Die Verführung des Tanzes

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„Ihre Majestät, Uzbadu Sigintarâg, Thorin, Sohn des Thráin vom Geschlechte Durins, und sein Gefolge."

Die sonore Stimme des Ausrufers schallt durch den prachtvollen Bankettsaal, der die westliche Flanke des Berges durchbricht. Große, bodengleiche Fenster mit goldornamentverzierten Rahmen ermöglichen den faden Blick auf die draußen herrschende gänzlich sternenlose Schwärze der Nacht. Im Sommer, wenn die Sonne um diese Zeit gerade erst den Tag beendet, wird das rot-violett-goldene Licht wohl glänzend den Saal durchfluten und auf von der gewölbten Decke herunterhängende irisierende Kristallleuchter und reflektierende Spiegel ringsherum treffen.

Die festliche Tafel inmitten des Saals ist bereits mit Köstlichkeiten überladen. Wild und Geflügel, sogar mehrere ganze Wildschweine sehe ich, bunt-verzierte Torten, kleine Patisserie, Platten mit Käse und Wurst, Schüsseln mit Pilzen, dampfende Pasteten, Brot und Brötchen, Aufläufe, Kartoffeln, wenig gegartes Gemüse und Körbe voller frischem Obst aus den unterirdischen Garten. Mein Magen grummelt erbost, um in Erinnerung zu rufen, dass ich den ganzen Tag bislang nur Frühstück zu mir nahm. Jedoch erst feierlich begrüßt und wichtigen Persönlichkeiten müssen wir vorgestellt werden.

König Lothin und seine Gemahlin erwarten uns bereits. Elegant und vornehm präsentiert sich die Königin in ihrem silberblauem Kleid mit der zarten Spitzenborte am wie der Blütenkelch einer Tulpe geformten Rocksaum. Es schmeichelt ihrer grazilen Figur neidmachend wirkungsvoll. Die Schneiderin Rûna ist wirklich eine wahre Künstlerin ihres Fachs und vermag es die Vorzüge jeder Frau in besonderer Manier hervorzuheben. Nur ein paar lockige Strähnen, die nun ihr Gesicht umrahmen, erhielten die Erlaubnis, sich aus der ansonsten streng mit Silberbändern gebundenen Frisur zu lösen. Auserlesener Schmuck aus anthrazitschimmernden Perlen und kostbaren Grandidierit prunkt an Hals, Ohren und Handgelenken. Ihr Parfüm riecht erfrischend blumig, so wie eine Frühlingswiese. König Lothin trägt ebenso wie Thorin Teile einer Stärke und Macht repräsentierenden Rüstung, jedoch harmoniert die durchweg feuerrot-schwarze Farbe seiner Gewänder nicht in einem auch nur winzigen Detail mit denen seiner Königin.

„Ah Thorin, da seid Ihr ja endlich", begrüßt uns der König in der gewohnt flammenden Art und übergibt ihm, wie es Sitte ist, einen Kelch Wein, den er dankend annimmt. Wir anderen neigen derweil respektvoll unsere Häupter. Als ich wieder aufblicke, wird mir Lothins Blick gewahr. Heiß brennt er auf der ihm schutzlos ausgelieferten Haut der freiliegenden Schultern, sickert mit zunehmender Verweildauer sogar durch den dicken Stoff des geschenkten Kleides. Seine Gedanken lodern nur allzu verräterisch in ihm.

„Ich freue mich, dass Ihr meinem Gesuch gefolgt seid, Zabdûnayê", säuseln seine zu einem süffisanten Lächeln verzogenen Lippen, ganz so, als hätte ich eine Wahl gehabt. Dennoch die Höflichkeit wahrend und um keinen Argwohn bei seiner Gemahlin aufkommen zu lassen, senke ich den Blick erneut. Jedoch spüre ich den ihren bereits allzu misstrauisch auf mir. Unruhe ergreif mich daraufhin. Wie gerne würde ich fliehen. Aber wohin? Und zudem, schmählich beleidigen würde dies unseren Gastgeber und Thorin Schande bringen.

