Der Makel


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„Dwalin, markhûnê!" Unverhohlen ist die Freude, mit der ich meinen langjährigen Schirmer vor all dem Übel dieser Welt begrüße. Mir unendlich lang erscheinend, obwohl nur zwei Monate, war er und sein Bruder fort, um wichtige Verhandlungen mit dem benachbarten Zwergenreich der Feuerbärte zu führen.

Trotzend der Unsicherheit von missmutigen Augen beobachtet zu werden, falle ich ihm in die weit geöffneten Arme und vergrabe das Gesicht in der Kuhle zwischen Hals und Schulter, als sie durch die große Eingangstür des königlichen Anwesens treten. Der ihm anhaftende Geruch nach Erde die eine junge Kiefer nährt, vermischt sich mit dem der außerhalb des Berges begehrten Freiheit. Frühlingsluft. Neu sprießendes Gras und zarte Frühblüher unter unaufhaltsam zu kleinen Bächen schmelzenden Schnee. Der eigene Duft seiner Stute. Oh wie herrlich ist diese Wahrnehmung doch.

„Ich habe dich vermisst", flüstere ich und zwei kraftvolle, in Kampf und harter Arbeit zu Unbarmherzigkeit bestimmte, aber in diesen inniglichen Momenten so liebevolle Arme, drücken mich näher an die geharnischte Brust. Es auszusprechen gebührt sich nicht für einen Krieger, demnach lediglich damit zeigen kann er, dass die Sehnsucht nach mir ebenfalls groß war, deshalb verziehen sich meine Lippen an seiner Haut zu einem annehmenden Lächeln.

„Manches Mal wünschte ich, mein Bruder zu sein." Balins schmollende Feststellung beendet schließlich die herzliche Begrüßung. Nur ungern lösen wir die Umarmung, aber nötig ist es, denn noch immer bin ich unmündig und allzu inniglicher Kontakt könnte Dwalin in Verruf und Schwierigkeiten bringen. Verboten ist es Männer mir bis zu meinem fünfundsiebzigsten Geburtstag auf andere Art als höchstens freundschaftlich zu begegnen. Etwas mehr als sechzehn Jahre sind es noch bis dahin. Jedoch längst mehr entwickelte sich zwischen mir und ihm. Seinen Grund fand es in der Zeit, den gemeinsamen Abenteuern und dem daraus gefassten Vertrauen zueinander. Viele Male rettete er mich bereits und unendlich dankbar bin ich ihm dafür. Allerdings keinen Namen kann ich diesem Gefühl geben, das aufkommt, sobald mir seine Nähe gewahr wird. Getraue es mir vielleicht auch nicht, denn besser da umstandsloser wird es sein, es bleibt vorerst unfasslich abwartend verborgen unter Anstand, Respekt und Freundschaft.

Wir sehen zu Balin hinüber. Der Tonfall seiner Stimme findet sich ebenso geradezu belustigend wirkend in seinem Antlitz wieder, denn wie ein bockiges Kind, dem man den verdienten Nachtisch verwehrte, erscheint er dadurch. Zu einer Entschuldigung ansetzend, knickse ich höflich. „Verzeiht mir, Meister Balin, ich hätte Euch natürlich zuallererst begrüßen müssen." Ehrlich gemeint ist diese Aussage, denn obwohl sein Bruder General der ersten Leibgarde des Königshauses ist, so bekleidet er doch das gut beleumdete hohe Amt der Hand des Königs. Berät ihn, genießt sein allerinnigestes Vertrauen und steht damit an oberster Stelle trotzend seines jungen Alters von noch nicht einmal hundert Lebensjahren. Jedoch viel sah, bewirkte und erreichte er in diesen bereits und wohlverdient diesen Posten wie niemand anderes.

Jedoch lacht er plötzlich auf, anstatt mich für die Respektlosigkeit ihm gegenüber zu schelten. „Ist schon in Ordnung, mein Kind. Andererseits, die Art der Begrüßung, könntest du noch abändern", sagt er mit weiterhin lachender Stimme und ich verstehe. Ebenso er ist mir ein geschätzter Freund und zudem Mentor, der mir viel von dem beibrachte, das meine Position an Wissen fordert, aber der auch lebenserfahrene Weisheiten mit auf den oft steinigen und holprigen Weg gab. So manch Abenteuer verbindet uns alle drei, sowie Thorin miteinander.

