Kapitel 2 - Misstrauen und Albträume
TW: Erwähnung und Beschreibung von Tod
Dass ich Recht hatte, bewies sich nur eine Stunde später - Nya kam, um mich zum Essen zu holen. Im Esszimmer roch es bereits fantastisch, sodass ich den Duft von diesem Essen tief einsog, um ihn zu genießen. Es war wirklich wie früher.
Wie lange ist es jetzt her, dass ich richtiges Essen hatte? So richtiges, mit Liebe gekochtes Essen? Ohne Gefahr, vergiftet zu werden?
Nya schien amüsiert. „Du isst wohl selten richtig, was?", grinste sie. Wahrscheinlich war das als Scherz gemeint, doch meine folgenden Worte schockierten sie offenbar ein wenig.
„Ja. Ich weiß gar nicht mehr, wann ich das letzte richtige Essen hatte, wo ich nicht darauf achten musste, nicht vergiftet zu werden."
Entsetzen erreichte ihre Gesichtszüge. „Ist dir das etwa schon passiert?" Ich sah sie an.
„Ja. Bereits einige Male. Darum war ich stets auf der Hut." Mein Blick wanderte in die Ferne, meine Augen wurden hart. „Einmal hat es funktioniert. Danach nie wieder."
Damit setzten wir unseren Weg fort, fortan von Seitenblicken der jungen Frau begleitet. Im Esszimmer angekommen, fragte ich sie, wo ich sitzen solle.
„Setz dich einfach hier vorne hin, du sitzt dann gleich neben Sensei Wu und mir."
„In Ordnung."
Dann verschwand Nya in die Küche.
Nach und nach kamen die Ninja herbeigetrudelt. Mehr oder weniger begeistert, dass ich da war. Sie setzten sich auf ihre üblichen Plätze. Nya saß, wie eben gesagt, neben mir, neben sich ihren Bruder und neben diesem Zane. Jay saß Zane gegenüber, Cole Kai und Lloyd Nya. Das bedeutete wohl, dass entweder Misako oder Garmadon vor mir sitzen würde. Auch Wu, Garmadon und Misako folgten bald. Entspannt setzte ersterer sich neben mich, während Misako vor ihm und Garmadon vor mir Platz nahm. Zane und Nya hatten bereits vorher das Essen hereingeholt und auf den Tisch gestellt. Alle wünschten einen guten Appetit, ehe wir anfingen zu essen. Es gab Curryreis mit Hühnchen.
„Du bist also das neue Mitglied des Teams.", sprach mich Misako an. „Akumi, richtig? Ich bin Misako, Lloyds Mutter."
Leicht neigte ich respektvoll meinen Kopf. „Genau. Es ist schön, Sie kennenzulernen."
Sie lächelte mich an. Garmadon stellte sich ebenfalls freundlich vor:
„Ich bin Sensei Garmadon. Erstaunlich, wie du die Ninja so schnell besiegen konntest. Offenbar war es ein guter Kampf."
Auch bei ihm neigte ich respektvoll meinen Kopf. „Vielen Dank, Sensei Garmadon. Doch ich fürchte, ich verdiene nicht so viel Lob. Ich bin lediglich ausgewichen oder habe pariert und zwei, drei Angriffe gestartet. Die Ninja waren wirklich sehr gut."
Leise lachte Misako. „Nicht so bescheiden, mein Kind. Du musst ziemlich stark sein, wenn du sie so schnell besiegen konntest."
„Vielen Dank. Doch derlei kann ich leider nicht einschätzen.", erwiderte ich höflich. Ich wollte niemandem vor den Kopf stoßen, auch, wenn es mir scheinbar dennoch gelang. Lloyd hatte das Gesagte mit größtem Argwohn und zusammengekniffenen Augen beobachtet. Garmadon war dies aufgefallen, denn er sprach ihn darauf an:
„Ist etwas, Lloyd?"
„Nein.", erwiderte er, wieder ziemlich kühl. Ich warf ihm einen Blick zu. Er schien ziemlich unerfreut über meine Anwesenheit, das verrieten seine zusammengepressten Lippen. „Wenn es euch nicht stört, würde ich gerne in mein Zimmer. Danke fürs Essen.", meinte er dann, und verließ flotten Schrittes den Raum. Die Ninja, die sich bis eben noch munter unterhalten hatten, sahen ihm verwirrt hinterher.
„Was ist dem denn über die Leber gelaufen?", fragte Cole verwirrt.
