Im Winter führt man keinen Krieg

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Als ich die Tür meines Zuhauses öffne, stolpert mir ungestüm ein kleines tapsiges Wollknäuel entgegen, gefolgt von zwei genauso unbändigen Zwerglingen. Der Schattenwolf, der neuerdings auf den Namen Thargrim hört – oder eher hören soll – scheint glücklich mit seinen neuen Lebensumständen, obwohl ich vermute, irgendwann wird er den Wald und die Freiheit vermissen.

„Astâ, wir haben Thargrim beigebracht, sich auf Kommando hinzusetzen. Willst du sehen?", ruft Kili enthusiastisch und springt mir in die Arme. Ich verstrubble seinen Zottelkopf, was er mit einem missmutigen Brummen quittiert. Schließlich schon elf ist er mittlerweile und kein kleines Kind mehr, dass man so zerzausen kann. „Innerhalb eines Tages?", frage ich überrascht. „Natürlich will ich das sehen."

Sein Bruder kommt hinzu. Mit seinen sechszehn Jahren ist er nach seiner Ansicht schon beinahe erwachsen, tatsächlich aber fast doppelt so alt muss er noch werden, um die Kriegsreife zu erlangen. Jedoch sein Onkel bereitet ihn bereits seit einiger Zeit darauf vor, ein ehrenhafter Prinz und womöglich würdiger Erbe des Throns zu werden. Zu ernsthaft ist seine Erziehung gleichwohl manches Mal, wie vor allem seine Mutter findet. Kind sein soll er noch so lange wie möglich.

Kili stellt sich vor den schwanzwedelnden Thargrim, hebt seinen Finger und spricht mit ernster Stimme: „Insidî!" Der kleine Wolfspopo berührt augenblicklich den Boden. Ich applaudiere ob dieser Leistung. Genauso skeptisch wie Thorin, Dís und auch Balin, als er das Junge zum ersten Mal sah, bin ich, dass er irgendwann einmal zur Gefahr werden könnte, und sei es nur, weil er die beiden Prinzen beschützen möchte. Riesig wird er vermutlich. Fast so groß wie ein Zwerg. Keinerlei Chance hätte sein Gegner. „Das ist toll", lobe ich und hoffe darauf, dass es niemals so weit kommen mag, denn alle drei lieben sich jetzt bereits inniglich und eine unweigerliche Trennung nach so einem Vorfall wäre für sie schrecklich schmerzhaft.

„Wo ist euer Onkel?", will ich schließlich wissen. Seit heute Morgen habe ich Thorin nicht mehr gesehen. Viele Aufgaben hatte er zu erledigen, derweil ich meinen freien Tag genoss. Zwar verabredeten wir uns für den Abend in seinen Gemächern, jedoch verzehre ich mich bereits nach seinem Anblick.

„Er berät sich mit Meister Balin, Hagrid und einigen Kommanden und Offizieren im Salon, wollte mir aber nicht sagen, worum es geht, obwohl ich danach fragte", schmollt Fili. Ein schlechtes Gefühl beschleicht mich sofort. Nur einen Grund kann es geben, dass er mit ihnen Rat hält. Orks treiben in den umliegenden Landen ihr Übel. Vereinzelte, kleine Rotten nur, jedoch überfallen sie regelmäßig Gehöfte, Handelkarawanen und Reisende. Oft sogar gefährlich nah an den Toren zu unseren und den Hallen der anderen in den Ered Luin beheimateten Sippen der Feuerbärte und Breitstämme. Das Gerücht rumorte heute im Berg und kam dadurch auch mir zu Ohren, dass es einen erneuten Angriff gab.

Ich überlege. Sofort nach meiner Rückkehr sollte ich Thorin über diese unterrichten. Er sorgt sich. Zu sehr manches Mal. Jedoch nicht gegen seinen Befehl will ich handeln, selbst wenn die Besprechung wohl geheim zu sein scheint. Daher zaghaft klopfe ich an die Tür zum Salon und warte geduldig auf eine Reaktion, die prompt ertönt.

