9. Kapitel
Ich hätte später nicht mehr sagen können, was ich erwartet hatte, nur, was mir geboten worden war.
Draußen wurde ich von einem eisigen Windstoß empfangen aber mit irgendeinem Extrem, Hitze oder eben Kälte, hatte ich eh gerechnet. Was wirklich zählte war der Ausblick.
Der Boden unter unseren Füßen (der Doktor war mittlerweile auch aus unserem Transportmittel gestiegen) war aus purem Eis und spiegelte den grün- blauen Himmel so perfekt wieder, dass man leicht hätte vergessen können, wo oben und unten war. Am Himmel waren vernebelt die Umrisse von drei anderen, riesigen Planeten erkennbar, die sich in wie in Zeitlupe bewegten und in der Ferne sah man aus dem Nebel drei Spitze, blaue Türme ragen.
"Das ist..." hauchte ich und zog mir meinen überteuerten Anorak vor Aufregung und Kälte etwas enger um die Hüfte.
"...ganz und gar nicht schlecht" beendete der Doktor, dem anscheinend nicht fror, meinen Satz und zog mein RUM aus seiner Tasche.
Beinahe behutsam setzte er es auf den Boden und ließ es laufen.
Und wie es lief. Die letzte "Gedanken", den ich von ihm wahrnahm waren Doktor und Laufen.
"Und wie heißt dieser Planet?" fragte ich schließlich, als sich das Mäuse-RUM entfernt hatte.
"Naja" antwortete das braunhaarige Alien und kratzte sich den Hinterkopf "er hat viele Namen. Die Ureinwohner nannten ihn 'Caerciffer' - das hieß bei ihnen so viel wie 'Blaues Licht' aber heute nennt man ihn eigentlich nur noch 'Das Einkaufszentrum' oder etwas in der Art."
"Beides nicht sonderlich einfallsreich" murmelte ich, wobei mir Caerciffer doch irgendwie gefiel, "Einkaufszentrum?"
"Ja. Sehen sie?" er legte mir die Hand auf die Schulter, um besser aus meiner Sicht sehen zu können, und zeigte in Richtung der Türme. "Das ist das größte Shoppingcenter des Universums. Der halbe Planet ist ein Shoppingcenter. Ich bin hier auf dem einzigen Stück Freinatur gelandet, das es noch auf diesem Planeten gibt. Das Ökosystem hat unter all dem viel zu leiden..." Er steckte beide seine Hände wieder in die Hosentaschen.
Ich musste kichern. "Sie klingen wie einer von Greenpeace."
"Na hier wohl eher Bluepeace. Und nein. Ich hatte mal einen üblen Streit mit einem der Gründer."
Auf einen Kommentar dieser Art hatte ich gewartet. Jetzt musste ich auf meine, selbstverständlich hollywoodreifen Schauspielkünste setzen.
"Greenpeace wurde neunzehnhundert-irgendwas gegründet!"
"1971."
"Das haben sie von Wikipedia."
"Und wenn schon!"
"Ja aber sie können unmöglich einen Streit mit einem der Gründer von Greenpeace gehabt haben! Dann sähen sie jetzt aus wie mein Großvater. Sie können mit dem Ding zwar auf andere Planeten aber bei der Zeit hört es jawohl auf!"
Als Antwort grinste der Doktor nur und ging an mir vorbei, in Richtung Türme. Immer noch mit Händen in den Hosentaschen lief ich ihm hinterher. Als ich ihn eingeholt hatte warf er mir einen vielsagenden Blick zu.
"Sie wollen mich doch wohl veräppeln!"
"Die blaue Kiste dahinten nennt sich TARDIS. Haben sie eine Idee, wofür das stehen könnte?"
Kurz überlegte ich dann antwortete ich mit: "Trips Auf Regelmäßegen Dimansoinssträngen Im Sternensystem."
"Sie glauben mir nach der Nummer mit dem Gestaltwandler nicht, dass ich in der Zeit reisen kann, wollen mir aber weiß machen, dass ihnen das gerade eben so eingefallen ist?"
"Tja. Ich bin eben brillant."
"Ja, das sind sie wohl, Sophia."
Sophia Adams.
Ich persönlich mochte meinen eigentlichen Namen lieber, obwohl das natürlich auch nicht mein echter Name war.
