Das Ersuchen
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Wohl zum letzten Mal nutze ich die Gelegenheit, durch den herrlichen Garten des Anwesens zu wandeln, denn übermorgen bereits, reisen wir ab. Der süße Duft von Blumen erfüllt die warme Luft. Rosen, Narzissen, Lilien, Astern, Nelken, interessant anzusehende Antirrhinum, mich überragende Sonnenblumen, die ihre strahlend gelben Köpfe zum Licht recken. Bienen summen von einer Blüte zur nächsten. Bunte Schmetterlinge umwerben einander. Eine kleine Libelle schwebt unbewegt über dem Wasser des künstlich angelegten Teichs, auf dem Seerosen in weiß, rosa und rot blühen. Die silber-schimmernden Fischchen darin verstecken sich erschrocken unter ihren Blättern, als ich näherkomme.
Weit geht der Blick über das grüne, liebgewonnene Auenland mit seinen sanften Hügeln, korngelben Feldern, glitzernden Bachläufen und lichten Wäldchen. Die Schatten der wenigen flauschigen Wolken am Himmel ziehen wie Schemen von Schiffen über das ansonsten von hellem Sonnenlicht überflutete Land. Dem unklaren Wispern von Faien gleich rauscht der laue Wind durch die Krone des hochgewachsenen Eichenbaums, unter dem ich mich schließlich in das weiche Gras niederlasse, um den Anblick auf alle Zeit während in meinem Herzen aufzunehmen.
Kühler ist der Erdboden hier und noch ein glitzernder Rest frischer Morgentau benetzt die Grasstängel, in die ich die baren Füße stelle. Zur Gewohnheit wurde es mir, die Natur und ihre Eindrücke, ganz ohne störende Hindernisse zu erleben. Zwerge sind der Erde und dem Stein vom Anbeginn ihres Seins an verbunden, wir stammen aus ihnen, wohnen in ihnen, allerdings entfernten wir uns von ihrer schöpferischen Kraft auf widernatürliche Art. Der sie und ebenso uns erschöpfenden Herrschaft über Metall, Mineral und Fels schicken wir uns an. Zwingen ihnen Formen auf, Leben sowie Tod, sprengen sie entzwei, tragen sie mit blasiertem Stolz oder horten sie in tiefen Hallen zu Schätzbergen angehäuft. Nur wenige Zwerge hören noch auf das Wispern, Raunen, Singen und Mahnen der Edelsteine und Edelmetalle, die eingebettet in uraltem Gestein seit Anbeginn der Zeit Wissen und Macht in sich aufnahmen. Mahal lehrte uns sie zu respektieren, zu schätzen, geschickt zu verwenden, unübertroffene Schönheit aus ihnen zu erschaffen, mit seiner und unserer Stärke zu bereichern, jedoch allzu dünkelhaft gebrauchen wir sie nunmehr.
Himmelblaue Vergissmeinnicht wachsen um mich herum. Vorsichtig berühre ich die zarten Blütenblätter. Vieles lernte ich von den Hobbits. Den wiedergewonnenen Respekt vor der Natur und vor mir und das Vertrauen in beides, sind wohl die segensreichsten davon.
„Genießt du die Sonne des Auenlandes?" Thorins sich nähernde Stimme zaubert mir ein Lächeln auf das nachdenkliche Angesicht. Schwer lässt er sich mit den Rücken an den Stamm der alten Eiche gelehnt neben mir nieder. „Ich will mich ein wohl letztes Mal für lange Zeit frei fühlen", seufze ich, ohne aufzusehen. Er streicht mit sanfter Hand über das taufeuchte Gras. Die winzigen Tropfen benetzen seine Haut, lassen sie bronzen schimmern. Einen Moment verweilt er, nimmt die Kraft der feuchten Erde in sich auf. Auch er entdeckte wieder, wie gewaltig das Besinnen auf die Verbundenheit zu natürlichen Energien wiegt.
