Die Befreiung

Hallo meine lieben Leser:innen,

ich wünsche Euch mit diesem letzten Kapitel für dieses Jahr einen wunderschönen Start in das kommende, auf das es für die, die es hoffen, besser wird und für die, denen 2021 Erfolg, Glück und/oder Liebe brachte, dass 2022 genauso schön sein soll.

Liebe Grüße
Euer MilchMaedchen

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
Das Nest der Orks, das von ihren Klauenfingern tief in das Gestein der nördlichen Ausläufer des Gebirges gegraben wurde, ist wahrlich überfüllt von ihnen. Wie Ameisen aus einem durch nach heftigen Gewitterregenguss steigenden Grundwasser überfluteten Bau, strömten sie unüberschaubar zuhauf hervor, als sie sich unsere provokante Aufstellung vor ihren Toren gewahr wurden. Jedoch wenig gerüstet für einen Kampf scheinen sie, eine zielgerichtete Führung von Kommandanten oder sogar geplante, geschweige denn eingeübte Taktik, lässt sich aus ihren elenden Angriffen nicht erkennen. Einen losen Haufen bilden sie, kopflos auseinanderstiebend, sobald sie auf unseren zurückschlagenden Widerstand treffen. Ihre Waffen sind rostig, die Rüstungen verbeult, wenn überhaupt vorhanden. Die Ruhe in diesem abgelegenen Teil der Welt wird einzig ihre zahlenmäßige Stärke begünstigt haben.

Ich kämpfe an den Seiten meiner Gefährten, bilde abermals mit Sigrun eine effektiv in Gefährlichkeit und den Tod bringende, um sich schlagenden Einheit. Jedoch ermüdend mit der Zeit ist der nie abflauende Angriffssturm. Es sind schlichtweg zu viele und jeder erneute Schlag zieht mehr und mehr an den Armen. Schwerfällig hebe ich das Schwert, treffe einen Angreifer, zerschlage seinen Schädel mit nur einem Hieb und hoffe auf eine Pause, den neben der schwindenden Kraft, glüht das Mal an meiner Wange und schwächt mich zusätzlich mit dem bösen Zauber, der tiefer in das Gewebe drang.

Ich stütze mich schnaufend auf mein Schwert, während Sigrun den letzten Angreifer aus einer auf uns niederstürmenden Rotte besiegt. Sorgenvoll blickend eilt sie zu mir. „Ist alles in Ordnung?", fragt sie aufgewühlt, aber ich verneine. „Es brennt so sehr ...", keuche ich, streife trotz der Gefahr ringsherum den Helm vom Kopf und berühre die schmerzende Wange. Darüber, dass sie kleiner als anfangs wurde, informiert Sigrun, dennoch glaubt sie mir den empfundenen Schmerz. „Ich bringe dich vom Feld", sagt sie und greift bereits nach meinem Arm, allerdings widersetze ich mich ihrer Fürsorge. „Nein", weise ich sie hart zurück, „ich werde nicht gehen!"

Mit aller Kraft, derer ich noch aufzubringen mächtig bin, richte ich mich wieder auf. Das Brennen lacht ob des erbärmlichen Versuchs. Von der Wange ausgehend, kriecht es weiter. Erfasst den Kopf, kraucht den Hals entlang. Schließlich der ganze Körper wird von eisigkalten Klauen ergriffen. Langsam schließen sie sich, drücken ihre Krallen tiefer, immer tiefer, in das Fleisch. Ich stöhne leidend und breche abermals zusammen.

Sigrun scheint hilflos. Stützt mich. Bekämpft dabei einige neuerlich auf uns zustürmende Feinde. Verzweifelnd ruft sie nach Bofur, der unweit kämpft. Schnell eilt er näher, sieht, was der Grund für die Aufregung ist. „Wurde sie verletzt?", fragt er ebenso besorgt, sammelt weitere Krieger zur Verteidigung um uns. Zum Glück am Rande des Schlachtfeldes fochten wir, sonst wäre der Sturm unbezwingbar. „Die Wunde des Imp, es geht ihr wieder schlechter", antwortet sie ihm hastig, währenddessen ein Schmerz durch meinen Unterleib krampft, der so qualvoll ist, dass ich bei aller Willenskraft einen Schrei nicht unterdrücken kann. Oh Mahal, was geschieht nur mit mir!? Werde ich sterben? Ist das die Rache des Imp dafür, dass wir ihm entkamen? Pflanzte er ein Gift in mich, das langsam wirkt und heimtückisch schwächt, sobald mit ihm verbündetes Böse mir gegenüber tritt?