Ich hatte meinen Namen vor etwa drei Jahren, nach einem kleinen jobbedingten Einbruch zu Silver geändert, da es mir mit meinem alten Namen zu brenzlig wurde. Ich hatte meinen alten Nachnamen eh nie wirklich gemocht und Silver war ein so geheimnisvoller Name, dass ich bei der Gelegenheit einfach nicht wiederstehen konnte.
"Sophia" wiederholte er meinen Namen, während wir uns den Türmen schon langsam näherten "TARDIS steht leider nicht für 'Trips Auf Regelmäßegen Dimansoinssträngen Im Sternensystem' sondern für 'Time And Relativ Dimensions In Space und das wiederum heißt, dass sie sehr wohl in der Zeit reisen kann. Wir befinden uns hier im Jahre 5Millionen und fünfhundert. Dashier ist einer der Nebenplaneten der neuen Erde."
Neue Erde? 5Millionstes Jahrhundert? Mann, war das abgefahrn!
Aber für mein momentan instabiles Gehirn war das alles eine Nummer zu viel.
"Sagen sie mal" meinte ich, um das Thema zu wechseln "gibt es noch mehr solche Viecher hier?"
"Leider nur noch wenige. Als dieses Einkaufszentrum gebaut wurde, hat das viele in den Winterschlaf gedrängt. Den ewigen Winterschlaf. Sie schlafen so lange, bis die Körperwärmestrahlung aus der Stadt sinkt. Einige versuchen zu fliehen. Wissen sie, die Biester sind nicht wirklich helle" -Wem sagte er das?- "aber verfügen über eine wirklich beneidenswerte Fähigkeit: Nachdem sie ein Wesen kopiert haben, nehmen sie wieder ihre ursprüngliche Form an, behalten aber den nützlichsten Teil des Opfers. Es behält quase die schlimmste Waffe des Gegners: Bei einem Hai das Maul, bei einem Ood die Telepathiefunktion..."
Das erklärte einiges, was die Augen anging aber so, wie ich das gesehen hatte, war das RUM nicht in der Lage gewesen, die kopierten Augen zu verwenden.
"Aber ist es dann auch automatisch in der Lage, sie zu verwenden?" unterbrach ich den Doktor in seiner Aufzählung (er war gerade bei Kängurus angelangt gewesen).
"Nicht zwingend aber meistens. Es müsste schon sehr mit dem Verstand zusammenhängen, damit es zu schwer für ein 'RUM' ist."
"Also soweit ich das mitgekriegt hab" sagte ich lachend "hatte dieses Ding den Verstand einer Ameise."
"Oi! Wollen sie diese tollen Tiere etwa beleidigen?"
"Doktor!"
"Was?"
"Sie klingen wieder wie einer von Greenpeace!"
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Etwa eine halbe Stunde und einen Streit über Umweltschutz später standen ich und mein Begleiter vor den Toren des Einkaufszentrums. Von den drei Türmen aus, die bei weitem nicht die einzigen Türme waren, verlief eine Art Mauer aus Gebäuden, die anscheinend die Grenze zur Natur darstellten.
Ich warf der Landschaft hinter mir einen letzten, wehmütigen Blick zu, dann durchschritten wir das eckige, türkisblaue Tor.
Es ar, als hätten wir eine Art imaginäre Grenze überschritten: Mit einem mal stieg die Temperatur um mich herum um mindestens 10 Grad, die Stimmen von tausenden Menschen, oder zumindest etwas in der Art, drangen an mein Ohr, völlig Fremde Gerüche kitzelten mir in der Nase.
Ich konnte mich nicht sattsehen: Aus den Massen ragten einzelne, riesige Wesen hervor, manche zum Reiten, manche nicht. Menschen mit vollkommen absurden Makeup und Kleidern liefen hektisch herum und hier und da konnte man eine Art Gaukler aus den Massen in die Höhe springen sehen.
Alle Wesen sahen, immerhin bis zu einem gewissen Grad, menschlich aus, auch wenn manche von ihnen eine etwas bläuliche Hautfarbe hatten oder etwas auf dem Kopf, das mehr an einen festgewachsenen Hut als an Haare erinnerte. Aber ein beachtlicher Prozentsatz an Personen hatte weder das eine noch das andere. Sie sahen quasi aus wie ich, auch wenn das eine oder andere Kostüm etwas abgefahrener war.
Über all den Lärm, die Musik und das Gerede der Menschen hinweg schrie ich dem Doktor zu: "Krieg ich hier irgendwo eine neue Jeans und vielleicht ein Wundermittel für mein Knie, das tut langsam echt weh!"