Daher ebenfalls in eine innige Umarmung schließe ich ihn. Fürwahr anders fühlt sie die Nähe zu ihm an als zu Dwalin. Lediglich kameradschaftlich und von tiefem Respekt geprägt ist sie, jedoch nicht weniger intensiv sind diese Gefühle.

„Sag, wo ist Thorin, ich möchte ihm berichten, was wir erreichten", fordert er mich auf, nachdem auch wir voneinander ließen. „Oder eher nicht erreichten", schnaubt Dwalin korrigierend und schürt damit Anlass zur Sorge. Von großer Wichtigkeit war diese Abgesandtenreise, sollten sie doch die horrend hohen Steuern und Zölle auf den Warenverkehr mit König Lothin der Feuerbärte lukrativer verhandeln und zudem neue Verträge über Lieferungen schließen. Ganze Wagenladungen nahmen sie mit sich, um sie zusammen mit den fähigsten Händlern zu präsentieren. Allerhand an Metallen; roh oder verarbeitet zu Waffen, Werkzeugen und Gerätschaften; Goldklumpen und Silberarbeiten, fein gewebte Stoffe, reich verzierte Möbel, mechanisches Spielzeug, buntbemalte Tongefäße. Das kostbarste, das wir zu bieten haben.

„Er befindet sich in der Schmiede", antworte ich. Wohl keinen unpassenderen Ort gibt es, um ihm folgenschwere Neuigkeiten zu überbringen. Erleichterung von den (er)drückenden Pflichten eines Königs sucht er dort. Ruhe in dem Niedersausen des Hammers. In der Hitze der Essenflammen Abkühlung von dem ständigen Gezänk der Ratsmitglieder. Einen wieder klaren Kopf erwirkt das Zischen des verdampfenden Öls, wenn er das rotglühende Schmiedestück zum Abschrecken hineintaucht. Ausgeglichenheit die notwendige Konzentration, beim Einbringen von feinen Verzierungen. Balin weiß darum und so bittet er mich nach kurzem Zögern, ihn in den Salon zu bemühen. Zu wichtig sind die Nachrichten, um ihr Überbringen lange aufzuschieben.

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Die Hitze in der Schmiede ist mir unerträglich, nicht nur, weil ich ein warmes, am Kragen fellgeendeltes Kleid trage. Zwerginnen sind nicht geschaffen für diese Art Arbeit, gleichwohl auch wir auf lange Zeit Temperaturen trotzen können, bei den Menschen oder sogar Elben zugrunde gehen würden. Der Valar Aulë, der in unserer Sprache Mahal genannt wird, schmiedete einst die sieben Väter aller Zwerge aus Feuer, Stein und Metall. Das Glühen seiner Esse schwelt beständig in uns. All seine Leidenschaft legierte mit den Rohstoffen. Die Stärke seines Schmiedehammers formte unsere Körper. Sein heiliges Blut fließt in unseren Adern, denn ein Tropfen davon schenkte er jedem von ihnen. Die Tränen, die er aus Liebe zu seinen Kindern vergoss, berührten Eru Ilúvatar und er hauchte uns den Funken des Lebens ein anstatt zuzulassen, dass er uns aus Reue zerstörte.

Trotzdem mussten sie solange schlafen, bis die Elben begannen, unter Vardas glitzernden Sternen zu wandelten. Indes erschuf Mahal Gefährtinnen für seine Söhne und bettete sie an ihre Seiten. Die zuvor verwendeten Metalle ersetzte er allerdings durch Edelsteine. Weniger heiß glühte das Feuer der Esse, um die Kostbarkeiten nicht zu beschädigen. Zärtlich besorgter formte er die Rohstoffe und dachte dabei mit hingebungsvoller Liebe an seine Gemahlin. Jedoch bereitete ihm der gelb-goldene Saphir Schwierigkeiten, den er für die Mutter der Langbärte vorsah. Er wollte sich dem Willen, die perfekte Zwergin als Erwählte seines ersten Sohnes zu erschaffen, nicht beugen. Trotzig verwehrte er sich, in ihren Augen zu funkeln. Widerspenstig sträubte er sich dagegen, ihre Haut mit güldenem Glanz zu überziehen. Wissend, um die sich entspinnenden Gefahren, wollte er nicht Heimstatt nehmen in ihrem Herzen.