Aber ich will nicht sterben. Nicht leiden. Ich will mich nicht vor Kämpfen fürchten und sie meiden müssen. Daher rufe ich mir in Erinnerung, wie ich der bannenden Kraft des Schattengeistes schon einmal entrann. Wärme Gedanken stören ihn, schwächen seine Macht, lassen den frostigen Zauber, mit dem er seine Opfer bindet, aufreißen wie Eisflächen im Sonnenschein.

Dwalin. Sein Bild erscheint mir vor schmerzenstränenschwimmenden Augen. Seine Berührungen nehmen die von Kälte taube Haut in Besitz. Seine Küsse erwärmen die zitternden Lippen. Seine Umarmung so wohlig, die Stärke seiner Arme so mächtig. Risse bilden sich knackend in dem Eispanzer, der meinen Körper so quälend umschloss. Ich höre die darüber verärgerten Schreie des Imp. Fern sind sie, aber so laut und schrecklich, dass ein grauenvoller Schauder durch mich hindurchkriecht. Jedoch nicht verhindern kann er, dass das Eis schließlich weithin hörbar knirschend zerbirst. Sigrun schreckt zurück, als ich endlich befreit von den Fesseln tief die sommerwarme Luft in die Lungen ziehe. Denken wird sie, dass die schlimmer werdenden Schmerzen mich dazu brachten. Nicht vorstellen kann sie sich, dass ich diese längst allein mit Gedanken und Erinnerungen bekämpfen konnte. Mehr noch. Stärke durchflutet den Körper. Entschluss und eine nie empfundene Kampfeskraft stärkt den Willen das Böse zu bekriegen, dass mich in die Knie zwingen wollte.

„Mir geht es gut", wehre ich daher die eindringlichen Mahnungen meiner Freunde keine Anstrengung zu unternehmen ab, währenddessen ich mich aufs Neue aufrichte. Das Schwert fest in der Hand, den Blick gebannt auf die heranstürmenden Angreifer. Den ersten von ihnen erfasst mein Helm, den ich noch nicht wieder aufsetzte. Ein paar der Zahnstümpfe schlägt das hart treffende Metall aus dem verzogenen Mund. Eine beachtliche Delle in der Fratze hinterlassen die scharfen Kanten. Der Nächste läuft direkt in die Klinge von Umrazu'kark. Keuchend bricht er vor uns zusammen.

„Du Bekâr!", schreie ich. Meine Stimme ein Sturm, der über das Schlachtfeld braust. Sigrun neben mir, nun völlig davon überzeugt, dass ich den Angriff des Imps überstand, hebt ebenso ihr Schwert und stimmt in den Schlachtruf mit ein. Bofur und umstehende Krieger, egal ob mit uns bekannt oder nicht, folgen ihrem Vorbild. An Kraft gewinnt der Ruf, wandelt sich zu einem Orkan, der das Durcheinander aus Zwergen und Menschen und gemeinsamen Feinden aufwirbelt.

„Baruk Khazâd! Khazâd ai-mênu!" Alt ist der Kriegsschrei, der von vielen Mündern gerufen aufbrandet. Durin erhob ihn einst als Erster, während Melkors Gezücht aus den Bergen gekrochen kamen und sich anschickten, das junge Khazad Dûm zu überfallen. Unsere Feinde fürchten ihn. Erzittern ob seiner Gewalt. So auch diese. Zurück weichen sie, als wir von neuem Mut und Kampfeskraft gestärkt auf sie zustürmen. Jedoch nicht schnell genug. Übereinander fallen sie. Sind kopflos. Schreien und jaulen und flehen um ihr erbärmliches Leben ... werden gleichwohl nicht von uns erhört.

Ihre zahlenmäßige Stärke verdampft unter unserem Angriff und als der Morgen grau über den östlichen Bergrücken heraufdämmert, sehe ich mich erleichtert um. Nur noch einige wenige geschwächte Orktruppen leisten nahe des Eingangs zu ihrer Höhle weiterhin erbitterten Widerstand, auch wenn sie wissen, dass dieser nicht von langer Dauer sein wird. Thorin entdecke ich dort kämpfend unter unseren Kriegern. Verbissen schlägt er sich durch die Feinde, geschützt von im Nahestehenden, die ihren König bis in den Tod verteidigen werden. Wir gerne kämpfte ich ebenso an seiner Seite. Mein Versprechen an ihn war es, ihm Beistand zu leisten im Kampf wie im Leben, und trotzdem ein guter Grund mich davon abhält, dieses gegenwärtig zu erfüllen, so fühlt es sich wie elendiger Verrat an.