"Gehen wir dahin! Ich glaube, dort waren die Retroklamotten und ganz in der Nähe ist auch eine Apotheke."
Gemeinsam drängten wir uns durch die Massen und ich konnte nicht glauben, dass ich mich heute Morgen noch über ein paar Passanten geärgert hatte. Jetzt war vor meinem inneren Auge keine Ruhe mehr.
Augen. Überall. Selbst dort, wo ich sie nicht erwartet hätte.
Krampfhaft hielt ich mein inneres Auge geschlossen und machte dabei wohl einen ziemlich gestressten Gesichtsausdruck.
"Platzangst?" rief der Doktor, als er mir ins Gesicht geblickt hatte (glücklicher Weise hatte ich in diesem Moment weggesehen).
"Ein bisschen" entgegnete ich ohne ihn anzusehen und duckte mich gerade noch rechtzeitig, als ein Regenschirm mich beinahe köpfte.
"Hey! Passen sie doch etwas auf!" rief ich empört, erwartete allerdings nicht, gehört zu werden. Es überraschte mich wirklich nicht schlecht, als der Besitzer, oder besser die Besitzerin, des Schirms sich zu mir umwandte.
Immerhin vom Aussehen her war sie rein menschlich, aber der Doktor hatte mir auf unserem Weg hierher erzählt, dass alle bis auf ein sehr unfreundliches Trampolin, welches sich sogar einmal in seinen Körper hineingehockt hatte, Mischwesen waren (was sie natürlich "in keiner Weise weniger menschlich" machte).
Sie hatte leicht Asiatische Gesichtszüge, langes schwarzes Haar, trug ein langes, fliederfarbenes Kleid und hielt über der Schulter den aufgespannten Regenschirm, der mir gerade um ein Haar mindestens ein Auge gekostet hätte. Was mich an ihr wirklich faszinierte, waren ihre Augen. Sie waren groß und in einem bezaubernden grün-blau, dass sie mich wirklich an die Planeten erinnerten, die über uns am Himmel schwebten.
Mit diesen Augen musterte sie mich kurz dann huschte ein Lächeln über ihr Gesicht.
"Schön, was du da hast. Wo hast du das her?"
Völlig verwirrt schaute ich an mir herunter. Die meinte doch wohl nicht ernsthaft den Anorak. Als ich sie, selbstverständlich im sarkastischen Tonfall danach fragte, antwortete sie immer noch lächelnd: "Nein, alles eben. Die Augenfarbe ist wirklich einzigartig und die Figur ist auch ok. Denken sie daran, das Outfit zu verkaufen?"
Das wurde mir jetzt wirklich zu bunt. Ich konnte nur hoffen, dass sie damit meinen alten Anorak meinte, auch wenn der keine Augen hatte... einfach nicht darüber nachdenken...
"Verkaufen?!"
"Na, falls sie ihre Meinung ändern sollten..." sie kramte in der kleinen Tasche, die ihr am Arm baumelte und drückte mir schließlich eine Visitenkarte in die Hand "hier!"
Völlig verdattert warf ich einen Blick auf das kleine Stück Papier und steckte es anschließend in meine, nun hoffentlich wieder trockene Anoraktasche.
Diese Begegnung warf mir zwei Fragen auf:
1. Sprach man im 5Millionsten Jahrhundert etwa immer noch Englisch?
und 2. Was wollte sie von mir?
Dummer Weise konnte ich den, dem ich all diese Fragen stellen wollte, gerade nirgendswo entdecken.
"Doktor!" brüllte ich verzweifelt aber nach zwei weiteren, verzweifelten Rufen, gab ich es auf und beschloss mich allein zum Ziel aufzumachen. Vielleicht würde er ja dort irgendwo auf mich warten.
Ich kam relativ langsam voran, was aber eher an mir als an den Massen lag, die sich auf dem Platz bewegten. Ich war einfach zu begeistert und schnell hatte ich die, doch ziemlich seltsame Begegnung mit der Frau vergessen.
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Hallo meine MemorieMuffins!
Ihr werden euch wundern, dass jetzt schon das neue Kapitel rauskommt aber ich dachte mir, dass das vielleicht eine kleine Entschädigung für meine sonst so unregelmäßigen Updates sein könnte.
Ihr könnt es mir mit einem festen Klick auf den kleinen Stern danken, auch wenn ich diesmal finde, dass es etwas zu kurz geworden ist. Andererseits: Es wäre sonst doppelt so lang geworden und ich wollte nicht schon wieder ein verspätetes Update.
-Easy♥
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