Kapitel 12

Wie erstarrt stand sie da. Jetzt gab es wirklich keinen Ausweg mehr. Genauso wenig wie Ausreden, denn ihre Pflichten für den heutigen Tag waren erfüllt. Das mit dem Wein war ja eher ein Sonderwunsch gewesen. Oder wie sie jetzt erkannte, eine klug durchdachte Falle. Sie kam hier wohl wirklich nicht weg. 

„Lass uns doch hinsitzen. Ich sitze auch mit Abstand von dir, wenn du das wünschst, aber bitte renn nichtmehr weg" durchschnitt Kilis ruhige Stimme die Stille. Sie hatte keine andere Wahl. Thalia nickte etwas und stimmte somit zu. Er wollte reden. Sie würden wohl reden müssen. Langsam ging der Zwergenprinz von der Tür weg und setzte sich, wie gesagt mit Abstand, hin, bevor er sie abwartend ansah. Kili vertraute ihr. Er war sich sicher das Thalia nun nicht mehr wegrennen würde, das wusste er. Das musste einfach so sein, denn sonst hätte er vermutlich nie mehr die Chance mit ihr über alles zu reden. 

Zögernd setzte sich auch die junge Frau und faltete die Hände in ihrem Schoß. „Kann ich dich etwas fragen?" fragte der jüngere Prinz ruhig. Ein leichtes Nicken darauf war die einzige Antwort, die er bekam, aber dennoch fuhr er fort. „darf ich wissen, weshalb du so reagiert hast? Ich weiß! Ich hätte dich nicht einfach so küssen dürfen und es tut mir auch leid, aber du hattest Angst. Deine Stimme hat so gezittert und dein Blick...du sahst aus, wie ein Reh das den Pfeil auf sich gerichtet sieht. Hattest....hast du Angst vor mir? Habe ich etwas getan, vor der Situation, das dich so denken lässt?"

 Er dachte sie hatte Angst vor ihm? Das war nun wirklich nicht das was sie gedacht hatte. „Ich hab keine Angst vor dir. Das ist es nicht" sprach sie dann. Endlich! Der erste Satz er wieder richtig an ihn gerichtet war! Erleichtert war er schon das sie überhaupt richtig mit ihm sprach, das musste er zugeben. 

„was ist es dann?" fragte er, vielleicht etwas zu neugierig und bereute im nächsten Moment die Frage laut ausgesprochen zu haben. Als er jedoch gerade eine Entschuldigung zücken wollte, machte sie schon den Mund auf. „das ist eine etwas längere Geschichte...sie ist schon etwas länger her, du wirst mich deshalb nur für albern halten..." 

„das werde ich nicht. Versprochen. Bitte, ich werde dir zuhören" unterbrach Kili sie und musterte sie sanft. 

Thalia schloss kurz die Augen und seufzte leise, bevor sie auf ihre Hände sah. „Damals, als wir noch in den blauen Bergen lebten, kam eines Tages ein Mann, ein Händler, mit seinem Sohn zu uns. Er bat um einen Rastplatz für eine Weile und bot seine Waren auch in den Ered Luin an, während er dort verweilte. Mit seinem Sohn habe ich mich gut verstanden, ein junger Mann, vielleicht 17 oder 28 Jahre alt, umgerechnet war ich 16 zu dem Zeitpunkt, an dem sie bei uns verweilten. Wir haben oft geredet, er war der Einzige der wirklich mit mir reden und etwas mit mir zu tun haben wollte. Ich hab ihm vertraut und ihn mehr und mehr gemocht. Er war wirklich nett...oder eher wirkte er wirklich nett. Eines Tages bat er mich in den Wald zu kommen, er wollte mich dort treffen. Also ging ich, nachdem ich meine Pflichten für den Tag erledigt hatte, in den Wald. Wir hatten eine Lichtung, auf der wir uns immer trafen, deshalb wusste ich, wo ich hingehen musste. Angekommen jedoch erwartete mich eine ziemlich böse Überraschung. Ich hatte angenommen das wir uns trafen so wie wir es eben immer machten. Stattdessen hat er mich an den Haaren gepackt, mich zu einem der Bäume gezerrt und mich dagegen gedrückt. Er beschimpfte mich, verspottete mich und zerriss mir das Kleid, bis ich mich doch losreißen konnte und schnell zurück gelaufen bin....ich hab ihn wirklich gemocht, aber er hat mich nur getäuscht. Ich wollte nichtmehr so verletzt werden, deshalb hab ich niemanden mehr so nah an mich rangelassen" erzählte sie, während er stumm zuhörte.

 Jedoch, je mehr sie erzählte, desto mehr Druck breitete sich in seiner Brust aus. Wer hatte ihr das nur antun können? Er hatte nie davon gewusst, Fili auch nicht, nicht mal seine Mutter. Er hatte es damals auch nicht mitbekommen, aber er erinnerte sich an den Händler und dessen Sohn. 

„und dann kamst du. Seitdem wir auf dem Trainingsplatz waren, wirfst du alles durcheinander. Wir haben davor nie viel miteinander geredet und doch warst du so nett und freundlich, du hast mich so normal behandelt und mich nicht angesehen als wäre ich anders. Der Kuss hat mich nur erschreckt, weil er so plötzlich kam. Am einen Tag reden wir normal miteinander und am nächsten küsst du mich einfach" sprach sie mit einem leichten Lächeln weiter.

 Der Kuss hatte ihr ja nicht missfallen. Er war nur sehr plötzlich gekommen, sehr sehr plötzlich, und dann hatte die Angst übernommen. Angst das dasselbe wie damals passierte. Auch wenn sie nicht dachte, das Kili so ein Mensch war. 

Als sie weitersprach musste auch Kili ein wenig Lächeln, bevor er sich räusperte. „Hast du je jemandem von dem erzählt was damals passiert ist?" fragte er vorsichtig, bekam aber nur ein Kopfschütteln als Antwort. „Nein, nie. Niemand anderes weiß davon. Und ich bitte dich auch das du das nicht weitererzählst Kili" meinte Thalia und sah ihn bittend an. 

„Natürlich verrate ich es keinem. Das schwöre ich dir. Ich .... Wollte mich sowieso bei dir entschuldigen. Für den Kuss. Also nicht das ich ihn bereue, ganz im Gegenteil, aber es hätte einen besseren Zeitpunkt dafür gegeben, das verstehe ich. Es tut mir leid dass ich dich erschreckt habe, aber ich schwöre dir das ich dich nicht ohne Absicht geküsst habe. Bitte lass nur alles wieder in Ordnung zwischen uns sein. Ich möchte nicht das du mich wegen einer dummen Tat meinerseits meidest" sagte der jüngere Prinz und sah sie hoffnungsvoll an. 

„Lass es uns einfach langsam angehen und sehen was passiert.....okay?" Kili schluckte etwas. Was wenn sie nicht zustimmte? Oder wenn sie ihm nicht verzieh? Das wäre mehr als furchtbar.

 „Okay" war jedoch ihre Antwort. 

Und dann schenkte sie ihm wieder ihr Lächeln. 

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