14. Kapitel

„Hay" bemühte ich mich, im Versuch, die unerträgliche Stille zu vertreiben, die sich für ein paar Sekunden über den Raum gelegt hatte. Mittlerweile hatte ich mir auch die anderen beiden, auf den ersten Blick humanoiden Wesen ansehen können. Es waren ein Mann und eine Frau, beide schienen wirklich mit jeglichen Körperlichen Vorzügen gesegnet, die ein Mensch nur haben konnte. Ihre makellose Haut, seine fast gezeichnet wirkenden blauen Augen. Sie beide waren in weiße Kittel gehüllt, und ihr Anblick erinnerte mich sehr an eine der schrecklich bearbeiteten Covers einer schlechten Arztserie, die sich einsame Leute, wie ich zuweilen auch, abends ansahen und sich fragten, warum das eigene Leben nicht auch so perfekt war.

Hätte ich in den wenigen Sekunden nicht die Zeit und den Blickwinkel gefunden, ihnen in die großen, blauen Augen zu sehen, hätte ich mich wahrscheinlich immer mehr über ihr Aussehen wundern können. Doch ein Blick erzählte mir wie so üblich Bände: Sie beide, die Fernsehärzte, waren keine Menschen und schon gar nicht solch schöne. Sie gehörten einer Spezies an, die als Zygonen bezeichnet wurden – sie fand es im Übrigen rassistisch, wenn man sie einen Gestaltwandler nannte. Und nun wurde mir auch klar, wen genau ich hier vor mir hatte: Sie beide waren die Wesen, die uns in dem schlecht beleuchteten Korridor verfolgt hatten. Mehr oder weniger. Noch so einer also – heute schon der zweite. Ich wusste nicht, ob ich mir das nur einbildete, doch ich hatte ernsthaft das Gefühl, Rekorde zu brechen, was die erste Reise mit dem Doktor anging.

Apropos Doktor: Wo war der denn jetzt? Ich sah keine weitere Liege im Raum, also musste ich hoffen, dass er es geschafft hatte.

„Dann halt nicht" sagte ich mit einem erzwungenen Lächeln und konzentrierte mich auf die Frau mit dem Regenschirm. Ich hatte es mir bis zum Ende aufgespart, ihr in die Augen zu sehen. Einfach, weil ihr Blick allein mich schon anwiderte.

Ich tauchte in ihre Augen ab, und hoffte insgeheim, bald wieder auftauchen zu können, denn irgendetwas an ihr empfand ich auf einmal als mehr als nur abstoßend. Ich stockte, als sich ihr Geist vor mir ausbreitete. Etwas fehlte. Und zwar etwas bedeutendes: Die Erinnerung an mich. So schnell vergessen war ich nicht. Sie hatte mit ziemlicher Sicherheit mindestens einen Gedanken an mich verschwendet und nach meiner Erfahrung behielten Menschen solche Begegnungen für mehrere Wochen in ihrem Gedächtnis und selbst wenn sie es verdrängt hatte, hätte mein Gesicht schon reichen müssen, um die Erinnerungen in ihr wieder zu erwecken. Das hier war der Verstand eines Genies, und ganz bestimmt nicht der eines dummen Gestaltwandlers mit beschränktem Erinnerungsvermögen. Warum sollte so eine Erinnerung so einfach verschwinden? Und allgemein erinnerte nichts an die freundlich dreinblickende Frau, die vor weiß-Gott-wie-langer-Zeit auf der dem Platz vor dem größten Einkaufscenter des Universums begegnet war. Ich begann nachzuforschen. Und was ich herausfand war erschreckend. Ich zuckte zurück aus ihrem Geist, stürmte quasi heraus und drehte den Kopf von ihr weg.