Mahal verzweifelte. Fluchte und drohte dem Saphir ihn und seinesgleichen für immer aus Ardas Erde zu verbannen. Aber der Edelstein blieb widersetzlich und indes erglühten die Letzten der Sterne am Horizont und mit ihnen begann die Zeit der Elben. Durin erwachte. Streifte umher. Rastlos. Ziellos. Beständig auf der Suche nach etwas, das er misste. Er gründete Reiche und das Volk der Langbärte, gierte nach dem Gold, aus dem er erschaffen wurde. Aber nichts davon erfüllte ihn mit Freude, noch schenkte es ihm Ruhe.

Derweil stritt Mahal weiter mit dem Saphir, denn er war ihm der liebste aller Edelsteine und wollte ihn ebenfalls dickköpfig nicht aufgeben. Dann endlich, in größter Verzagtheit, fragte er nach seinem Wunsch. Der edle Stein betrachtete die unfertige, dennoch bereits betörende Zwergin lange und genau. Er erkannte ihre Zukunft und das ihrer Kinder. Er sah das Leid, die Kriege und hörte das ferne Klagen derer, die um Gefallene trauerten. Aber dann plötzlich, in all dem Dunkel, glomm ein Banner aus gelb-goldenem Schimmer. Hell und hoffnungsspendend wehte er über den Schlachtfeldern.

Er wünschte sich daraufhin, mit ihren langen Haaren verbunden zu werden, jedoch durfte Mahal dazu nicht mit heißem Feuer und unerbittlichen Eisen auf ihn einwirken, denn zugrunde gehen würden die Hoffnungsfunken unter dem Schlag und verbrennen jegliches Licht. So kam es, dass der Meister allen Handwerks den Saphir nahm, ihn mit seinen großen Händen zerrieb und die Locken der Zwergin, die von ihm den Namen Bil erhielt, mit dem golden-schimmernden Staub bedeckte.

Daher ist es lediglich unseren Männern vorbehalten die Schmiedekunst auszuüben, denn die Mahnung des Saphirs überdauerte, und wird noch immer geachtet. Wir Frauen jedoch sind äußerst begabt in der Herstellung von Geschmeiden, die selbst die zarten Finger der Schwarzschmiedinnen nicht in solch graziler Feinheit erschaffen können. Wir weben edlere Stoffe als die Feuerbärte. Schreiben kunstvoller als die Steifbärte. Sind kampfbegabter als die Eisenfäuste, beherrschen das filigrane Handwerk der Uhrmacherei besser als die Steinfüße und fertigen raffiniertere Schnitzereien als die Breitstämme.

Thorin bemerkt mich nicht, als ich eintrete. Voller Konzentration steht er mit nacktem Oberkörper gebeugt über seinen Arbeitstisch und versucht, einen Schmuckstein in die Fassung eines so wie es scheint Kettenanhängers hineinzufriemeln. Wie immer, wenn ich ihn hier während der entspannenden Arbeit stören muss, erlaube ich mir einen kurzen Augenblick der Schwäche und bewundere den vom Schweiß der Anstrengung und einwirkenden Hitze glänzenden Körper. Noch imposanter wirken die Muskeln an den Armen dadurch. Noch sehniger die Stränge, die Rücken, Brust und Bauch definieren. Mein Blick verliert sich in den Tälern und erklimmt die Hügel. Begutachtet die vielen mit Schwarz und Braun unter die Haut gebrachten Zeichen, (Bind-)Runen und Bildnisse. Immerzu wenn ich ungestörte Sicht auf sie erhaschen kann, versuche ich ihre Bedeutungen zu ergründen, allerdings stets entdecke ich Neues, das die vorherige Erkenntnis überwirft. Zwiegespalten echauffiere und erfreue ich mich an jeder silbrig-schimmernden Narbe, die das Gesamtbild durchbricht, aber auch gewissermaßen vollendet. Oh ehrwürdiger Schöpfer, sahst du diese Erscheinung, als du dir erdachtest, wie deine Kinder dem Bösen mit ihrer Kraft trotzen können?