„Ich weiß, was du meinst", bestätigt er gedankenschwer. Die Last der Königsbürde vermochte er für ein paar Wochen von den geschundenen Schultern zu streifen. Frei zu sein bedeutet für ihn nicht nur bar jedweder Verantwortung, sonder auch sorglos einzuschlafen und ohne sofortige Gedanken an die Verpflichtungen des bevorstehenden Tages wieder aufzuwachen, bevor dieser überhaupt recht begonnen hat. Ausschließlich sein eigener Herr zu sein und nicht der eines ganzen Volkes. Des Versteckspiels überdrüssig, war es mein Wunsch an ihn, unsere Liaison eine Zeitlang offen auszuleben. Gemeinsame Zeit zu verbringen, zu lachen, zu tanzen, ohne, dass misstrauische Augen uns beobachten. Miteinander sorgen- und gedankenlos einzuschlafen und aufzuwachen. Jedoch unser Aufenthalt hier ermöglichte noch so viel mehr. Wie Mann und Frau fühlten wir uns, und nicht wie König und Dienerin. Zusammengehörend. Glücklich. Frei so zu sein wie wir sind und das zu tun, was uns Freude bereitet. Sobald wir zurückkehrten, wird kein Augenblick Ruhe bleiben, um nebeneinander im Gras zu sitzen und einander und den Vögeln und dem Rauschen des Windes zuzuhören.
Bereits sehnsüchtigen Schmerz darüber im Herzen tragend, lehne ich den Kopf an seine Schulter. Wärme und Stärke strahlt sein Körper aus und der Arm, den er um mich legt, wirkt liebvoll beschützend genauso wie tröstend. Im gleichen Sinne wie ich sehnt er sich nach den Seinen, die Zuhause unsere Rückkehr erwarten, nach den heimatlichen Hallen, gleichwohl betrauert er das Einbüßen der genossenen Unbeschwertheit, die er hier fand.
„Wir werden wiederkommen, das verspreche ich dir." Keine leere Floskel ist seine Zusicherung. Nicht nur zum Trost beteuert er das gefasste Bestreben. Dennoch, wie um die Unerschütterlichkeit seiner Worte zu bestärken, greift er nach meiner Hand und legt sie sich auf die Brust, dort, wo das Herz langsam und ruhig und voller Zuversicht schlägt.
Momente wird es geben. Wenige zwar, flüchtige, im Verborgenen verbrachte, in denen wir einander nahe sein und das hier entdeckte starke Gefühl der Verbundenheit und, wenn auch noch nicht bekundeten, Liebe zueinander, wiederaufleben lassen können. So viele Jahre bereits gelang es uns, die Affäre unentdeckt zu belassen. Achtsam werden wir weiterhin sein. Keinerlei Risiko eingehen. Geübt sind wir darin. Und in ein paar Jahren, wenn wir dem Versteckspiel erneut überdrüssig sind, es an unserer Existenz zehrt, wir Unglück verspüren, werden wir hierher zurückkehren. Jedoch eine Idee kommt mir plötzlich. Eine Möglichkeit, einen Ort zu schaffen, in dem wir ganz wir sein können, unser eigenes, kleines, verträumtes Auenland inmitten des Wahnsinns der höfischen Koketterie.
„Thorin?" Er brummt tief und lang wie ein Bär zur Bestätigung, dass ich seine ungeteilte Aufmerksamkeit genieße. Dennoch zögere ich, unsicher, vielleicht doch zu viel von ihm zu verlangen, obwohl er mir nie einen Wunsch abschlagen würde, egal wie unmöglich, anmaßend oder hochmütig er erscheint. „Frag ruhig, denn mir kam wahrscheinlich soeben der gleiche Einfall." Oft denken wir ähnlich in Situationen und finden Lösungen zu Herausforderungen, die sich ergänzen oder sogar gleichlauten, daher verwundert mich seine Aufforderung nicht. „Würdest du mir ein Anwesen stellen, außerhalb des königlichen Haushaltes? Ein bescheidenes Heim, nicht groß oder gar prachtvoll, einen Rückzugsort für mich und meine Freunde und Liebsten, egal, welchen Stand sie angehören."