Dwalin erkennt allerdings sowohl Verdacht wie auch Unbehagen und tritt schützend näher. Sofort wohler fühle ich mich gehüllt in seine Präsenz und mit neugewonnener Kühnheit hebt sich der Blick wieder. Genauso er bereicherte seine ansonsten durchweg dunkelblaue Festkleidung mit einer fliederfarbenen Bauchschärpe, wie mir gerührt auffiel, als er vor dem Festsaal auf uns traf. Lothin betrachtet ihn. Sieht ohne Zweifel die Verbundenheit verdeutlichende Kohäsion, die er unweigerlich bereits an Thorin wahrnahm, und wendet sich dann mit einem nur halb zu einem eigenartigen Lächeln verzogenen Mund ab, um uns zu einer unweit wartenden Gruppe immens wichtig aussehender Herren zu geleiten.

Einige Gesichter erkenne ich wieder, nachdem sie sich, als wir näher kamen, zu uns umdrehten und den Kopf vor ihrem König und seinem hohen Gast neigten. Bei dem gestrigen Begrüßungsbankett waren sie ebenfalls zugegen. Lothin stellt uns einem nach den anderen vor. Ministeriale, Ratsherren, Dienstgardisten, altehrwürdige Adelsgeschlechter ... die wohl angesehensten Mitglieder des Hofstaates eifern geradezu um weitere Anerkennung, indem sie Thorin schmeichelhafte Komplimente über verstorbenen Vater, mitgebrachte Waren, Gefolge und Reich darreichen.

„Ihre Majestät erzählte mir, dass Eure Mutter ebenfalls aus der Sippe der Feuerbärte stammt, sogar in dritter Linie dem Königshause angehört?", wird Gloin von dem Meister des Berges gefragt. Ein für das wichtige Amt ungewöhnlich recht junger Zwerg, der jedoch bereits vermag durch ernste Miene und reichlich Dekoration im glutroten, aufwendig geflochtenen Bart eine hochherrschaftliche Würde auszustrahlen. Der Angesprochene strafft die Haltung noch ein klein wenig mehr. Verständlich aufgeregt ist er, denn das erste Mal nimmt er außerhalb der vertrauten Hallen an solcherlei Gesellschaften teil.

„Sie stammte. Leider verstarb sie bereits vor vielen Jahren an der Schwindsucht, nachdem diese in einem Armenviertel wütete, in dem sie voller Pflichtgefühl als Heilerin tätig wurde." Stolz auf die beachtliche Leistung schwellt seine Stimme. Traurigerweise nur aus Erzählungen seines Vaters und Bruders durfte ich sie kennenlernen. Zumindest hoffentlich, denn eine unbekannte Heilerin kam dereinst zu meiner Mutter, als diese unwiederbringlich im Sterben lag. Bemüht hat sie sich dennoch bis zur Erschöpfung, brachte uns Nahrung und Medizin, ohne dafür auch nur einen Pfennig zu verlangen.

„Bedauerlich", antwortet ein neben dem Meister des Berges stehender Adliger gehobenen Alters. „Eine Schande, dass edles Blut durch solcherlei unnütze Taten geschmälert wird." Es schaudert mich bei dieser allzu deutlich die Verachtung gegenüber der in bitterlicher Armut und Not Lebenden aussprechenden Aussage und auch Gloin hebt seinen Blick ruckartig, ganz so, als würde sie ihn persönlich verletzen.

„Bei allem Respekt, Zabdûnê, aber ich glaube, keine Tat, die einem Zwerg oder anderem Lebewesen auf irgendeine Art hilft, ist wertlos, auch, wenn sie Opfer fordert." Oh ibzig zu, Astâ, warum nur lässt du es zu, dass deine Zunge schneller spricht, als der vermaledeite Kopf denken kann!? Hast du nicht schon genügend Scherereien?! Musst du noch weitere Aufmerksamkeit auf dich ziehen?! Eine Schimpftirade wie prasselnder Gewitterregen lasse ich gedanklich auf die Dummheit niedergehen und die sich sofort auf mich richtenden Augen aller Umstehenden, sind die zwischen Donnergrollen beängstigend aufleuchtenden Blitze.

