An meiner Seite
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Feuer kann wärmen. Feuer kann heilen.
Feuer kann verbrennen. Feuer kann verletzten.
Feuer kann Leben retten oder es vernichten.
Feuer kann Dinge erschaffen oder sie zerstören.
Die Flammen eines Lagerfeuers, hell flackernd in karger, gefährlicher Wildnis, vermag die grausame Kälte einer unter freiem Himmel verbrachten Nacht und die durchdringenden Schmerzen langer Märsche zu mindern.
Die emporschlagenden Flammenzungen, die bestrebt sind, den Versuch der Bannung durch gusseiserne Schalen, zu entkommen, verbannen mit ihrem Spiel allzu erfolgreich die Gedanken und Erinnerung an vergangene Schlachten.
Die Flammenmeere eines sich unerbittlich und unaufhaltsam über Häuser, Felder und Wälder ergießenden Brunst vollbringen es innerhalb weniger Augenblicke jedwedes Leben und alles Sein auszulöschen.
Die unverlöschliche Feuerflamme die ich erblickte und deren schöpferische wie zerstörerische Kraft ich spürte, brennt hell in Eas Herzen und in den Herzen eines jedes Geschöpfs, dass auf, in und über die Erde wandelt.
Wunderschön und schrecklich zugleich verbrannte, heilte, wärmte und verletzte sie mich. Von ihr zerstört - das Dasein, wie ich es bisher kannte und lebte, vernichtet - erschuf es eine neue Version von mir - besser, mutiger, selbstbewusster und erkenntnisreicher - und rettete nicht nur mein Leben.
Tief spüre ich es im Herzen, jetzt, da Geist und Körper sich erlauben können zu entspannen, denn geborgen liege ich in starken Armen, die mich festhalten. So fest, als wollen sie mich aus Liebe nie mehr loslassen und nicht nur verhindern, dass ich, entkräftet und müde, wie ich bin, vom Rücken des Pferdes rutsche, das uns im schnellen Trab zurück zum Lager bringt. Dwalins Wärme wohlvertraut, trotzdem ich ihrer so lange misste. Allein durch sie verflüchtigt sich die Kälte des Erlebten langsam aber beständig aus meinen Gliedern, während sie zusammen mit seinem dicken Mantel, in den er uns beide hüllte, die des Wintermorgens fernhält. Sein Geruch veränderte sich nicht. Auch wenn der Duft der Fremde an ihn haftet, von Abenteuern spricht, von den in Sehnsucht vergossenen Tränen berichtet, so ist er noch immer der, der mich so sehr an trockene Erde, liegend unter einem Nadelbaum erinnert.
Müde spähe ich über den Pelzbesatz des Mantels hinweg, als wir das endlich das Lager erreichen. Nur wenige Krieger sind bereits auf, wärmen sich die in der Nacht steifgefrorenen Hände und Füße an ob des langsam eintretenden Brennholzmangels dürftigen Feuern oder essen mit überdrüssigen Mienen den faden Tagesbrei. Gleichwohl allgemein scheint ihre Anzahl niedrig zu sein, eher denen eines Wachpostens zu gleichen, und dann sehe ich, dass einige von ihnen Verbände tragen.
„Kaum brachten die zurückkehrenden Begleiter von Prinz Thermyr die Kunde, dass ihr in der sich auftuenden Erde verschwunden seid, brachen die königlichen Truppen zum Schlag gegen die Orks auf, denn sie vermuteten, dass ihr direkt in ihre Gefangenschaft fielt." Dwalins Fahrigkeit meine Gedanken erschreckend klar zu lesen, litt nicht einen Deut unter der Trennung. „Allerdings fanden sie an der Stelle nichts, zu der beide sie führten. Keinen Orkstollen, keine Steinkreise, keine Erdlöcher, kein Anzeichen von irgendetwas, noch nicht einmal eure Fußspuren im Schnee."
Langsam bahnen wir uns den Weg durch das Heerlager. Dwalin mit mir an der Spitze des zurückkehrenden Suchtrupps, hinter uns jeder der Verschwundenen zusammen mit einem weiteren Krieger auf einem Pferd sitzend. Zu schwach sind wir alle, um alleine zu reiten. Dadurch aufmerksam werden die Soldaten und Gefolgsleute. Einigen ist die Erleichterung anzusehen, dass die Thronkinder ihrer Hallen sowie geschätzte Kameraden und Kameradinnen vollständig und augenscheinlich unverletzt zurückkehrten, anderen scheint dies vollkommen egal zu sein, denn sie wenden sich schnell wieder ihren Tätigkeiten zu.