„Alurâf! Warum bei Mahals großen, haarigen Eiern bekomme ich dieses vermaledeite Ding nicht dort hinein. Ibzig zu!" Thorins Schimpftirade beendigt schließlich das unschickliche Bewundern. Selten hörte ich ihn solcherlei Wörter benutzen. Selbst in Momenten der zügellosesten Wut behält er sonst seine herrschaftliche Würde. Wahrlich in große Raserei muss ihn die nicht gelingen wollende Arbeit gebracht haben und viel trägt wohl auch dazu bei, dass er sich alleine düngt.

Daher räuspere ich mich, um seine Aufmerksamkeit zu erwecken. Sofort dreht er sich aufgeschreckt zu mir um. Groß sind seine eisblauen Augen und geradezu belustigend anzusehen der erstarrte Anblick. Entschuldigung für die Dreistigkeit ihn zu stören erbittend, senke ich den Blick. „Verzeiht mir, Majestät, aber die Meister Balin und Dwalin kehrten soeben von ihrer Reise zurück und ersuchen Euch um ein Gespräch."

Thorin blinzelt. Möglicherweise meine Worte durch den Schreck hindurch erfassen muss er erst einmal. „Seit wann stehst du schon dort?", fragt er allerdings nach einigen Momenten des sich fassenden Schweigens. „Nicht lange", wehre ich den wohl aufgekommenen Verdacht ab, ihn beobachtet zu haben. Jedoch zum Glück gut verborgen in meinen Gedanken fügt eine verwegene Stimme hinzu: „Nicht lange genug, um mich auch nur annähernd an Euch sattzusehen." Immer häufiger in der letzten Zeit murmelt sie solch tolldreiste Dinge, vornehmlich in den unpassendsten Momenten. Sie macht darauf aufmerksam, wie herrlich Thorin doch nach langsam in Sonnenwärme trocknenden Regensteinen riecht, während ich ihm in einer Besprechung zu nahe komme. Fragt unbedarft, wie sich seine Haut wohl unter den Fingerspitzen anfühlen mag und wie er auf sie reagieren würde, wenn ich sie nur ausstrecken müsste, um ihn dort zu berühren, wo es mir nicht erlaubt ist. Jauchzt voller entzücken und bringt das Herz in Aufruhr, sobald er mir eines seiner seltenen Lächeln schenkt. Findet unmanierlich Worte der Bewunderung angesichts des Spiels der Muskeln, wenn wir gemeinsam für den Kampf trainieren. Immer wieder ermahne ich sie zur Ruhe. Schimpfe mit ihr, denn solcherlei Gedanken sind unschicklich und unangebracht. Er ist mein Herr und König. Ich seine Dienerin, die sich glücklich schätzen kann, ebenfalls Vertraute genannt zu werden. Einzig von Weitem darf ich ihn betrachten, bewundern und huldigen. Nicht mehr. Niemals.

Thorin jedoch begnügt sich mit der Antwort und wirft seiner unfertigen Arbeit einen so bitterbösen Blick zu, dass ich befürchte, das Gold des Anhängers könnte unter ihm zerfließen. „Ich komme, wenn ich diese störrische Fummelei beendet habe", knurrt er und eigentlich wäre es nun meine Aufgabe zu gehen und die Nachricht zu überbringen. Es ist sein königliches Recht Ersuchende warten zu lassen. Jedoch einem inneren Drang folgend und aus Ausrede bemühend, dass es ebenso einer Dienerin Pflicht ist, ihm bei allem zu helfen, trete ich an seine Seite.

Wunderschön ist das von Meisterhand geschmiedete Schmuckstück in der Form eines zehnblättrigen Blütenkelches, das bereits an einer ungewöhnlich langen und sogar noch verlängerbaren Kette baumelt. Deutlich stört allerdings die bislang leere Fassung im Zentrum das ansonsten makellose Gesamtbild. Der rundgeschliffene Achatstein, der so unschuldig wirkend daneben liegt, ist wahrscheinlich der Grund allen Ärgers. Herrlich ist er anzusehen mit seinem rosarot-weißgrauen Schlieren und oh so bedeutungsvoll.

