Die Gier des Zwergenkönigs
Damit Euch das Warten auf das Christkind/den Weihnachtsmann ein wenig verkürzt wird, kommt das heutige Kapitel ein wenig früher als sonst.
Ich wünsche allen meinen Lesern ein wunderschönes, besinnliches und ruhiges Weihnachtsfest.
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Als wir das Lager erreichen, dämmert es bereits und bedrohliche Schatten schweben zwischen den Bäumen des Waldes. Drir und Drur springen, nachdem sie uns entdeckten, von den umgestürzten Stämmen auf, die sie an das Lagerfeuer schleppten. „Ihr ward lange fort", sagen sie fast gleichzeitig und ich sehe die Sorge, die sie sich währenddessen bereiteten, in den betrübten Gesichtern.
„Wir hatten einige unliebsame Begegnungen", antwortet Sigrun ihnen und leert einen Becher mit Wasser in nur einem Zug. Staub und stickige Luft kann uns Zwergen nichts anhaben, jedoch während des Rückweges begriffen wir alle erst die Gefahr, die uns gegenübertrat und dass die Valar uns wohl mehr Glück als Verstand schenkten, ihr letztendlich unbeschadet entkommen zu sein. Die Kehle schnürte mir die Erkenntnis. Wie Eisenketten fühlte sie sich an, zerrte an mir und das eiskalte Brennen auf meiner Wange eine mahnende Erinnerung an den Schrecken, die mich wohl noch lange Zeit, wenn nicht für immer, begleiten wird.
„Wir müssen aufbrechen, rasch", befehle ich und packe bereits einige Dinge zusammen. „In diesen Hallen wimmelt es von Orks und die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass sie sich nach Sonnenuntergang hinauswagen." Absichtlich verschweige ich, was sich in der Dunkelheit noch Schreckliches verbirgt. Ich will die jungen Zwerge nicht ängstigen, oder ist es vielmehr, dass es mir unmöglich sein wir zu beschreiben, um was es sich handelte.
Schnell verstauen wir gemeinsam alle Habseligkeiten und beladen die Pferde damit. Einen letzten Blick getraue ich mir auf die nun wieder vollkommen glanzlos aufragende Felswand, bevor sie schließlich von den dicht zusammenrückenden Bäumen verdeckt wird.
Der Weg zurück durch die Wälder und Moore ist schnell zu finden, denn kleine Weiser aus Stofffetzen banden wir regelmäßig an die dornigen Sträucher und herabhängenden Ästen fest. Ein Trick der Rohirrim, den ich mir nutzwertig merken werde. Nach drei Tagen bereits erreichen wir das Lager, das sich zu unserem Erstaunen in Aufbruch befindet. Zelte werden abgebaut, Handwerker packen ihre Wägen, die ersten Gruppen von Krieger der Menschen und Zwerge reiten oder marschieren an uns vorbei und verlassen die Senke Richtung Norden.
„Was ist geschehen?", fragt Bofur einen der unseren, den er anscheinend kennt. „Wir konnten alle Orknester diesseits ausrotten, aber gestern kehrten Kundschafter mit der Meldungen zurück, eines der wohl größten von ihnen in den nördlichen Ausläufern entdeckt zu haben. Die Heerführer gaben daher den Befehl dorthin aufzubrechen."
Unwohl wird mir bei der Vermutung, wie zahlreich die Feinde in ihm wimmeln, wenn Ihre Majestäten die gesamten Heere zum Angriff aussenden. Bisher kämpften nur kleine Truppen an vielen Stellen gleichzeitig.
Wir verabschieden Herehild und ihre Männer, bevor ich mich zum Lazarett aufmache, um dort vielleicht beim zusammenpacken zu helfen und Oin die Wunde ansehen zu lassen, die mir der Imp zufügte. Das kalte Brennen versiegte die zurückliegenden Tage nicht, wurde sogar schmerzhafter, insbesondere, wenn Sonnenstrahlen die Haut erwärmten. Als würde das Mal des Schattenwesens ihr freudiges Licht bekämpften. Sorgen bereitete ich mir im Stillen darüber. Jedoch versicherten meine Kameraden, dass die anfänglich wie eine Verbrennung erscheinende Verletzung lediglich zu einem dunklen Fleck wurde und sich nicht weiter ausbreitete.
Der zwergische Heiler hievt gerade eine der Kisten auf einen Wagen, in der sich diverse Tinkturen, Salben und Öle befinden werden, denn leise klimpert es aus ihr. Auf einem anderen Liegen oder Sitzen wenige der Verletzten aus den zurückliegenden Schlachten. Mit dicken Verbänden umwickelt sind ihre Wunden an Köpfen, Armen und Oberkörpern, aber ihre Blicke strahlen hoffnungsvoll.
„Du bist zurück", begrüßt mich Oin schließlich, als er mein Näherkommen bemerkt. Ich bejahe und stemme die nächste schwere Kiste mit ihm zusammen nach oben. Ich hatte ihm natürlich über den Aufbruch Bescheid gegeben, damit er sich keine Sorgen bereitet. „Habt ihr etwas gefunden?"