Die letzten Orks fallen schließlich, allerdings mehr von ihnen werden in den verwinkelten Stollen bereits auf uns warten. Daher kurze Pausen gönnen die Heerführer ihren Truppen. Jedoch ich benötige diese nicht. Die Aufregung der errungenen Siege brennt noch in den Adern. Sie ist so feurig, dass selbst die beständig an Stärke erlangende Sonnenwärme, die auf die verfluchte Haut der Wange trifft, keine Kälte mehr erzeugen kann. Hoffnung wächst durch sie getrieben in mir, dass ich den Bann des Imps ein für alle Mal entkam.

„Was ist vorhin geschehen?", erschreckt mich plötzlich die Frage von Bofur, der unbemerkt herantrat, währenddessen ich den Eingang zum Orkstollen misstrauisch beobachte. „Dein Schrei hat mir die Seele aus dem Leib getrieben, so schrecklich war er anzuhören." Ich senke ausweichend den Blick. Selbst mir erklären kann ich nicht, welch Macht genau über mich kam und was sie anrichtete. Verschwommen ist die Erinnerung, wie geblendet von der Helligkeit des Sonnenlichts.

„Ich habe keine Ahnung. Irgendeinen bösen Zauber brachte wohl die Berührung des Imps in mich, aber ... irgendwie konnte ich ihn bekämpfen ... wie dereinst im Stollen", sage ich stockend, hoffend, dass er sich mit dieser Erklärung zufriedengibt, unwillig zu erzählen, welche Macht ich einsetzte. Misstrauisch mustert er mich. „Es wäre besser, du bleibst hier, wenn die Höhlen gesäubert werden." Er ist mir weder Berater noch Mentor, jedoch alleinig als Freund berechtigt, solch einen Vorschlag zu unterbreiten. Dennoch will ich ihm widersprechen, ihn zurechtweisen für diesen. Den Dienst zu verweigern aufgrund einer lapidaren Wunde, deren Folgen ich nun weiß zu bekämpfen, ist ein horrendes Vergehen. Sie hohnspricht meinem Eid und zu leistenden Pflicht. Stattdessen jedoch, senke ich den Blick, um ihm zuzustimmen. Besser wird es sein. Sicherer allemal, denn nur in kleinen Gruppen durchforsten wir die Gänge und sollte mich ein erneuter Anfall heimsuchen, zu groß wäre das Risiko der Verteidigung für meine Gefolgsleute. Ich muss vorher einen Weg finden, die Macht des Imp zuverlässiger und schneller zu bekämpfen.

Nur wenige bleiben auf dem Schlachtfeld vor den aus den Angeln gerissenen und morschen Holztoren der Orkhöhle zurück. Verwundete sind es meistens und einige zu ihrer Versorgung abgestellte. Ich mische mich unter sie, Oin und dem menschlichen Heiler sagend, dass der Gestank, der dort herrschen mag, mir nach denen die ich in den letzten Wochen zu oft roch, nicht mehr erträglich ist.

Die Toten, Freund wie Feind, schaffen wir danach zur Seite. Viele sind es glücklicherweise nicht, denen wir eine ehrenvolle Beisetzung gewähren. Die Rohirrim verbrennen die ihren feierlich auf hoch aufgehäuften Holzstößen, vereint mit Schwert und Schild und dem Pferd des Gefallenen. Wir hingegen, schachten Mulden im harten Erdreich und wuchten große Felsplatten heran, die die Gräber bedecken.

Aus Erde und Stein wurden wir einst erschaffen, zu Erde und Stein gehen wir im Tod.

Die stinkenden Kadaver der Orks allerdings, werfen wir achtlos zusammen mit zerbrochenen Waffen und Rüstungen, dornigem Gestrüpp und Pferdeäpfeln übereinander und lassen sie in schwarzen Rauch aufgehen. Weit hin sichtbar zieht dieser über die Lande und soll eine schreckende Mahnung für alle Feinde sein sowie den Verbündeten unseren Sieg übermitteln. Dabei immer wieder jedoch, schweift der Blick zum Berghang. Meine Freunde und Lieben kämpfen gerade dort und oh wie hoffe ich, dass sie alle wohlbehalten zurückkehren.