„Ich will ihn Dís schenken. Er soll ihr in Schwangerschaft und Geburt, Kraft, Schutz und Ausgeglichenheit zukommen lassen." Ich lächle ob dieser wundervollen Geste und verstehe nun umso mehr seinen Zorn über die Widerspenstigkeit. Perfekt muss diese Arbeit werden. Er freut sich auf dieses Kind wie jeder andere und hiermit zeigen und beweisen will er dies vor allem seiner Schwester. Wichtig wird ihr diese Bezeugung sein, denn sie offenbarte mir unlängst, dass sie sich dessen nicht sicher ist. Womöglich trägt sie einen Prinzen. In der Rangfolge nach Thorin wird er dennoch nur stehen, sollte er dies zulassen und vor allem keinen eigenen Nachfolger zeugen. Ein Konkurrent nicht seines reinen Blutes wird er damit sein.

„Darf ich Euch helfen?", frage ich daher zögerlich, wissend um die Notwendigkeit der eigenhändigen Fertigung, aber die Gefahr bannend wollend, dass er sich noch in Mandos Hallen ärgert. Zu meiner Überraschung stimmt er zu und überlässt mir die kleine Zange, mit der man den Schmuckstein behutsam aufnehmen und platzieren kann. Wahrlich kaum geeignet ist der schmale Griff für seine großen Hände, die das Führen von Schwertern, Äxten und Schmiedhämmern gewohnt sind. Selten, mit der fehlenden Geduld als Schwäche wohlvertraut, befasst er sich mit solcherlei Fitzelarbeit. Jedoch leicht fällt sie mir und schneller, als er erstaunt ausatmen kann, habe ich den Achat platziert und die ihn sicher fassenden Krappen mit dem nötigen Zartgefühl geschlossen.

Mit einem höflichen Knicks übergebe ich ihm das fertige Schmuckstück. „Nicht nur geschickt im Umgang mit Schwert und Kopf, sondern auch mit den Händen", lobt er das Gelingen, obwohl es bei weitem nicht fachmäßig ausgeführt wurde. Eine kleine Unachtsamkeit widerfuhr mir, sodass einer der sechs Krappen etwas schief gebogen wurde. Ich ärgere mich darüber, denn ebenso der Herrin wird dies auffallen und ihn dilettantisch dastehen lassen. „Es ist ...", möchte ich daher den Fehler erklären und darum bitten, ihn zu beheben, aber Thorin unterbricht die Selbstzweifel. „... perfekt. Ich danke dir." Ausgeschlossen ist, dass ihm der Makel nicht ebenfalls ins Auge viel. Dennoch lässt er ihn bestehen, trotzdem dieses Geschenk so wichtig ist.

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„Willkommen zurück, buhêl!", begrüßt er seine bereits lange im Salon auf ihn wartenden Freunde, die sich sogleich vor ihm verbeugen. Nur eine schlichte, nach dem Rauch des Schmiedefeuers riechende Tunika und noch immer die durch Brandflecken durchlöcherte Hose trägt er. Gleichwohl wirkt seine ganzheitliche Erscheinung wie die eines Königs und nichts anderes als Respekt kann man ihm zollen. Er könnte wohl genauso gut in Bettlerlumpen gekleidet sein Reich regieren.

„Was sagt Lothin? Fand er unsere Waren und das Angebot angemessen für seine ausnehmend hohen Ansprüche?" Thorin lässt sich in einen der brokatstoffbespannten Sessel fallen, ungeachtet des rußigen und öligen Schmutzes, der nun nicht mehr allein an Gewändern und den Händen haftet. Trotz der Hochachtung, manches Mal wünschte ich, ihn für solch Unachtsamkeiten schelten zu dürfen.