Langsam drücke ich die Klinge herunter und trete ein. Wie befürchtet von knisternder Anspannung erfüllt als ziehe ein sommerliches Gewitter auf, vibriert die Luft im Raum. Sie findet sich in den Gesichtern der Anwesenden wieder. Verantwortet ihre verkrampften Körperhaltungen, egal, ob sie wie Balin und einige der hochrangigen Führer der verschiedenen Wehren auf den Sesseln und Kanapees Platz nahmen, oder mit verschränkten Armen um Thorin herum stehen, der sich sofort demjenigen mit finsterem Blick zuwendet, der sich traute die Zusammenkunft zu stören. Jedoch seine Miene mildert sich, als er mich in ihm erkennt. Ein leichtes Zucken der Mundwinkel und helles Aufblitzen des Augenlichts zeigt mir sogar, dass er froh über meinen Anblick ist.

Tief ist die Verbeugung vor ihm und den Anwesenden. „Ich bin zurück, Majestät", verkünde ich dennoch mit entschuldigendem Unterton in der leisen Stimme. Er nickt und legt den Kopf leicht schief. Ein vereinbartes Zeichen zwischen uns, das unerkannt von anderen die Gewogenheit zueinander bekunden soll. Je nach Situation Freude drückt es aus, Sehnsucht, Verlangen, Zuneigung, Hingabe. Ich antworte ihm in gleicher Intention mit einem Streichen über meinen Arm.

Er verweist mich jedoch nicht des Raumes, sondern wendet sich erneut seinen Beratern zu. „Schickt Nachrichten an König Tywin der Breitstämme und König Lothin der Feuerbärte und fordert ihre Antworten zur Unterstützung." Seine Stimme klingt schauderhaft harsch wie eisiger Schnee, vermischt mit der bebenden Erwartung eines sich bereits ankündigenden Sturms.

Hagrid, mittlerweile Meister des Heers und in Dwalins Abwesenheit zusätzlich seiner Position mächtig, schüttelt jedoch das krause Haupt. „Sie werden das Gleiche sagen wie wir Euch, Majestät. Es ist Winter, und im Winter führt man keinen Krieg."

Thorin betrachtet ihn mit solch einer finsteren Miene, die wohl nicht nur mir augenblicklich einen eisigen Schauder bis ins Mark sendet. „Die Notwendigkeit für Schlachten schert sich nicht um der Herrin Yavannas Spiel mit den Jahreszeiten. Sie müssen geschlagen werden, egal ob Winter, Frühling, Sommer oder Herbst."

Gleichwohl ich seine Meinung nachvollziehen kann, Recht hat Hagrid dennoch. Schnee und Eiseskälte, auch wenn sie und Zwergen nur wenig auszumachen vermag, erschweren einen Kampf ungemein. Stürme behindern die Sicht. Von Weitem lässt sich jedes Heer ausmachen, wo die weiße Landschaft kaum Deckung bietet. Nahrung für die vielen Krieger ist schwer zu finden. Das Metall der Waffen kann durch die Kälte spröde werden. Die Kräfte der Truppen leidet unter ihr und ein größerer logistischer Aufwand ist es, denn eine Menge mehr an Proviant, Zelten, Feuerholz, Kleidung und allerhand anderem muss mitgenommen werden. Jedoch Thorin scheint entschlossen die Orks zu bekämpfen, die es wagen die nahen Lande und auch sein Volk mit Blut und Terror zu knechten.

Dafür Verständnis zeigen nach weiteren bösen Blicken und abwehrenden Worten schließlich alle Anwesenden. „Ich werde Raben in die Feuerhallen und in das Silbertal senden", versichert Balin und erhebt sich sichtlich zu erdenschwer für das eigentlich noch junge Alter. Die Bürde als Hand des Königs drückt oft gewaltig auf seine Schultern. Trotzdem ihm die Stellung als Berater wie auf den Leib geschneidert scheint, manches Mal wünscht er sich ein ruhigeres Leben, wie mir sein Bruder einstmals gestand.