Der Abend dämmert bereits erneut, als die ersten Krieger aus dem dunklen Schlund der Orkhöhlen auftauchen. Zerschunden sehen sie aus, erschöpft, verletzt, jedoch bester Laune. Erfolgreich scheint die Ausräucherung verlaufen zu sein und die Vermutung bestätigt sich, als sie uns von dem enormen Ausmaß der Gänge und Kammern und Minen erzählen, aber berichten, dass sie alle durchgingen und jeden einzelnen Ork, Männer, Frauen und Kinder, erschlugen. Befreit sind die nord- und südwestlichen Gefilde des Abendrotgebirges also nun und einige Jahre des Friedens wird den umliegenden Ländern gewährt sein. Jedoch noch ein Nest fehlt, um diesen auszuweiten und zu sichern.

Am übernächsten Morgen, nachdem wir die Toten bestatteten, die in den Höhlen fielen und allerhand Nützliches aus ihnen plünderten, brechen die dennoch weiterhin starken Truppen Rohans und Ered Luins dorthin auf. Den ganzen Weg über, quälen mich die Überlegungen, wie ich verhindern kann, dass die Hallen, die wir entdeckten, ebenfalls betreten werden. Für einen Kampf ungeeignetes Gelände liegt vor ihren Toren. Die Orks herauszulocken und dort zu schlagen, wird schwierig, das werden die Könige und ihre Heerführer schnell erkennen. Damit der Kriegszug ein Erfolg bleibt, müssen sie diese Gänge einnehmen. Sie glauben nicht an den Schrecken, der dortrinnen herrscht und nur auf sie wartet. Er wird sie mit seiner Dunkelheit und Kälte verschlingen. Gnadenlos. Verheerend. Unfähig von Mandos entdeckt zu werden dazu verdammt, auf ewig umherzuirren, gefesselt von dieser Angst, die mich weiterhin bis in meine Träume verfolgt. In kalten Schweiß liegend, wache ich jede Nacht von ihnen getrieben auf. Dem Imp entkomme ich niemals während der Nachtmahr. Nicht nur die Wange kann er streifen, sondern umklammert mit dem bitterschwarzen Eishauch Körper und Geist und jedweden schönen, wärmenden Gedanken. Wie auch in dieser, in der ich von dem zurückgelegten Weg und der langen Wache vorher übermüdet hoffte, unbehelligt zu schlafen. Nur noch einen Tagesmarsch entfernt warten die Gefahr und die Verzweiflung.

Jedoch je mehr ich darüber nachdenke, andere Möglichkeiten abwäge, hin und her überlege, ihn immer wieder verwerfe und neu aufgreife, wird mir bewusst, dass es nur einen Ausweg gibt. Ich muss mich ihm stellen. Kühn der Gefahr. Kühn der Folgen. Mahal wird mir wohl verzeihen und wie hoffe ich, dass er ebenso Gnade walten lässt.

Auf mache ich mich also im hellen Schein des neu anbrechenden Tages. Mähende zwischen bislang schlafenden Kriegern oder denen, die bereits ihre Sachen für den Aufbruch ordnen hindurch und gelange schließlich zum Eingang des großen Zeltes, das mein Ziel war. Tief atme ich noch einmal ein und langsam wieder aus. Ich weiß, dass er unlängst wach ist. Nicht viel hält ihm in seinem Bett, egal ob es ein gemütliches, kaminfeuerwarmes ist, oder sich in der Wildnis befindet. Mit zitternden Händen ergreife ich den Stoffstreifen und schiebe ihn zur Seite, um einzutreten.

Das Innere des Zeltes ist aufgeräumt und leer, bis auf ein provisorisches, gleichwohl durchaus besser als meines mit Decken und Kissen ausgestattetes Lager und einige aus Truhen herausgeholte kleine Bücher- und Pergamentstapel. Mit nicht viel mehr rechnen ich auch.

„Kann ich dir helfen?", fragt seine freundliche Stimme und trotzdem ich sie absah, lässt sie mich erschrocken zusammenzucken. Hinter einem der Stapel sitzt er, eine strategische Karte vor sich ausgebreitet. Ich senke den behelmten Kopf zur ehrerbietenden Begrüßung. „Ja, Herr, das könnt Ihr", antworte ich und gebe mich schließlich zu erkennen.

„Ich habe dich bereits erwartet."

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
Baruk Khazâd! Khazâd ai-mênu! - Äxte der Zwerge! Die Zwerge kommen über euch!

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top