6. Kapitel
Für einen kurzen Moment erstarrte ich. Diese Stimme kam mir irgendwie bekannt vor, aber ich konnte nicht ganz erfassen woher. Erst im nächsten Moment nahm mein schlecht durchbluteter Schädel den Befehl auf. Es war aber weniger er als meine vollkommen zu Pudding mutierten Beine, die auf einen Befehl dieser Art nur gewartet hatten und mich jetzt, und das heute schon zum dritten Mal (aber wie wir alle wissen sind aller guten Dinge drei) in den Staub fallen ließen.
Ich konnte nur hoffen, dass das als ducken durchging.
Mein Blick huschte in die Richtung, aus der die, mir immer noch im Schädel hallende Stimme gekommen war.
Hinter mir, auf einem Stapel von verrosteten Metallplatten, stand ein braunhaariger Mann mit einem langen Ledermantel (immerhin schien ich nicht die einzige zu sein, die mit komischen Mänteln und Anoraks in den Tag marschiert war). Mehr konnte ich zu diesem Zeitpunkt nicht wirklich erkennen, den in diesem Moment schoss etwas (ein Tischtennisball, wie ich später erfuhr) aus seiner Richtung, direkt über meinen Kopf hinweg, auf das Ding hinter mir zu, welches ich doch tatsächlich für ein paar wunderschöne Momente aus meinem Gedankenpalast hatte verbannen können.
In dem Moment, als es bei seinem Ziel angelangt war, und somit aus meinem Blickfeld verschwand, hörte ich meinen sonst schnaufenden Verfolger aufheulen. Falls man das heulen nennen konnte. Für mich klang es eher nach dem sehr lauten Quietschen einer Türangel mit einem Hauch Kojote aber darüber konnte man sich streiten.
Mein verspannter Nacken knackte, als ich meinen Kopf ruckartig in die Richtung des RUMs drehte und ließ mich kurz auffluchen (nach dem heutigen Tage war ich der Hölle auch wegen der Flucherei einen ganzen, mutigen Schritt näher) bevor ich meine dem Ding vor mir meine volle Aufmerksamkeit schenkte.
Das RUM hatte sich auf die Hinterbeine gestellt (das erklärte immerhin, wie es die Platte über mir hatte wegschieben können) und hielt sich mit seinen großen, hundeartigen Pfoten das kopfartige etwas auf seinen Schultern. Der Tischtennisball fiel eingedrückt auf den Boden, anscheinend war er es, der meinem Ex-Verfolger gerade zu schaffen machte. Wieder huschte ein stumpfes Wort durch sein verblödetes Hirn (falls es überhaupt ein Hirn besaß):
Doktor.
War der junge Mann auf dem Plattenstapel etwa...?
Ich drehte meinen Kopf erneut, hörte wieder ein Leises Knacken aus meinem Nacken und musste mir auf die rissige Lippe beißen, um nicht noch einen Fluch in die Welt hinaus zu zischen (falls ich hier doch noch drauf gehen würde, und falls es so etwas überhaupt gab, war ich mir ohnehin nicht wirklich sicher, ob ich auch nur eine winzige Chance auf einen Platz im Himmel hatte aber diese ganze Flucherei würde es mit Sicherheit nicht besser machen).
Der Mann in dem langen Mantel stand immer noch da und jetzt erst fiel mir der Lederriemen auf, der über seine Brust geschnallt war und an dem anscheinend noch mehr solcher Tischtennisbälle befestigt waren. Unter seinem, im Übrigen völlig aus der Mode gekommenen Ledermantel trug er einen braungestreiften Anzug mit blauer Krawatte.
Ein Business Typ, der gerade einen riesigen Gestaltwandler mit einem Tischtennisball abgeworfen hatte und einen ganzen Riemen voll Munition um die Brust trug? Irgendwie konnte ich das nicht glauben.
Konnte das der Mann sein, wegen dem ich hier war?
Gestaltwandler war im Übrigen ein gutes Stichwort: Blitzartig drehte ich meinen Kopf wieder in Richtung RUM (knack!). Es war wieder auf alle viere gefallen und schnaufte nun leiser und unregelmäßiger. Anscheinend bekam ihm der Tischtennisball aus irgendwelchen Gründen nicht gut.
Warte, was? Ich lief hier seit weiß ich wie vielen Minuten vor diesem Vieh weg und der Mann auf dem Metallplatten erledigte ihn mit einem Tischtennisball.