„Ihn stört meine Anwesenheit.", murmelte ich leise, und stocherte in meinem Essen herum, um zu verbergen, wie sehr mich das traf. Misako und Garmadon warfen mir einen mitfühlenden Blick zu, genau wie die übrigen Ninja. Mir war der Appetit vergangen.
„Nimm's nicht so hart, er meint das bestimmt nicht persönlich.", versuchte Nya mich zu trösten.
„Schon gut.", meinte ich mit einem gezwungenen Lächeln, um meinen inneren Schmerz zu verbergen. „Ich bin sowas gewöhnt."
Die anderen Ninja aßen weiter, doch ich spürte noch immer Garmadon's mitleidigen Blick auf mir. Er verstand genau, wie sich sowas anfühlte. Und genau wie ich verbarg er es.
Gleich und gleich gesellt sich gern...
Nach dem Essen verließ ich das Esszimmer, wünschte ihnen schon einmal eine gute Nacht und lief in mein Zimmer. Dort setzte ich mich auf mein Bett und versuchte, nicht an Lloyds Misstrauen zu denken.
Es tut weh. Vor allem, nach allem was wirklich passiert ist. Aber sie erinnern sich nicht, wie ich es tue... Flüchtig lächelte ich. Und das ist gut so.
Plötzlich hörte ich, wie die Tür zum Nebenzimmer geöffnet wurde. Es war das Zimmer der Ninja, zumindest dem männlichen Part von ihnen, die sich ein Großes teilten. Da die Wände dünn waren, hörte man jedes Wort.
„Was ist los, Lloyd?", hörte ich Garmadon sanft fragen. „Du bist doch sonst nicht so."
Mein Gesicht erhitzte sich. Die Ninja hatten noch ein Videospiel spielen wollen. Er war allein.
Verdammt! Warum müssen diese Wände nur so dünn sein?!
„Es ist nichts, Vater.", antwortete der Blondschopf mürrisch.
„Das glaube ich dir nicht. Komm schon, was ist los? Ich sehe doch, dass dich etwas bedrückt."
„Ich... ich verstehe einfach nicht, wie Onkel Wu sie einfach so aufnehmen konnte! Ich spüre doch, dass in ihr etwas Böses steckt! Ich traue ihr einfach nicht! Und die anderen auch nicht wirklich! Sogar Kai und Nya nicht, nur versuchen sie, es positiv zu sehen. Sonst ist Onkel Wu doch auch nicht so vertrauensselig! Erst taucht sie einfach auf und will Ninja werden, dann hat sie kein festes Zuhause und zack! Nimmt er sie auf!", rückte er schließlich heraus.
Eine kurze Weile Stille, von beiden Seiten aus. Ich spürte beinahe, wie Garmadon seinem Sohn einen langen Blick zukommen ließ, bevor er antwortete:
„Weißt du, Lloyd... Auch ich spüre, dass in ihr etwas Böses verborgen ist. Wu garantiert auch. Doch nur weil etwas Böses in einem steckt, heißt das nicht unbedingt, dass diese Person auch böse ist oder böses will. Wu glaubt nicht, dass sie etwas Böses will. Andernfalls hätte sie euch doch auch verletzen können, oder? Wu hat mir von eurem Trainingskampf erzählt. Sie hat sich offenbar Mühe gegeben, euch nicht zu verletzen. Außerdem, wohnt ihr nicht auch hier? Und was ist, wenn sie im Team ist, aber nicht so schnell kommen kann, weil sie kein Gefährt hat, wie ihr es habt? Wenn sie schon nirgends wohnt und außerdem zum Team gehört und unsere Schülerin ist, warum sollte sie es dann nicht?"
„Du willst sie auch noch trainieren?! Willst du sie noch mehr stärken, sodass wir bald gar keine Chance mehr haben?!", hörte ich Lloyd. Seine Stimme schien aufgebracht. Ich presste die Lippen zusammen.