Schreckliche Müdigkeit quält die brennenden Augen. Jeder Muskel und die Wunden am Arm, dem Gesicht und überall am Körper schmerzen. Ausruhen will ich mich, jedoch ein Umstand sticht immens in den Gedanken. „Warum bist du gerade jetzt zurückgekommen? Nach so langer Zeit des Wartens und Schweigens." Vorwurfsvoll klingt die Frage, hart, klagend und trotzig, obwohl nicht beabsichtigt.
Dwalin seufzt, schließt die Arme noch fester um mich und vergräbt für einen flüchtigen Augenblick, darauf bedacht, dass so wenige der Umstehenden wie möglich die vielsagende Geste bemerken, das Gesicht in den schmutzigen Haaren. Sein Atem daher für einen Moment allzu nah und allzu warm an der empfindlichen Haut des Halses wahrnehmbar. Kein Recht habe ich, zu erfahren, wo er sich all die Monate aufhielt, was er dort trieb und wie es ihm derweil ging. Verwirkt durch willentliche und gleichwohl verletztende Handlungen und Worte, die ihn bitterlich von meiner Seite trieben.
„Ich erfuhr durch einen zwergischen Händler, der mich mit Eisen belieferte, dass die drei Zwergenreiche im Westen einen Feldzug gegen die Orks planen", berichtet er schließlich. Daraus herleiten kann ich, dass er wohl als Schmied sein Auskommen fand, jedoch nicht wo. „Ich überlegte lange, aber der Schwur Thorin beiseitezustehen, im Frieden wie im Krieg, wog stärker als die einstige herbe Enttäuschung, die mich von euch entfernte."
Ein Zwergenherz heilt langsam. Das kalte Winterherz eines Kriegers, dass bereits zu viel an Leid und Elend, Verlusten und Ernüchterung erlebte, niemals mehr gänzlich. Es schmerzt mich, dass er nicht wegen mir den Entschluss fasste, zurückzukehren. Dass er mir vermutlich weiterhin nicht die Entscheidung, ihm zu entsagen, verzieh. Sein Eid war er, das Gelöbnis an König, Vetter und Freund stattdessen. Seine Ehre, Loyalität und Treue geboten es ihm, keine Empfindungen die er einst und, so hoffte ich zumindest, noch ein wenig für mich in seinem Winterkriegerherz hegt.
„Als ich eintraf, berieten sich die Könige, die jeder Liebste und Vertraute unter den Vermissten zu beklagen hatten, wie sie weiter vorgehen könnten, nachdem sie die erste Orkbehausung in der Nähe der Stelle, an der ihr verschwunden seid, ausgehoben hatten und euch dennoch nicht fanden. Thorin rechnete nicht mit mir. Balin und die anderen ebenso wenig, freuten sich zwar über meine Rückkehr, aber hatten nicht die Absicht, mich mit einzubeziehen. Jedoch als ich hörte, dass du ebenfalls verschollen warst, nahm ich mir eigenständig einige vertraute Krieger und machte mich mit ihnen auf euch zu suchen, während sie mit ihren Armeen weiter die Orks bekämpfen wollten."
Zufrieden gebe ich mich (vorerst) mit der Auskunft, ein wenig getröstet, dass er nicht zögerte und wohl auch wider des Willens Thorins handelte, um auszuziehen, mich zu retten. Immer schwerer werden die Augen und immer schwächer der Körper. Schwindel setzt ein und würde Dwalin ihn nicht festhalten, längst wäre ich gefallen.
Das Zelt der Verwundeten, das nahe des Flussufers aufgebaut wurde, um beständig sauberes Wasser zur Verfügung zu haben, ist groß, mit dichten, wärmehaltenden Fellen und Tannenzweigen bedeckt. Dwalin rutscht davor angekommen mit mir im Arm vom Rücken seines Ponys, das erleichtert von der doppelten Last den Kopf mit der zottigen Wintermähne schüttelt. Hinein trägt er mich, gefolgt von den anderen. Nur flüchtig kann ich sehen, dass ebenso Ibûna getragen wird, da sie unlängst vor Erschöpfung im Arm ihres Begleiters einschlief. Prinz Thermyr muss gestützt werden, während der alte Krieger Amdal aufrecht und mit deutlichem Widerwillen ob des in seinen Augen kaum beeinträchtigten Zustand das Lazarett betritt.