Mein Blick folgte dem torkelnden Wesen, das sich schwankend ein paar Meter von mir weg bewegte und dann krachend umfiel, wobei es meine Augen schloss. Immerhin dafür (und bestimmt für nichts anderes) war ich ihm dankbar, denn es ist nur schwer vorstellbar, wie unglaublich gruselig es ist, die ganze Zeit in seine eigenen, und dazu noch giftgrünen Augen zu starren.
Mein immer noch schneller Atem wurde langsam ruhiger und der des RUMs wurde zu einem kaum vernehmbaren Zischen. In Actionfilmen, wäre ich jetzt vollkommen lebensmüde näher an das Ding rangehumpelt und hätte mich dann total erschreckt, dass es genau in dem Moment, in dem ich in seiner Nähe stände, aufgesprungen und falls ich dann auch noch das Unglück gehabt hätte, ein unwichtiger Nebencharakter zu sein, der nur eingebaut wurde, um dem Zuschauer zu demonstrieren, dass es wirklich lebensgefährlich zugeht, dann hätte mir das nun zischende Etwas mit ziemlicher Sicherheit den Kopf abgebissen.
Aber das hier war kein Film und ich hatte meinen Verstand noch einigermaßen beisammen und dachte nicht im Traum daran auch nur einen Schritt näher an das vor mir liegende Ding zu machen. Stattdessen rappelte ich mich auf und drehte meinem Ex-Verfolger den Rücken zu (was vielleicht auch keine so gute Idee gewesen war, ich hatte wirklich mehr Glück als Verstand) und sah jetzt dem Tischtennisball werfenden, wuschelhaarigen Mann auf mich zurennen. Er hatte ein triumphierendes Lächeln auf den Lippen und ein weiteres, kleines weißes Geschoss in der Hand.
"Das war knapp!" rief er und kam neben mir zum stehen "Alles ok?"
Eine Sekunde lang starrte ich ihn einfach nur an, aufs Kinn selbstverständlich, (ich konnte nur hoffen, dass es nicht länger war), dann räusperte ich mich.
"Ja klar...alles bestens!" Mein Blick wieder auf das Biest vor mir gerichtet. Bevor ich ihm in die Augen sah, brauchte ich noch eine Minute Ruhe, egal, wie sehr mich die Neugier drängte, es jetzt schon zu tun. "Was ist das?" fragte ich gespielt verwirrt und ging ganz einfach davon aus, dass dies wohl das erste wäre, was eine ganz normale Zivilperson nach so einem Angriff fragen würde.
"Ein DNA-kopierender Schandarallianer."
"Ein Gestaltwandler?" fragte ich vorsichtig.
"Ja, woher...?"
Als Antwort deutete ich auf die geschlossenen Augen, welche auf dem Amaisenkopf des RUMs thronten.
Er räusperte sich. "Ah...schon verstanden" sagte er schnell aber etwas in seiner Stimme sagte mir, dass er die Tatsache, dass das knurrende Biest meine Augen behalten hatte, hochinteressant fand. Er schniefte einmal, bevor er weitersprach: "Waren sie das, die da...Doktor gerufen hat?"
"Nein," antwortete ich kurzer Hand, denn irgendwas sagte mir, dass dies hier kein gewöhnlicher Mann war. Falls jemanden mit zu einem Berg aufgelegten Haaren und Tischtennisbällen um die Brust überhaupt als normal bezeichnen konnte. "Das war das RUM."
"Das was?"
"Vergessen sie 's..."
Ich spürte, wie mich sein Blick scannte. Ich konnte meiner unfassbaren Neugier einfach nicht mehr standhalten, drängte die Geistige Verbindung zu dem drei Meter entfernt liegenden Schanda... was auch immer den Hintergrund und drehte meinen Kopf zu.
Für einen winzigen Moment sah ich nur diese tiefen, haselnussfarbenen Augen. Uralte Augen.
Ich hatte mich etwas an den unglaublich leeren Geist des RUMs (ich blieb einfach lieber bei meinem Namen) gewöhnt und war auf die unfassbare Ladung Gedanken, Erinnerungen und sonstiges nicht gefasst, die durch meinen Kopf strömten. Es war mir kaum möglich etwas davon wahrzunehmen, weil es so viel auf einmal war. Diese Augen hatten so unfassbar viel gesehen.
Was war.
Was ist.
Was jemals sein könnte.
So viel glück, aber auch so viel Leid. So viel Gewonnenes aber vielleicht sogar noch mehr Verlust. Feuer und Eis. Tag und Nacht. Ich schien zu fallen.