Den Helm nehme ich ab und nicke, jedoch mit wenig Begeisterung. Den ganzen Rückweg über haderten wir damit, unsere Entdeckung vielleicht sogar zu verheimlichen. Gefährlich ist der Gräuel, der in der Dunkelheit nur darauf wartet, weitere Opfer mit sich in die Finsternis zu ziehen. Er schaffte es, ein ganzes Reich in diese zu stürzen, selbst hunderte Krieger werden ihm kaum gewachsen sein. Letztendlich entschieden wir uns jedoch dazu, dass Herehilds Begleiter von dem Orksnest, aber auch dem Imp, berichten sollen. Die Mission der vollständigen Ausrottung und einige Jahre des Friedens würde es verhindern, wenn wir es nicht angreifen. Vielleicht auch hier können wir die Orks mit einer List herauslocken, so dass sich niemand in die Hallen vorwagen muss.
„Mehr als erwartet", erzähle ich daher und zeige ihm meine Wange. Der Heiler verzieht die erfahrenen Augen zu kleinen Schlitzen, sodass die krausen Augenbrauen fast zusammenstoßen. Besorgt scheint er allerdings nicht. „Was ist dir widerfahren?", fragt er und befühlt mit kundigen Fingern das Mal. Die ihnen anhaftende Wärme jedoch lässt das Brennen erneut auflohen. Ich zucke daher scharf einatmend zurück. Jetzt doch beunruhigt, sieht er mich an.
„Wir drangen in ein ehemaliges, sehr altes Reich vor, das am südlichen Ausläufer des Gebirges liegt und von dem ich noch nie etwas hörte. Orks übernahmen es, nachdem es von unsereins verlassen wurde, jedenfalls glaubten wir das, bis uns ein Wesen angriff, das aus dunklem, leeren Schatten zu bestehen schien. In letzter Sekunde, konnten wir seinem eisigen Griff entfliehen, jedoch berührte es mich dabei." Schnell erzähle ich und mit jedem erinnernden Wort, ergreift die dereinst empfundene Kälte abermals von mir Besitz. Es fröstelt mich, trotz der Sommerschwüle.
Oin hört aufmerksam zu und tastet erneut nach dem Mal. Das Brennen ist unerträglich, aber ich weiß, dass seine Untersuchung wichtig ist, daher widerstehe ich nun dem Drang zurückzuweichen. „Weißt du, was es für eine Wesenheit war?" Ich erzähle von dem Ork, den wir verschonten, und was er über sie zu berichten wusste. Jetzt doch erscheint Sorge im Angesicht des Heilers.
„Ich kenne das Grauen, den dieser Name verbreitet. Jedoch noch niemand erlitt lediglich eine Wunde, wenn er ihm begegnete. Du hattest großes Glück und ich hoffe, du dankst Mahal dafür." Oh wie oft ich diese Weisung bereits auf dem Rückweg in Gebeten erfüllte. In seiner unendlichen Güte wird mir unser Schöpfer hoffentlich auch irgendwann einmal die dunklen Alpträume nehmen, die meine Nächte seither heimsuchen.
„Bedauerlicherweise vermag ich kein Heilmittel zu kennen, dass dich von dem Leiden befreien wird", eröffnet mir Oin jedoch, nachdem er die Untersuchung abschloss. „Es wurde dir zugefügt von schwarzer Magie und kann daher nur von edler, reiner geheilt werden, solcherlei, die elbische Heiler oder vielleicht sogar nur Istaris aufbringen können." Verzweifeln lässt mich seine Weissagung. Leben müssen werde ich also mit dem Schmerz, bis irgendwann einmal der Weg eines solchen den meinen kreuzt.
Oin sieht allerdings nicht bloß aufgrund dessen mitleidig auf mich hinunter. „Jedoch nicht alleinig deshalb, müsste ich eigentlich Thorin unterrichten." Befürchtet hatte ich dies bereits, drohte mir der Heiler doch mit diesen Schritt, falls ich eine Verletzung erleiden sollte, hoffte aber auf Oins Nachsicht, da sie mich kaum behindern wird oder sogar lebensbedrohlich ist.
Erbarmen erbittend sehe ich ihn daher an. Nach Hause zu gehen wird mir Thorin heißen, umgehend. Dort darf ich dann, mir des Vergehens seinen Befehl im höchsten Maße missachtet zu haben bewusst, auf eine angemessene Bestrafung warten, die hart sein wird und womöglich verheerend.
Oin seufzt tief verzweifelnd. Den Zorn unseres Königs hat er unlängst sicher, wenn meine Anwesenheit hier bekannt würde. Er weiß schon lange um sie und erst eine unumgängliche Notwendigkeit würde es letztendlich dazu kommen lassen, dass er mich verrät. So oder so, Thorin wird toben und uns beide bestrafen. Denn Oin könnte über das Wissen nicht lügen. Niemals würde er dies, nur, um einer solchen zu entkommen.