Oin kommt auf uns zu und auch wenn verschwommen, denn das Bewusstsein schwindet immer mehr, kann ich das Leuchten der Erleichterung in seinem Blick erkennen. Dennoch besorgt betrachtet er das schwache Gemüt und einige der Wunden an meinem Körper. Er weist Dwalin an, mich auf eine Pritsche nahe einer wärmenden Feuerschale zu legen, jedoch noch ehe meine abgezehrte Gestalt daniederliegt, verliere ich die Besinnung und der Geist versinkt in einer erholsamen Ohnmacht.
Ein fernes Murmeln, leise und ruhig wie der traurige Gesang eines einsamen Zwerges in einer verlassenen Höhle, erreicht mich schließlich in ihr und vertreibt langsam aber beständig die tiefe Besinnungslosigkeit. Gleichwohl weiterhin halte ich die noch immer brennenden Augen geschlossen. Trotz des Schlafes und der Ruhe in Sicherheit, nach wie vor fühle ich mich erschöpft und müde. Zäh sind wir Zwerge, Frauen wie Männer, jedoch die Ereignisse der letzten Tage zehrten ungemein und einige wird es benötigen, bis die Heilkundigen uns aus ihrer Fürsorge entlassen werden.
Das Murmeln wird lauter, kommt mir näher. Beratungen eben dieser zum Zustand, weiteren Behandlungsmöglichkeiten und ob diese überhaupt noch einen Sinn ergeben, werden es sein. Von Feldbett zu Feldbett gehen sie, den verwundeten Krieger, der in ihnen heilt oder stirbt, genau betrachten und ihr fachkundiges oft schweres Urteil fällen. Bei vielen dieser Visiten war ich bereits anwesend. Abgetrennte wie amputierte Glieder, deren Stümpfe sich eitrig entzündeten. In Fieberwahn versunkene und bis aufs Mark geschwächte einst starke Männer und Frauen. Tiefe Wunden, die bis auf Knochen reichten und Organe freilegten. Vom Blutverlust blasse Haut, die sich kaum vom Weiß des Bettzeugs abhob. An Kriegen und ihren Schlachten ist wenig heroisch und glanzvoll, der Sieg nicht von Wert, sobald die Verwundeten sterben. Der schnelle Tod auf dem Feld ein glücklicheres Los, als hier hilflos aller Stärke und Macht beraubt dahinzuvegetieren, wie ich einstmals für mich bei ihrem erschreckenden Anblick beschloss.
Nun jedoch liege ich selbst hier. Nicht auf dem Schlachtfeld errungen sind meine Wunden zwar, nicht aus wagemutigen Kampf davongetragen, gleichwohl dadurch im Vergleich demütigend der dennoch große Wunsch nach Verbleib und einhergehender Erholung. Oft bleiben die Heiler, Helfer und Kräuterfrauen stehen. Viel mehr Verwundete müssen sie, seitdem Dwalin mich hereintrug, aufgenommen haben, denn damals waren nur wenige Pritschen belegt. Vermutlich zurück kehrte eine Kampfeinheit. Vielleicht sogar die unter der Führung Thorins. Aber wäre er dann nicht hier, bei mir, freudig darüber, dass Dwalin mich fand, und besorgt ob des Zustandes? Warum spüre ich seine Hand nicht um die meine, nicht seine krankenwachende Anwesenheit? Vielleich unberechtigte Sorgen bereite ich mir, gleichwohl nun lassen sie sich nicht mehr aus dem Kopf verbannen. Und wenn nicht er, wo ist dann Dwalin, der anstatt seiner hier sein würde, sollte ich ihm denn noch etwas bedeuten?
„Ihre Wunden heilen schnell. Eine Ältere hatte sie am linken Arm, eine große, tiefe am rechten Bein, vermutlich durch einen spitzen Gegenstand verursacht, unzählige kleine Kratzer und Abschürfungen am ganzen Körper sowie eigenartige wenn auch leichte Verbrennungen, besonders an den Gliedern und der Brust, die scheinbar unbehelligt von Kleidung und Rüstung entstanden und gleichsam ihre Begleiter tragen. Ansonsten wurde sie ebenso dehydriert, halb verhungert und schwach zu uns gebracht, ohne Erklärung, wo sie sich die letzten zwei Wochen aufhielten. Aber sie erholen sich. Heute früh erwachten bereits drei von ihnen aus ihrer Ohnmacht und wir sind zuversichtlich." Oins Vortrag über meinen und den Zustand der anderen ist nüchtern und faktisch gehalten, jedoch da ich ihn fast ein halbes Leben lang schon kenne, höre ich die Sorge in seiner Stimme wie ein leises Bächlein unter Schotter plätschern. Besonders die unerklärlichen Verbrennungen scheinen ihn zu beunruhigen. Selbst bisher war ich mir ihrer Existenz nicht bewusst. Allerdings mein Körper fühlte sich nach Egnins Angriff und den weiteren Erlebnissen davor und danach überall wund und zerschunden an. Aber was sagte Oin? Zwei Wochen waren wir verschwunden. Die Zeit in der Unterwelt empfanden wir zwar als Ewigkeit, jedoch niemals dachte ich, dass derweil so viel von ihr auch in Mittelerde verging.