„Lloyd, vergiss nicht, was ich anfangs gesagt habe. Nur, weil in einem etwas Böses verborgen ist, heißt das nicht, dass man es ist. Außerdem war es ja auch nicht ganz fair, wie ihr gegen sie vorgegangen seid, wenn ich mich recht entsinne. Immerhin habt ihr trotz Absprache, dies nicht zu tun, sie alle gleichzeitig angegriffen. Wie würdest du dich da fühlen? Wenn man von allen angegriffen und einem von jedem misstraut wird? Obwohl man nun ein neues Teammitglied ist? Nya habt ihr auch mit offenen Armen empfangen. Da hätte es ebenso sein können, nur, dass ihr sie kanntet. Und haben sie dich nicht auch mit offenen Armen empfangen, wenn auch zögerlich? Obwohl du mein Sohn warst und bist? Mich habt ihr auch mit offenen Armen empfangen, nachdem ich wieder gut wurde. Obwohl ich vorher Ninjago beherrschen wollte und alle dies wussten? Bei ihr scheint es nicht so, und dennoch, weil du etwas Böses spürst, vertraust du ihr nicht. Außerdem habe ich vor, ihr das morgen zu sagen, mit dem Trainieren. Sie scheint mir ebenso viel Potenzial zu haben wie ihr alle. Und ihr habt von uns viel mehr Training erhalten als sie. Es wäre nur fair." Schweigen. „Vertraue Wu, Lloyd. Wir glauben nicht, dass sie etwas Böses vorhat. Wenn du das nicht kannst, vertraue mir. In Ordnung?"
Er traut mir... So, so sehr... Ohne sich zu erinnern...
„In Ordnung, ich werde mich etwas zurückhalten. Aber das heißt nicht, dass ich ihr vertraue."
„Das erwartet auch keiner, Lloyd. Na komm, die anderen spielen irgend so ein Videospiel, setz dich doch dazu. Akumi hat sich auf ihr Zimmer begeben, das heißt, dass du ihr wahrscheinlich nicht mehr über den Weg läufst."
Danach war nichts mehr zu hören, nur noch Schritte und die Tür. Tief atmete ich durch. Garmadon hatte sich also für mich eingesetzt.
Er traut mir... Viel zu sehr...
Ein bitteres Lächeln schlich sich auf meine Lippen. Wieder etwas, was meine Herkunft zerstörte. Dieses Mal, meine Chance auf eine glückliche Zeit mit dem Team. Ich sah traurig aus dem Fenster. Der Mond war schon aufgegangen.
Ich wünschte, ich wäre nicht seine Tochter.
Und dieses Mal, war mein Wunsch stärker als ich ihn jemals verspürt hatte. Es stimmte. Meine Herkunft legte sich jedes Mal wie Ketten um meinen Körper, die mich aufhielten, das zu tun, was ich mir wünschte. Ebenso meine Elementarkräfte, die ich dadurch geerbt hatte. Vielleicht war das ja auch einer der Gründe, warum ich sie so selten einsetzte. Die meisten Menschen konnten meine Herkunft nicht fühlen, doch meine Elementarkräfte verrieten diese, wenn man eingeweiht war.
Nicht einmal Wu, Garmadon und Misako wissen noch davon... Von diesen Elementarkräften... Und noch weniger von ihrem Meister und somit auch, wer seine Tochter war und leider noch immer ist...
Ich schüttelte meinen Kopf. Über so etwas sollte ich nicht nachdenken. Also stand ich auf und beschloss, Duschen zu gehen. Das warme Wasser würde mich sicher beruhigen. Ich schnappte mir meine Kleidung für die Nacht, Handtuch und Shampoo und lief zum Bad. Meine Zahnbürste nahm ich auch gleich mit. Diese Dinge hatte ich immer dabei, immerhin hatte ich keinen festen Schlafplatz - außer den bei meinem Vater, und zu diesem wollte ich ganz bestimmt nicht. Nie mehr.
Wie erwartet entspannte mich das Wasser. Beruhigend prasselte es auf mich herab.
Wie lange ist es schon her...? Eine Dusche in diesen Wohnlichkeiten...?
Ich grinste, als ich daran dachte, wie oft sie ihren Standort gewechselt hatte. Die Bäume, die meinen Wutanfällen beiwohnten, taten mir leid, immerhin hatte ich sie quasi vernichtet. Ein Versuch, mein normalerweise übliches Temperament zu zähmen, solange noch niemand in meiner Umgebung war.
Noch eine kurze Weile genoss ich das Wasser, doch dann trocknete ich mich ab und machte mich fertig für die Nacht. Dann tapste ich zurück in mein Zimmer, trocknete meine Haare und legte mich schlafen. Mein Katana legte ich unter mein Kopfkissen, eine Angewohnheit, die ich mir seit der Anfangszeit bei meinem Vater angewöhnt hatte. Und wie jede Nacht, träumte ich eine leicht veränderte Version meiner Vergangenheit...
Stille. Jedoch keine angenehme. Es war totenstill überall, etwas, was eigentlich selten vorkam. Vorsichtig lugte mein kleines Ich durch die Tür ins Wohnzimmer.
„Mama? Wo bist du?" Keine Antwort. „Mama?", rief es etwas lauter.
Noch immer vorsichtig öffnete es die Tür ein weiteres Stückchen.