Thorin atmet seufzend. Er weiß, was dies für einen Eindruck am Hofe erwecken wird, welch Gerüchte entstehen oder manch einer sogar für bestätig erachtet, wenn er meine Anwesen dann ebenso aufsucht. Nicht als König, sondern als Vertrauter, als Freund. Welch dunklen Schatten dies auf mich werfen könnte. Jedoch längst bin ich beliebtes Ziel der Intriganten und Ränkeschmiede, sehe mich beständig schmutzigem Gerede ausgesetzt, das teilweise bereits die Grenzen einer beleidigenden Ehrverletzung überschritten hat. Er denkt, mir wären diese nicht bekannt. Das sie meine Ohren nicht erreichen. Er mich bisher vor ihnen beschützen konnte. Allerdings ich höre das Gemunkel allzu deutlich. Sehe die miteinander tuschelnden Damen und Herren, wenn er mich zum Tanz auffordert oder mir in ihren Augen ein wenig zu ungebührlich nahekommt. Nehme ihre Eifersucht wahr, sobald er mir Ehre und Wohlwollen erweist. Ich bedachte dereinst nicht, welch Gefahr und Missgunst mir drohen, als ich zusagte, in seinen Dienst zu treten. Dennoch denke ich, schlimmer, mag es nicht mehr kommen.
„Ich werde es in Betracht ziehen", sichert er mir die Bitte schließlich äußerst diplomatisch formuliert unverbindlich zu und ich kann es mir nicht verkneifen, ihm dafür ein wenig schmerzhaft in die Seite zu knuffen. „Frechheit", schimpft er und hält meine Hände fest, als ich weitere Angriffe ausführen möchte. „Ich muss dir wohl erst einmal wieder Respekt vor deinem König einbläuen, bevor wir zurückkehren." Herausfordernd das Unmögliche ruhig zu versuchen, blinzle ich ihn an. Oh Mahal wie sich seine Augen daraufhin verdunkeln. Eine Aufforderung zum Kampf lässt er nicht unerwidert.
Näher beugt er sich, ohne die Handgelenke auch nur einen Augenblick aus dem Schraubstockgriff zu entlassen. Die feuchte Wärme seines Atems streicht über meine Haut, über Dekolletee, Hals, Gesicht, benetzt die Lippen. „Wie soll ich dich nur bestrafen?", grübelt er absichtlich laut und enthält mir den Kuss vor, nach dem ich begierig verlange. „Verzeiht mir, Herr", wispere ich kleinmütig und senke den demütigen Blick. „Ich wollte Euch nicht kränken."
Seitdem wir ausfochten, dass meine Macht über ihn ebenso stark ist wie die seine über mich, spielen wir mit unseren Rollen. Manches Mal lässt er sich leiten, verführen, beherrschen. Genauso aber genießt er es, wenn ich mich ihm unterwürfig zeige. Die Hände führt er über meinen Kopf zusammen, hält sie mit einer der seinen mühelos fest, und zwingt den so zu Wehrlosigkeit gebannten Körper, sich rücklings in das weiche Gras fallen zu lassen. Den Hauch eines Kusses nur, platziert er auf der empfindlichsten Stelle des Halses, dort, wo das Blut aufgewühlt schnell durch die große Ader direkt darunter pulsiert. Nicht viel mehr als ein flüchtiger Kontakt betörender Lippen. Dennoch beschleunigt sie den Atem, infolge dessen Thorin triumphierend lächelt.
Sanft streicht seine andere Hand derweil meine Seite entlang. Über harten, lästigen Stoff, der verhindert, dass ihre Wärme und das entflammende Verlangen in der Berührung bis auf die Haut sickern. „Wie soll ich dich bestrafen?", sinniert er erneut absichtlich laut und lässt die Lippen quälend langsam den Hals hinabgleiten. Ich winde mich indes längst mehr begehrend im weiterhin unberührt festem Griff. Nach meinem Empfinden Züchtigung genug ist es, an einem Ort von ihm erregt zu werden, an dem wir der Leidenschaft nicht nachgehen könnten. Thorin bemerkt dies unzweifelhaft und gleichwohl ich allzu deutlich wahrnehme, wie auch seine brennend heiße Erregung wächst, lässt er mich schließlich von weiterer Quälerei absehend frei, entfernt sich jedoch nicht.