In die Unendlichkeit eines Geistes, der so komplex war, dass ich mir mit einem Mal vorkam, wie ein dummes, kleines Insekt.
Ich war kaum in der Lage irgendetwas anderes wahrzunehmen und musste mir auf die Lippe beißen um den Mund nicht reflexartig aufzureißen, denn das hätte bestimmt dämlich ausgesehen. Hätte ich versucht einem gedanklichen Faden zu verfolgen, hätte ich mir ein Buch, so dick wie "Harry Potter und der Orden des Phönix' "durchlesen müssen.
Ich hatte keine Zeit mehr, mit meinen richtigen Augen irgendetwas warzunehmen und es kostete mich unglaublich viel Energie, die Verbindung zu kappen.
Meine Beine knickten kurz weg und ich schüttelte meinen Kopf um auch den letzten Rest Lärm und Geschrei aus meinem Kopf zu kriegen.
"Wow, wow wow wow wow!" rief der Mann neben mir und fing mich an den Schultern auf, als meine Beine ein weiteres Mal unter mir nachgaben. "Alles ok?" fragte er, wie vorher schon einmal, aber diesmal mit mehr Nachdruck.
"Ich bin zehn Minuten lang am Stück gerannt, wie soll es mir schon gehen..?" murmelte ich "Wer sind sie überhaupt und was wollten sie hier?" Ich gab mir beste Mühe, diese Frage nicht wie bei einem Interview oder Verhör klingen zu lassen aber ich war mir nicht sicher, ob mir das so ganz gelang.
"Ich bin der Doktor und ich wollte dieses Ding da" er schwang mit seinen Oberkörper nach vorne "mit einem Tischtennisball abwerfen."
Auch wenn mir das nach der kleinen Gedanken-Erinnerungsbomge schon ziemlich klar gewesen war, starrte ich ihn erneut an und konzentrierte mich nur darauf, mein inneres Auge fest verschlossen zu halten während ich ihm in die Augen sah. Der einzige Grund warum ich das sonst nicht tat, war, dass ich einfach wichtigere Dinge im Kopf hatte als: Inneres Auge geschlossen halten. Inneres Auge geschlossen halten.
Langsam begann aber sicher begann mein Kopf ernsthaft wehzutun und so entschloss ich mich, meinen Blick wieder abzuwenden.
"Doktor...wer?"
"Einfach nur...der Doktor" antwortete er und lächelte. Wenn ich nicht diesen Extrabonus mit dem Gedankenlesen und dem Wissen von meinen Auftraggeber gehabt hätte, wäre ich höchstwahrscheinlich davon ausgegangen, er seie wahnsinnig. Jetzt wusste ich immerhin, dass er in keiner Weise beschränkt war. Ganz im Gegenteil.
Ich hatte für eine Befragung auch schon mal in den Kopf eines Wahnsinnigen geschaut. Eine arme Seele. Und sein Geist war so ganz anders gewesen, wie der von dem braunhaarigen Wuschelkopf neben mir.
"Also gut... Doktor. Was haben sie mit dem RUM gemacht und warum sieht es so aus, als hätte es fünfzig Tiere gleichzeitig kopiert?" Das war eine Frage zu viel und innerlich verfluchte ich mich selber. Ich benahm mich wie irgendeine, verquatschte, junge Frau, die aus irgendwelchen Gründen sich gedacht hatte: 'Wieso gehe ich nicht mal auf den Schrottplatz? Da findet sich doch bestimmt jemand zum schnacken?'
"Nun, wie sie ja am eigenen Leib erfahren haben - was mir übrigens sehr leid tut - absorbiert dieses Ding DNA-Spuren durch die Luft, kopiert dann den ganzen Körper aber das meistens nur so lange, bis er ihm lästig wird." Ja denn Teil kannte ich bereits. "Dann behält er einen kleinen Teil des Körpers und frisst den Eigentümer der DNA-Spur."
Wie nett.
"Und der Tischtennisball?" Ich nickte in Richtung seiner Brust, um die immernoch der Lederriemen gebunden war.
Er warf einen schnellen Blick an sich herunter und pflückte dann einen der kleinen, weißen Bälle, von dem, wie ich jetzt von nahem feststellen musste, ziemlich zerfetzen Riemen und warf ihn in die Luft bevor er ihn auffing und mir vor die Nase hielt.