Dienstbeflissen öffne ich den hohen Männern die Tür und verbeuge mich zum Abschied, denn Thorin entließ mich im Gegensatz zu ihnen nicht. Still wird es im Salon. Nur das leise Knacken und Knistern der langsam verbrennenden trockenen Holzscheite im Kamin ist zu hören. Er verweilt schweigend vor ihm, den Blick in das Feuer gerichtet. Nachdenkend. Mit der Entscheidung hadernd. Niemals leichtfertig sollte ein Krieg heraufbeschworen werden. Leben wird er unzweifelhaft kosten, auch wenn die sich hoffentlich zusammenschließenden Heere von Feuerbärten, Breitstämmen und Langbärten eine Übermacht gegen die Orks bilden.

„Ich wünschte, Dwalin wäre hier, er hätte mir frei von Vorbehalten zugestimmt die Orks sofort zu bekämpfen, notfalls auch ohne Unterstützung der anderen Reiche." Die unerwartet ausgesprochene Bezeugung trifft das Herz mit derber Wucht. Noch immer quält mich die Schuld, für seine Abwesenheit verantwortlich zu sein. Ihn so gekränkt zu haben. Dass es mir nicht gelang, ihn aufzuhalten. Niemand sprach es bislang an, jedoch ich spüre, dass Einjeder diese Meinung vertritt.

Thorin wendet sich um, betrachtet mich mit sanften Augen voller Zuneigung. Aber ich senke hastig den schuldbeladenen Blick, um ihnen auszuweichen. „Ich weiß, du vermisst ihn." Tränen wollen hervorbrechen. Ja ... ja ich vermisse ihn. Als Freund und Vertrauten. Auch wenn Thorins Aufmerksamkeit, tägliche Aufgaben, Feste und vieles andere Ablenkung in sich bergen, der Schmerz der Sehnsucht martert beständig.

Er kommt näher, stolzen, festen Schrittes. Jedoch die Hand, die sich an meine Wange legt, ist sanft und voller Demut. Es ist nicht die Hand eines Königs, nicht die des Herrschers und Kriegsfürsten, die er vor wenigen Minuten noch verkörperte. Gleichgeordnet, frei von Rang, Status und Macht, will er mir in den Momenten der Zweisamkeit entgegenstehen, das versprach er ehrlich. Manches Mal zwar, nutzt er seine Autorität weiterhin, jedoch vielmehr unbewusst, aus Gewohnheit vielleicht. So schwer, wie ich die Ergebenheit sofort ablegen konnte, kann er sich von dem Gebaren als mein Herr frei machen. Gleichwohl mag er es, während wir beieinanderliegen. Niemals zu etwas bedrängte er mich bis jetzt.

Ich schlucke die brennenden Tränen hinunter und schaue auf. „Er wird zurückkommen, so wie ich ihn kenne, genau dann, wenn wir am wenigsten mit ihm rechnen, aber am meisten brauchen." Seine Beteuerung spendet Zuversicht. Viel, viel länger als ich kennt er ihn. Seite an Seite kämpften sie. Lachten, weinten, trauerten miteinander. Vertrauen sich, ohne zu hinterfragen.

„Werdet Ihr mit in den drohenden Kampf ziehen, Majestät?", möchte ich wissen. Er nickt. Seine Pflicht ist es. An vorderster Front wird er sogar zu Felde marschieren. Kein Feigling wie manch anderer König ist er, der sich weit ab vom Schlachtfeld aufhält, beobachtet und seinen Feldheeren lediglich Befehle erteilt. „Dann bitte ich darum, da es meine Schuld ist, dass Euer oberster General nicht zur Verfügung steht, mit Euch ziehen und an Eurer Seite kämpfen zu dürfen." Eine Verpflichtung wie die seine ist es. Eine Kriegerin bin ich, fähig Blut zu vergießen, mit Schwur an sein Leben gebunden und daher eifrig es notfalls mit dem Geben meines eigenen zu beschützen.

Thorin schließt die Augen und schnauft verdrießlich. Er rechnete wohl damit, dass ich ihn darum bitten werde. Er kann das Ersuchen trotz des Gelübdes ablehnen. Schon einmal verwehrte er mir, mit ihm zu ziehen, und stehe Mahal meiner Gesundheit bei, wenn er jemals herausfinden sollte, dass ich mich seinem Gebot widersetzte und den Truppen heimlich nachfolgte.

