5. Kapitel
Etwas verwirrt starrte ich in meine spiegelbildartige Doppelgängerin. Entweder, es handelte sich hier um einen Zufall, das RUM kannte den ganzen Namen nicht oder, und dies schien mir im Augenblick eindeutig am attraktivsten, es handelte sich um den Doktor. Der von dem in meinem durchnässten Zettel in meiner undichten Anoraktasche.
„Doktor?" fragte ich, in der Hoffnung, irgendwelche Hinströme in seinem absolut leeren Schädel zu aktivieren. Die Verbindung zu seinem Geist bestand noch, also war es mir erlaubt, den Staub aus meinen Augen zu heraus zublinzeln.
Nach ein paar Minuten, die ich auch als solche wahrnahm, spürte ich, dass sich weitere Gedanken, oder in diesem Falle wohl eher Instinkte, durch seinen Kopf bahnten.
Augen.
Schnell.
Fressen.
Doktor.
Immer noch keine Antwort auf meine Fragen und so langsam musste ich mir wirklich die Frage stellen, was ich als nächstes tun wollte.
Immerhin hatte ich nicht viel zur Auswahl: Entweder blieb ich stehen und riskierte, dass das RUM mich früher oder später angreifen würde, oder rannte los und ging das Risiko ein, dass es mich mit hoher Wahrscheinlichkeit verfolgen und mein Leben noch früher beenden würde.
Aber hier nochmal 5 Minuten zu stehen und auf meine Hinrichtung oder Schlimmeres zu warten? Nein, danke.
Ich machte einen vorsichtigen Schritt zurück und wagte es nun wieder nicht zu blinzeln. Langsam ertastete ich die Wand hinter mir. Meine Finger waren staubig, und kratzen über das mit Beton besprenkelte Metall. Erneut begann mein Bein zu schmerzen.
Ich hatte keine Ahnung, wie schnell das Ding in meiner Gestallt laufen konnte und ob es sie wechseln würde, sollte ich die Flucht ergreifen.
Langsam, ganz langsam schob ich mich an der Wand entlang, in Richtung Freiheit. Vorher, als das Ding noch riesig gewesen war, wäre das nicht möglich gewesen, aber zum Glück habe ich in den letzten Wochen an Hamburgern gespart.
Mein ganzer Körper war angespannt und bereit zur Flucht. Nicht aus Angst sondern wegen der unbändig baren Lust loszurennen.
Zentimeter um Zentimeter schob ich mich an ihm vorbei, und achtete zur selben Zeit genau auf jegliche Veränderung in seinen ‚Gedanken'.
Nur noch einen Meter, dann war es geschafft. Mir fiel plötzlich auf, dass ich jetzt schon seit einer Minute die Luft anhielt und ließ mit einem unterdrückten Keuchen wieder Luft und Staub in meine Lungen.
Ich fühlte mich, wie in einem Action-Film, an einen dieser Stellen, wo es für ein paar Sekunden ruhig ist, nur damit die darauf folgende Explosion einen noch mehr erschreckt.
In meinem Fall war es nicht direkt eine Explosion sondern nur der mehr oder weniger laute Aufschlag meiner Schuhe auf den steinigen, staubigen Boden als ich endlich am Ende der Platte angekommen war. Mir fuhr erneut der stechende Schmerz in die Glieder, als mein rechtes Bein auf dem Boden aufschlug. Dieses verdammte Knie aber auch!
Ich biss mir auf die Lippen und rannte weiter. Meine Annahme, dass das Biest mich verfolgen würde, bewahrheiteten sich: Erst war es nur ein weiterer Gedanke, der in seinem Kopf auftauchte aber dieses Ding gehörte nicht zu den großen Denkern und folgte seinen Instinkten blind:
Jagen.
Das war eindeutig und ich legte, soweit das mit meinem verwundeten Knie ging, einen Zahn zu. Der Staub wirbelte vor mir auf und ich konnte meine eigene Stimme hinter mir keuchen hören.
Es schien zu merken, dass es in meiner Gestalt, mit dem gleichen, aufgeschürften Knie, kaum Chancen hatte, mich einzuholen. Einem etwas klügeren Wesen wäre das wahrscheinlich schon beim Losrennen aufgefallen aber mit Intelligenz befleckte sich das Biest hinter mir bestimmt nicht.
Jagen.
Augen.
Körper.
Doktor.
Und immer noch. Sollte das heißen, dass er hier war? Ich ließ meinen Blick während des Rennens flüchtig über die vermüllte Einöde schweifen und warf noch einen kurzen über meine Schulter.
Genau in diesem Moment begannen die Züge meines Verfolgers (bzw. Verfolgerin) oder besser gesagt meine Züge zu verschwämmen. Während des Laufens nahm es wieder seine ursprüngliche Form an.
Mit einem angewiderten Blick drehte ich meinen Kopf wieder in Laufrichtung und rannte schnell den nächsten Schrottberg herauf. Gerade wünschte ich mir, auch Erinnerungen löschen zu können, denn dieses Bild würde ich garantiert nie mehr aus meinem Kopf bekommen.
Jetzt hörte ich auch wieder das knurrende Geräusch hinter mir und die Neugier zwang mich einfach, einen weiteren Blick über meine Schulter zu werfen, während ich den Schrotthügel wieder herunterlief oder mehr noch schlitterte.