Die Prozession zieht weiter. Betrachtet andere Verwundete. Entscheidet über Schicksale. Noch einem Moment erlaube ich mir Ruhe und Dunkelheit, schlage dann jedoch die Augen auf. Die abgedeckten Zeltplanen dämpfen das dämmrige Graulicht eines bewölkten Wintermorgens zusätzlich und würden nicht beständig Feuerschalen zwischen und Kerzen neben den Betten brennen, kaum etwas könnte ich sehen. Wie vermutet vielbelegt mit verletzten Zwergen sind die Pritschen. Einige der Krieger erkenne ich als die unsrigen, was die Hoffnung schürt, dass sie unter der Führung Thorins standen.
Ich will mich aufzurichten, jedoch der zerschundene Körper versagt trotzig den Dienst und bestraft den ebenso störrischen Vorsatz des Geistes es dennoch zu versuchen mit brennenden Schmerzen und Schwindel, die er durch ihn hetzen lässt. Grelle Lichter blitzen vor den Augen und werden nur umso heller, als ich sie schließe. Zu kraftlos bin ich weiterhin, um einen erschütternd jammervollen Laut zu unterdrücken.
„Oh, Zabdûnayê, nein, Ihr müsst noch liegen bleiben", tadelt die Stimme einer Pflegerin oder Heilerin sofort sanft und eine besorgte Hand an meiner Schulter will mich zurück in die Laken drücken. Ich jedoch schüttle den schmerzenden Kopf. Genug des Herumliegens. „Ihre Majestät König Thorin prophezeite uns bereits, dass ihr eine störrische Patientin seid."
Plötzlich vergessen sind alle Schmerzen und der Schwindel. „Er ist wieder hier?", frage ich aufgeregt und die junge Zwergin neben mir nickt. „Sie kehrten gestern Mittag nach erfolgreicher Aushebung eines Orknestes am nördlichen Rand des Gebirges zurück. Er war kurz bei Euch, aber da Ihr noch schlieft und er den nächsten Auszug planen muss, habe ich ihn seitdem nicht mehr gesehen." Natürlich. Wie konnte ich nur so einfältig sein und seine Verpflichtungen vergessen. Als Heerführer nicht die Zeit hat er, um an meinem Krankenbett zu verweilen. „Soll ich ihn holen lassen?", fragt die Zwergin, denn die dennoch schwere Enttäuschung darüber muss deutlich Gemüt und Antlitz verdunkeln. Ich schüttle allerdings abwehrend den Kopf.
„Meister Dwalin, der Krieger, der mich hier her brachte, wisst Ihr, wo er ist?", möchte ich jedoch wissen. Ihr hübsches Gesicht und die hellblauen Augen beginnen daraufhin zu strahlen und eine leichte Verlegenheitsröte ziert die Wangen. „Oh, ja, natürlich. Er wollte sich nur etwas zum Frühstück besorgen, nachdem er die letzten zwei Tage kaum von Eurer Seite wich. Ein wirklich ehrenwerter und fürsorglicher Mann, den Ihr Euer nennen könnt, Zabdûnayê."
Wärme steigt mir bis in die Ohrenspitzen. Ich senke den Blick ob ihrer Worte. Aus Scham, Traurigkeit, vor Schmerz. „Er ist nicht mein, weder aneinander versprochen noch gebunden sind wir ... nur Freunde und Kampfgefährten." Selbst dies bezweifle ich stark, bis eine Aussprache über den vergangenen Bruch, der zu seiner Abreise führte, stattfinden kann. Von der intimen Verbundenheit zu Thorin, die indes heranwuchs, möchte ich ihn nicht berichten. Nicht verstehen wird er Gründe, Schwäche und Nutzen, seine schlimmsten Befürchtungen stattdessen als wahr geworden ansehen und wer weiß, was dies für Auswirkungen haben wird. Nein, genauso wie allen anderen, darf die Affäre zwischen uns ihm niemals bekannt werden.
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