Der Gerügte lächelt boshaft. Eine bedrohliche Grimasse unter dem buschigen, grauen Bart. „Verzeiht mir, Zabdûnayê, aber ich kann mich nicht entsinnen, dass Euer Herr Euch erlaubt hat zu sprechen, warum also, richtet Ihr zudem das Wort an mich?" Mit einer Zurechtweisung habe ich gerechnet, jedoch nicht mit einer solchen. Von Thorin die Erlaubnis erbitten, meine Sichtweise kundzutun, noch nie hat er dies von mir verlangt. Vermutlich missachtete ich soeben aufs schändlichste eine wichtige Etikette des Hofes. Dementsprechend verunsichert sehe ich ihn an.

„Seid nachsichtig mit meiner jungen Leibdienerin", greift Thorin darum alsbald ein. „In meinen Hallen ist es ihr erlaubt jederzeit und auch an Männer gerichtet zu sprechen, ihre Meinung sowohl zu politischen wie gesellschaftlichen Themen zu äußern und auch kritische Haltung einzunehmen. Und glaubt mir, sie ist von der Intelligenz, Belesenheit und trotz ihres jungen Alters reichlich gesammelten Erfahrungen durchaus in der Lage dazu." Überrascht sehe nicht nur ich ihn an. So deutlich und vehement bekundete er noch niemals meine Fähigkeiten, vor allem nicht im Beisein von anderen.

„Zudem teile ich ihre Meinung", verblüfft er weiterhin. „Gloins Mutter, die auch nach ihrem Tod von mir hochgeschätzte Alwes, war eine ehrbare und fürsorgliche Frau, die nicht nur einmal ihr Leben dafür einsetzte, den Ärmsten zu helfen. Sie bat dereinst meinen Vater eindringlich, die Heiler in dem befallenen Gebiet unterstützen zu dürfen, denn sie wusste, um die herrschende Not. Jedes Leben, das wir verlieren, schmerzt, egal, aus welchem Grund. Jedoch die aus Herzensgüte, Mut, Tapferkeit, Würde und Liebe geleisteten Taten, sind die, die auf alle Zeit in Erinnerung bleiben, daher sind sie niemals ohne Wert."

Ich senke meinen Blick vor ihm und seinen Worten. Auch Gloin erbietet seinen Respekt. Viel wird es ihm bedeuten, dass Thorin so von seiner Mutter denkt und spricht, ihre Taten würdigt, noch über den Tod hinaus.

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Das viele Essen duftete genauso herrlich, wie es aussah, und verschwand schnell. Gleichwohl kein Hunger quälte mich mehr nach dem beschämenden ersten Eindruck, daher um der Höflichkeit zu genügen, zwängte ich mir lediglich ein paar Gebäckstückchen und etwas Obst hinunter. „Willst du nicht doch noch eine Kleinigkeit essen?", fragt Balin neben mir sitzend schließlich mit besorgtem Blick auf das beiseitegelegte Besteck. „Die Pasteten schmecken ganz vorzüglich. Das letzte Mal, als ich so etwas Gutes probieren durfte, war, als wir in Bree verweilten."