Weiterhin schwer wie eine behagliche Decke lastet sein warmer Körper auf mir, während er seinen Kopf auf meine Brust bettet. Befreit von bloßer Begierde liegen wir beieinander, einzig befriedigt von Nähe und Zuneigung. Sanft lasse ich die Finger durch seine Haare streichen, betaste die Strähnen als wären sie Seidenfäden. Tief atmet er, das Pochen seines Herzens ein stetiger Rhythmus, der das meine beruhigt. Wohlig und sicher umschlossen von seinen Armen, überspült mich plötzlich eine glitzernde Welle von Glück. Ewig könnte ich hier so mit ihm im weichen Gras liegen. Einträchtig vereint, beschienen von der warmen Sonne, die in pfeilgeraden Strahlen durch das rauschende Blätterdach der Eiche bricht.
„Du bedeutest mir mehr, als alle Reichtümer dieser und der jenseitigen Welt", raunt er leise, kaum lauter als das Vogelzwitschern, aber die Kraft in seiner Stimme lässt mich erzittern. Viel bedeutet mir das Geständnis, beschwört jedoch plötzlichen Schwindel herauf, denn eine Verehrung liegt darin, die unfassbar scheint, ist die Wertschätzung eines Zwerges für Gold und Edelstein doch unendlich. „Und ich habe Angst davor, welch Auswirkungen diese Gefühle zu dir in meinem Herzen womöglich einmal hervorbringen werden." Verzagend ist sein Blick, mit dem er mich betrachtet, gleichwohl ein Funke darin leuchtet, der schmerzvolle Hoffnung innehat. „Du hast mich gefragt, ob ich mir ein Leben in Armut und Bedeutungslosigkeit vorstellen könnte ... hier, bei dir, in deinen Armen, ist mir bewusst geworden, nichts an dem, das ich gerade in meinen goldenen Käfig der Königsbürde gesperrt verbringe, ist wichtig genug, um es nicht für eines an deiner Seite aufzugeben."
Ich schüttle protestierend den Kopf. Bittere Tränen in den Augen. Schon einmal drohte jemand, den ich sehr liebte, damit, seinem Leben in Sicherheit und Wohlstand für mich abzuschwören. Ich unterband seine Entsagung und kränkte ihn dadurch zutiefst, gefährdete sogar das freundschaftliche Band, das uns mehr noch als Liebe einte. „Thorin", will ich verhindern, dass er weiterspricht, weiterhin seine Bestimmung verleugnet. Er ist dazu bestimmt König über Durins Volk zu sein. Nicht nur von Geburt her, nein, sein ganzes Wesen, sein Ehrgeiz, sein Stolz, er ist der Herrscher, der uns in eine glorreiche, sichere Zukunft führen wird, und niemals verzeihen könnte ich es mir, gebe er dies zu meinen Gunsten auf.
Jedoch trotzig, wie er ebenso ist, möchte er die Abwehr nicht annehmen. So bedrohlich kurz davor steht er, mir mitzuteilen, dass wir nicht nach Hause zurückkehren werden, das spüre ich. Kaum etwas in meiner Macht Stehende wird ausreichen, um ihn dies auszureden, es sei denn, ich würde mich von ihm lossagen und ihn verlassen, und damit Wunden in sein und ebenso mein Herz reißen, die schrecklicher und unstillbarer bluten werden als alle Bisherigen. Dennoch würde ich ihn und die sichere Zukunft aufgeben, allein für die seine, die seiner Familie und die unseres Volkes.
Allerdings diese Prüfung erlässt uns das Schicksal (vorerst), indem plötzlich unsere Namen durch die Stille des Gartens gerufen werden. Hastig setzen wir uns auf und sehen wenig später bereits Mirabella auf die Anhöhe kommen. Erleichtert scheint sie, uns endlich gefunden zu haben. Gleichwohl noch eine weitere Freude erhellt ihr hübsches Gesicht. „Meister Eichenschild, verehrte Astâ, mein Vater verlangt nach Euch. Ein wichtiger Gast mit einem bedeutenden Anliegen ist soeben eingetroffen", berichtet sie ganz außer Atem. Wer mag das nur sein, fragen wir uns still.