„Mama!", kreischte es nun entsetzt, als es sie dann entdeckte.
Leblos, die Arme und Beine abnormal verdreht. Blut, überall um sie herum. Entsetzt kroch mein kleines Ich mit Tränen in den Augen zu ihr.
„MAMA!!!", schrie es verzweifelt, als es feststellte, dass ihre Mutter tot war.
Tot. Ermordet. Aufgeschlitzt, direkt über dem Herzen...
Weinend presste es ihren leblosen Körper an sich, ehe es sich auf die Suche nach dem älteren Bruder machte. Ich selbst stand mit schwerem Blick in der Ecke des Wohnzimmers. Damals war ich sechs... Sechs Jahre alt, und dennoch musste ich meine Mutter auf grausame Weise ermordet vorfinden.
Die Szenerie änderte sich. Plötzlich stand ich in der Arena meines Vaters, umgeben von nichts. Die grausame Stimme meines Vaters drang an mein Ohr:
„Du bist schwach. Nichts wert, genau wie deine Mutter. Und weißt du was? Ich war es, der sie ermordet hatte. Und das nur, weil sie ein kleines, wertloses Wesen wie dich vor mir schützen wollte. Tja, dafür hat sie nun einmal mit dem Leben bezahlt."
„Hör auf! Hör bitte auf!", schrie ich, Tränen in den Augen.
„Und weißt du noch etwas? Du bist genauso! Ermordest einfach deinen großen Bruder, nur weil er es wollte. Hättest du ihn wirklich geliebt, hättest du ihm beigestanden, anstatt seine Bitte zu erfüllen."
„Nein! Er wollte einfach nur niemanden verletzen! Ich-"
„Tja, tja, eigentlich ziemlich schwach, nicht wahr? Nur weil er es sich wünschte... Tja, hättest du ihm beigestanden, wäre er noch am Leben! Das ist also deine Schuld!"
„Nein! Lass mich!"
„Er hätte sein Leben leben können, hättest du ihm beigestanden!"
„Hör auf! Lass mich in Ruhe!"
„Aber es ist doch die Wahrheit? Willst du etwa die Augen vor der Wahrheit verschließen? Tse, schwach bist du! Einfach nur das, ein schwaches kleines Mädchen!"
„Nein! Das stimmt nicht! Ich konnte sie beschützen!"
„Ach? Und wie danken sie es dir? Mit Misstrauen? Womöglich sogar Hass?"
„Aber sie können das doch nicht wissen!"
„Und? Wieso rennst du dann wieder hin? Um Trost zu suchen? Sieh es ein, du bist schwach! Erst hast du deine Mutter sterben lassen, dann deinen Bruder, und nun siehst du es nicht einmal ein!"
„Akumi! Du bist schwach! Eine richtige Schande für mich!", hörte ich plötzlich meinen Bruder von hinten. Ich schlug die Hände auf den Mund und drehte mich zu der Stimme, nur um dann meinen Bruder Alex zu sehen. Meinen steten Anker, der ebenfalls seines Lebens beraubt worden war.
„Ich hasse dich!"
Nein! Nein, nein, nein! Alex! Das muss ein Alptraum sein!
„Du konntest mich nicht schützen. Und sowas nennt sich Tochter!", ertönte die Stimme meiner Mutter, die neben meinem Bruder stand.
„Nein! Ich-", setzte ich weinend zum Erklären an, doch mein Bruder und meine Mutter sahen mich nur kalt und hasserfüllt an, ehe sie sich zum Gehen bewegten. So, wie sie aus meinem Leben gegangen waren...
„Nein! Mutter! Alex! Bleibt hier! Ich wollte das alles doch gar nicht!"
„Dir kann man nicht trauen! Du trägst Böses in dir!", hörte ich auf einmal Lloyd, und musste mitansehen, wie er und die Ninja sich von mir entfernten, während ich wie festgefroren festsaß.
„Nein! Bitte! Hört auf! Neeeein!"
„Neeeein!", schrie ich, während ich schweißgebadet aufwachte. Es dauerte einige Zeit, ehe ich registrierte, wo ich war. Erleichtert seufzte ich. „Nur ein Traum...", flüsterte ich zittrig.
Erschöpft sah ich auf die Uhr. Zwei Uhr morgens. Und doch konnte ich nun nicht mehr schlafen. Tränen rannen mir über die Wangen, der Traum war einfach zu real gewesen. Ich schlug mir die Hände vor mein Gesicht.
Wann hören diese Alpträume endlich auf, mich zu quälen?, fragte ich mich verzweifelt.
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