Ich schüttle verneinend den Kopf und lächle mich selig zurückerinnernd. An die Hobbitstube, in der die Herzlichkeit ebenso wie ein prasselndes Kaminfeuer und immer mit Köstlichkeiten gefüllter Ofen Wärme spendete. Wie gerne wäre ich gerade dort, denn keiner Verpflichtung, keinem Zwang, keiner strengen höfischen Etikette müssten wir uns in der Zeit des Verweilens unterwerfen. Thorin war Thorin, noch nicht König, gleichwohl Thronfolger mit einer schweren Last geschultert, trotzdem unbekümmerter, obwohl die Sorge um seinen verlorenen Vater drückte. Und mein Schwur ihm zu dienen, ihm zu folgen und zu gehorchen ein bereits erfülltes Versprechen auf Abenteuer und die Grundlage der Zusicherung, den damals noch vor ihm liegenden gefährlichen Weg gemeinsam zu bestreiten. Er führte uns nun bis hierher und wird, so Mahal uns allen gnädig ist, im beiderseitigen Einvernehmen weiter gehen. Jedoch wohin? Bislang niemals spürte ich die Bürde der Verpflichtung, einem König uneingeschränkt zu Diensten zu sein, so vehement die bloßen Schultern hinabdrückend. Herzklopfen bereitet es mir. Stolz empfinde ich. Acht gibt er auf mich, schätzt mich, verteidigt mich, gleichwohl benutzt er mich nach Gutdünken.

„Lass die unnötigen Gedanken dir nicht das Fest verderben", murmelt Balin plötzlich. Allzeit bemerkt er, wenn sie schwermütig werden, und versucht sie mit weisen Worten aufzuhellen. „Thorin wird niemals zulassen, dass dir Leid angetan wird, obwohl er seine Fügung über dich manches Mal zu wirkungsvoll missbraucht, um die eigenen Interessen zu verfolgen. Das meine übrigens keinesfalls nur ich." Dwalin wird seinem Bruder die Sorgen, die er sich bereitet, anvertraut haben, auf der Suche nach Rat und vielleicht Bestätigung, dass er nicht übertreibt. Wenig können sie an meiner Situation ändern, selbst wenn sie ihrem König als Freunde oder Ratgeber gegenübertreten und maßregeln. Dennoch Mut können sie mir spenden, Zuversicht, dass ich zu düster in die Zukunft sehe, und ich danke Balin mit einem ehrlichen Lächeln für seine Worte.

„Verzeiht, Zabdûnayê", eine unvermittelt hinter uns ertönende Stimme lässt mich erschrocken zusammenzucken. Als ich mich umwende, steht dort Prinz Lórid und verbeugt sich standesunangemessen vor mir. „Düfte ich Euch um den nächsten Tanz bitten?" Unerwartet kommt diese Aufforderung, wurde dieser doch erst vor wenigen Minuten offiziell eröffnet und bisher kaum Paare fanden sich in der Mitte des Saales zusammen, um sich zum Takt der melodischen Musik zu bewegen. Ich sehe hinüber zu meinem Herren, denn er muss es mir erlauben, ein solches Ersuchen anzunehmen. Kurz scheint er zu überlegen, nickt dann aber wohlwollend.

Einen steifen Tanz gibt die Musik vor. Keinerlei Abwandlung der festgelegten Schrittfolge duldet sie und zudem kaum mehr Kontakt, als das Reichen der Hände und gelegentliche Berührungen an Hüfte und Schulter. Beschwerlich fällt es mir, leichtfüßig zu treten, denn die Schwere des Kleides zieht beträchtlich an der Anmut. Jedoch mit einiger Konzentration, gelingt es mir mit dem Prinzen, der ein hervorragender Tänzer zu sein scheint, mitzuhalten.

„Ihr seht wahrlich noch hübscher aus als gestern", flüstert er mir zu, während wir uns in einer Drehung näher kommen. Leicht beginnen meine Wangen zu glühen ob dieses Kompliments, dass mir erstaunlich wenig unangenehm ist. „Vater schwärmte in den höchsten Tönen von Eurem neuen Kleid und dass es Euch erscheinen lässt wie eine Königin." Dahin ist die Achtsamkeit und beinahe wäre ich ungalant gestolpert, hätte mich seine große Hand, die sich eilig um das Handgelenk schließt, nicht davor bewahrt. „Ihr müsst vorsichtig sein", ermahnt er, aber der ernste Blick verrät, nicht das Fehltreten meint er damit.