Jedoch zumindest ich nicht für lange, denn zu meiner großen Überraschung steht der junge Bungo Beutlin inmitten des Audienzsaals, in den uns Mirabella führt. Fein gewandet hat er sich. Eine sichtbar neue Weste ganz aus feingemusterten Brokat und mit bronzenen Knöpfen trägt er über dem weißen Hemd und sogar seine Füße sind blankgeschruppt und die Haare dort ordentlich gekämmt.
Der alte Tuk sitzt aufrecht in seinem Stuhl am Ende des Saals, um ihn herum Gemahlin, Söhne und Töchter stehend. Belladonna knibbelt jedoch als einzige unter ihnen ganz aufgeregt am Saum ihrer Schürze. Mirabella stellt sich daher neben sie und hält beruhigend ihre nervöse Hand fest. Auch mein Lächeln, das ich ihr schenke, nachdem Thorin und ich uns inmitten der anderen Anwesenden Familienmitgliedern platzierten, soll entspannend auf sie wirken. Dass ihr Herzallerliebster hier ist, so herausgeputzt und ebenfalls angespannt an seinen Fingern herumknibbelnd, kann nur eines bedeuten.
„Nun, junger Meister Beutlin, was ist Euer Begehr an mich?", fragt Gerontius mit bedrohlich ernster Stimme, nachdem endlich Ruhe im Saal einkehrte. Bungo räuspert sich verlegen und vollführt hastig eine unbeholfene Verbeugung. „Verehrter Meister Tuk, Thain des Auenlandes, Herr der Tuklande", beginnt er mit aufgeregt zitternder Worten und schaut kurz zu mir hinüber. Ein ermutigendes Kopfnicken werfe ich ihm zu. Sprich nur weiter. „Ich bin hier, um Euch darum zu bitten, mir die Hand Eurer verehrten Tochter Belladonna zu überreichen."
Bella senkt den Blick, um das freudige Lächeln und wohl drohenden Tränen zu verbergen. Ihr Vater richtet sich noch ein klein wenig mehr in dem herrschaftlichen Stuhl auf. Ich mag aus seinem Verhalten nicht zu erkennen, ob er dem Ersuchen wohlgesinnt ist. Einer angesehenen Familie, genau so wie er für seine Tochter und Dynastie vorsah, gehört Bungo an. Ein ehrbarer Mann ist er zudem. Gut wird er seine Bella behandeln.
Gerontius schaut fragend zu seiner Frau, die allerdings sofort, wenn auch nur zu kurz, damit andere als er es wahrnehmen könnten, mit dem Kopf nickt. Jedoch lediglich aus den Augenwinkeln ergründet er den Willen seiner Tochter. Nicht vorrangig der ihre soll seine Entscheidung beeinflussen, zumindest nicht offiziell.
„Nun, Meister Beutlin, das Ersuchen richtet Ihr recht überraschend an mich." Eine winzige Nuance freundlicher erhellte sich seine Stimme mittlerweile. „Ich kenne Eure Familie seit langem und eine entfernte Cousine von Euch ist bereits die Gemahlin meines drittältesten Sohnes*." Bungo nickt zustimmend und tritt aufgeregt von einem großen Fuß auf den anderen.
„Ihr solltet wissen, mein Junge, dass ich meine älteste Tochter nur ungern einem Dahergelaufenen, der sie, ihr Temperament und ihren Verstand nicht zu schätzen weiß, anvertrauen möchte." Bungo nickt verstehend und ich sehe, wie sein Mut beginnt zu schwinden. Sein Selbstvertrauen ist in dieser Angelegenheit geringer, als ich befürchtete.
„Gibt es daher vielleicht jemanden hier, der sich für Eure Redlichkeit verbürgen könnte?" Gerontius spielt mit ihnen und der Liebe, die beide zueinander empfinden. Solch eine Niedertracht hätte ich niemals von ihm erwartet. Wohl irgendjemand ganz anderen hatte er für seine Tochter im Sinn und will den aus seiner Sicht ungeeigneten Bewerber verschrecken, unberührt davon, was Belladonna möchte, und sie so dazu zwingen, den Geliebten zu vergessen, um sich für ‚den Richtigen' zu entscheiden.