Der Name, den sie, wer auch immer sie wirklich war, benutzte, war Cassandra. Doch dashier war nicht ihr Körper. Er war gestohlen worden, ganz so, wie man ein Armband in seiner Tasche mitgehen lässt. Mit der einschläfernd summenden Maschine konnte man auch Seelen aus Körpern saugen, so wie man sie betäubte. Doch eine Seele konnte ohne Körper nicht existieren: Sie zerfiel zu Atomen, würde nie wieder gesehen werden. Diese Frau trug die Hülle einer Toten wie ein Kleidungsstück. Die Vorstellung, Seelen aus Körpern zu Saugen empfand ich als komplett abartig. Jeden Tag meines Lebens hatte ich in die Köpfe der Menschen geschaut und erkennen können, wie sehr Körper und Geist, physisches und psychisches Wohl, miteinander in Verbindung standen. Seele und Körper voneinander zu trennen – da konnte man der Person auch gleich den Kopf abschneiden. In den Erinnerungen von Camalia – dieser Name war mir von ihrem Geist zugeflüstert worden – hatte ich nicht nur erfahren, dass head-off zur Zeit einfach überhaupt nicht Trend war sondern auch gesehen, wie viel angenehmer diese Variante für die Opfer wohl gewesen wären: Schreie ferner Erinnerungen hallten immer noch für einen Moment nach und ich kniff die Augen zusammen, um sie nicht hören zu müssen.

Diese Frau ist ein Monster, ging es mir durch den Kopf und ich erschauderte. Sie wollte dasselbe mit mir machen. Ich hatte es in ihren Gedanken gesehen, die wie widerliche Schlangen oder Würmer durch das Schwarz ihrer Seele gekrochen waren. Sie wollte mich ohne jegliche Gewissensbisse in Stücke reißen. Ich konnte mich nicht erinnern, wann ich mich das letzte Mal so gefürchtet hatte.

"Alles ok?" sagte eine zuckersüße Stimme neben mir "Darling, stimmt was nicht?" Wären meine Arme nicht gefesselt gewesen, hätte ich dem Miststück sicherlich eine verpasst. Doch ich musste Ruhe bewahren. In meiner jetzigen Situation waren meine Überlebenschancen schwindelerregend gering und was mir noch blieb war, meinen Tod etwas hinauszuzögern um einer möglichen Hilfe Zeit zu verschaffen.

"Das Zeug aus dem Schlauch, „ erwiderte ich und fixierte diesen "das bekommt mir nicht sonderlich. Könnten sie den wohl entfernen?" Aus dem Augenwinkel sah ich, wie die Frau einem der Zygonen zunickte woraufhin dieser um meine Liege marschierte. Er lief schon fast wie ein Model auf dem Catwalk, und als er endlich angekommen war, warf er mir einen schrägen Blick zu. Ich wusste nicht ob es dieser war oder die Tatsache, dass der Kerl mir in genau diesem Moment den Schlauch unsanft aus dem Arm zog, doch mir wurde augenblicklich kotzübel.

"Viel besser, danke, „ sagte ich mit einem erzwungenen Lächeln und gab mir beste Mühe, nicht zu würgen "Sophia Adams, und sie?" Ich versuchte mich so gut wie es ging, in die Rolle einer frechen, vorlauten und vollkommen unwissenden Journalistin zu versetzen, wie ich sie schon oft vor mir gehabt hatte - um zu entscheiden, ob sie zu viel wussten oder nicht und ob man sie ohne eine ordentliche Gehirnwäsche wieder auf die Straße entlassen konnte.

"Sie wissen genau, wer ich bin" sagte Cassandra, wieder mit einer zuckersüßen Stimme und einem nicht halb so süßen Grinsen und ich drehte den Kopf um ihr auf die Lippen zu starren. Wenn ich jetzt etwas Falsches sagte, würde sie mich wahrscheinlich entweder sofort töten oder zuvor noch eine Runde durch foltern, um zu erfahren, wer genau ich war. Ich brauchte den Namen ihrer... Hülle. Gegen meinen eigenen Instinkt ließ ich zu, das mein Blick den ihren erneut traf. Glücklicherweise war die Erinnerung, nach der ich suchte, schnell gefunden - auch wenn die Frau, die die Vorbesitzerin ihres Körpers ermordet hatte, ein ziemlich mieses Namengedächtnis hatte.