„Ich möchte dich nicht in Gefahr bringen", murmelt er schließlich, öffnet die Augen wieder, betrachtet mich traurig, während seinen Mund ein mildes Lächen umspielt. „Du bist mir lieb und teuer, mehr noch denn einst. Aber ich weiß, dass ich es dir nicht verbieten kann, dich nicht davon abhalten kann, deine Pflicht erfüllen zu wollen." Das mulmige Gefühl beschleicht mich, dass er trotzdem ich inkognito und vorsichtig war und nur wenige derer, die wir beide kennen, hierüber Kenntnis erlangten, er dennoch von dem Vergehen erfahren hat. Doch wenn dem so wäre, warum bestrafte er dieses nie?!

Er küsst mich mit sanften Lippen, ohne Leidenschaft, jedoch voller Zuneigung. „Du darfst an meiner Seite kämpfen", erlaubt er schließlich, stellt gleichwohl Bedienungen. „Allerdings nur an dieser. Keine Wagnisse wirst du eingehen! Dich nie von mir entfernen, zu keiner Zeit! Jedem Befehl von mir wird Folge geleistet! Ausnahmslos! Hast du mich verstanden?!" Ich nicke hastig zur Annahme der Gebote und bekämpfe dem Wunsch, ihm vor Freude um den Hals zu fallen. Natürlich werde ich diese befolgen! Stets und ständig!

Er lehnt die Stirn an die meine. Eine Geste von Vertrauen und Gewogenheit. „Und jetzt erzähl mir, wo du dich den ganzen Tag herumgetrieben hast. Gerade nach dem heutigen Morgen, an den ich immerzu denken musste, habe ich dich schrecklich vermisst und von den Ereignissen besonders der letzten Stunden, nachdem der Bericht über einen erneuten Überfall einer Handelkarawane eintraf, benötige ich dringend Ablenkung."

Ich schmunzle. Welche Art der Zerstreuung dies sein könnte, war heute ebenfalls Thema der Gespräche im Baraz Anâm. Erpicht bin ich darauf sie auszuprobieren. Amia jedoch versuchte, währenddessen sie mir allerhand darüber lehrte, wie ich (m)einen Mann verführen kann, immer wieder unauffällig in Erfahrung zu bringen, um wen es sich denn nun handelt. Dennoch keinerlei Hinweise gab ich hierauf. Weder Aussehen, noch Stellung noch Art der Bekanntschaft und ich hoffe, dass sie keinen Funken Verdacht schürten, wissen sie doch um die Anstellung im königlichen Haushalt, wenn gleich auch nichts über die enge Beziehungen zu deren Mitgliedern.

„Nicht hier", sage ich daher und fasse nach Thorins Hand. „Und nicht jetzt. Ich möchte mir noch gebührlich den Schmutz der Straßen vom Leib wachen, ehe ich deinem Vergnügen dienlich sein werde."

Thorin zieht eine der buschigen Augenbrauen nach oben. Phantasien anzuregen, riet mir einst auch Jassin. Mit ihnen zu spielen. Und die Vorstellung von Wassertropfen, die über die bloße Haut gleiten, zwischen den Brüsten hinab und sich verlieren in meinem Schoß, sehe ich deutlich in seinem Blick flackern. Er brummt wohlig ob ihrer Wirkung und tritt näher, so, dass sich unsere Körper berühren, ich die Hitze der aufflammenden Leidenschaft allzu eindringlich spüren kann, selbst durch Metall, Leder und Stoff hindurch.

„Darf ich dir dabei helfen?", fragt er mit tief-leiser Verführerstimme. Ich gaukle vor, erst angesträngt darüber nachdenken zu müssen. „Ich will nur sichergehen, dass du überall sauber wirst. Wer weiß, an welchen Stellen ich dich heute noch mit meiner Zunge berühren möchte." Der Kunst der Verlockung auch mit Worten ist er ebenso mächtig, wie ich nur allzu oft bereits erfahren durfte. Die Vorstellung wo dies alles sein könnte, wie es sich anfühlen könnte, entsteht augenblicklich im Kopf und lässt ihn ganz schwindelig werden. „Dann komm", flüstere ich lockend und ziehe ihn an der Hand mit zur Tür.

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Insidî! – Sitz!


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