Kapitel 1: Freundliche Nachbarn und... nicht ganz so freundliche Nachbarn

Mit einem großen Teller, voll mit dem frischen Blaubeer-Cheesecake, in den Händen, begab sich die junge Frau zwei Treppen tiefer vor die Eingangstür der B-Wohnung des 221 Bakerstreet-Hauses. Sie klopfte dreimal kurz und versuchte schon gedanklich sich etwas ihre Worte zurechtzulegen, bevor, schneller als gedacht, eben jene Tür geöffnet wurde.

Ein Mann mit dunkelblondem, leicht angegrautem Haar, der ungefähr einen halben Kopf größer war als Miss Wagner, ließ sich kurz sehen und beide hätten sich gerade begrüßt, wenn nicht plötzlich ein weiterer, größer gewachsener Mann unvorhergesehen durch die Tür und an den beiden anderen, ohne sie eines Blickes zu würdigen, vorbeigestürmt wäre.

Die schwere Holztür wurde dabei gehörig gegen die Wand geknallt und die junge Frau musste einmal zusammenzucken, ließ aber zum Glück den Teller nicht fallen. Der scheinbar zurückgelassene Mann schien sich davon aber nicht erschrecken zu lassen, in seinem Gesicht bildete sich dennoch, eine gut sichtbare Fassungslosigkeit.

,,Sherlock!", rief der kleinere mit aschblondem Haar dem anderen ermahnend hinterher, als er nun gänzlich aus der Wohnung heraustrat. ,,Sie können doch nicht einfach anderen Leuten die Tür so um die Ohren hauen!"

,,Es ist ein Mord passiert! Was kümmert mich da die Tür oder eine einschleimende Neumieterin?!", entgegnete der dunkelbraune Lockenkopf im langen dunklen Mantel nur schroff und stiefelte dann schon die Treppen hinunter.

Ungläubig schaute sich die junge Brünette die Szenerie mit an und bekam dabei nur perplex heraus: ,,Ein Mord?!"

,,Kein Grund zur Aufregung.", versuchte der Dunkelblonde die junge Dame dann einigermaßen zu beruhigen. ,,Wissen sie, denn ich bin, neben meinem Arzt-Dasein, der Assistent von dem Detektiv, der gerade unten ist."

,,Consulting Detective!", verbesserte ihn die lautstarke Stimme, die vom Untergeschoss kam. ,,Der gleich weg ist, wenn sie nicht einen Zahn zulegen!"

Der Arzt Schrägstrich Assistent lief kurz zu dem Treppenanfang um eine Antwort zu rufen: ,,Ich komme ja gleich nach! Warten sie nur noch einen Moment!"

Im nächsten Moment hörte man lediglich, wie sich eine weit entfernte Tür schloss und der aschblonde Mann sich, nach einem genervten Seufzen, wieder der Frau, mit einem deutlich weicheren Gesichtsausdruck, zuwandte.

,,Entschuldigen sie das Benehmen meines Kollegen, er ist oft etwas... speziell." Er lachte kurz auf, wobei es sich zwar einerseits belustigt anhörte, andererseits aber auch etwas resignierend. Sowas kam wohl wirklich häufiger vor.

,,Ach, kein Problem!", entgegnete Miss Wagner dann ebenfalls breit lächelnd.

,,Aber was wollten sie denn eigentlich von uns? Sie sind vermutlich keine Klientin?", wollte der Dunkelblonde sich erkundigen und ließ seine dunklen grau-blauen Augen kurz zu dem Gebäck wandern.

,,Also eine Klientin bin ich zwar nicht... Aber eigentlich wollte ich mich bei ihnen vorstellen, da ich, wie ihr Mitbewohner seltsamerweise schon wusste, die Neumieterin von der 221D bin."

,,Woher wusste er das jetzt schon wieder?!", murmelte ihr Gegenüber leise, sodass die junge Dame es nicht mitbekam.

Diese erzählte gleich weiter: ,,Oh, und um ihnen ein bisschen Kuchen vorbeizubringen!" und hielt den großen Teller ihrem Gegenüber etwas näher hin.

,,Oh, sehr aufmerksam! Vielen Dank.", sagte der Detektiv-Assistent freudigst und nahm ihr, den, inzwischen doch etwas schweren, Teller ab.

,,Ich bin übrigens John Watson.", meinte der dunkelblonde Mann dann lächelnd und der jungen Erwachsenen wurde jetzt erst klar, dass sie doch tatsächlich noch nicht mal ihren Namen genannt hatte.

,,Freut mich, Mister Watson. Ich heiße Erica Wagner."

,,Ach, nennen sie mich doch ruhig John."

,,Na dann, können sie mich auch Erica nennen, denke ich.", erwiderte sie schmunzelnd.

Dann brach eine peinliche Stille heran, wo die zwei sich einfach nur betrachteten. Blaue Augen trafen waldgrüne Augen. Der Ex-Militärarzt Watson war in seinem Leben nicht gerade vielen Menschen mit einer Iris in solch einer Farbe begegnet, dementsprechend war er schon in einer gewissen Weise von ihr fasziniert. Johns Augen hingegen sprühten, für Erica, eine Art von Erfahrenheit aus.

Was mögen diese Augen nur schon alles zu Gesicht bekommen haben?

Mit der fortlaufend verstreichenden Zeit, wurde die ganze Situation immer komischer.

Aber irgendwann räusperte sich John zum Glück.

,,Ach, ehm... wollen sie vielleicht noch kurz hereinkommen?"

,,Eigentlich wollte ich sie, als meine neuen Nachbarn, schon um etwas bitten... aber ich denke, momentan ist es eher etwas ungelegen."

,,Weshalb denn ungelegen? Fragen sie doch ein-" ,,Ihr Kollege wartet doch schon auf sie.", unterbrach Erica die Überhöflichkeit des Blauäugigen.

Nun da sie ihn nochmal erinnerte, schien wohl der Groschen bei ihm zu fallen. Denn sogleich hechtete er in die Wohnung und stellte den Kuchenteller einfach am nächstbesten Platz ab, wo frei war. Was bei der Wohnung des Detektiv-Duos vergleichsweise nicht gerade schnell auffindbar war. Es war schließlich schon ein gewisses Chaos vorhanden. Dennoch würde da der eine Teller mehr auch nicht auffallen.

Bevor er wieder zum Treppenhaus ging, konnte er es sich nicht verkneifen, wenigstens ein kleines Stück des Kuchens in eine Tüte und darin in seine Jackentasche zu stecken. Die Taxifahrt würde eh etwas bis zum Tatort dauern.

Die Studentin blieb solange an Ort und Stelle, bis der Dunkelblonde wieder hastig aus der Wohnung trat, dabei hingegen zu seinem Mitbewohner die dunkle Holztür wieder vorsichtig in seinem Rahmen schob.

,,Wir-... ich werde später nochmal bei ihnen durchklingeln, allerdings könnte es etwas spät werden. Wir versuchen aber so schnell wie möglich den Fall zu lösen.", sprach Watson, als er an der Jüngeren vorbeilief.

,,Nur keine Eile! Lassen sie sich ruhig Zeit! Und danke schon mal!", rief die Brünette nun ihm die Treppen hinterher, jedoch blickte dieser Angesprochene, vom Untergeschoss aus, noch einmal nach oben.

,,Ich habe zu danken!"

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