, dass das Volk Durins unbrechbar wie der Stein ist, aus den Mahal ihren Urvater schuf.
Ich senke den Blick, versuche Worte der Ermutigung zu finden, die ich ihm schenken könnte. Jedoch keinerlei fallen mir zu. Selbst gebrauchen könnte ich sie, wie mir stattdessen bewusst wird. Als ich wieder aufblicke, wir mir plötzlich eine näherkommende Gestalt gewahr, das Gesicht verborgen unter der tiefgezogenen Kapuze eines langen, edlen Mantels, besetzt mit Wolfspelz. Wohlbekannt ist er mir. Näher kommt sie und als er am Fußende des Bettes stehenbleibt, erhebe ich mich respektvoll, um dem König meinen Sitzplatz anzubieten. Er jedoch hebt zügelnd die Hand.
„Bitte, bleib sitzen", ersucht er mit gedämpfter Stimme. Schwer von Sorge klingt sie und die dabei starr auf seinen Freund gerichteten Augen glitzern gebrochen unter dem Rand der Kapuze hervor. „Verzeiht, dass ich nicht bei euch war." Er ist es jetzt und nur das zählt, obgleich es fortwährend gefährlich ist, denn selbst wenn wir ein Heilmittel fanden, eine Infektion könnte weiterhin schwerwiegende Folgen mit sich bringen.
„Ach Buhel", seufzt er. So viel auch in den letzten Monaten und Wochen zwischen ihnen geschah, die Jahre tiefer Freundschaft, gemeinsam gefochtener Schlachten und erlebter Abenteuer, wiegen schwerer als jeder Streit. Er senkt den Blick, aus Kummer, aber ebenso aus Demut, denn flehentlich ist die Bitte, die er schließlich an uns richtet. „Könntet ihr mich mit ihm alleine lassen?"
Natürlich. Nicht nur, um ergeben dem Wunsch eines Königs zu entsprechen. Langsam erheben wir uns. Einen Moment halte ich jedoch inne, warte, dass Balin und Ori vorausgehen, uns nur einen Augenblick der Vertrautheit ermöglichen. Sie verstehen die stumme Bitte.
Sanft nehme ich Thorins Hand auf. So viel bedeutet indes diese einfache Berührung. Verbundenheit, Liebe. Trost und Mut spendet sie. „Oin berichtete, dass du die Niphredil in Tharkûnas Garten fandest", murmelt er leise und drückt meine Hand fester. Tief empfundener Dank und Anerkennung übermitteln seine Finger, eingehender noch, als es Worte könnten. Ich lächle. Wenn er nur wüsste, wodurch sie so wundersam schnell und üppig sprießten.
Einen letzten Blick zurück zu Dwalin erlaube ich mir und wende mich dann zum Gehen. Viel wird er ihm zu sagen haben, auch, wenn er es nicht zu hören vermag. Manchmal ist es so einfacher Fehler zuzugeben, um Vergebung zu bitten, Gefühle zu benennen, die tief im Herzen ruhen, Abschied zu nehmen. Schwer lässt sich Thorin auf dem Stuhl nieder, den ich vordem besetzte und schlägt die Kapuze zurück. Müde sieht er aus. Die Haare matt. Das Antlitz fahl. Die Augen dunkel von Kummer. Gleichermaßen ein König hat das Recht zu trauern.
Leerer ist der Krankensaal geworden. Ehemals Leidende sitzen aufrecht in ihren Betten, unterhalten sich mit ihren wieder frohgemuten Angehörigen und Freunden. Zu Thona möchte ich gehen, um mich ihrer Genesung zu versichern, allerdings als ich an ihr Krankenlager trete, liegt dort niemand mehr. Zu schwer erkrankt war sie, um schon entlassen worden zu sein. Daher eine der Heilerinnen frage ich nach ihrem Verbleib, ihr eben noch so frogestimmter Blick über die Wandlung jedoch, verdunkelt sich unmittelbar. „Es tut mir leid, Zabdûnayê, aber ihr Körper war bereits zu schwach. Sie starb kurz nach der Gabe der Niphredil." Alles beginnt sich um mich herum zu drehen. Die Sicht verschwimmt. Nein. Das kann nichts sein. Das darf nicht sein. Trauer ergreift mein Herz und lässt es leidvoll aufschreien. Ihr Verlust, nachdem wir uns doch erst wiederfanden, schmerzt sehr. Die Tränen jedoch halte ich streng zurück.