"In den Bällen ist flüssiges Helium. Das schmeckt den meisten Gestaltwandlern nicht, es löst eine Überreaktion der kopierten DNA aus und das endet meistens mit einem Ohnmachtsanfall."
Ich hielt meinen Kopf nach wie vor gesenkt, auch wenn mich die Neugier immer noch plagte, und erwiderte den lächelnden Blick nicht den er mir zuwarf.
'Inneres Auge geschlossen halten!' schrie ich mir durchs Gedächtnis und hob den Blick, nur um ihn sofort wieder zu senken, denn ein stechender Schmerz durchfuhr meinen Kopf.
"Scheiße.." fluchte ich und schloss für einen Moment die Augen.
"Stimmt was nicht?" Die Interesse in seiner Stimme war nicht zu überhören.
"Mir gehts bestens!" sagte ich etwas zu laut und fügte nun etwas leiser hinzu: "Ist nur mein Bein..." Jetzt musste ich irgendwas Nettes sagen. Ich hatte keine Ahnung, wie man das Vertrauen eines Zeitreisenden Alien gewinnt aber eines war mir klar: Das hier war eine Einmalige Chance. Ich drehte mich zu ihm um, mied aber nun seinen Blick und starrte stadtdessen in seine vom Kopf abstehenden Haare.
Auf irgendeine verrückte Art und Weise erinnerte mich sein Anblick an den eines Igels, mit seinen kastanienbraunen Augen, den wie Stacheln abstehenden Haaren und der leicht gekrümmten, aber immer noch spitzen Nase.
Einen Moment? Jetzt verglich ich schon Menschen mit Tieren? Der heutige Tag brachte mich, wenn ich Pech hatte, noch ins Irrenhaus. Oder, wenn ich Glück hatte, überall hin. Ich spürte wie Aufregung in mir hochstieg die mir fast die Kehle zuschnürte.
"Ich hab mich ja noch gar nicht vorgestellt" sagte ich nun mit einem breiten Lächeln, das sogar echt war "Ich bin Sophie."
"Sehr erfreut" antwortete er mit einem Grinsen und wandte sich wieder dem vor uns liegenden RUM zu.
"Ich glaube, allzu viel Zeit haben wir nicht mehr. Das Ding wird sich gleich wieder erholt haben."
"Wieso quatschen sie dann noch mit mir? Ich will nicht noch einmal mit dem Ding verfolgt werden. Was müssen wir tun?" Meine Stimme klang ziemlich ruhig und jetzt wusste ich, warum ich nicht Schauspielerin geworden war. Wenn ich so tun wollte, als hätte ich Panik, dann musste ich auch panisch klingen!
Aber in Wahrheit konnte ich den nächsten Nervenkitzel kaum erwarten, auch, wenn ich danach vermutlich mit einer Staublunge ins Krankenhaus kommen würde.
"Nun, ich müsste dann erst mal zurück zu meinem...Gefährt."
Damit meinte er sicher die blaue Kiste. Ich hätte wie ein kleines Kind quiekend in die Luft springen können aber ich beließ es bei einem sehr breiten Grinsen.
"Kann...kann ich ihr 'Gefährt' mal sehen?" fragte ich und konnte nicht verhindern ein bisschen auf den Schuhsolen herumzuwippen, was meinem Knie allerdings garnicht gefiel und mir wieder einen stechenden Schmerz durchs ganze Bein hetzte.
Er hob erst nurr die Hand und kratzte sich am Hinterkopf bevor er den Kopf mit einem seltsamen Ausdruck wiegte, sich räusperte und schließlich antwortete: "Naja...wissen sie...mein Leben ist häufiger so wie es gerade für sie war...ich weiß nicht ob ihnen das so zusagt..."
Ich holte teif Luft und gab mir beste Mühe, nicht eine Art Anfall zu bekommen "Oh, wenn es nach mir ginge wäre jeder Tag so wie dieser!"
Er schniefte und wiegte schon wieder den Kopf "Naja... wir könnten..."
Weiter kam er nicht. Das Ding, wie auch immer es wirklich hieß, gab ein lautes Schnaufen von sich.
"Es wacht wieder auf! Jetzt aber schnell!"
Hello my little unicorns!
Ihr wisst nicht, wie viel es mir bedeutet, endlich wieder updaten zu können. Ich hab jeden Abend, an dem ich Zeit hatte, ein bisschen geschrieben und hoffe, es ist mir einiger Maßen gelungen :) Kritik, die mir hilft, mich selbst zu verbessern, nehme ich gerne an!
Bis hoffentlich bald:
Easy ♥
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