Näher zieht er mich zu sich heran, legt die andere Hand vertrauensvoll an die Taille. Zu lasse ich sein Handeln, denn keinerlei unziemliches Begehr liegt darin, eher die Dringlichkeit der damit verbundenen Aufforderung, seinen nur geflüsterten Worten genauer zuzuhören. „Mein Vater hat gefallen an Euch gefunden und obwohl Ihr seine Avancen nur aus treuem Pflichtgefühl zu Eurem Herren duldet, so ist dies nicht jedem genehm." Ich vermute, von wem er spricht. „Eure Mutter", mutmaße ich anscheinend richtig, denn er nickt. „Sie nimmt es scheinbar hin, nicht mehr seine Favoritin zu sein, jedoch verschwanden schon einige Mätressen meines Vaters." Es schaudert mich. Schwarzschmiede sind unerbittlich, besonder, wenn man ihre Ehre kränkt.

Langsam beginnen wir wieder zu tanzen, um keinen Verdacht aufkommen zu lassen. „Ich werde mich in acht nehmen", beteure ich inmitten einer Drehung und er lächelt zum Dank. „Vielleicht bereite ich mir auch zu viele Sorgen. Euer Auftreten heute Abend und die Verbundenheit, die Thorin auf so vielfältige Weise zu Euch zeigte, verdeutlichten meinem Vater unmissverständlich seine Verweigerung. Man könnte beinahe annehmen, Ihr werd Eurem König längst versprochen." Hastig schüttle ich den Kopf. Was für ein Unsinn.

„Gestattet Ihr mir, meinem Vater zu widersprechen", fragt er schließlich, das Thema zum Glück ruhen lassend. Verwirrt sehe ich ihn an, „was meint Ihr'damit?" Lórid lächelt und es wirkt geradezu verschämt. „Er sagte, Ihr erweckt den Anschein einer Königin, aber eher wie eine Faie mutet ihr an."

Nun senke ich verlegen den Blick, sodass er die auf die Wangen kriechende Röte nicht wahrnehmen kann. „Habt Ihr denn schon einmal eine gesehen, dass Ihr das mit solch Bestimmtheit sagen könnt?"

„Nein, leider nicht. Ihr etwa?" Ich nicke und sehe wieder auf, direkt in seine Augen, in denen die Verwunderung wie helle Diamantensplitter funkelt. „Es gibt wahrlich mehr an Euch zu ehren, als nur Eure Schönheit, Zabdûnayê. Ihr müsst meiner Schwester und mir unbedingt auch etwas darüber erzählen."

Ich erschrecke. „Ibzig zu, ich habe ganz vergessen, Thorin dafür um Erlaubnis zu bitten", schelte ich mich laut und nicht gerade damenhaft, aber Lórid beruhigt das schlechte Gewissen sofort. „Bereitet Euch keine Gedanken. Ibûna belagerte unseren Vater heute bei jeder sich bietenden Gelegenheit damit und er versprach, Thorins Zustimmung zu erfragen." Ich lächle erheitert, denn allzu lebhaft ist die Vorstellung, wie das kleine Mädchen um Lothin herumsprang, an ihn zog und mit weinerlicher Stimme und großen Puppenaugen um die Geschichten bettelte. Hoffentlich gestattet Thorin uns diese Freude.

Trotz des angenehmen Gespräches, froh bin ich, als der Tanz endlich endet. Die steifen, formgebundenen Schritte sind anstrengender als so manch beschwingte. Galant verbeugt sich der Prinz zum Dank und ich knickse ebenso höflich. Meine Hand locker führend, bringt er mich zurück zu Thorin, der inmitten unserer Gefährten und umringt von König und Königin, Ministerialen, Höflingen, wichtig dreinschauenden Männern und ihren vornehm gekleideten und lächelnden Frauen unweit der aufgehobenen Tafel steht. Manierlich bedankt er sich auch bei ihm für die gegebene Erlaubnis und übergibt mich formgerecht.