„Wo ist ihre Tochter?", frage ich besorgt, denn das Mädchen ist nun ganz allein und noch so, so jung. Die Heilerin deutet auf einen mit Tüchern abgetrennten Bereich im hinteren Teil des Krankensaals. „Alle Besucher müssen sich für drei Tage in Quarantäne begegnen, damit sie eine mögliche Infektion nicht verbreiten. Wir haben sie währenddessen dort einquartiert."
Überfüllt mit Zwergen ist das Separee. Bänke und Betten wurden bereitgestellt, jedoch viele müssen aus Ermangelung eines Platzes ihre Wartezeit auf den Boden verbringen. Gleichwohl für ausreichend Nahrung und Wärme ist gesorgt, wie ich hinlänglich feststelle, denn einige von ihnen hüllen sich in Decken und Helfer geben gerade eine nährende Suppe aus.
Den Blick lasse ich über die Köpfe schweifen, während ich durch die Reihen gehe. Fröhliche Gesichter, die sich vor wenigen Tagen noch in Leid verdunkelten, strahlen mich an. Lachen überall. Endlich konnte sich der Berg aus der Lethargie der Krankheit befreien. Jedoch in einem abgelegenen Teil zogen sich die zurück, für deren Liebsten es keine Heilung mehr gab. Dort finde ich Breda schließlich. Tief in sich zusammengesunken auf den Boden kauernd, die dürren Arme um die spitzen Knie geschlungen, älter wirkend, als sie tatsächlich ist.
„Darf ich mich zu dir setzen?", frage ich vorsichtig. Blinzelnd aus tränenroten Augen schaut sie überrascht über die plötzliche Ansprache auf. Offenkundig nicht damit rechnete sie, dass gerade ich vor ihr stehe. Mich noch einmal um ihre Mutter und sie sorge. Sie nickt unsicher und rutscht verdeutlichend einige Zentimeter zur Seite.
„Ich habe von deinem Verlust gehört, der mich gleichermaßen schmerzt", unterrichte ich sie, nachdem ich mich neben ihr niederließ. Unangenehm kalt ist der Stein. Sie senkt den Blick. Tränen tropfen auf ihre nackten Arme. „Weist du, wohin du gehen kannst?" Sie schüttelt den Kopf. Verloren ist sie. Verwaist. Ihre Geschwister wohl ebenso arm, als dass sie einen zusätzlichen Esser durchbringen könnten. Wie erinnert sie mich doch an meine damalige Situation. „Ich werde eine Möglichkeit finden", verspreche ich und streichle ihr sanft, vertrauensgewinnend über den Arm. Dwalin rettete mich einst. Schuldig bin ich es dem Schicksal, sie nun ebenfalls zu retten.
Jedoch bevor ich weitersprechen kann, ihr mehr an Trost spenden kann, sehe ich Oin das Tuch beiseiteschieben und eintreten. Wohl auf der Suche nach mir, denn sein Blick wandert ebenso wie der meine zuvor über die Anwesenden hinweg. Ein schreckliches Gefühl überkommt mich sofort. Ich erzittere innerlich vor dem Grund.
„Ich werde eine Möglichkeit finden, warte einfach hier auf mich", sichere ich Breda erneut zu und erhebe mich bänglich. Jeder Schritt schwerfällig. Die Vorahnung einer entsetzlichen Nachricht zerrt an mir mit aller Macht der Trauer.
Oin jedoch lächelt, als ihm gewahr wird, wie ich auf ihn zukomme. „Er ist wach", sagt er hastig und augenblicklich fällt eine Last von mir, die so gewaltig ist, dass selbst Mahal die Erschütterung in seinen Hallen wahrnehmen wird.
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