Fast alles an ihm hatte sich wieder zurückverwandelt (eigentlich war dieses Wort an der Stelle falsch, denn im Grunde genommen war es lediglich mutierende Zellen, die die DNA anderer Lebewesen nachstellen konnten bzw. sich meistens noch die Kleidung kopieren, um nicht aufzufallen) doch auf seinem klumpenartigen Kopf prangten nun zwei Augen.
Grüne Augen.
Meine Augen.
Das erklärte zumindest das Wort „Augen" aber: Wieso? Wieso hatte es meine Augen behalten?
Ich hätte nur zu gerne darüber nachgegrübelt, aber dazu fehlte mir nicht nur die Zeit, ich konnte es einfach nicht riskieren, auch nur etwas langsamer zu werden, weil ich einer meiner Gehirnhälften nicht ans Laufen dachte.
„Und da heißt es immer >>Sport ist gesund<<" murmelte ich keuchend und stieß mich mit meinem gesunden Bein an einem Stück Betonplatte ab um die Kurve zu schaffen. Das RUM (und jetzt trug es seinen Namen wieder verdient) schien nur wenige Meter hinter mir zu sein, denn das Knurren, das es beim Atmen machte, dröhnte mir in den Ohren. Na immerhin hatte es seine Kiemen an der Seite, so dass ich nicht irgendwelchen Atem in den Nacken geblasen bekam. Das hätte diese Situation noch unangenehmer gemacht. So hörte ich nur das knurrende Geräusch und seine Tatzen auf den steinigen Boden aufschlagen.
Mein Herz schlug so laut und schnell, als hätte es nur zu gerne ein Loch in meinen Brustkorb gehämmert um herauszuspringen. Einen Herzschlag lang (und da mein Herz so schlug, war das wirklich nicht lang) schloss ich die Augen und beschloss, dass wenn dies meine letzten Minuten sein sollten, ich sie genießen wollte.
Also rannte ich weiter, das knurrende etwas in meinem Rücken und den Staub in meinen Haaren, Augen, Lungen und nicht zu vergessen auf meinem Anorak.
Ein neuer Gedanke flammte in dem ausgebrannten Schädel des RUMs auf und sauste vor mein inneres Auge.
Doktor.
Schnell.
Ok, jetzt reichte es mir! Was wollte das Ding, mich provozieren?
„Doktor!" brüllte ich aus verstaubten Lungen, während ich leicht geduckt unter ein paar Metallstangen hindurch lief. Jeder Atemzug tat mir weh und ich wollte bevor ich starb nur zu gerne wissen, ob Mister Dosling und das Ding recht gehabt hatten und dieser Verrückte in der Notrufzelle sich wirklich hier aufhielt.
Mir lag ein ‚Hilfe' auf den Lippen aber das kam dann doch zu albern vor, nicht zuletzt, weil mein Letztes Wort im Moment „Doktor!" war und das war als letztes Wort doch immerhin passabel. Außerdem würde ich so oder so sterben, sollte er mich nicht gehört haben. Mittlerweile machte ich beim Atmen ein Geräusch, dass dem knurren von hinter mir sehr ähnelte. Ich versuchte den Staub aus meinen Lungen herauszuhusten aber das Atemsystem meines Körpers hatte sich selbstständig gemacht und ließ mir keine andere Wahl als weiterzukeuchen.
Ich fühlte, wie ich langsamer wurde und meine Beine, sowie mein Kopf nach und nach zu Pudding wurden. Das RUM war jetzt höchstens einen Meter hinter mir aber hatte keine Lust mehr auf eine Situation wie vorher und verzichtete darauf, mich erneut unter einer Platte zu verstecken.
Als mir klar wurde, dass meine Beine jetzt jeden Moment den Geist aufgeben würden drehte ich mich um und sah ihm in seine Kopie-Augen. Es blieb stehen und riss sein mit Zähnen gefülltes Maul auf.
Mit einem Mal spürte ich, wie Angst in mir hochschoss. Todesangst. Ich war 26 und sollte jetzt schon sterben? Etwas früh. Ich mochte mein Leben und hätte nie gewollt, dass es so endet. Nicht jetzt.
Es schien mir, als würde das Biest in Zeitlupe in die Luft springen. Während es das tat, wagte ich es nicht zu blinzeln, denn ich blieb dabei: Bloß nicht mit ängstlich zusammengekniffenen Augen sterben. Und gerade, als ich dachte, alles wäre vorbei und der zu anfangs echt tolle Tag sollte mein letzter werden, hörte ich eine Männerstimme:
„Ducken!"
Guess, who's back?
ME!
Ja, Freunde von Raxacorokofallapatorius, ich bin mit einem neuen Kapitel zurück.
Nicht mein bestes, muss ich selbstkritisch bemerken, aber ein Kapitel (und ihr müsst bedenken, dass ich mir dieses innerhalb von 2 Tagen ausgedacht und aufgeschrieben habe und gewöhnlich nehme ich mir dafür eine Woche). Ich hoffe, ihr hattet genauso viel Spaß beim Lesen, wie ich beim Schreiben und sollte es tatsächlich so sein: Es gibt da dieses kleine Sternchen, dass gelb aufleuchtet, wenn ihr es anklickt!
Weinachtlich gestimmt,
Easy :)
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