Balin richtet sich wieder auf und beginnt zu berichten. Von den zähen Verhandlungen. Den Streitereien um die Höhe der Zölle auf eingeführte Waren. Die Debatten den Umfang des Geleitschutzes für die Händler aus dem Reich der Feuerbärte betreffend, die die ihren auf unseren Märkten offerieren sollen. Die Differenzen über die Senkung der Abgaben bei erfolgreichen Geschäften. Bei keinem der Punkte kamen sie zu einer Übereinkunft und das, was ich bereits nach Dwalins Aussage befürchtete, finde ich nun bestätigt. Nicht gut ist dies. Viele Hoffnungen begleiteten die Brüder auf ihrer Reise, denn ein neu geschlossenes Handelsabkommen hätte unser beider Reiche gestärkt.

„Er verlangte letztendlich, dass du selber kommen sollst, um die Verhandlungen zu führen", schließt Balin seinen Bericht und blickt erwartungsvoll zu seinem König. Thorin schnauft frustriert. Er hasst es, wenn sich die Herrscher der anderen Zwergenreiche nicht dem gesetzten Willen beugen wollen. Es führt ihm vor Augen und lässt ihn spüren, dass er trotzdem sein Geschlecht einst unantastbare Macht hatte und gebot über ein Reich, dessen Herrlichkeit und Reichtum für mich kaum vorstellbar ist, nun lediglich einem vertriebenen Volk vorsteht. Sein Großvater saß seinerzeit als Melhekhel, als König der Könige, auf dem Thron des Erebors. Jedoch der Drache Smaug zwang uns mit Feuer und Zerstörung, diesen zu verlassen, lange vor meiner Geburt. Nun leben wir im Exil der Blauen Berge und obwohl sie für viele von uns Heimat bedeuten, eine gute, sichere Heimat, sieht Thorin diese Hallen als Schmach und in ihnen wohnt das Zeugnis des Versagens seines Hauses.

„Dann werde ich das wohl oder übel tun müssen", bestimmt er resignierend, „aber nicht vor dem nächsten Frühling, da vorher ein anderes Ereignis meine Anwesenheit verlangt." Balin und Dwalin sehen ihn fragend an und wie freue ich mich bereits auf ihre überraschten Gesichter, denn die freudige Kunde hat sie wohl bislang nicht erreicht.

„Dís ist schwanger und erwartet das Kind im Monat des Mondes der Wenigen*", löst Thorin die neugierige Spannung des Ungewissen unvermittelt rasch, wohl es selbst kaum erwartend könnend, wie sie darauf reagieren. Und oh wie übermäßig diese unverhoffte Neuigkeit sie bewegt. Sogar Dwalin, in dessen störrischer Miene sich zumindest außerhalb vertraulicher Momente schwerlich Gemütsregungen entdecken lassen, sehe ich in solch einer Freude erstrahlen, als würde die Frühlingssonne auf uns hinabscheinen. Wahrlich keine bessere Nachricht hätte die vorangegangene Schlimme, die sie mit sich brachten, ebenso schnell wieder in Vergessenheit geraten lassen können. Unbedeutend erscheinen plötzlich die gescheiterten Verhandlungen, die Strapazen der Rückreise und jegliches, das uns in nächster Zeit noch bedrängen mag.

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markhûnê – frei übersetzt „mein Schildmann", bedeutet zu einem Vertrauten gesagt so viel wie „mein Schützer" oder „mein Beschützer"
Alurâf! – Eigenkreation der Autorin ... gebildet aus „alquarf" und „chara", den arabischen und hebräischen Wörtern für den Ausruf „fuck"
Ibzig zu! - Verdammt noch mal!
buhêl – Freunde aller Freunde
Melhekhel – König der Könige

Zuordnung der Metalle und Edelsteine zu den Zwergenvätern und -müttern:

Langbärte, Gold und gelber Saphir
Feuerbärte, Kupfer und Feueropal
Breitstämme, Bronze und Heliodor
Eisenfäuste, Eisen und weißer Zirkon
Steifbärte, Silber und Mondstein
Schwarzschmiede, Wolfram und Onyx
Steinfüße, Blei und Amethyst

* âfizhu - elfter Monat im zwergischen Kalender. Entsprich im Gregorianischen den Zeitraum vom 16.08 bis 14.09. Der Name nimmt Bezug auf die Zeit der Wenigen - eine Zeit der Erinnerung und des späteren Lebens.

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