„Ihr könnt Euch glücklich schätzen, eine solch ehrenwerte Getreue an Eurer Seite zu wissen", schmeichelt er ihm und mir. Thorin lächelt beistimmend, erwidert aber sonst nichts darauf. Dienstbar stelle ich mich zu ihm und lasse unter seinem Schutz den Blick umherschweifen. Nur allzu auffällig mustern die Augen der anwesenden Damen meine Erscheinung, werden hinter vorgehaltenen Fächern gemurmelte Sätze ausgetauscht und despektierlich gelächelt. Ihr Getratsche interessiert mich nicht, bin ich solcherlei doch bereits zur Genüge gewohnt. Daher einen möglichst unberührten Gesichtsausdruck bemühe ich und wende die Aufmerksamkeit bedeutungsvolleren Dingen zu.

„Sagt, Zabdûnayê, wie hat Euch der Tanz mit meinem Sohn gefallen?", fragt Lothin jedoch nach einiger Zeit, in der sich die Gespräche um mich zum Glück beruhigten und ich ungestört Debatten über Politik und Wirtschaft, Berichten von gesellschaftlichen Ereignissen und die bevorstehenden Verhandlungen verfolgen konnte. Seine Gemahlin funkelt ihn sofort böse an. Jedoch unhöflich wäre es, nicht zu antworten. Daher senke ich den Blick zum Dank für die Frage, „es war mir eine große Ehre. Ihre Hoheit ist ein hervorragender Tänzer. Nur der Takt war für meinen Geschmack etwas zu langsam und bereitete mir Schwierigkeiten, da ich anderes gewohnt bin."

Der König der Feuerhallen legt seinen Kopf schief, so als hätte ich ihn gerade höchstpersönlich gekränkt. „Welche Tänze bevorzugt Ihr denn? Meine Musiker können bestimmt auch diese für Euch spielen." Ich zögere. Nicht erlaubt ist es mir Ansprüche zu stellen und unvermittelt bereue ich die unangebracht freimütig geäußerte Kritik, obwohl sie nicht als solche angedacht war.

„Unser Lieblingstanz ist die Volta." Thorin antwortet allerdings für mich. Kritisch sehe ich ihn an, denn von einem gemeinschaftlichen Favoriten kann man kaum ausgehen, insofern wir ihn noch nie zusammen tanzten. „Was für frivoler Tanz", stößt die Königin sogleich mit naserümpfender Stimme aus. Sie kennt ihn wohl, jedoch nicht angemessen für diese Hallen wird dieser sein. Nahe kommt man sich und die hohen Sprünge gewähren so manchen Blick auf sonst schicklich unter langen Röcken Verborgenes. Das scheint Lothin dennoch kaum zu stören, denn er winkt einen Diener heran und beauftragt ihn, den Musikern den Wunsch mitzuteilen.

Furcht ergreift mich. Nur ein Angriff von blutrünstigen Wargen käme mir gerade ungelegener, erregte ich doch schon zu oft die Aufmerksamkeit der biederen Anstandswahrer. Jedoch genauso unerbittlich wie die wilden Wölfe ist Thorin, denn mit einer Selbstverständlichkeit, die nur ein Herr gegenüber seiner Dienerin haben kann, nimmt er, kaum, dass die Musik einsetzte, meine Hand und zieht mich mit sich auf die Tanzfläche.

„Ich befürchte, Majestät, das Kleid wird mich darin behindern Euch gewandt zu folgen", informiere ich vorsichtshalber und als mir geeignet erscheinende Ausrede, um ihn noch umzustimmen. Allerdings gänzlich unberührt davon, verbeugt er sich, um den Tanz zu eröffnen.