Der Heiler wendet sich schließlich wieder einer noch auf die Verladung wartenden Kiste zu. „Wir benötigen jedoch gerade jetzt jeden kampffähigen Krieger, also werde ich wohl warten müssen, bis die Schlacht im Norden vorbei ist. Gleichwohl wird es so sein, dass ich danach schwerlich die Zeit finden werde, um Thorin aufzusuchen", murmelt er vor sich hin. Kaum fassbares Glück hüllt mich ein und am allerliebsten, hätte ich den Heiler umarmt. Das freudige Lächeln jedoch, dass er an mir wahrnimmt, als ich ihm erneut helfe, scheint Dank genug. Eine weitere Verletzung aber, wird er unzweifelhaft melden müssen. Es erst soweit kommen lassen, will ich freilich nicht.
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Den Marsch aus den süd-westlichen Gebieten des Abendrotgebirges gen Norden treten wir unter den letzten verbliebenen Kriegereinheiten an. Sigrun neben mir klagt über ihren schmerzenden Hintern, denn nicht gewohnt ist sie es, so lange Zeit auf einem Pferd zu sitzen und nicht erholen konnte sie sich von den zurückliegenden Tagen im Sattel. Da jedoch die Meisten, denen wir folgen, beritten sind, würde Fußvolk uns nur verlangsamen.
Als wir das erste Mal in einem Wäldchen rasten, das Schutz vor der Hitze der Mittagssonne bietet, sucht uns Elfleth auf. Er versprach zu berichten, was die Könige zu seiner und der Botschaft seines Kameraden sagten und wie sie gedenken weiter zu handeln. Daher gespannt wartete ich bereits auf ihn.
„Nun, erzähl", dränge ich, kaum, dass er sich zu uns setzte. Er schüttelt den Kopf, so dass die flachsblonden Locken hin und her schwingen. „Sie taten den Bericht über diese Erscheinung als Humbug ab und wollen, sobald wir das Nest im Norden ausgehoben haben, zu euren alten Hallen ziehen. Nicht nur wegen der Orks, sondern auch, um die mutmaßlich darin verborgenen Schätze zu bergen."
Schockiert starre nicht nur ich ihn an. „Sie wollen diese Hallen betreten?!", empört sich Sigrun als Erste. „Haben sie denn überhaupt nichts von all dem Schrecklichen, das wir gesehen haben, geglaubt?" Elfleth schüttelt erneut den Kopf. „Mein Herr hat noch nie von einem Imp gehört und König Thorin kannte diese Erscheinung zwar aus alten Büchern, aber er bezweifelt, dass eine solche weiterhin in Mittelerde haust, wurden sie und andere Schattenwesen doch vor vielen Jahrhunderten bereits mit ihrem Meister in die Leere verbannt."
Ich verzweifle. „Aber was denken sie denn dann, welch Wesen uns angegriffen hat?", fragt Bofur etwas weniger erregt als Sigrun. „Sie mutmaßen, dass wir einem Hirngespinst aufgesessen sind. Einem Geist oder sich in der Dunkelheit bewegende Schatten. Nichts also, vor dem man Angst haben müsste."
„Aber Astâs Verletzung ... sie könnte doch als Beweis herhalten, dass dort wirklich etwas haust, dass real ist und anzugreifen vermag." Mit großen Augen sehe ich Sigrun für diesen eigentlich genialen Einfall an. Sie kann es nicht wissen, ebenso wie Elfleth. Nur Bofur erstarrt gleichfalls, sich nervös auf der Unterlippe herumbeißend.
„Das geht nicht", widerspreche ich daher, sogar auf die Gefahr hin, dass ich mich verrate, denn den Grund dafür werden sie ohne Zweifel wissen wollen. Sigrun setzt auch zugleich zu einer Nachfrage an, wird jedoch von dem Rohirrim unterbrochen. „Selbst das wird sie nicht umstimmen, befürchte ich. Insbesondere des Zwergenkönigs Augen leuchteten bei den Berichten über das Ithildim am Eingangstor und die Pracht der zerstörten Hallen. Er schien das Reich zu kennen und scheinbar auch, was sich noch alles darin befinden mag. Die unendliche und blind machende Gier der Zwerge ist wohl doch nicht nur eine Mär."
Betrübt senke ich den Kopf. Ein altes Reich, vermutlich voller Schätze oder ertragreicher Minen. Ich kann Thorins Gedanken erahnen. Seine Gier ist speziell. Stärker als die anderer. Ungezügelter, sobald sie erweckt wurde. Unersättlicher. Verheerender. Sein Herz wird keine Ruhe finden, solange er nicht erkundete, was sich in diesen befindet. Und ich verfluche den Moment, als wir sie fanden, denn aufzuhalten vermag ich ihn nicht mehr. Jedoch versuchen muss ich, das Schlimmste zu verhindern, egal, welch Konsequenzen es für mich in sich birgt.
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