"Sie sind die Leiterin des Modemagazine es MSR. Ihre Firma entwirft Mode für alle bekannten und intelligenten Spezies dieser Galaxie. Von Jacketts für Jadoon bis hin zu Glitzerhalsketten für Raxacoricofallapatorianer", sagte ich monoton und wunderte mich nicht einmal über das, was ich in ihrem Geist zu 'lesen' bekam. "Ihr Name ist so gut wie jedem Konsumenten bekannt: Yilette Murt." Ich sah zu, wie die Augenbrauen der Frau langsam in die Höhe wanderten. "Ich wollte wissen, was hinter all dem Glimmer steckt", sagte ich mit einem entschuldigenden Lächeln und sah an meinem gefesselten Körper herunter.

"Schnüffeln ist kein sonderlich gut bezahlter Beruf", stellte Yilettes Mörderin lächelnd fest und versuchte wohl, irgendwie witzig zu sein. "Aber sie waren doch unmöglich alleine unterwegs."

"Hä - ich meine - wie bitte?"

"Spielen sie nicht die Dumme" zischte sie und beugte sich mit einem weiteren Umbridge-Lächeln über mich "oder ich muss ihnen wehtun. Sehr wehtun. Also raus mit der Sprache: Eine Kollegin sagte, sie wären mit einem jungen Mann hier gewesen! Wo ist der?"

"Also jung wäre eindeutig übertrieben..."

"Wo ist er?" Diesmal kreischte sie so laut, dass es mir die Sprache verschlug.

"Ich habe keine Ahnung wo er ist. Und nein", beantwortete ich die Frage, von der ich auch ohne Gedankenlesen wusste, dass sie der Frau gerade auf den Lippen lag "ich weiß auch seinen Namen nicht."

"Wie soll ich das verstehen?" fragte Yilettes Mörderin belustigt, "sie arbeiten mit ihm aber kennen seinen Namen nicht einmal?"

Ich zuckte mit den Schultern, so gut es in meiner Position eben nur ging: "Er benutzt einen Alias."

"Der da lautet?"

Einen Moment stockte ich, bis ich schließlich antwortete. Was konnte das schon für mich verändern? Die Situation war und blieb scheiße. "Der Doktor." Das Gesicht der Frau versteifte sich und machte einen wohl nie zuvor gesehenen Farbwechsel durch: Zuerst wurde es kreidebleich, dann Kirschrot bis hin zu violett und leichten Blautönen, bevor es ereut jede Farbe verlor. Ihr Mund klappte auf und in ihren Augen spiegelte sich pure Panik.

"Hab ich was falsches gesagt?" murmelte ich verzückt, doch ich wurde gar nicht mehr gehört. Cassandra hatte sich auf dem anscheinend sehr hohen Ansatz umgedreht und stolzierte auf wackeligen Beinen davon, heraus aus meinem Sichtfeld. Ich konnte es zwar nicht sehen aber ich konnte spüren, wie sich die zwei Zygonen dumme wie beunruhigte Blicke zuwarfen und ihr hinterher stolzieren.

"Hey", rief ich ihnen hinterher "und was ist mit mir?"

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Hey ho!

Das Easy Kind ist da und realisiert gerade, dass dieses Buch in wenigen Monaten ein Jahr alt wird. Holy cow! That's amazing, u guys! (Wie immer) eine Entschuldigung, für mein spätes uploaden, die ganzen Arbeiten und Tests lassen mir keine Ruhe (morgen schon wieder eine in Latein...) und tumblr raubt meine Nächte.

Diesmal habe ich wieder eine Frage an euch und wer sie beantworten kann, kriegt 'nen Keks.

Warum "MSR Modemagazin"? Und du, 02102001Blue shuttest mal eben ub ;-) 

- Easy the Bell

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