Weit voneinander entfernt führen wir dir ersten Schritte aus und wie immer, jedoch allzu selten, wenn sich die Gelegenheit bietet, bewundere ich, wie galant der starke Krieger sich doch zu bewegen imstande ist. Einst verglich er das Tanzen mit dem Kampf. Harmonisch mutet er an, sobald sich zwei ebenbürtige Kontrahenten oder vertraute Partner gegenüberstehen. Im Moment bin ich mir nicht sicher, welche Positionen wir einnehmen, was wir vollführen. Kampf oder Tanz? Womöglich beides zugleich, selbst wenn ich mich niemals gegen ihn erheben würde, so ist es ein Gefecht um Anerkennung, um Respekt und ja auch um Selbstbestimmtheit. Er machte deutlich, dass ich Sein bin und wohl noch für lange Zeit bleiben werde.

Es ist sein gutes Recht als König und Herr, nach Belieben Befehle zu erteilen, gleichwohl sollte ich doch, sobald anderen oder mir dadurch eine Gefahr droht, die er nicht sehen kann oder will, mit Bestimmtheit dagegen intervenieren. In diesem Sinne trage ich ebenso einen Kampf gegen mich selber aus. Jedoch befürchte ich, nur verlieren kann ich ihn. Denn jede Berührung, jedes energische Führen, jeder Atemstoß, der ob der Nähe allzu intensiv spürbar entlang der freilegenden Haut wallt, verdeutlicht die Gewalt, die er über mich hat.

Heiß sickert die Wärme seiner Hände durch den dicken Stoff des Mieders und der vielen weiteren Lagen, als er die eng geschnürte Taille umfasst, um mich energisch zum Sprung hinauf zu heben. Trotz des bemühten Kraftaufwands liegen die meinen nur locker auf den muskulösen Schultern auf, um den nötigen Halt zu finden. Ich bin mittlerweile geübt darin, seinen Verfügungen ohne unter ihnen ins Schwanken zu geraten, folge zu leisten.

Ein Raunen geht durch den Saal. Im Mittelpunkt jeglicher Aufmerksamkeit befinden wir uns, denn kein anderes Paar getraute sich, den anzüglichen Tanz zu vollführen. Unangenehm sollte es mir sein, jedoch mit jedem weiteren Sprung, nehme ich einzig Thorins Hände wahr, die sich um meine Mitte schmiegen und beständig ein klein wenig höher rutschen, so dass sie irgendwann beinahe die Rundungen der Brüste erreichen. Daraufhin anmaßend tadelnd sehe ich an, aber beabsichtig scheint die anzügliche Berührung, denn ein feuriges Glitzern erfüllt seinen Blick, wie die Spiegelung der rot untergehenden Sonne auf den eisigen Seen seiner Augen. Es ist eine neue Art des Abbilds seiner Gier. Bislang in eine lichtlose wie beängstigend Leere verfielen sie, wenn er ihr im Angesicht von Reichtum und Macht erlag. Gleichwohl diese, obwohl sie ebenso verderbenbringend deucht, bereitet mir keine Ängste, sondern ein befremdliches Kribbeln, das sich von den Stellen, an denen er mich so leidenschaftlich mit starken Händen berührt, im gesamten Körper ausbreitet.

Fast unerträglich wird er allerdings, als er mich zum Abschluss des Tanzes ein letztes Mal umkreist und schließlich in meinem Rücken verharrt. Sanft und gleichzeitig rau gleiten die Finger über die Haut am Nacken, als er die offenen Haare zur Seite streicht, um einen gehauchten Kuss an jene Stelle zu platzieren, wo Hals in bloße Schulter übergeht. Und obwohl ich ihm nicht gewahr werden kann, so weiß ich doch darum, dass sein Blick provozierend in die Richtung der am Rande der Tanzfläche verweilenden Herren gerichtet ist. Denn Dwalin, der sich das frivole Schauspiel wohl bislang ruhig erscheinend, aber mit den Gedanken spielend, Thorin das mitgeführte Schwert auf die Brust zu setzen, angesehen hat, wendet sich mit einem so boshaft grimmigen Gesichtsausdruck ab, dass ich befürchte, ein Nachspiel wird es noch haben.
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Uzbadu Sigintarâg – König der Langbärte
Zabdûnê – MyLord
Zabdûnayê – MyLady
Ibzig zu – Verdammt nochmal!

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