Angespanntes Stillschweigen tritt ein. Jemand den beiden Familien nicht Angehörende muss es zwingend sein und nur wenige solche Personen befinden sich vor Ort. „Ich bürge für Meister Beutlin." Thorins dennoch unerwartet den Saal erfüllende Stimme lässt mich überracht zusammenzucken. Mit großen Augen sehe ich zu ihm auf und der unerschütterliche Wille, der die Ernsthaftigkeit des Angebots bekundet, ist unmissverständlich in seinem feststehenden Gebaren zu erkennen. Der alte Tuk scheint ebenso wie alle über seine Wortmeldung erstaunt.
„Ich kenne die Familie derer der Beutlins schon lange", beginnt Thorin schließlich seine Eigung für die Bürgschaft zu erklären. „Sie sind ehrenfest, grundanständige Hobbits und besitzen einen gewissen Grund und hohes Ansehen im Auenland. Dies ist mir bekannt, denn Meister Beutlin Senior beliefert als Krämer meine Hallen bereits seit einigen Jahren mit unterschiedllichen Waren des Landes und ein guter Freund wurde er dadurch. In Korrespondenzen erzählte er mir oft von seinem Sohn und obwohl ich bislang noch nicht die Ehre hatte ihn persönlich zu treffen, vermag ich daher dennoch einzuschätzen, dass er ein weltoffener, kluger und ehrenwertere junger Mann ist."
Bungo schaut den Zwerg, den er bisland niemals zu Gesicht bekam, mit großen, braunen Augen an, nahe einer Ohnmacht ob der unverhofften Hilfe mit solch ehrenden Worten. Thorin nickt ihm wohlwollend zu. „Zudem sehe ich, dass er Eure Tochter liebt, genauso wie sie ihn lieben wird, und dieser gewichtige Grund sollte hinreichen, damit sich ihre Lebenswege vereinen."
Gegenseitige Liebe genügt, steht oberhalb aller anderen Belange, ist das Wichtigste und Stärkste, das zwei Geschöpfe verbindet – welch bedeutungsvolle Aussage von ihm. Sie trifft mich im Herzen und schürt die leise Hoffnung, dass er über uns genauso denken wird.
Gerontius räuspert sich missmutig. Gute Argumente trug Thorin vor und das Gewicht der Bürgschaft eines Köngs ist gewaltig. Unter keinen Umständen haltlos wird sie gegeben und daher von niemand je in Frage gestellt, auch von einem Thain nicht. „Nun gut", spricht er schließlich. „In Anbetracht der Versicherung, die mein Freund Thorin Eichenschild, König über Durins Volk der Zwerge, mir über Eure Eignung gab, stimme ich Eurem Ersuchen zu. Ihr dürft um die Hand meiner ältesten Tochter Belladonna werben."
Die Freude darüber, die gleichermaßen auf Bellas und Bungos und vielen anderen Gesichtern im Saal erstrahlt, ist herzerwärmend anzusehen. Ihre Schwestern umarmen Belladonna aufgeregt hüpfend, währenddessen diese kaum zu fassen vermag, was gerade wirklich geschah.
„Ein Beutlin also", sagt Thorin und nickt Bungo ein weiteres Mal wohlgesonnen zu, nachdem er seinen unermesslichen Dank mit einer tiefen Verbeugung an ihn bekundete. „Eine namhafte Verbindung, die angesehene Nachfahren hervorzubringen vermag", prophezeit er, unwissend dessen, wie Recht er damit behalten wird.
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* Funfakt: Hildigrim Tuk und Rosa Beutlin waren die Eltern von Adalgrim Tuk, der seinerseits Vater von Esmeralda Tuk und Paladin Tuk waren. Esmeralda heiratete Saradoc Brandybock und bekam einen Sohn namens Meriadoc, während Paladin Tuk Heiderose Hang,heiratete und einen Sohn mit Namen Peregrin bekam.
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